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MRgFUS-Behandlung und Fertilität 20 | Dezember 2010 Leiomyome des Uterus sind die am häufigsten vorkommenden benig- nen Tumoren der Frau im reproduk- tionsfähigem Alter. Ihre absolute Häufigkeit wird mit 15 bis 20 Prozent angegeben. 80 Prozent der Myome finden sich bei Frauen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Die Myom- häufigkeit in der Schwangerschaft beträgt zwischen 2,6 und 4 Prozent. Die Rate primärer und sekundärer Sterilität wird in der Literatur mit 15 bis 40 Prozent angegeben. Im Rah- men von Sterilitätsuntersuchungen wurden in bis zu 42 Prozent aller Fäl- le unter anderem auch Myome ge- funden. Inwieweit Myome doch als einzige Ursache für Sterilität anzu- nehmen sind, ist weitgehend unbe- kannt. Buttram berichtet, dass bei 71 Prozent der Frauen, die sich einer Myomenukleation unterzogen, noch andere Faktoren für Sterilität gefun- den wurden. Angesichts dieser Da- ten und der Tatsache, dass sich Frau- en mit Myomen häufig wie erwähnt im reproduktionsfähigen Alter mit noch nicht abgeschlossener Famili- enplanung befinden, stellt sich die Frage nach einer wirksamen, aber uterusschonenden Behandlung. Schwangerschaften bei Myomträgerinnen sind mit hohen Risiken belastet: erhöhte Abort- und Frühgeburtenrate, vorzeitige Plazentaablösung, Ureterkompression und geburtsmechanisches Hindernis. Die Zahl der operativen Entbindungen bei Frauen mit Myomen in der Schwanger- schaft sind sehr hoch. Die normale Entbin- dung ist erschwert, und auch im Wochen- bett drohen Involutionsstörungen, atoni- sche Nachblutungen, Endomyometritis und Kolliquationsnekrosen. Der Gold- standard bei submukösen, überwiegend intrakavitär gelegenen Myomen ist die operative Hysteroskopie mit Myomresek- tion. Gestielte Myome, aber auch nicht sehr tief intramural reichende subseröse Myome, können laparoskopisch bezie- hungsweise bei enormer Größe durch eine Laparotomie enukleiert werden. Enukleation tief im Myometrium oder fast zum Cavum uteri reichende größere My- omknoten hinterlassen nach operativer Therapie Narben, die im ungünstigen Fall innerhalb einer Schwangerschaft schon im zweiten oder dritten Trimenon rupturieren können. Eine nicht invasive Alternative: MRgFUS-Behandlung Die MRT-gesteuerte fokussierter Ultra- schalltherapie, kurz MRgFUS-Behand- lung, von ungünstig lokalisierten Myo- men bei Frauen mit noch vorhandenem Kinderwunsch stellt sich als eine nicht in- vasive Methode dar, mit der sich derarti- ge Komplikationen wahrscheinlich um- gehen lassen. Dieses Verfahren besitzt eine CE-Zertifizierung und bereits seit November 2004 die FDA-Zulassung für die Behandlung von Uterusmyomen. Trotzdem muss eine ausführlicher Aufklä- rung und Darstellung der Therapieoptio- nen erfolgen. So sind derzeit laufende entsprechende Fertilitätsstudien in der Auswertungsphase. Mit einer MRgFUS- Therapie behandelt werden können Myome mit einer Größe zwischen drei bis acht Zentimeter oder auch größere Myome, wenn diese zuvor medikamen- tös vorbehandelt wurden (GnRH). Bis zu Schwangerschaft und Geburt nach Fertilitätsproblemen Myomentfernung mit MRT-gesteuerter fokussierter Ultraschalltherapie Ein Beitrag von F. Bartzsch 1 , A. Frye 1 , S. Schiermeier 1 , A. Plewka 2 & W. Hatzmann 1 Bildnachweis: F. Bartzsch (3 x) 1 Frauenklinik der Universität Witten/Herdecke und Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum am Marien-Hospital Witten 2 Radiologische Gemeinschaftspraxis Rechener Straße, Bochum Abb. 1: T2-gewichtete Aufnahme des Beckens einer 31-jährigen Patientin vor der MRgFUS-Behandlung Abb. 2 a und 2 b: Die Abbildungen zeigen die rechnergestützte Behandlungsplanung mittels MRT. Die grünen Zylinder in Abb. 2 b entsprechen den geplanten Sonifikationsvolumina. Diese werden in koronaler und sagittaler Schnittebene geprüft und gegebenenfalls angepasst. Abb. 2 a Abb. 2 b

Schwangerschaft und Geburt nach … und Geburt nach Fertilitätsproblemen Myomentfernung mit MRT-gesteuerter fokussierter Ultraschalltherapie Ein Beitrag von F. Bartzsch 1, A. Frye

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MRgFUS-Behandlung und Fertilität

20 | Dezember 2010

Leiomyome des Uterus sind die am häufigsten vorkommenden benig-nen Tumoren der Frau im reproduk-tionsfähigem Alter. Ihre absolute Häufigkeit wird mit 15 bis 20 Prozent angegeben. 80 Prozent der Myome finden sich bei Frauen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Die Myom-häufigkeit in der Schwangerschaft beträgt zwischen 2,6 und 4 Prozent. Die Rate primärer und sekundärer Sterilität wird in der Literatur mit 15 bis 40 Prozent angegeben. Im Rah-men von Sterilitätsuntersuchungen wurden in bis zu 42 Prozent aller Fäl-le unter anderem auch Myome ge-funden. Inwieweit Myome doch als einzige Ursache für Sterilität anzu-nehmen sind, ist weitgehend unbe-kannt. Buttram berichtet, dass bei 71 Prozent der Frauen, die sich einer Myomenukleation unterzogen, noch andere Faktoren für Sterilität gefun-den wurden. Angesichts dieser Da-ten und der Tatsache, dass sich Frau-en mit Myomen häufig wie erwähnt im reproduktionsfähigen Alter mit noch nicht abgeschlossener Famili-

enplanung befinden, stellt sich die Frage nach einer wirksamen, aber uterusschonenden Behandlung.

Schwangerschaften bei Myomträgerinnen sind mit hohen Risiken belastet: erhöhte Abort- und Frühgeburtenrate, vorzeitige Plazentaablösung, Ureterkompression und geburtsmechanisches Hindernis. Die Zahl der operativen Entbindungen bei Frauen mit Myomen in der Schwanger-schaft sind sehr hoch. Die normale Entbin-dung ist erschwert, und auch im Wochen-bett drohen Involutionsstörungen, atoni-sche Nachblutungen, Endomyometritis und Kolliquationsnekrosen. Der Gold-standard bei submukösen, überwiegend intrakavitär gelegenen Myomen ist die operative Hysteroskopie mit Myomresek-tion. Gestielte Myome, aber auch nicht sehr tief intramural reichende subseröse Myome, können laparoskopisch bezie-hungsweise bei enormer Größe durch eine Laparotomie enukleiert werden. Enuk leation tief im Myometrium oder fast zum Cavum uteri reichende größere My-omknoten hinterlassen nach operativer Therapie Narben, die im ungünstigen Fall

innerhalb einer Schwangerschaft schon im zweiten oder dritten Trimenon rupturieren können.

Eine nicht invasive Alternative: MRgFUS-Behandlung

Die MRT-gesteuerte fokussierter Ultra-schalltherapie, kurz MRgFUS-Behand-lung, von ungünstig lokalisierten Myo-men bei Frauen mit noch vorhandenem Kinderwunsch stellt sich als eine nicht in-vasive Methode dar, mit der sich derarti-ge Komplikationen wahrscheinlich um-gehen lassen. Dieses Verfahren besitzt eine CE-Zertifizierung und bereits seit November 2004 die FDA-Zulassung für die Behandlung von Uterusmyomen. Trotzdem muss eine ausführlicher Aufklä-rung und Darstellung der Therapieoptio-nen erfolgen. So sind derzeit laufende entsprechende Fertilitätsstudien in der Auswertungsphase. Mit einer MRgFUS-Therapie behandelt werden können Myome mit einer Größe zwischen drei bis acht Zentimeter oder auch größere Myome, wenn diese zuvor medikamen-tös vorbehandelt wurden (GnRH). Bis zu

Schwangerschaft und Geburt nach Fertilitätsproblemen

Myomentfernung mit MRT-gesteuerter fokussierter Ultraschalltherapie Ein Beitrag von F. Bartzsch1, A. Frye1, S. Schiermeier1, A. Plewka2 & W. Hatzmann1

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1 Frauenklinik der Universität Witten/Herdecke und Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum am Marien-Hospital Witten2 Radiologische Gemeinschaftspraxis Rechener Straße, Bochum

Abb. 1: T2-gewichtete Aufnahme des Beckens einer 31-jährigen Patientin vor der MRgFUS-Behandlung

Abb. 2 a und 2 b: Die Abbildungen zeigen die rechnergestützte Behandlungsplanung mittels MRT. Die grünen Zylinder in Abb. 2 b entsprechen den geplanten Sonifikationsvolumina. Diese werden in koronaler und sagittaler Schnittebene geprüft und gegebenenfalls angepasst.

Abb. 2 a Abb. 2 b

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MRgFUS-Behandlung und Fertilität

Dezember 2010 | 21

Literaturhinweise: Literaturliste auf Anfrage bei der Redaktion erhältlich, [email protected]

Korrespondenzadresse: Dr. med. Felix Bartzsch Marien-Hospital Witten Universität Witten/Herdecke Akademisches Lehrkrankenhaus der Ruhr-Universität Bochum Tel.: 0 23 02/1 73 13 37Fax: 0 23 02/1 73 13 25E-Mail: [email protected]

fünf Myome mit einer maximalen Größe von fünf Zentimetern können in einer Sit-zung behandelt werden. Ein Gesamtvo-lumen von maximal 500 ccm pro Sitzung sollte demzufolge nicht überschritten werden.

Als Ausschlusskriterien gelten gestielte Myome, Myome mit breitem submukö-sem Anteil, stark verkalkte Myome sowie Myome, die mehr als zwölf Zentimeter von der Haut entfernt liegen. Ebenfalls als Kontraindikation gelten das Vorliegen oder der Verdacht auf ein Leiomyomsar-kom, abdominelle Narben sowie Tattoos, zumindest solche, die im Ultraschallfokus lokalisiert sind. Der Grund ist, dass sol-che Tattoos eine Abweichung des Ultra-schallstrahls verursachen können und so-mit umliegendes Gewebe schädigen. Vorteile des MRgFUS-Verfahrens beste-hen darin, dass die Therapie zum einen nicht invasiv ist, das heißt ohne Strahlen-belastung, ohne Narkose und damit am-bulant durchgeführt wird. Das ermöglicht im Weiteren eine schnelle Mobilisierung der Patientin. Zum anderen ist durch die MRT-Überwachung ein hohes Maß an S icherheit gegeben.

MRgFUS bei Fertilitätspro blemen – ein Fallbericht

Eine 31-jährige Patientin mit primärer Sterilität bei Uterus myomatosus stellte sich in der Myomsprechstunde bei uns im Marien-Hospital Witten vor. Bei der Ultra-schalluntersuchung wird ein 6,5 auf 5,8 Zentimeter großes intramurales Vorder-wandmyom in unmittelbarer Nähe zum Cavum uteri diagnostiziert. Aufgrund dieser sehr ungünstigen Lokalisation des Myoms wird wegen des vorhandenen Kinderwunsches eine MRgFUS-Behand-lung vorgeschlagen. Vorher wird mithilfe einer MRT die Planung der späteren Ult-

ra-

schallbehandlung durchgeführt. Dabei wird ein Myomvolumen von 224 cm2 ge-messen (Abb. 1). Dazu zeichnet der be-handelnde Radiologe zunächst das Ziel-volumen ein. Rechnergestützt wird da-raus der Behandlungsplan entworfen, der aus mehreren Einzelsonifikationen besteht (Abb. 2 a und 2 b).

Bei der MRgFUS-Behandlung werden hochenergetische Ultraschallwellen, mit einer fünf- bis zehntausendfach höheren Energie als beim diagnostischen Ultra-schall, gezielt im Inneren des Myoms fo-kussiert und somit das Gewebe im Ziel-punkt auf Temperaturen von 60 bis 80 Grad erhitzt. Durch diese Thermoablation wird die Läsion gezielt nekrotisiert. Gleichzeitig wird das umgebende Ge-webe geschont. Die Patientin befindet sich in Bauchlage im MRT-Gerät (Abb. 3). Während der gesamten Behandlung, die circa vier Stunden dauert, werden MRT-kontrolliert die Ultraschallwellen durch den FUS-Therapiezusatz ExAblate®-2000 von unten in das Myom fokussiert (Abb. 4). Direkt nach der Behandlung zeigen kon-trastverstärkte T1-gewichtige Aufnahmen keine Anreicherung von Kontrastmitteln in 70 Prozent des Myoms (Abb. 5).

Bei der Nachuntersuchung der Patientin circa drei Monate später findet sich eine Reduktion des Myoms um 57 Prozent. Gleichzeitig werden noch residuelle nek-rotische Areale nachgewiesen, die auf eine weitere Schrumpfung des Myoms hindeuten (Abb. 6).

Follow-up: erfolgreiche Schwangerschaft der Patientin

Rund fünf Monate nach der nicht invasi-ven Therapie wird die Patientin schwan-ger. Die Schwangerschaft verläuft stö-rungsfrei. Das Restmyom nach MRgFUS wird nicht größer, wie häufig in der Schwangerschaft bis zur 20. Schwanger-

schaftswoche (SSW). Wegen Beckenend-lage bei Primiparität erfolgt die Entbin-dung durch primäre Sectio caesarea. Es wird ein gesundes Mädchen mit einem Geburtsgewicht von 3 010 Gramm und einer Körpergröße von 52 Zentimeter ge-boren. Restmyomgewebe ist im Bereich der Vorderwand intramural noch zu tas-ten und wird auf circa 3,5 Zentimeter ge-schätzt. Das Wochenbett verläuft kompli-kationslos. Bei der Nachuntersuchung sechs Wochen postpartal wird sonogra-fisch eine Myomgröße von circa drei Zen-timetern gemessen.

Fazit für die Praxis

MRgFUS wird zur Behandlung von Ute-rusmyomen seit 2003 als organerhalten-de nicht invasive Therapiemöglichkeit eingesetzt. Die Behandlung ist beson-ders geeignet bei größeren intramural lokalisierten Myomen, die einer Opera-tion, sei es laparoskopisch oder durch Minilapa rotomie, erschwert zugänglich sind. Die Behandlung ist zwar aufwendig, dafür nicht invasiv und ambulant sehr gut durchzuführen. Uterusrupturen nach MRgFUS-Behandlung wurden in der Lite-ratur nicht beschrieben. ■

Abb. 3: Die Patientin liegt bei der MRgFUS-Behand-lung in Bauchlage im MRT-Gerät

Abb. 4: Steuerung und Überwa-chung der lokalen Temperatur während der fokussierten Ultra-schallbehandlung

Abb. 5: MRT-Kontrolle unmittelbar nach der MRgFUS-Behandlung

Abb. 6: MRT-Kontrolle drei Mona-te nach MRgFUS-Behandlung

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