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(Aus der eltirurgischen Abteilung des Krankenhauses :Bethanien fiir die C~rafschaft Moers in Noers [Leitender Arzt: Dr. reed. ha.bil. Jens Hansen].) S(.hlulIwort zu B~ihlers ,,Bemerkungen zur Arbeit yon Schwerdtfeger: Erfahrungenmit der Wirbelbruchbehandlmlg nach Biihler". (Ds. Arch. Bd. 41, S. 125 u. If.) Von Jens Hansen. (Elwega)~ge'n am 14. Febrvar 1941.) Die Redaktion des Arehiv fiir orthopgdische und Unfallchirurgie iibersendet meinem friiheren Assistenten Dr,. Schwerdffeger das Manuskript der obigen Arbeit yon B6hler mit der Bitte, dazu in Form eines Schlugwortes Stelhmg zu nehmen. Da S e h w e r d t f e g e r an der Front stcht und weder iiber die niitigen Untcr- lagen noch iiber die }I6glichkeit eines Literaturstudiums verfiigt, hat er reich, zmmd auch seine damalige Arbeit auf meine Veranlassung entst.anden ist, gebeten, der Aufforderung (let' Redaktioa nachzukommen. Die vorliegende Arbeit you B6hler in diesem ArehL" ist die w6rtliche Ab- schrift eines Teiles seines Vortrage'~ auf dem lctzten Berliner ChirurgenkongreB iiber ,,Wandlungen in der Behandlung und Begut,~mhtung yon Wirbelbriichetr' und im Arch. kiln. Chit. 200, 312--318 na(.hzulesen, und ist jetzt lediglich um eine Zusammenfassung bereichert worden. I)a ieh selbst auf dem letzten Chirurgenkongreg anwesend war, k6nnte es erstaunen, dal3 ieh ni(::ht schon dort zu B 6 h 1e r s A usfiihrungen Stelh_mg genommen hal)e. Nach den zum Tell persSnlichen Ausfiillen, die sieh BShler sowohl in (let' Form seiner Erwiderung als auch in der stimmlichen "~Viedergabe gegeniiber Biirkle-de la Camp mid besonders 5Iagnus ill seinem Schlugwort leistete, habe ieh dama.ls darauf verzichtet. Nunmehr komme ieh dieser Aufforderung nach. Wenn ]~6hler sagt, dab Sehwerdtfeger im Arch. f. Orthop. 37, H. 1. 48 bei der Ankiindigung seiner spiiteren Arbeit deren Ergebnis,~e bereits vorweg- genommen hgtte, so diirft.e das nieht (let" riehtige Ausdruck sein. Schwerdt.- feger hat nut ihm bekannte Tatsaehen angekfindigt. Vorweggenommen aber hat BShler im Arch. f. Orthop. 37, H. 2, 128, also vor Erscheinen und vor Kenntnis der sp&teren Arbcit yon Sehwerdtfeger, da[~, wenn Sehwerdtfeger mitder B6hlerschen Methode keine besseren Ergebnisse erzielt hS,tte a.ls mit der funktionellen Behandlnng, er natiirlieh alles falsch gemacht h&tte. So istes nieht verwunderlich, dail B6hler heute, naeh Erscheinen tier Arbeit yon Sehwerdtfeger, schreibe., dab Schwerdtfeger bei keinem ei~igen seinec F/ille ,,volF' aufgerichtet hat. Dazu stelle ich naeh Sehwerdtfegers Arbeit lest: I)er i. Fall hatte naeh der Aufriehtm~g noch einen Neigungswinkel yon 4 ~ gegeniiber vorher 10 ~ der 2. Fall yon 8,50 gegeniiber vorher 10 ~ der 3. Fall yon 60 gegeniiber vorher 20 ~ dcr 4. Fall yon zun~ehst 8 ~ und nach spgterem Zusammensinken 1'20 gegeniiber vorher 22,5 ~ der 5. Fall yon 120 gegeniiber 19 ~ der 6. Fall yon 12,50 gegen/iber Archly .qir orthop/ldischc mad I'nfall-Chirmgie. lid. XLI. 9

Schlußwort zu Böhlers “Bemerkungen zur Arbeit von Schwerdtfeger: Erfahrungen mit der Wirbelbruchbehandlung nach Böhler

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(Aus der eltirurgischen Abteilung des Krankenhauses :Bethanien fiir die C~rafschaft Moers in Noers [Leitender Arzt: Dr. reed. ha.bil. Jens Hansen].)

S(.hlulIwort zu B~ihlers , ,Bemerkungen zur Arbeit yon Schwerdtfeger: Erfahrungenmit der Wirbelbruchbehandlmlg nach Biihler".

(Ds. Arch. Bd. 41, S. 125 u. If.)

Von

J e n s H a n s e n . (Elwega)~ge'n am 14. Febrvar 1941.)

Die Redakt ion des Arehiv fiir orthopgdische und Unfallchirurgie iibersendet meinem friiheren Assistenten Dr,. S c h w e r d f f e g e r das Manuskript der obigen Arbeit yon B 6 h l e r mit der Bitte, dazu in Form eines Schlugwortes Stelhmg zu nehmen.

Da S e h w e r d t f e g e r an der Front stcht und weder iiber die niitigen Untcr- lagen noch iiber die }I6glichkeit eines Li teraturs tudiums verfiigt, ha t er reich, zmmd auch seine damalige Arbeit auf meine Veranlassung entst.anden ist, gebeten, der Aufforderung (let' Redakt ioa nachzukommen.

Die vorliegende Arbeit you B 6 h l e r in diesem ArehL" ist die w6rtliche Ab- schrift eines Teiles seines Vortrage'~ auf dem lctzten Berliner ChirurgenkongreB iiber , ,Wandlungen in der Behandlung und Begut,~mhtung yon Wirbelbriichetr ' und im Arch. kiln. Chit. 200, 312--318 na(.hzulesen, und ist jetzt lediglich um eine Zusammenfassung bereichert worden.

I)a ieh selbst auf dem letzten Chirurgenkongreg anwesend war, k6nnte es erstaunen, dal3 ieh ni(::ht schon dort zu B 6 h 1 e r s A usfiihrungen Stelh_mg genommen hal)e. Nach den zum Tell persSnlichen Ausfiillen, die sieh B S h l e r sowohl in (let' Form seiner Erwiderung als auch in der stimmlichen "~Viedergabe gegeniiber B i i r k l e - d e la C a m p mid besonders 5 I a g n u s ill seinem Schlugwort leistete, habe ieh dama.ls darauf verzichtet. Nunmehr komme ieh dieser Aufforderung nach.

Wenn ]~6h le r sagt, dab S e h w e r d t f e g e r im Arch. f. Orthop. 37, H. 1. 48 bei der Ankiindigung seiner spiiteren Arbeit deren Ergebnis,~e bereits vorweg- genommen hgtte, so diirft.e das nieht (let" riehtige Ausdruck sein. S c h w e r d t . - f e g e r hat nut ihm bekannte Tatsaehen angekfindigt. Vorweggenommen aber hat B S h l e r im Arch. f. Orthop. 37, H. 2, 128, also vor Erscheinen und vor Kenntnis der sp&teren Arbcit yon S e h w e r d t f e g e r , da[~, wenn S e h w e r d t f e g e r m i t d e r B 6 h l e r s c h e n Methode keine besseren Ergebnisse erzielt hS, tte a.ls mit der funktionellen Behandlnng, er natiirlieh alles falsch gemacht h&tte.

So i s tes nieht verwunderlich, dail B 6 h l e r heute, naeh Erscheinen tier Arbeit yon S e h w e r d t f e g e r , schreibe., dab S c h w e r d t f e g e r bei keinem e i~ igen seinec F/ille ,,volF' aufgerichtet hat.

Dazu stelle ich naeh S e h w e r d t f e g e r s Arbeit lest: I)er i. Fall ha t te naeh der Aufriehtm~g noch einen Neigungswinkel yon 4 ~ gegeniiber vorher 10 ~ der 2. Fall yon 8,50 gegeniiber vorher 10 ~ der 3. Fall yon 60 gegeniiber vorher 20 ~ dcr 4. Fall yon zun~ehst 8 ~ und nach spgterem Zusammensinken 1'20 gegeniiber vorher 22,5 ~ der 5. Fall yon 120 gegeniiber 19 ~ der 6. Fall yon 12,50 gegen/iber

Archly .qir orthop/ldischc mad I 'nfa l l -Chirmgie . l id. X L I . 9

130 Jcns Hansen:

vorher 12,5 ~ Diese Ergebnisse, wenn also 5 yon 6 F~.llen wesentlich gebessert ~verden kSnnen, finde ich recht befriedigend und wohl geeignet, die MSglichkeit einer Einrichtung, die ja auch hie bestritten worden ist, zu beweisen. Ob nun einige Winkelgrade mehr oder weniger an der ,,vollea" Aufrichtung, a~,-ie B 5 h I e r oben betont, fehlen oder nicht, erscheint mir f~r die sps Gebrauchsf/~higkeit der Wirbels~ule ziemlich belanglos. Ebenso, ob mall am 1. oder 7. bis ] 0. T,~ge eiru'ichtet. B 5h l er sagte selbst, dal3 er noch nach Wochen gute Ergebnisse mit der Einrichtung erzielt hat. Das kann doch auch nicht anders sein als bei den vielen Extremit'~tenfrakturen, die ~ir aus irgendwelehen Grtinden nicht sofort einrichten kSnnen und die dann doch noch ein gutes Ergebnis erreichen. Ich weil3 nieht, ob B S h l e r jemals behauptet hat, dal3 er alle seine 152 eingerichteten Wirbelbr~che ,,vo]/" aufgerichtet hat, halle es abet ffir mSglieh. Andere Leute halten es nicht ffir mSgheh und L e h m a n n berichtete ~uf dem Koagre] sog~r, dab bei 25% seiner F~,lle die Aufrichtung ganz mil31ang und 50% wieder zusammensanken.

Ob die Verletzten nun das BShle r sche Gipsmieder gerne tragen oder nicht und ob sie mit dem steifen Mieder die vorgesehriebenen akrobatischen L#bungen gerne ausfiJhren oder nicht, ~"ird letzten Endes weder B S h l e r noch S c h w e r d t - f e g e r in so apodiktischer Form behaupten oder bestreiten kSnnen, wie es ge- schehen ist. Es ist nut erstaunlich, dal3 B b h l e r auf solche yon vieten Seiten als berechtigt anerkannten Einw~nde immer wieder nut die Antwort hat, (lal] dann eben die Anderen alles falsch gemacht h~tten und nur er allein alles richtig. Es mut3 einmal darauf hingewiesen werden, dal~ man das und andere seit Jahr- hunderten gel~tufige Grunds'~tze der Knoehenbruchbehandluug nicht immer wieder als epoehale Neuimit vorgetragen haben will, wenigstens nicht atd einer Versammhmg von FachSrzten. Und wenn auf dem ]3erliner Kongre~ - - wohl erstmalig in der Geschichte der Deutschen Gesellsehaft f/ir Chirurgie - - ein Patient von B 5 h l e r das Wort erhielt und seinerl Meister und die Schbnheiten seines Gipsmieders saint der vorangegangenen Aufrichtung pries, so ist dem- gegemiber (tie Feststellung yon B t i r k l e - d e la C a m p sehr bemerkenswert, dab hier ein ]~,ruch vorlag, der gar keiner Aufrichtung bedurfte.

Noeh ~,'esentlieher scheint mir zu sein, dal3 B i i r k l e - d e la C a m p , der sieh mi tde r l~?berprfifung der B 5 hl e r sehen Methode ohne Zweifel ehrliche und ~o-rof3e M[ihe gegeben hat, erklart, dal3 selbst junge Leute naeh der Gipsabnahme immer und ohne eine einzige Ausnahme steifer sind und sich viel langsamer ,,erholen" als die funktionell Behandelten.

Bedauerlich ist allerdings die Unterstelhmg BSh le r s , (lab S c h ~ e r d t f e g e r wohl selbst hie an Aufriehtung, Ruhigstellung und ~,bungen geglaubt babe und nut froh gewesen sei, ihre SchSdliehkeit bewcisen zu kSnnen. Attfgerichtet und behandelt hat bei uns abet nicht S c h w e r d t f e g e r , sondern sein Chef, Dr. F S r s t e r l i n g , mein Vorg's ein fiberzeu~er Vertreter BSh le r sche r Behandlungsverfahren. S ch w e r d t f e g e r hat diese ])~lle lediglich nachuntersucht.

Zu den von S e h w e r d t f e g e r am Schlul3 seiner Arbeit gebrachten zwei funktionell behandelten Fs darunter einen 64js Invaliden, die sich so vorteilhaft yon den Aufgerichteten unterseheiden, sa.gt B 5 b i e r , dab er F~tlle ohne Aehsenkniekung nicht einrichtet und ruhigstellt, well eben nichts einzu- riehten sei, und alte Leute und Invaliden auch nicht, well sie ihre Wirbelss nicht mehr ,,stark" beanspruchen miissen. Man kSnnte fragen, warum er denn

Schlugwort zu Bi}hlers ,,Bemerkungen zur Arbeit yon Schwerdt.feger". 131

den Gyngkologen, der auf dem KongreB zu m>_ sprach, aufgerichtet und im Gipsmieder ruhigge,~tellt hat, bei dem doch nach B i i rk l e -de 1~ C a m p gar nichts einzurichten war. Und warum sollea altea Leuten und [nvaliden nicht die Vorteile der B6hlerschen Behandlung zuteil werden, wenn sit dadureh einen sch6neren Lebensabend haben k6rmen als ohne Aufrichtung ~

S c h w e r d t f e g e r ging in seiner Arbeit davon aus, d~13 BSh le r in der you ihm benutzteu 4. Auflage seines Lehrbuches auf S. 159 sagt: ,,Bei Wirbel- briichen ohne Verschiebung, die verh/~lmism/iSig h'guf_ig sind, huben x ~ uns friiher damit begniigt, die Vcrletzteu 2--5 Woehen (ich wiederhole: 2 Wochen !) in cinem Bett mit fester Unterlage zu lagern. Manche davoq w~ren n~ch einigen Monaten beschwerdefrei, ~ndere hingegen, besonders /il~re Leute (vgl. dazu S e h w e r d t f e g e r s 64js Fall) ktagten dauernd ~iber 8ehmerzen. Jetzt siad ~ ' such bei diesen anseheinend leiehten Briiehea dazu iibergeg~ngen, die WirbeL ~ule zu iibcrstrecken und so[oft in dieser Stellung ein Gipsmieder anzulegen."

Selbst. BSh le r wu'd nicht bestreiten k61men, d~[~ er sich hier in einer Weise beriehtigen nluBte, die eine geradezu vollst'Xndige Umkehrung yon seinen Lehr- buchgTundsgtzen bedeutet, und wird es nicht vertibeln kSnnen, dab es trotz des mehrfach zitierten Gerichtsassessors, der ziirnend fragte, w~mlm ein Wirbel- bruch nieht naeh B6h l er aufgerichtet worden sei, in Deutschland noeh ziemlich vide Leute gibt, die dabei ebenso stutzig geworden sind wie bei der Verlgngerung der B6hlerschen Behandlungszeit yon 6 Wochen auf 11 Monate.

Wenrl atlerdings B 6 h l e r das Thema seines Kongreftvortratges aus sotehen Gedtmkeng~ngen henms mit ,,Wandlungen" bezeiehnet h~t, so kann man das nur begriiBen. Das sind tatsgehlieh ~Vandlungen'. Nnr hStten sic etwas deut- lieher ausgesproehen werden k6nnen. Denn so vermag man mlr sehleeht einzu- sehen, dab Eir~riehtung und Oipsmieder bei &lteren Leuten einen ,,unn6tig schweren EingriI[" bedeuten, x~q~hrend sie bei den Jiingeren geradezu eine seelisehe und kSrperliehe Befreiung sind. In unserem Bergbau arbeiten jetzt im Kriege wieder viele Invaliden mi~. Sollen ale f/Jr ihre Opferfreudigkeit und den Verzieht auf den ruhigen Lebensabend, wenn sie einen Wirbelbrueh bekommen, mib der Bib-de eines Wirbelbuekels gestraft ~rerden .~

Es st.eht lest: 1. Es lassen sieh nicht Mle Wirbelbriiehe yell aufriehten. 2. gingerichtete Wirbelbrfiehe sinken wieder zusammeu. Sie sind st, eifer

und erholen sieh langsamer sis bei der funktionellen Behandhmg. a. 5 Fglle B ii r k 1 e- d e 1 a C a m p s, (tie vorher keine Lghmunguerseheinungen

batten, w~ren naeh der Einriehtung gelghmt uud damit verloren. Da.s ist; bei de," funktionetlen Behancklung noeh niemals vorgekommen!

4. Naeh dem grogen Material B i i rk l e -de 1~ Camps , das bei Fort,setzung der .g 5 h 1 e r sehen Behandlung in ~, enigen Jahren das Vielfaehe der B 6 h i e r sehen FgHe erreiehen ~qirde, ist die Behandlungsdauer naeh der Einrichtung wesent- tieh 15.nger Ms bei funktiondler Behandhmg, die verbleibende Erwerbsfi%hig- keitsverminderung h6her und damit such die finanziellen Kosten.

5. Deshalb kommt die B6hlersehe Methode nur bei sehweren Luxations* frakturen und als V e r s u e h bei Wirbelbrtiehen mit Lghmungen in Frage. Dr. med. h~bil. Jcn~ Kan.~en. Chirurgi.~che Abteilung des Krankenhauses Bethamen

fiir die (;Irafseh,~ft. Moer.~.

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