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Schriftliche Vorbereitung für die didaktische Abschlussprüfung in der Studienrichtung Bachelorstudium Instrumental(Gesangs)pädagogik Klassik Klavier an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz Andrea Szewieczek Matrikelnummer: 0912896 12. 04. 2014

Schriftliche Vorbereitung für die didaktische

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Schriftliche Vorbereitung für die didaktische Abschlussprüfung in der

Studienrichtung

Bachelorstudium Instrumental(Gesangs)pädagogik – Klassik

Klavier

an der Universität für Musik und darstellende Kunst Graz

Andrea Szewieczek

Matrikelnummer: 0912896

12. 04. 2014

Inhalt

1. Einleitung ........................................................................................................................... 1

1.1 Persönliches Statement..................................................................................................................... 1

1.2 Allgemeine Unterrichtsziele ............................................................................................................. 3

2. Henry Mancini: Pink Panther Theme (Arrangement) .................................................. 4

2.1 Hintergrundinformationen................................................................................................................ 4

2.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele ....................................................................... 5

2.3 Mögliche Herangehensweise ........................................................................................................... 6

2.4 Parallel verwendbare Literatur ......................................................................................................... 9

3. Ludwig van Beethoven: Sonatine F-Dur, Anh. 5 Nr. 2–2. Satz: Rondo. Allegro ...... 10

3.1 Hintergrundinformationen.............................................................................................................. 10

3.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele ..................................................................... 11

3.3 Mögliche Herangehensweise ......................................................................................................... 12

3.4 Parallel verwendbare Literatur ....................................................................................................... 15

4. Johannes Brahms: Rhapsodie Op. 79, Nr. 2 ................................................................. 16

4.1 Hintergrundinformationen.............................................................................................................. 16

4.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele ..................................................................... 17

4.3 Mögliche Herangehensweise ......................................................................................................... 18

4.4 Parallel verwendbare Literatur ....................................................................................................... 23

5. Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 24

5.1 Fachliteratur ................................................................................................................................... 24

5.2 Notenmaterial ................................................................................................................................. 25

5.3 Internet ........................................................................................................................................... 25

6. Anhang: Notenbeispiele .................................................................................................. 25

1

1. Einleitung

1.1 Persönliches Statement

Vor zehn Jahren war ich eines der vielen Kinder, die grundsätzlich zwar gerne Musik machen,

jedoch eher ungern die wöchentlichen Instrumentalunterrichtsstunden besuchen. Noch jetzt

erinnere ich mich mit Grauen an die immer wiederkehrende Situation zurück, unter den

beurteilenden Augen und Ohren der Lehrperson1 die wenig geliebten (und daher auch wenig

geübten) Fingerübungen missmutig vorzuspielen – in dem Wissen, dass das chronologisch

durchzuarbeitende Etüden-Heft noch 198 weitere Seiten umfasst.2 Genau solche Situationen,

sowie die generelle Verknüpfung von Instrumentalunterricht mit Unbehagen und Widerwillen

möchte ich in meiner Arbeit als Klavierlehrerin vermeiden.3

Meiner Meinung nach sollte gerade bei Kindern und Jugendlichen, die täglich zwischen

Leistungsdruck und Langeweile die Schulbank drücken, darauf geachtet werden, dass die

Klavierstunde nicht nur als zusätzliches Unterrichtsfach empfunden wird, sondern als Raum für

Entfaltung, Spontaneität und Lernfreude. Gerade die Situation des Einzel- bzw.

Kleingruppenunterrichts ist eine hervorragende Möglichkeit, festgefahrene Lernformen

zugunsten von individuellen Lerntypen zu verlassen. So sollten sich sowohl Aufbau und

Methoden, als auch Inhalte des Unterrichtes viel eher nach dem jeweiligen Schüler richten, als,

wie so oft, nach den Vorlieben des Lehrers.

Ein weiterer Aspekt, der im Instrumentalunterricht bewusst anders gestaltet werden kann als in

der Schulerziehung (bzw. bei erwachsenen Schülern im Berufsleben), und der meiner Ansicht

nach eine entscheidende Auswirkung auf den Lernerfolg ausübt, ist der Umgang mit Stress und

Fehlern. Ich denke, ein guter Pädagoge sollte stets versuchen, abzuschätzen, wie viel Stress für

1 In der folgenden Arbeit werden Begriffe wie „Schüler“ oder „Lehrer“ geschlechtsneutral verwendet, außer sie

beziehen sich auf eine konkrete Person. 2 Ich möchte kurz anmerken, dass ich damals noch ein anderes Instrument spielte und daher NICHT meine

ehemalige Klavierlehrerin gemeint ist. 3 vgl. Röbke, Peter: Vom Handwerk zur Kunst, S. 29ff: Alltägliche Beobachtungen: Musik- und menschenferner

Instrumentalunterricht.

2

den jeweiligen Schüler nötig und fördernd ist, und ab wann dieser in angsterzeugende,

blockierende Gefühle umschlägt.4 Abseits von richtigen und falschen Noten bietet die Musik

außerdem einen wunderbaren Rahmen, um die Begriffe „richtig“ und „falsch“ neu zu

hinterfragen und deren Grenzen zu erweitern, was individuelles Stressempfinden und -verhalten

in eine positive Richtung beeinflussen kann.5

Genauso sollte man meiner Meinung auch im Bereich der Begabungen versuchen, sich von

absoluten Bewertungen im Sinne von „talentiert“ und „untalentiert“ zu lösen und stattdessen Mut

und Neugier als wesentliche Teile sogenannter Talentierungen zu fördern. Stempelt man seine

Schüler als zu voreingenommen als „gute“ und „schlechte“ ab, kann dies auf lange Sicht

Auswirkungen im Bereich der „self-fulfilling prophecies“ nach sich ziehen.6 Ein achtungsvoller

Umgang mit allen Schülern ist außerdem die Basis für eine angenehme persönliche Atmosphäre,

sowohl von Lehrer zu Schüler als auch zwischen den Schülern.

Dies alles sind natürlich nur beispielhaft genannte Bereiche, über die sich ein guter Pädagoge

Gedanken machen sollte. Sie alle sind eng mit dem Begriff der Selbstreflexion verbunden –

einem Bereich, der wahrscheinlich von vielen Lehrenden vernachlässigt wird.

Zuletzt möchte ich noch den Bereich erwähnen, der mir persönlich als die allerwichtigste

Voraussetzung für einen guten Instrumentalunterricht erscheint: Empathie. Ich denke, in jeder

Unterrichtssituation sollten Intuition und Einfühlungsvermögen an erster Stelle stehen. Natürlich

ersetzt dies nicht die bewusste Auseinandersetzung mit didaktischen und methodischen

Aspekten, jedoch sollte man meiner Meinung nach darauf achten, dass es auch umgekehrt nicht

der Fall ist.

4 vgl. Petrat, Nicolai: Motivieren zur Musik, S. 60f: Eustress/Disstress. 5 vgl. Mantel, Gerhard: Einfach üben, S. 22: Rezept 6. 6 vgl. ebenda, S. 104: Rezept 98

und Petrat, Nicolai: Motivieren zur Musik, S. 67f: Das Wunder des Self-Fulfilling-Prophecy-Effects.

3

1.2 Allgemeine Unterrichtsziele

Je feiner der Abstufungsgrad der Ziele ist, desto mehr richten sich diese nach den individuellen

Interessen und Fähigkeiten des Schülers. Im Großen und Ganzen würde ich meine persönlichen

Intentionen im Unterricht wie folgt zusammenfassen:

Leitziele

Freude an Musik

Aufbau und Erhalt intrinsischer Motivation7

persönliche Entwicklung (z. B. in den Bereichen Stressverhalten, Selbstdisziplin,

Konzentrationsfähigkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, Selbstvertrauen,

Selbstverwirklichung)

respektvoller, genauer und stilgetreuer Umgang mit Notenmaterial

Horizonterweiterung und Interesse an musikalischer Vielfalt

Richtziele

breite Ausbildung in verschiedenen Stilen

selbstständige Lösungssuche zu musikalischen und technischen Schwierigkeiten

Nutzung der eigenen Kreativität (Improvisation, Komposition, Interpretation)

Aneignung von musiktheoretischem und musikgeschichtlichem Hintergrundwissen im

Zusammenhang mit der verwendeten Unterrichtsliteratur

Ausbau der instrumentalen Fähigkeiten, möglichst eingebettet ins Musizieren und ohne

„trockene“ technische Übungen

Förderung von sogenannten „Flow“-Momenten8

7 vgl. Petrat, Nicolai: Motivieren zur Musik, S. 13f. 8 vgl. ebenda, S. 157f.

4

2. Henry Mancini: Pink Panther Theme (Arrangement)9

2.1 Hintergrundinformationen

Zum Komponisten

Henry Mancini (1924–1994) war ein US-amerikanischer Komponist mit besonderer Vorliebe für

Big-Band, Swing und Jazz. In den 1950er-Jahren wurde er erstmals bei Universal Studios unter

Vertrag genommen und entwickelte sich von da an zu einem der gefragtesten Filmkomponisten

seiner Zeit. Abgesehen von dem vorliegenden Stück, welches wohl seine bekannteste

Komposition ist, erlangte er anhaltende Berühmtheit mit den Titeln „Moon River“ aus dem Film

Frühstück bei Tiffany und Baby Elephant Walk aus dem Film Hatari!. Seine Werke wurden unter

anderem mit vier Oscars, 20 Grammys, zwei Emmys und vier Academy Awards ausgezeichnet.10

Zum Stück

Ursprünglich wurde die Titelmelodie zum Spielfilm und der gleichnamigen Fernsehserie The

Pink Panther für Big Band und Solo-Saxophon komponiert. In dem vorliegenden Arrangement

übernimmt die linke Hand den Big-Band-Part der harmonischen Basis und besteht, bis auf den

Schlusstakt, ausschließlich aus Quinten, die chromatisch verschoben werden. Darüber spielt die

rechte Hand die, im Original vom Saxophon interpretierte, bekannte Melodie.

Formal gliedert sich das Stück in eine 4-taktige harmonische Einleitung, das 16-taktige Thema,

dessen anschließende Wiederholung eine Oktave höher und eine prägnante 2-taktige Coda. Das

Thema in e-Moll besteht aus vier 4-taktigen Phrasen (a-b-a-c), wobei a und b jeweils mit den

beiden charakteristischen kleinen Sekund-Schritten (dis-e, fis-g) beginnen und zu Septakkorden

(C7 bzw. F

7) führen, c dagegen eine absteigende Phrase ist, die in der Tonika endet. Am Ende

des Stückes wird diese noch durch einen übermäßigen fortissimo-Akkord (Emmaj7/9

) bekräftigt.

9 Grimmer, Frauke und Kaluza, Gerald (Hrsg.): Faszination Klavier 2, S. 82f., kein Hinweis auf Autorschaft des

Arrangements. 10 Marks, Martin: „Mancini, Henry [Enrico Nicola]“, in: Grove Music Online.

5

Mit Ausnahme des Schlussakkordes wird der ganze Rest des Stückes im mf gespielt – In

Verbindung mit dem eher ruhigen Tempo und der swingenden Rhythmik entsteht dadurch der

für den Swing typische entspannte Charakter. Die punktierten Achtel sollen, dem Swing-

Charakter entsprechend, in ternärer Art gespielt werden.

2.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele

Auf den ersten Blick mag das Stück als Anfängerliteratur etwas anspruchsvoll wirken. Da jedoch

das Thema zweimal exakt gleich, lediglich in einer anderen Oktavlage, erscheint und außerdem

die Stimme der linken Hand aus wenigem Tonmaterial besteht, das ständig wiederholt wird, ist

das Stück leichter spielbar, als das Notenbild vielleicht annehmen lässt.

Besonders Kinder sind oft begeistert davon, eine Melodie, die sie bereits kennen, auf dem

eigenen Instrument spielen zu können. So trägt hier die Berühmtheit der Komposition zur

Motivation bei.

In etwas umarrangierter Form eignet sich das Stück außerdem gut zum Ensemblespiel – dies ist

für viele Schüler ein besonderer Anreiz zum Üben sowie eine gute Gelegenheit, andere

Instrumentengruppen kennenzulernen.

Die Grob- und Feinziele der Arbeit mit diesem Stück könnten wie folgt lauten:

Grobziele

Kennenlernen des Musikstils „Swing“ (kognitiv, auditiv)

sicheres, stabiles Metrum (auditiv, psychomotorisch)

dem Stil entsprechend „relaxtes“ Spiel (emotional)

Verständnis des formalen Aufbau des Stückes (kognitiv)

eventuell Ensemblespiel (sozial)

6

Feinziele

Verständnis der Differenz zwischen notierten Notenwerten (Achtel- und

Sechzehntelnoten) und gespielten Notenwerten (Triolen) (kognitiv)

Erkennen von sich wiederholenden bzw. oktavierten Phrasen oder Phrasenteilen

(kognitiv)

Anwendung des „Triolen-Feelings“ auch in Improvisation (kreativ)

Mitklopfen/-schnipsen auf dem Offbeat (motorisch, auditiv)

sicheres Treffen der Quinten durch Stabilität und Flexibilität der linken Hand (motorisch)

2.3 Mögliche Herangehensweise

Obwohl angenommen werden kann, dass die Melodie des „Pink Panther“ dem Schüler bekannt

ist, sollten gemeinsam verschiedene Aufnahmen, zumindest aber die in der Serie verwendete

Version11

, angehört und besprochen werden. Dies dient nicht nur der musikgeschichtlichen

Horizonterweiterung, sondern auch dem Einfühlen in den Swing-Rhythmus und den Charakter

des Stückes. Dabei soll dem Schüler bewusst gemacht werden, dass die Melodie des Saxophons

im Klavierarrangement von der rechten und die Big-Band-Begleitung von der linken Hand

übernommen wird. Weitere hörenswerte Aufnahmen sind beispielsweise die Vokalversion der

General Harmony Singers12

oder die Gitarrenversion von Tommy Emmanuel13

.

Beim Einstudieren des Stücks sollte die Wichtigkeit eines stabilen Metrums von Anfang an

thematisiert werden. Besondere Vorsicht ist bei den langen Notenwerten (beispielsweise Takte 1,

3, 11 etc.) geboten, die leicht zum Überspringen oder Verkürzen von Taktteilen verleiten

können. Zur Verbesserung der metrischen Sicherheit bietet sich an, durchgehend mit einem Fuß

mitzuklopfen – zuerst in Vierteln, dann in Halben. In weiterer Folge kann später auch die zweite

und vierte Viertel, also im Offbeat, geklopft werden, was dem Swing-Feeling eher gerecht wird.

Dabei sollte man zur Unterstützung als Lehrer im Unterricht mitschnipsen bzw. -klopfen. Beim

11 http://www.youtube.com/watch?v=lp6z3s1Gig0 [01.04.2014]. 12 http://www.youtube.com/watch?v=s3lmp6UTy-4 [01.04.2014]. 13 http://www.youtube.com/watch?v=RsIFqVGBzt0 [01.04.2014].

7

Üben zu Hause kann diese Funktion mitunter von einem Metronom übernommen werden –

dieses sollte jedoch nicht ständig dazugeschaltet werden, um das innere Metrum nicht zu

ersetzen.

Die chromatischen Quintverschiebungen der linken Hand sollten unbedingt separat geübt

werden, bis sie so automatisiert sind, dass sie einen entspannten Ablauf nicht stören. Alternativ

zum üblichen Fingersatz (

) kann hier auch mit erstem und fünftem Finger von zwei weißen

auf zwei schwarze Tasten gerutscht werden kann, was für Schüler mit schwachen Fingern

leichter erlernbar, aber trotzdem kontrollierbar und verlässlich sein kann. Dabei ist auf ein

lockeres, flexibles Handgelenk, jedoch stabile Finger zu achten. Dieses Handgefühl kann

trainiert werden, indem der Schüler zwischen erstem und fünftem Finger beispielsweise einen

kleinen Stift eingespannt hält und das Handgelenk locker federnd bewegt. Danach sollen mit

demselben Gefühl die Quinten geübt werden, wobei der Lehrer diese unbedingt auch selbst

vorspielen sollte, da Bewegungsmuster, besonders von Kindern, meist am leichtesten durch

Nachahmen erlernt werden können.14

Die möglicherweise größte technische Schwierigkeit des Stückes ist das Treffen des

Schlussakkordes (Emmaj7/9

). Dieser sollte deshalb bei Bedarf extra geübt werden, beispielsweise

in verschiedenen Lautstärken und Artikulationen, als Zerlegung und Arpeggio, in verschiedenen

Oktavräumen, ohne auf die Tastatur zu schauen, etc.

Im Allgemeinen sollten alle technischen Schwierigkeiten so weit beseitigt werden, dass sie nicht

den entspannt swingenden Charakter der Komposition stören.

Aufgrund der wenigen Harmonien des Stückes eignet es sich außerdem hervorragend für

improvisatorisches Üben. Hier kann vorerst der Lehrer die „linke Hand“ übernehmen und so die

harmonische Basis bilden – beispielsweise nach folgendem Schema:

Darüber kann der Schüler, je nach musiktheoretischem Vorwissen, mit einigen ausgewählten

Tönen (z.B. dis-e-fis-g), oder auch innerhalb der ganzen harmonischen e-Moll-Skala (e-fis-g-a-

14 vgl. Röbke, Peter: Vom Handwerk zur Kunst, S. 248ff.

8

h-c-dis-e) improvisieren, wobei in einer möglichen Improvisationsvariante darauf geachtet

werden soll, dass die Rhythmik des Stückes beibehalten wird. Eine solche passende Phrase wäre

beispielsweise:

Je nach Fortschritt des Schülers kann die Begleitung später auch vom Schüler übernommen

werden. Übt der Schüler parallel zum Stück Molltonleitern, so kann das Improvisationssschema

auch in andere Molltonarten transponiert werden.

Hat dieses Stück beim Schüler ein Interesse für diese Musikrichtung erweckt, ist es auch

möglich, damit erste Ensembleerfahrungen zu sammeln. Beispielsweise könnte dasselbe

Arrangement zusammen mit einem Schlagwerkschüler interpretiert werden. Wird die Melodie

der rechten Hand weggelassen und die Begleitung, beispielsweise wie in untenstehendem

Notenbeispiel, entsprechend auf beide Hände erweitert, könnte auch ein Melodieinstrument

(Saxophon, Klarinette, etc.) hinzugenommen werden:

9

2.4 Parallel verwendbare Literatur

F. Burgmüller: 25 leichte Etüden Op. 100, Nr. 1 – La Candeur (in einem langsameren Tempo als

der von Burgmüller angegebene Metronomzahl)

J. S. Bach: Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach, Musette D-Dur, BWV Anhang 126

L. v. Beethoven: Zwölf deutsche Tänze WoO 8, Nr. 1 – C-Dur

R. Schumann: Album für die Jugend Op. 68, Nr. 1 – Melodie

D. Kabalewski: 24 kleine Stücke Op. 39, Nr. 82 – Scherz

M. Schmitz: Mini Jazz, Nr. 3 – Doubles

10

3. Ludwig van Beethoven: Sonatine F-Dur, Anh. 5 Nr. 2 –

2. Satz: Rondo. Allegro15

3.1 Hintergrundinformationen

Zum Komponisten

Ludwig van Beethoven (1770–1827) war der spätest geborene der drei „Wiener Klassiker“, zu

denen neben ihm die beiden österreichischen Komponisten Joseph Haydn und Wolfgang

Amadeus Mozart zählen. Er selbst wurde in Bonn (Deutschland) geboren, lebte aber ab seinem

22. Lebensjahr in Wien. Zu Beethovens berühmtesten Werken zählen seine neun Sinfonien, die

Instrumentalkonzerte, die 32 Klaviersonaten und zahlreiche kammermusikalische Werke.

Aufgrund eines Ohrenleidens wurde der Komponist mit zunehmendem Alter völlig taub, schrieb

aber trotzdem bis zu seinem Lebensende Musik.16

Zum Stück

Der vorliegende Satz ist der zweite und letzte der Sonatine in F-Dur, welche im Kinsky-Katalog

zusammen mit der Sonatine in G-Dur den Anhang 5 bildet.

Wie schon aus der Satzbezeichnung „Rondo. Allegro“ hervorgeht, entspricht der formale Aufbau

des Stückes einem Rondo mit dem groben Ablauf A-B-A-C-A. Das 16-taktige Hauptthema A

gliedert sich in 8+8 Takte, die als a und a‘ bezeichnet werden können. In der ersten Reprise von

A erscheint dieses nur in Form von a‘, in der letzten wieder vollständig als a-a‘. Der erste

Zwischenteil B enthält 12 Takte, der zweite, C, kann als 30-taktiger Mittelteil angesehen werden

und gliedert sich in 12+10+8 Takte (b1-b2-b1‘). Gefolgt wird er von einer 8-taktigen, rezitativ

aufgebauten Überleitung, welche zum letzten Erscheinen des Themas führt. Abgeschlossen wird

das Stück von einer 4-taktigen, kadenzartigen Coda.

15 Irmer, Otto von (Hrsg.): Beethoven – Zwei Sonatinen, S. 7f. 16 Kerman, Joseph et al.: „Beethoven, Ludwig van“, in: Grove Music Online.

11

Der Grundcharakter der Komposition ist durch das rasche Tempo und die obligate Verwendung

der non legato- bzw. staccato-Artikulation des Themas lebhaft und heiter. Einen Kontrast dazu

bietet der Mittelteil C, welcher üblicherweise im legato gespielt wird und dadurch lyrisch wirkt.

Der technisch anspruchsvollste Teil ist der Zwischenteil B, welcher in der rechten Hand an

Dreiklangszerlegungen und Tonleiterabschnitte angelehnte Sechzehntelläufe enthält.

In diesem Schwierigkeitsgrad bzw. wenn der Schüler noch wenig Erfahrung mit der Wiener

Klassik hat, finde ich persönlich es durchaus legitim, statt einer Urtext-Ausgabe eine bearbeitete

zu verwenden – beispielsweise jene von Franz Prisching17

. Hier ist der Notentext durch

zusätzliche Vortrags- und Artikulationsbezeichnungen ergänzt, welche sonst meist vom Lehrer

eingetragen werden müssen. Ergänzend sollte man jedoch in diesem Fall den Schüler auf die

Unterschiede von Urtext und bearbeitetem Text hinweisen.

3.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele

Die beiden mit „Anhang 5“ bezeichneten Beethoven-Sonatinen sind ein wunderbarer Einstieg in

die zyklischen Werke der „Wiener Klassik“. Durch den übersichtlichen formalen Aufbau und die

überschaubare Länge der Sätze können sie auch zu formalen Analysen herangezogen werden.

Der ausgewählte Satz kann bei entsprechend genauer, differenzierter Interpretation in

verschiedenen Bereichen äußerst lehrreich sein – fast etüdenhaft sind hier viele technische

Probleme (siehe die spätere Auflistung der Feinziele) in ein Musikstück verpackt. Durch seinen

heiteren Charakter kann es trotzdem sehr ansprechend für Schüler sein, besonders für Kinder und

Jugendliche. Desweiteren kann es zusammen mit dem ersten Satz als eines der ersten größeren

Originalwerke von Beethoven erlernt werden, was als Meilenstein in der musikalischen

Entwicklung angesehen bzw. präsentiert werden kann.

Die Grob- und Feinziele der Arbeit mit diesem Stück könnten wie folgt lauten:

17 Prisching, Franz (Hrsg.): Sonatinen Vorstufe – Eine Sammlung leichtester Sonatinen als Vorbereitung zu

Clementi, Kuhlau, Diabelli, Universal Edition, Wien, 1995, S. 20f.

12

Grobziele

Einführung bzw. Vertiefung des Wissens über die „Wiener Klassik“ (kognitiv)

Formenlehre (kognitiv)

Verbesserung der Fingertechnik und Geläufigkeit (motorisch)

Intensivierung der musikalischen Ausdrucksfähigkeiten (expressiv, kreativ)

Feinziele

exakte Artikulation und regelmäßige Sechzehntelläufe und Verzierungen (motorisch)

Differenzierte Dynamik zwischen Melodie und Begleitung (auditiv, motorisch)

überzeugende Interpretation und Wechsel der musikalischen Charaktere (expressiv)

Verständnis der Rondo-Form und selbstständiges Finden anderer Stücke in Rondo-Form

(kognitiv, explorativ)

3.3 Mögliche Herangehensweise

Am Anfang des Lernprozesses sollte, unbedingt noch vor dem ersten Einstudieren des

Notenmaterials, die genaue Besprechung der Artikulationsvorschriften erfolgen. Damit kann,

zumindest in den meisten Fällen, der Aufwand des Umlernens einer möglicherweise eingeübten

schlampigen Spielweise vermieden werden.

In den Teilen A und C können die Intervalle der linken Hand zur Übung auch simultan statt

sukzessive angeschlagen werden (siehe nachfolgendes Notenbeispiel, Thema A). Dies begünstigt

eine stabile Handpositionierung und das Erfassen von mehreren Noten als Einheiten

(„Chunks“18

).

18 vgl. Mantel, Gerhard: Einfach üben, S. 43ff.

13

Von Beginn an sowie auch zu späteren Zeitpunkten des Erlernens sollte die linke Hand mitunter

getrennt geübt werden, da sie durch ihre Begleitfunktion und dadurch, dass die meisten Schüler

Rechtshänder sind, sowohl auditiv als auch motorisch oft benachteiligt wird.

Bei der staccato-Artikulation des Hauptthemas A sollte darauf geachtet werden, dass Hand, Arm

und Schulter sich nicht verkrampfen, sondern der gesamte Bewegungsapparat durchlässig, das

Handgelenk locker und federnd bleibt. Falls der Schüler zum Verspannen neigt, können einzelne

Töne und Tongruppen im staccato geübt werden, dabei ist auf eine schwungvolle „Spring“-

Bewegung nach dem Loslassen der Taste zu achten, die der Lehrer in jedem Fall selbst

vormachen sollte. Mögliche Assoziationen hierzu sind, je nach Belieben und Alter des Schülers,

der Sprung eines Frosches oder eines Gummiballs, das Anzupfen einer Saite, das Auftreffen

eines Regentropfens auf Wasser, etc.

Zur Erhöhung der Geläufigkeit in den Sechzehntelläufen (vor allem jenen in Teil B) empfiehlt

sich das parallele Studium der Tonleitern und Dreiklangszerlegungen in C-Dur und F-Dur sowie

der chromatischen Tonleiter in verschiedenen rhythmischen Varianten, beispielsweise:

In diesen verschobenen Rhythmen können anschließend auch die in B vorkommenden Passagen

geübt werden – bei sauberer Ausführung stärkt dies die Finger und erhöht deren regelmäßige

Geläufigkeit. Im Hinblick auf die Artikulation des Themas (A) können die Tonleitern und

Dreiklangszerlegungen bei Bedarf auch im staccato geübt werden. Außerdem sollten die

technisch anspruchsvollen Passagen auch in einem langsamen Tempo geübt werden – nicht nur

zu Hause, sondern unbedingt auch im Unterricht. Dabei ist darauf zu achten, dass jeder Ton

bewusst als Teil der Melodie gehört wird. Dies beugt einem späteren „Verschlucken“ einzelner

Sechzehntel vor.

Im lyrischen Mittelteil C kann besonders gut an einer differenzierten Dynamik zwischen Melodie

(rechts) und darunterliegender Begleitung (links) gearbeitet werden. Aus kinästhetischer Sicht

bietet sich an, die rechte Hand in der Vorstellung mit mehr Gewicht zu versehen als die linke.

Zur Weiterentwicklung auf auditiver Ebene und um im Schüler eine klangliche Zielvorstellung

14

entstehen zu lassen, kann es hilfreich sein, wenn einmal der Lehrer die Begleitung und der

Schüler die Melodie übernimmt und dann umgekehrt.

Im gesamten Stück ist es wichtig, den musikalisch-metrischen Fluss nicht auf einzelne Viertel-

oder gar Achtelnoten aufzubauen, sondern taktig, 2-taktig bzw. 4-taktig zu denken; nur so

können zusammenhängende musikalische Phrasen entstehen. Um die Unterschiede zu verstehen,

kann der Schüler als Übung, beispielsweise im Abschnitt der ersten 8 Takte, zuerst jede Viertel

mit einem Akzent versehen, dann nur noch die „Eins“ jedes Taktes, dann jeden zweiten und

später jeden vierten Taktbeginn.

Als ergänzende Übung zum Klavierspiel und als Auflockerung einer Unterrichtseinheit kann die

Beschäftigung mit einem Stück von Beethoven außerdem dazu genutzt werden, gemeinsam

Ausschnitte von Aufnahmen seiner sinfonischen Werke anzuhören und zu besprechen.

Entsprechend dem Charakter und der Tonart des vorliegenden Stückes bieten sich beispielsweise

der erste und dritte Satz der sechsten Sinfonie („Pastorale“) an. Da viele Schüler außerhalb des

Instrumentalunterrichts oft kaum bis nie mit klassischer Musik in Berührung kommen, dient dies

zu allererst der Horizonterweiterung. In weiterer Folge kann es aber auch zur klanglichen

Bereicherung des Stückes beitragen, indem für die einzelnen Formteile des Sonatinensatzes

mögliche orchestrale Besetzungen erfunden werden – so könnte das Hauptthema A der

Holzbläserfraktion zugeordnet werden, der lyrische Teil C dagegen den Streichern. („Das

Klavier ist nicht ein Instrument, es sind hundert Instrumente“, sagte schon Anton Rubinstein.19

)

Die Vorstellung eines Blas- oder Streichinstruments als Melodieträger kann außerdem die

Gestaltung musikalischer Phrasen erleichtern, indem jede Phrase mit einem Atemzug oder einem

Bogenstrich gleichgesetzt wird.

Auch improvisatorisch kann mit dem Stück gearbeitet werden, indem etwa über einer

vorgebenen, Stück-eigenen Harmoniefolge (im untenstehenden Beispiel die ans Hauptthema

angelehnte F-Dur-Kadenz I-I-IV-IV-V-I-V-I) eine Melodie erfunden wird. Dabei empfiehlt sich

vor allem der Wechsel zwischen staccato- und legato-Spiel, sowie der bewusste Einsatz von

charakteristischen rhythmischen Elementen des Stückes, einschließlich Mordenten. Eine

mögliche Phrase, die Bezug auf das Hauptthema nimmt, wäre beispielsweise:

19 zitiert nach: Dostal, Jan (Hrsg.): Das Kind am Klavier, S.117.

15

In ähnlicher Weise kann auch über die Harmonien des Teiles C improvisiert werden, wobei dann

Rhythmik und Artikulation wiederum an die in C verwendeten Werte angepasst werden sollten.

Natürlich muss der vorgegebene Rahmen immer auf das Können des jeweiligen Schülers

abgestimmt werden – nicht jeder wird in der Lage sein, nach dem obigen Schema zu

improvisieren. Alternativ dazu kann man daher auch als Lehrer die Begleitung der linken Hand

übernehmen, oder aber diese entsprechend vereinfachen, um das improvisatorische Üben auch zu

Hause zu ermöglichen. So könnten vom Schüler als Harmoniegerüst in der linken Hand auch

lediglich die Basstönen (f-f-b-b-c-f-c-f) als halbe Noten gespielt werden. Ansonsten kann die

Begleitung entweder in, der jeweiligen Artikulation angepassten, Viertelnoten (wie im

obenstehenden Beispiel in den Takten 1–4) oder in Achtelzerlegungen erfolgen (Takte 5–8).

3.4 Parallel verwendbare Literatur

H. Bertini: 25 Etüden Op. 100, Nr. 18 – C-Dur

J. S. Bach: Zweistimmige Inventionen, Nr. 6 – E-Dur, BWV 777

W. A. Mozart: Londoner Skizzenbuch, Rondo D-Dur, KV 15d

E. Grieg: Lyrische Stücke op. 12, Nr. 2 – Walzer a-Moll

B. Bartók: Mikrokosmos 2, Nr. 66 – Geteilte Melodie

Yiruma: Filmmusik zu “Twilight”, River Flows in You

16

4. Johannes Brahms: Rhapsodie Op. 79, Nr. 2

4.1 Hintergrundinformationen

Zum Komponisten

Johannes Brahms (1833–1897) war ein deutscher Komponist, dessen Schaffen üblicherweise der

Epoche der Romantik zugeordnet wird. Durch seine starke Orientierung an der Wiener Klassik

wird er jedoch auch als „Klassiker der Romantik“ bezeichnet.20

So gilt er nicht nur als direkter

Nachfolger Schuberts und Schumanns, sondern auch als jener Beethovens. Er hinterließ eine

Vielzahl an Werken, darunter vier Sinfonien, über 20 Ungarische Tänze in orchestralen und

pianistischen Fassungen, Instrumentalkonzerte, Klavierstücke verschiedenster Gattungen sowie

zahlreiche Chorwerke und Lieder.21

Zum Stück

Der Ursprung des Begriffes „Rhapsodie“ geht auf das alte Griechenland zurück, wo er ein von

Wandersängern, sogenannte „Rhapsoden“, vorgetragenes episches Gedicht bezeichnete. Weitere

berühmte Komponisten, die sich der Gattung „Rhapsodie“ widmeten, sind neben Brahms

beispielsweise Franz Liszt, Claude Debussy, Antonin Dvořák und George Gershwin.22

Im Gegensatz zu den meisten anderen Rhapsodien, welche an keine strenge Form gebunden sind,

enthält das vorliegende Werk alle Merkmale einer Sonatenhauptsatzform: Die Exposition

gliedert sich in Hauptsatz (im folgenden sowie im Notenbeispiel als A bezeichnet), modulierende

Überleitung (B), Seitensatz (C) und, entsprechend dem Stil der Romantik relativ lange

Schlussgruppe (D). Die darauffolgende Durchführung greift vorwiegend auf Material der

Themen A und D zurück. In der anschließenden Reprise ist die Schlussgruppe noch weiter

ausgebaut und mündet in einer 8-taktigen Coda.

20 Schumann, Otto: Handbuch der Klaviermusik, S. 76. 21 Bozarth, George S. und Frisch, Walter: „Brahms, Johannes“, in: Grove Music Online. 22 Salmen, Walter: Geschichte der Rhapsodie, S. 12.

17

Auch die Anordnung der musikalischen Charaktere des Stückes ist typisch für die

Sonatenhauptsatzform: Das Hauptthema A erscheint sehr stark und entschieden im forte – einen

Kontrast hierzu bildet das lyrische, melodisch fließendere Seitenthema C, dessen vorherrschende

Dynamik piano lautet. Dieser lyrische Fluss beherrscht auch den Großteil der Durchführung,

deren wellenförmige Dynamik im pianissimo endet. Dadurch wirkt der Einsatz der Reprise

ähnlich abrupt und kräftig wie der Beginn des Stückes. Damit vergleichbar ist auch das Ende des

Stückes: Hier folgen auf das decrescendo und das sozusagen auskomponierte ritardando in der

Mittelstimme der Coda (Achteltriolen-Achtel-Vierteltriolen-Viertel) aus dem scheinbaren Nichts

die beiden abschließenden fortissimo-Akkorde.

4.2 Begründung der Werkauswahl und Unterrichtsziele

Die beiden Rhapsodien Op. 79 eignen sich meiner Ansicht nach hervorragend als

Unterrichtsliteratur: Sie sind zwei in sich geschlossene Stücke, welche Grundcharakteristika von

Brahms„ Kompositionsstil enthalten, jedoch im Gegensatz zu vielen anderen seiner Werke in

musikalischer und technischer Hinsicht für Schüler der Oberstufe keine unüberwindlichen

Schwierigkeiten aufweisen. So finden sich im Stück zwar viele Oktavgriffe und einige volle

Akkorde, jedoch sind diese alle auch für relativ kleine Hände machbar. Die überschaubare Länge

reduziert außerdem auch die Schwierigkeit der Spannungsbewahrung über weite Strecken, die

beispielsweise in den Sonaten gegeben ist.

Die Grob- und Feinziele der Arbeit mit diesem Stück könnten wie folgt lauten:

Grobziele

Intensivierung der musikalischen Ausdrucksfähigkeiten (expressiv, kreativ)

durch genaues, zielgerichtetes Üben: Erlangung von genügend technischer Sicherheit,

dadurch beim Vortragen Konzentration auf Musikalität (motorisch, expressiv)

Verständnis des Sinnes der zusätzlichen Übungen, ev. Erfinden eigener Übungen

(explorativ, kreativ)

18

Feinziele

kontrolliertes Rubato, trotz „molto passionato“ keine Verkitschung (expressiv)

auditiv nicht wahrnehmbares Übergreifen der linken Hand über die rechte (motorisch)

Hervorheben der vorkommenden Polyphonie durch deutliche Differenzierung (motorisch,

auditiv)

sichere Oktavsprünge der linken Hand durch Stabilität und Flexibilität (motorisch)

charakterlich überzeugende Interpretation, eventuell durch Hinzudenken einer Geschichte

(kreativ, expressiv)

Verständnis des Widerspruches zwischen der Gattung „Rhapsodie“ und der verwendeten

Sonatenhauptsatzform – Brahms als „klassischer Romantiker“ (kognitiv)

4.3 Mögliche Herangehensweise

Eine der größten technischen Schwierigkeiten des Stückes liegt meiner Meinung nach in den

teilweise recht weiten Sprüngen der linken Hand. Diese sollten daher auch unbedingt getrennt

geübt werden, wobei die Bewegungen zuerst bewusst sehr langsam und rund ausgeführt und

darauf geachtet werden soll, dass keine unnötigen Mikrobewegungen (beispielsweise

übertriebenes Federn des Handgelenkes, etc.) durchgeführt werden. Die Konzentration des

Schülers soll bei weiten Oktavsprüngen von Anfang an auf jenes Intervall gerichtet werden, das

durch die beiden mittleren der jeweils vier vorkommenden Töne gebildet wird – Bei den

Oktavsprüngen des Hauptthemas von der jeweils vierten zur ersten Viertel wären das also die

folgenden Töne:

Diese Töne können mitunter auch alleine geübt werden, wobei jedoch zu beachten ist, dass sich

die Hand trotz Weglassen der Oktave in stabiler Oktavstellung befinden soll. Die Konzentration

auf die „Innentöne“ der Sprünge lässt die Distanz geringer erscheinen und begünstigt damit eine

19

höhere Treffsicherheit. Ähnliche Passagen, für welche die obenstehende Übung hilfreich sein

kann, sind die Takte 13, 23ff. und 58ff.

Der Zusammenhang mit den Sprüngen in den Bereich des Violinschlüssels kann wie folgt in

Zweiergruppen geübt werden:

Dabei soll die rechte Hand locker auf der Tastatur platziert werden, um das Einlernen eines zu

niedrigen Weges der linken Hand beim Übergreifen zu vermeiden. Es soll vor allem darauf

geachtet werden, dass die beiden Viertel als eine runde Handbewegung gefühlt werden. Falls der

Schüler damit Probleme hat, kann er seine Hand auf die des Lehrers legen, während dieser die

Übung spielt, um eine kinästhetische Vorstellung zu entwickeln.

Bei der Hinzunahme der rechten Hand bietet sich in manchen Stellen, beispielsweise im Falle

des Hauptthemas A eine Übung zur musikalischen Vorstellungskraft an: Sobald dem Schüler die

Melodie der Oberstimme auditiv geläufig ist, spielt er wiederum nur die linke Hand und ersetzt

die dadurch fehlenden Töne der Melodie zuerst durch gesungene Töne, dann nur in seiner

Vorstellungskraft.

Um dann trotz Aufteilung in beide Hände eine regelmäßige, kantable Melodielinie zu erhalten,

kann diese zu Übungszwecken auch nur mit der rechten Hand gespielt werden – ob der Schüler

dazu die Basstöne der linken Hand selbst spielt, oder ob diese vom Lehrer übernommen werden,

hängt von der Flexibilität des Schülers ab. Anschließend soll der Schüler versuchen, dasselbe

klangliche Ergebnis unter Verwendung des Originalfingersatzes zu erreichen. Dieselbe

Vorgehensweise ist in den an A angelehnten Teilen der Durchführung möglich – ihr Zweck und

Ziel liegt darin, dass das klangliche Endergebnis nicht durch Fingertechnik, sondern durch die

Vorstellungskraft kontrolliert wird.

20

Zusätzlich können die begleitenden Mittelstimmen dieser Teile auch akkordisch geübt werden

(siehe nachfolgendes Notenbeispiel) – dies erlaubt eine konzentrierte Wahrnehmung des

harmonischen Verlaufs.

In Teil B sollen, ähnlich wie in der Bassstimme von Teil A, innerhalb der Achteltriolen in beiden

Händen zu sehr vertikal gefühlte Bewegungsmuster vermieden werden. Stattdessen sollen wieder

die jeweils zwei aufeinanderfolgenden Achtelnoten als eine Bewegung gespielt werden und

außerdem auditiv stets der lineare Melodieverlauf verfolgt wird. Zur Entwicklung einer besseren

Klangvorstellung können als Übung mitunter auch nur Oberstimme und Bass-Viertelnoten

gespielt werden:

Bei anschließender Realisation aller Stimmen sollten dann die beiden Außenstimmen melodisch

phrasiert statt nur rhythmisch geklopft werden.

21

Der anschließende Teil C verlangt durch seine polyphone Kompositionsweise ein besonders

differenziertes Spiel. Der Schüler sollte hier, ähnlich wie bei einem Stück J. S. Bachs, in der

Lage sein, jede Stimme mit jeder zusammen zu spielen, sodass die Mittelstimme nicht

vernachlässigt, sondern auch bewusst gehört und gespielt wird. Es sollte dem Schüler außerdem

bewusst gemacht werden, wie sich die Phrasenlänge hier zuerst verlängert, dann in Richtung des

Höhepunktes wieder verkürzt:

Ob in der Endinterpretation des Stückes zwischen diesen Phrasen abgesetzt wird oder nicht, kann

der Interpret selbst entscheiden – zum besseren Nachvollziehen der Phrasierung bietet sich dies

jedoch als Übung an.

In derselben Weise soll auch in den Takten 33–53 genau auf die verschiedenen Längen der

Phrasen geachtet werden, die Brahms hier mithilfe der Bögen eindeutig markiert hat.

In Teil D soll wiederum auf eine sorgfältige klangliche Abstufung zwischen der Hauptmelodie

(im Bass), der Oberstimme (die eine zweite, untergeordnete Melodie enthält) und der

begleitenden Mittelstimme hingearbeitet werden. Eine Schwierigkeit hierbei bilden die sehr leise

und regelmäßig zu spielenden Achteltriolen der Mittelstimme. Als Übung können diese auch

ohne die linke Hand in schnelleren Notenwerten gespielt werden:

22

Dabei sollte besonders auf metrische und dynamische Regelmäßigkeit und die gleichzeitige

höhere Gewichtung der Oberstimme (Viertelnoten) geachtet werden. Diese Übung eignet sich

auch für die Takte 63ff., in denen nicht nur ein dreifaches pianississimo, sondern auch sotto voce

vorgeschrieben ist.

Auf klanglicher und agogischer Ebene besteht bei diesem Stück, wie auch bei anderen Werken

Brahms„, meiner Meinung nach die Gefahr zur Verkitschung. Besonders die lyrischen Teile (C,

D, Durchführung) verleiten so manchen zu übermäßigem rubato und übertrieben „sanftem“

Spiel. Um dem entgegenzuwirken, kann sich der Schüler vorstellen, selbst einmal in die Rolle

von Johannes Brahms zu schlüpfen und auszuprobieren, wie er wohl sein eigenes Stück gespielt

haben könnte – die Imagination von diesem sehr voluminösen Herren mit dem ebenso

gewaltigen Bart ist meiner Meinung nach der Inbegriff von Stabilität, die sich sowohl auf

metrischer, als auch auf klanglicher Basis auswirken kann. Zusätzlich kann als Hilfe bei der

Suche einer stabilen Spielweise natürlich auch der Lehrer die jeweiligen Melodiestimmen in

anderen Oktaven mitspielen. Neigt der Schüler zu großen Temposchwankungen, kann im Sinne

von Tempovergleichen immer wieder zwischen einzelnen Teilen hin- und hergesprungen

werden, wobei nicht nur der Lehrer, sonder vor allem der Schüler selbst auf ein durchgehendes

Metrum achten sollte.

Um eine ausdrucksstarke Interpretation zu erreichen, kann es hilfreich sein, sich mit dem Schüler

zusammen eine Geschichte zum Stück auszudenken. Dies liegt hier aufgrund der

Stückbezeichnung „Rhapsodie“ besonders nahe. Beispielsweise könnte man sich einen

Rhapsoden vorstellen, der davon erzählt, einen Bären erlegt zu haben: Die Teile A und B wären

dann der selbstbewusste Auftritt des Erzählers und dessen stolzes Präsentieren des Bärenfells,

Teil C beschreibt dessen gefährliche Suche nach dem Bären, in Teil D schleicht sich der Erzähler

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an das Tier an, der Durchführungsteil beschreibt dann das versteckte Auflauern und das immer

wieder versuchte Erwischen des Bärens bis zum Triumph (fortissimo in Takt 79). Darauf folgt

die Reprise sozusagen als nochmalige Zusammenfassung des Rhapsoden.

Diese Geschichte ist hier selbstverständlich nur beispielhaft erwähnt – im Idealfall überlegt sich

der Schüler selbst eine eigene. Die Miteinbeziehung eines imaginativen, möglicherweise etwas

überdramatischen Erzählers („Rhapsoden“) kann dabei manche ruhigeren, schüchternen

Schülern durch die spielerische Annahme dessen Rolle zu einem starken und selbstbewussten

Vortrag animieren. Eine passende Visualisierung wie jene des „Auflauerns“ im

Durchführungsteil kann außerdem eine viel einfacher vorstellbare Grundlage zum Aufbau langer

Spannungsbögen darstellen als der blanke Notentext.

4.4 Parallel verwendbare Literatur

J. S. Bach: Wohltemperiertes Klavier I, Präludium und Fuge d-Moll, BWV 851

W. A. Mozart: Sonate G-Dur, KV 283

F. Chopin: Trois Nouvelles Etudes, Nr. 1 – Etude f-Moll

S. Rachmaninoff: Moments Musicaux Op.16, Nr. 3 – h-Moll

Helmut Eder: Rhythmische Klavierstücke Op. 18, Nr.6 – Allegro martellato

Michael Nyman: Filmmusik zu “The Piano”, The Sacrifice

24

5. Literaturverzeichnis

5.1 Fachliteratur

Bozarth, George S. und Frisch, Walter: „Brahms, Johannes“, in: Grove Music Online, Oxford

University Press 2007–2014

[http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/art

icle/grove/music/51879?q=brahms&search=quick&pos=1&_start=1#firsthit].

Dostal, Jan (Hrsg.): Das Kind am Klavier – Pädagogen sozialistischer Länder zu Fragen des

Klavierunterrichts, deutsch von: Bedřiška Adamíčková et al., VEB Deutscher Verlag für Musik,

Leipzig, 1980.

Kerman, Joseph et al.: „Beethoven, Ludwig van“, in: Grove Music Online, Oxford University

Press 2007–2014

[http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/art

icle/grove/music/40026pg3].

Mantel, Gerhard: Einfach üben – 185 unübliche Überezepte für Instrumentalisten, Schott, Mainz,

2001.

Marks, Martin: „Mancini, Henry [Enrico Nicola]“, in: Grove Music Online, Oxford University Press

2007–2014

[http://han.kug.ac.at/han/OXFORDMUSICONLINE/www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grov

e/music/17597?q=henry+mancini&search=quick&pos=1&_start=1].

Petrat, Nicolai: Motivieren zu Musik – Grundlangen und Praxistipps für den erfolgreichen

Instrumentalunterricht, Gustav Bosse Verlag, Kassel, 2007.

Röbke, Peter: Vom Handwerk zur Kunst – Didaktische Grunlagen des Instrumentalunterrichts,

Schott, Mainz, 2000.

Salmen, Walter: Geschichte der Rhapsodie, Atlantis Verlag, Zürich, 1966.

25

Schumann, Otto: Handbuch der Klaviermusik, Heinrichshofen‟s Verlag, Wilhelmshaven, 1979.

5.2 Notenmaterial

Grimmer, Frauke und Kaluza, Gerald (Hrsg.): Faszination Klavier 2, G. Ricordi & co.,

München, 1992.

Irmer, Otto von (Hrsg.): Beethoven – Zwei Sonatinen G-Dur und F-Dur, Anhang 5, Urtext, G.

Henle Verlag, München, 1998.

Mandyczewski, Eusebius (Hrsg.): Brahms – Zwei Rhapsodien für Klavier, Op. 79, Breitkopf &

Härtel, Wiesbaden, 1985.

5.3 Internet

http://www.youtube.com/watch?v=lp6z3s1Gig0 [01.04.2014].

http://www.youtube.com/watch?v=s3lmp6UTy-4 [01.04.2014].

http://www.youtube.com/watch?v=RsIFqVGBzt0 [01.04.2014].

6. Anhang: Notenbeispiele

A

B

C

A

A

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

1

A

B

C

Exposition

1

4

7

10

14

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

2

D

18

21

24

27

30

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

3

Durchführung33

36

39

42

45

48

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

4

51

54

57

60

63

66

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

5

Reprise

69

72

75

78

81

84

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

6

87

90

93

96

99

102

Rhapsody in G Minor Op. 79/2

7

Coda

106

108

110

113

116

119