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Schleifbearbeitung von Hart-Weich-Verbunden – Finite-Elemente-Simulation des Schleifprozesses von hybriden Schichtverbunden Grinding of ceramic-metal-compounds – finite element analysis simulation of the grinding process of hybrid stratified compounds D. Biermann, E. Wu ¨ rz In der vorliegenden Arbeit wird das Teilprojekt TP8 „Schleifbe- arbeitung von Hart-Weich-Verbunden“ des Graduiertenkollegs 1378 vorgestellt. Dabei soll ein angepasster Schleifprozess fu ¨r die Her- stellung von symmetrischen, geradgenuteten Keramik-Hartmetall- Verbundbohrwerkzeugen fu ¨r die Gusseisenzerspanung im Durch- messerbereich unterhalb von 20 mm geschaffen werden. Dieser soll mit Hilfe von experimentellen Untersuchungen und dem Einsatz der Finite-Elemente-Methode fu ¨r die Schleifbearbeitung von Kera- mik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen optimiert werden. Des Weiteren wird ein Ansatz fu ¨r die Simulation des Schleifprozesses von hybriden Schichtverbunden dargestellt, der als Grundlage fu ¨r eine Finite-Elemente-Simulation der Schleifbearbeitung von Kera- mik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen dienen soll. Schlu ¨sselworte: Produktionsprozess, Schleifen, Keramik-Hart- metall-Verbundbohrwerkzeug, Finite-Elemente-Methode, Kera- mik-Hartmetall-Schichtverbund In this paper, the subproject TP 8 “Grinding of ceramic-metal- compounds” is been introduced. An adapted grinding strategy should be created for the production of a ceramic-cemented carbide compound drill. This aim should be obtained with experimental analysis and the use of finite element analysis to simulate the grind- ing process of ceramic-cemented carbide compound drill. Further- more a basic approach for simulating the grinding process of hybrid stratified compounds is been presented, which should be a basis for a finite element analysis simulation of a grinding process of cera- mic-cemented carbide compound drill. Key words: Production Process, Grinding, ceramic-cemented carbide compound drill, Finite Element Analysis, ceramic-metal- stratified compound 1 Einleitung Hybride Werkstoffsysteme werden in Schichtbauweise aus unterschiedlichen Materialien zusammengesetzt, um jede Schicht fu ¨r eine spezifische Belastungsart auszulegen. Dabei werden die Eigenschaften der einzelnen Materialien so kom- biniert, dass sich die Vorteile der Einzelwerkstoffe gegenseitig im Eigenschaftsverbund erga ¨nzen. Als typische Kombinati- onswerkstoffe sind hierbei geklebte Aluminium-Titan- und Leichtmetall-Kunststoff-Verbunde zu nennen. Diese werden ha ¨ufig in der Luft- und Raumfahrttechnik sowie im Automo- bilbau in Form von Leichtbaukonstruktionen angewendet, um die bewegten Massen und daraus folgend auch den Verbrauch der fossilen Brennstoffe zu reduzieren. [1; 2; 3] Jedoch ist die Herstellung und Anwendung hybrider Werk- stoffsysteme keineswegs auf den Leichtbau beschra ¨nkt. In zahlreichen Anwendungsfa ¨llen soll ein Grundmaterial, zu- meist nur an speziellen Bereichen, vor extremen mechani- schen, thermischen und/oder chemischen Beanspruchungen geschu ¨tzt werden, um so z. B. die Lebensdauer von Bauteilen und Werkzeugen zu verla ¨ngern. Als Beispiele hierfu ¨r lassen sich Zerkleinerungswalzen in der Stein- und Erdenindustrie sowie Ventile fu ¨r Groß- und Hochleistungsmotoren anfu ¨hren [4; 5; 6; 7]. Des Weiteren gibt es ein breites Anwendungsgebiet fu ¨ r den Einsatz von hybriden Werkstoffsystemen im Bereich der Ver- bundwerkzeuge, um den Verschleiß an Zerspanungs-, Um- form- und Schneidwerkzeugen zu reduzieren. So zeichnen sich beispielsweise keramische Werkstoffe, wie Siliziumni- trid, gegenu ¨ber metallischen Werkstoffen durch eine hohe chemische Verschleißbesta ¨ndigkeit und sehr hohe Warmha ¨rte aus, die allerdings durch eine geringe Duktilita ¨t begleitet wird. Um Hartmetalle, die einen ga ¨ngigen Schneidstoff zur Zerspa- nung mit geometrisch bestimmter Schneide darstellen, mit Keramiken in der Praxis eigenschafts- und anwendungsge- recht kombinieren zu ko ¨nnen, bietet sich der Einsatz als hy- brider Werkstoffverbund an. Dieser stellt einen Ansatz zur Er- zielung ho ¨herer Wirtschaftlichkeiten in der Metallverarbei- tung dar und genu ¨gt der Einhaltung der heute existierenden strengen Restriktionen bezu ¨glich der Human- und Umwelt- vertra ¨glichkeit. Beispielsweise findet ein aktivgelo ¨ teter Silizi- umnitrid-Metall-Werkstoffverbund bei Kurzlochbohrern, Schneidstempeln und Gesenkmatrizen Anwendung [8]. Aller- dings haben Schneidkeramiken bei Bohrwerkzeugen bisher nur eine geringe Verbreitung, die im Bereich der Hochge- schwindigkeitsbearbeitung liegt, und werden fast ausschließ- lich bei Wendeplattenbohrern verwendet, deren Durchmesser- bereich aufgrund von konstruktiven Einschra ¨nkungen ober- halb von etwa 20 mm beginnt. Fu ¨r kleinere Durchmesserbe- reiche bieten sich Keramik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeu- ge an, die aus einem Hartmetallschaft mit einem stoffschlu ¨ssig gefu ¨gten keramischen Schneidteil bestehen und somit die ge- zielte Nutzung der jeweiligen Eigenschaftsvorteile der beiden Werkstoffe ermo ¨glichen, Bild 1. Auch sind diese weniger ko- stenintensiv als die bisher zumeist eingesetzten monolithi- schen Vollkeramikbohrer und bieten daher eine wirtschaftli- che und technologische Alternative zu diesen. [9] Zur Bohrbearbeitung von steadithaltigem, lamellarem Grauguss, der im Maschinen- sowie im massenfertigungs- orientierten Automobil- und Motorenbau sehr weit verbreitet DOI: 10.1002/mawe.200800335 Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 9 622 F 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Schleifbearbeitung von Hart-Weich-Verbunden – Finite-Elemente-Simulation des Schleifprozesses von hybriden Schichtverbunden

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Schleifbearbeitung von Hart-Weich-Verbunden –Finite-Elemente-Simulation des Schleifprozessesvon hybriden SchichtverbundenGrinding of ceramic-metal-compounds – finite element analysis simulation of thegrinding process of hybrid stratified compounds

D. Biermann, E. Wurz

In der vorliegenden Arbeit wird das Teilprojekt TP8 „Schleifbe-arbeitung von Hart-Weich-Verbunden“ des Graduiertenkollegs 1378vorgestellt. Dabei soll ein angepasster Schleifprozess fur die Her-stellung von symmetrischen, geradgenuteten Keramik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen fur die Gusseisenzerspanung im Durch-messerbereich unterhalb von 20 mm geschaffen werden. Diesersoll mit Hilfe von experimentellen Untersuchungen und dem Einsatzder Finite-Elemente-Methode fur die Schleifbearbeitung von Kera-mik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen optimiert werden. DesWeiteren wird ein Ansatz fur die Simulation des Schleifprozessesvon hybriden Schichtverbunden dargestellt, der als Grundlage fureine Finite-Elemente-Simulation der Schleifbearbeitung von Kera-mik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen dienen soll.

Schlusselworte: Produktionsprozess, Schleifen, Keramik-Hart-metall-Verbundbohrwerkzeug, Finite-Elemente-Methode, Kera-mik-Hartmetall-Schichtverbund

In this paper, the subproject TP 8 “Grinding of ceramic-metal-compounds” is been introduced. An adapted grinding strategyshould be created for the production of a ceramic-cemented carbidecompound drill. This aim should be obtained with experimentalanalysis and the use of finite element analysis to simulate the grind-ing process of ceramic-cemented carbide compound drill. Further-more a basic approach for simulating the grinding process of hybridstratified compounds is been presented, which should be a basis fora finite element analysis simulation of a grinding process of cera-mic-cemented carbide compound drill.

Key words: Production Process, Grinding, ceramic-cementedcarbide compound drill, Finite Element Analysis, ceramic-metal-stratified compound

1 Einleitung

Hybride Werkstoffsysteme werden in Schichtbauweise ausunterschiedlichen Materialien zusammengesetzt, um jedeSchicht fur eine spezifische Belastungsart auszulegen. Dabeiwerden die Eigenschaften der einzelnen Materialien so kom-biniert, dass sich die Vorteile der Einzelwerkstoffe gegenseitigim Eigenschaftsverbund erganzen. Als typische Kombinati-onswerkstoffe sind hierbei geklebte Aluminium-Titan- undLeichtmetall-Kunststoff-Verbunde zu nennen. Diese werdenhaufig in der Luft- und Raumfahrttechnik sowie im Automo-bilbau in Form von Leichtbaukonstruktionen angewendet, umdie bewegten Massen und daraus folgend auch den Verbrauchder fossilen Brennstoffe zu reduzieren. [1; 2; 3]

Jedoch ist die Herstellung und Anwendung hybrider Werk-stoffsysteme keineswegs auf den Leichtbau beschrankt. Inzahlreichen Anwendungsfallen soll ein Grundmaterial, zu-meist nur an speziellen Bereichen, vor extremen mechani-schen, thermischen und/oder chemischen Beanspruchungengeschutzt werden, um so z.B. die Lebensdauer von Bauteilenund Werkzeugen zu verlangern. Als Beispiele hierfur lassensich Zerkleinerungswalzen in der Stein- und Erdenindustriesowie Ventile fur Groß- und Hochleistungsmotoren anfuhren[4; 5; 6; 7].

Des Weiteren gibt es ein breites Anwendungsgebiet fur denEinsatz von hybriden Werkstoffsystemen im Bereich der Ver-bundwerkzeuge, um den Verschleiß an Zerspanungs-, Um-form- und Schneidwerkzeugen zu reduzieren. So zeichnensich beispielsweise keramische Werkstoffe, wie Siliziumni-trid, gegenuber metallischen Werkstoffen durch eine hohe

chemische Verschleißbestandigkeit und sehr hohe Warmharteaus, die allerdings durch eine geringe Duktilitat begleitet wird.Um Hartmetalle, die einen gangigen Schneidstoff zur Zerspa-nung mit geometrisch bestimmter Schneide darstellen, mitKeramiken in der Praxis eigenschafts- und anwendungsge-recht kombinieren zu konnen, bietet sich der Einsatz als hy-brider Werkstoffverbund an. Dieser stellt einen Ansatz zur Er-zielung hoherer Wirtschaftlichkeiten in der Metallverarbei-tung dar und genugt der Einhaltung der heute existierendenstrengen Restriktionen bezuglich der Human- und Umwelt-vertraglichkeit. Beispielsweise findet ein aktivgeloteter Silizi-umnitrid-Metall-Werkstoffverbund bei Kurzlochbohrern,Schneidstempeln und Gesenkmatrizen Anwendung [8]. Aller-dings haben Schneidkeramiken bei Bohrwerkzeugen bishernur eine geringe Verbreitung, die im Bereich der Hochge-schwindigkeitsbearbeitung liegt, und werden fast ausschließ-lich bei Wendeplattenbohrern verwendet, deren Durchmesser-bereich aufgrund von konstruktiven Einschrankungen ober-halb von etwa 20 mm beginnt. Fur kleinere Durchmesserbe-reiche bieten sich Keramik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeu-ge an, die aus einem Hartmetallschaft mit einem stoffschlussiggefugten keramischen Schneidteil bestehen und somit die ge-zielte Nutzung der jeweiligen Eigenschaftsvorteile der beidenWerkstoffe ermoglichen, Bild 1. Auch sind diese weniger ko-stenintensiv als die bisher zumeist eingesetzten monolithi-schen Vollkeramikbohrer und bieten daher eine wirtschaftli-che und technologische Alternative zu diesen. [9]

Zur Bohrbearbeitung von steadithaltigem, lamellaremGrauguss, der im Maschinen- sowie im massenfertigungs-orientierten Automobil- und Motorenbau sehr weit verbreitet

DOI: 10.1002/mawe.200800335 Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 2008, 39, No. 9

622 F 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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ist, mussen die als Hybridwerkzeug ausgefuhrten symmetri-schen, geradgenuteten Kurzlochbohrer hochsten Anforderun-gen gerecht werden. Die Schleifbearbeitung des im Rahmendieses Projektes hergestellten Hybridwerkzeuges stellt hierbeieine besondere Herausforderung dar. Die spezifischen Eigen-schaften der keramischen Werkstoffe, wie hohe Harte, Spro-digkeit, chemische Bestandigkeit und thermische Schockem-pfindlichkeit sowie diejenigen der Hartmetalle, wie hohe Za-higkeit und Biegefestigkeit, erfordern jeweils eine spezielleBerucksichtigung bei der schleifenden Bearbeitung.

2 Technologische Grundlagen undStand der Technik

2.1 Grundlagen des Schleifprozesses

Die Herstellung und Aufbereitung von Zerspanwerkzeugenerfolgt in der Regel unter Einsatz eines spanenden Fertigungs-verfahrens mit geometrisch unbestimmter Schneide, demSchleifen. Es hat sich in umfangreichen Untersuchungen he-rausgestellt, dass das Einsatz- und Verschleißverhalten vonZerspanwerkzeugen maßgeblich durch die im Schleifprozesswirkenden thermomechanischen Belastungen beeinflusstwird [10; 11]. Durch die Warme, die aus dem Zusammenwir-ken von Schleifscheibe, Werkstuck und Kuhlschmierstoff re-sultiert und anteilig in das Werkstuck eingebracht wird, unddie mechanischen Belastungen konnen Gefugeveranderungenund Eigenspannungen im Werkstuck hervorgerufen werden,die zu einer Gestaltabweichung bzw. zu Oberflachenschadi-gungen wie Mikrorissen im Werkstuck fuhren konnen. Des-halb ist eine detaillierte Anpassung samtlicher schleiftechno-logischer Parameter an den jeweils zu bearbeitenden Werk-stoff eine entscheidende Vorraussetzung fur einen optimaldurchgefuhrten Schleifprozess. [10; 11; 12]

2.2 Werkstofftechnologische Aspekte

Hartmetall, das einen gangigen Werkstoff zur Herstellungvon Zerspanwerkzeugen mit geometrisch bestimmter Schnei-de fur die Metallverarbeitung darstellt, zahlt zu den Hartver-bundwerkstoffen mit einem Hartphasengehalt von zumeistuber 90 Volumenprozent. Die spanende Bearbeitung vonHartmetall wird aufgrund des hohen Anteils karbidischerHartstoffe als sehr problematisch beschrieben [5; 13]. Durchdie Veranderung des Aufbaus, der Zusammensetzung vonHartstoffen und Bindephase oder auch des Herstellungspro-zesses konnen die Eigenschaften der Hartmetalle gezielt ein-gestellt werden, wodurch in den letzten Jahrzehnten eine stan-dig fortschreitende Leistungssteigerung der Hartmetall-schneidstoffe erreicht wurde, die eine starke Erweiterungder Anwendungsbereiche ermoglicht hat [13].

Der keramische Werkstoff Siliziumnitrid wird seit Beginnder 1980er Jahre als hochbelastbare technische Keramik imVerschleißschutz, der Metallbearbeitung, der Energietechnik,im chemischen Apparatebau und als Konstruktionswerkstofffur den Maschinen-, Motoren- und Turbinenbau eingesetzt[8]. Dies liegt in seinen herausragenden Eigenschaften, wieder hohen Warmharte und der geringen chemischen Reakti-onsfahigkeit, und dem typischen Gefugeaufbau, bestehendaus in einer hoch temperaturbestandigen Korngrenzphase ein-gebetteten nadelformigen Siliziumnitridkornern, begrundet.Die Bearbeitung der keramischen Werkstoffe hingegen orien-tiert sich an deren fehlender plastischer Verformbarkeit, da sieaufgrund ihrer Sprodheit nicht im gleichen Maße wie Metallin der Lage sind, auftretende Spannungsspitzen durch plasti-sche Verformungen abzubauen. Diese lokalen Spannungsspit-zen konnen daher in der Keramik Mikrorisse verursachen, dieunter ungunstigen Bedingungen, wie mechanischer Wechsel-beanspruchung oder der Thermoschockempfindlichkeit, zueinem Rissfortschritt und schließlich zum Versagen des Werk-stuckes fuhren konnen [14; 15].

3 Aufgabenstellung, Zielsetzung undVorgehensweise

In eigenen Untersuchungen am Institut fur Spanende Ferti-gung wurde die Problematik der Herstellung von symmetri-schen, geradgenuteten Keramik-Hartmetall-Verbundbohr-werkzeugen fur die Gusseisenzerspanung im Durchmesserbe-reich unterhalb von 20 mm untersucht [9]. Dabei ist es gelun-gen, eine Basis fur die erfolgreiche Anwendung eines Bohrer-konzeptes aus einem Keramik-Hartmetall-Verbund zu schaf-fen. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Optimie-rung der Werkzeugkontur, bei deren Entwicklungsprozesssich die Finite-Elemente-Methode als wesentliches Hilfsmit-tel erwiesen hat, um Vorhersagen zu den aus dem Herstel-lungsprozess und dem spateren Einsatz resultierenden, struk-turmechanischen Belastungen des Verbundes zu treffen. Beiden experimentellen Untersuchungen zum Einsatzverhaltendieser Verbundbohrwerkzeuge stellten sich jedoch die Sprod-heit der erzeugten Keramikschneide, die statistisch im kera-mischen Werkstoff und an dessen Oberflache verteilten Inho-mogenitaten wie Poren, Risse oder Fremdeinschlusse und diedamit einhergehende Mikrorissbildung als problematisch he-raus, Bild 2. Die Untersuchungen verdeutlichten somit dieNotwendigkeit, die Prozesskette zur Herstellung dieser Ver-bundbohrwerkzeuge zu verbessern, um die technologischenEigenschaften des Verbundbohrwerkzeuges und somit dessenEinsatzverhalten zu optimieren.

Bei der Durchfuhrung des Projektes sollen zunachste dieAuswirkungen der Schleifbearbeitung von Hart-Weich-Ver-bunden am Beispiel von Keramik-Hartmetall-Schichtverbun-den in Anlehnung an das Schleifen bei der Herstellung von

Bild 1. Vorteile der einzelnen Verbundpart-ner des Keramik-Hartmetall-Verbundbohr-werkzeuges [9]

Figure 1. Advantages of the material prop-erties of the applied materials in the activebrazed ceramic-cemented carbide com-pound drill [9]

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Keramik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen detailliert un-tersucht werden. Dadurch soll ein umfassendes Verstandnisdes betrachteten Prozesses, das die Grundlage zur Steigerungder technologischen und wirtschaftlichen Leistungsfahigkeitbeim Schleifen von hybriden Werkstoffverbunden liefernsoll, erlangt werden und anschließend eine Ubertragung aufdie Schleifbearbeitung von Keramik-Hartmetall-Verbund-bohrwerkzeugen erfolgen. Das Ziel soll sowohl durch eineLeistungssteigerung des Schleifprozesses aufgrund einerAnalyse auf der Basis der Anwendung einer Finite-Elemen-te-Simulation erreicht werden als auch durch die weitgehendeexperimentelle Prozessoptimierung und eine Verifikationdurch Einsatzversuche der hergestellten Werkzeuge.

4 Modellierung und Simulation desSchleifprozesses

4.1 Thermophysikalisches Grundmodell desSchleifprozesses

Wahrend des Schleifprozesses wird Energie in den Prozesseingebracht, die in Warme umgewandelt wird. Die Warmewird in der Kontaktzone zwischen der Schleifscheibe unddem geschliffenen Werkstuck erzeugt und verteilt sich aufalle am Spanbildungsprozess beteiligten Systemkomponen-ten: die Schleifscheibe, das Werkstuck, die Spane und denKuhlschmierstoff. Ein betrachtlicher Teil des Warmestromsfließt dabei uber die Kontaktzone in das Werkstuck undkann zu einem temporaren Temperaturanstieg in der Kontakt-zone fuhren. Je nach Große des Warmestroms und Einwirkzeitkonnen Gefugeanderungen bzw. Schadigungen in der Rand-zone des Werkstuckes verursacht werden [16]. Des Weiterenkonnen die thermomechanischen Belastungen zu Deformatio-nen des Werkstuckes und des Maschinensystems fuhren, dieeine Gestaltabweichung nach dem Schleifprozess hervorrufenkonnen [11]. Deshalb ist die Kenntnis der durch den Schleif-prozess generierten thermischen und mechanischen Belastun-gen in dem geschliffenen Werkstuck eine wichtige Vorausset-zung, um ein grundlegendes Prozessverstandnis erlangen undden Schleifprozess optimal auslegen zu konnen.

4.2 Grundlagen der Finite-Elemente-Methodebezogen auf die Schleifbearbeitung

Fur die Bestimmung der wahrend der Schleifbearbeitungauftretenden Temperaturen, die meist durch Verformungs-,Reibungs- und Schervorgange in der Kontaktzone entstehen,werden in der Literatur verschiedene Modelle und Methodenverwendet. Diese basieren meist auf dem theoretischen Mo-dell von Carslaw und Jaeger [17; 18]. Dabei wird eine kon-stante Warmequelle mit einer konstanten Geschwindigkeit ge-radlinig uber die Oberflache eines Werkstuckes hinwegbe-wegt, das als halbunendlicher Korper angenommen wird. Die-ser analytische Modellansatz zur Berechnung der Oberfla-chentemperaturen wurde am Institut fur Spanende Fertigungbereits fur mehrere unterschiedliche Fertigungsverfahren ineinen numerischen Modellansatz, die Finite-Elemente-Me-thode, ubertragen und zusatzlich um die Berucksichtigungvon Maschineneinstellparametern erweitert, um die maximalentstehenden Temperaturen sowie die Temperaturfelder aufder Bearbeitungsflache berechnen zu konnen [11]. Dafur istein moglichst exaktes Modell des gesamten Schleifprozesseszu erstellen, das alle relevanten Randbedingungen bzw. An-nahmen berucksichtigt.

4.3 Modell zur Finite-Elemente-Simulation desSchleifprozesses von hybriden Schichtverbunden

Der im Rahmen des Projektes entwickelten Simulation desSchleifprozesses von hybriden Schichtverbunden liegt dieoben kurz skizzierte Modellvorstellung von Carslaw und Jae-ger zugrunde. Dabei wird die Schleifscheibe als Warmequellebetrachtet, die uber die idealisiert als rechteckformig ange-nommene Kontaktflache Warme in das Werkstuck einbringtund sich mit der Tischvorschubgeschwindigkeit uber die Be-arbeitungsflache des Schichtverbundes hinwegbewegt [10].Die Intensitat der Warmequelle ist an die Kenntnis des War-meverteilungsfaktors gebunden, der den Anteil der in dasWerkstuck fließenden Warmeenergie angibt. Dieser kannrechnerisch [10] oder mit Hilfe experimenteller Untersuchun-gen [19], in denen beispielsweise Thermoelemente an genaudefinierter Position in das Werkstuck eingebracht werden, furjeweils eine Kombination der Schleifprozessparameter be-stimmt werden. Mit Hilfe des Vergleichs der berechnetenund experimentell ermittelten Temperaturkurven wird derWarmeverteilungsfaktor so lange variiert, bis eine gute Uber-einstimmung der Temperaturkurven festzustellen ist. Um ers-te qualitative Aussagen aus den Simulationsergebnissen zie-hen zu konnen, wurde der Warmeverteilungsfaktor vereinfa-chend fur alle Simulationen auf einen einheitlichen, mittlerenLiteraturwert gesetzt [10]. Als zusatzliche thermische Last,die auch im realen Schleifprozess auftritt, wird die Kuhlungin das Werkstuckmodell mit einbezogen. Sie wirkt gleichma-ßig mit einem konstanten Warmeubergangskoeffizienten aufalle freien Werkstuckoberflachen und berucksichtigt somitkeine abnehmende Kuhlwirkung durch die verringerten Volu-menstrome an den Werkstuckflanken. In der Kontaktzonewirkt keine Kuhlung, sie wird indirekt durch die Wahl desWarmeverteilungsfaktors berucksichtigt. Des Weiteren erfolgtauch im Bereich der Einspannung des Werkstuckes keineKuhlung, die Werkstuckflachen in diesem Bereich werdenals adiabat angenommen, Bild 3.

Bei der Modellierung werden die entsprechenden Material-gesetze der drei beteiligten Komponenten explizit berucksich-

Bild 2. Mikrorissbildung bereits vor dem erstmaligen Versuchsein-satz

Figure 2. Crack initiation before the first experimental test

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tigt, um die Genauigkeit der Simulationsergebnisse zu erho-hen und somit aussagefahige Ergebnisse zu gewahrleisten,Bild 4. Fur die Wendeschneidplatten aus Keramik bzw. Hart-metall wird linearelastisches Materialverhalten aufgrund ihressproden Materialcharakters angenommen. Diese Annahmeberuht auf der Grundlage, dass sich sprode Materialen vordem Versagen durch Bruch kaum plastisch verformen. Demduktilen Lot hingegen wird ein bilineares Materialgesetz zu-grunde gelegt, da duktile Werkstoffe eine ausgepragte Streck-grenze und ein großes plastisches Verformungsvermogen auf-weisen. Die Temperaturabhangigkeit der Materialkennwertewird in der Simulation berucksichtigt, da Temperaturbereiche

von mehreren hundert Grad Celsius durchschritten werden.[8]

Die Generierung der Geometrie und die anschließende Ver-netzung des wurfelformigen Schichtverbundes sowie die Auf-bringung der thermischen Belastungen erfolgt mit Hilfe einerspeziell entwickelten Makro-Datei weitgehend automatisiert.Als Eingangswerte hierfur dienen alle fur den Schleifprozessrelevanten Geometrie- und Prozessdaten. Fur die Netzgener-ierung wird eine flexible Gitterstruktur verwendet, die uberdie Einbeziehung der Vorschubgeschwindigkeit automatischfur jeden Prozess neu erzeugt wird. Nur in der Nahe der ther-mischen Belastung ist das Netz sehr fein unterteilt, um denRechenaufwand moglichst gering zu halten und so eine effi-ziente Simulation zu gewahrleisten.

4.4 Quantitative Ergebnisse der Finite-Elemente-Simulationen des Schleifprozessesvon hybriden Schichtverbunden

Die simulierten Temperaturverteilungen in einem hybridenSchichtverbund aus Keramik und Hartmetall, der stoffschlus-sig gefugt ist, ist fur drei exemplarische Prozessparameter-kombinationen abgebildet, Bild 3. Zum dargestellten Zeit-punkt befindet sich die Schleifscheibe in der Mitte des jeweilsbetrachteten Schichtverbundes, da in dieser die hochsten ther-mischen Werkstoffbeanspruchungen auftreten. Die dargestell-ten Simulationsergebnisse sind durch unterschiedliche Tem-peraturverteilungen, die durch die gewahlten Prozessparame-ter erheblich beeinflusst werden konnen, im Bereich der je-weiligen Bearbeitungsflache gekennzeichnet. Dies wird bei-spielsweise bei der Variation der Keramiksorte deutlich.Ein hybrider Schichtverbund aus Hartmetall und Siliziumni-tridkeramik, die eine niedrigere Warmeleitfahigkeit und einengeringeren Warmeausdehnungskoeffizienten als Oxidkeramikausweist, hat im Gegensatz zu einem aus Hartmetall undOxidkeramik bei ansonsten gleicher Wahl der Prozessparame-ter im Kontaktbereich deutlich hohere Temperaturen. Eine Er-hohung der Schnittgeschwindigkeit unter Berucksichtigungder gleichen Prozessparameter fuhrt zu einer drastischen Er-hohung der Temperaturbelastung im gesamten hybridenSchichtverbund, durch die Gefugeanderungen bzw. -schadi-gungen hervorrufen werden konnen. Des Weiteren lassensich unterschiedlich hohe Temperaturen in der Kontaktzonebei Betrachtung der einzelnen Komponenten des hybridenSchichtverbundes feststellen. In der Kontaktzone der Keramik

Bild 3. Modellierung eines hybriden Schichtverbundesund die daraus resultierende simulierte Temperaturver-teilung

Figure 3. Modelling of a hybrid stratified compoundand the resulting simulated temperature

Bild 4. Materialmodell fur den Schleifprozess eines hybridenSchichtverbundes

Figure 4. Material model of the grinding process of a hybrid stra-tified compound

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treten aufgrund der geringeren Warmeleitfahigkeit hohereTemperaturen als im Hartmetall auf. Dies fuhrt zu einer lang-sameren Temperaturausbreitung in der Keramik, wodurcheine starke Konzentration der Warme in der Bearbeitungsfla-che hervorgerufen wird. Dies verdeutlicht, dass eine dem je-weiligen Verbundpartner angepasste Schleifstrategie erforder-lich ist, um ein symmetrisches, geradgenutetes Keramik-Hart-metall-Verbundbohrwerkzeug schleifend herstellen zu kon-nen, um die unterschiedlichen thermischen Einflusse mog-lichst zu minimieren und einen wirtschaftlichen Schleifpro-zess zu erhalten.

5 Zusammenfassung und Ausblick

In dieser Arbeit wurde die Vorgehensweise fur die Bearbei-tung des Teilprojektes, in dem eine angepasste Schleifstrate-gie fur die Herstellung von symmetrischen, geradgenutetenKeramik-Hartmetall-Verbundbohrwerkzeugen geschaffenwerden soll, kurz vorgestellt. Dafur wurde ein Finite-Elemen-te-Modell fur die Schleifbearbeitung von hybriden Schicht-verbunden erstellt, das im weiteren Verlauf des Projektesauf das Schleifen von Keramik-Hartmetall-Verbundbohr-werkzeugen ubertragen werden soll. Durch die so erhalteneSchleifprozessoptimierung soll eine kostengunstige Herstel-lung und Anwendung von Keramik-Hartmetall-Verbundboh-rerwerkzeugen ermoglicht werden.

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Korrespondenzautor: Evelyn Wurz, Technische Universitat Dort-mund, Institut fur Spanende Fertigung, Baroper Straße 301,44227 Dortmund, E-Mail: [email protected]

Eingegangen in endgultiger Form: 10. Juli 2008 T 335

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