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Universität Leipzig Sozialwissenschaftliche Fakultät Prof. Dr. Helena Flam Seminararbeit Zum Seminar im Master-Modul Institutionelle Diskriminierung: Das Bild der Migrantin in der Wahrnehmung der Mehrheitsgesellschaft WS 2010/11 Eingereicht von: Name: Silke Blumer E-Mail-Adresse: [email protected] Studiengang: BWL M.Sc. (Marketing, Distribution & Service) Fachsemester: 1 Matrikelnummer: 2280089 Leipzig, 31.01.2010

Seminararbeit Diskriminierung

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Page 1: Seminararbeit Diskriminierung

Universität Leipzig Sozialwissenschaftliche Fakultät Prof. Dr. Helena Flam

Seminararbeit

Zum Seminar im Master-Modul „Institutionelle Diskriminierung“:

Das Bild der Migrantin in der Wahrnehmung

der Mehrheitsgesellschaft

WS 2010/11

Eingereicht von:

Name: Silke Blumer

E-Mail-Adresse: [email protected]

Studiengang: BWL M.Sc. (Marketing, Distribution & Service)

Fachsemester: 1

Matrikelnummer: 2280089

Leipzig, 31.01.2010

Page 2: Seminararbeit Diskriminierung

Inhaltsverzeichnis

Seite II

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ..................................................................................................... 1

2. Die Entstehung des Bildes der Migrantin..................................................... 2

2.1 Auseinandersetzung mit Frauenmigration ............................................. 2

2.2 Verortung der Migrantin im privaten Bereich .......................................... 5

2.2.1 Texte und Studien beleuchten die Migrantin stets im Kontext des

privaten Bereichs...................................................................................... 5

2.2.2 Ausländerrechtliche Bestimmungen machen die Migrantin zur

Hausfrau ................................................................................................... 6

2.2.3 Falsche Anwerbepolitik zeichnet das Bild der Migrantin bereits vor

ihrer Migration .......................................................................................... 7

2.2.4 Die Ehefrau im Heim als Heimatersatz ............................................ 8

2.2.5 Die Ehefrau im Heim als Integrationsbehinderung .......................... 9

2.3 Die Migrantin wird stets als Türkin gedacht ........................................... 9

2.4 Die Migrantin als handlungsunfähiges Opfer ....................................... 10

2.4.1 Die instrumentalisierte Ausnahme-Migrantin, die sich ins Elend

stürzt ...................................................................................................... 10

2.4.2 Die Migrantin als dreifaches Opfer ................................................ 11

2.4.3 Die Komplizin ................................................................................ 12

2.4.4 Die Migrantin der zweiten Generation als das neue Opfer im Kampf

der Kulturen ............................................................................................ 13

3. Die Reproduktion des Bildes der Migrantin in den Medien ........................ 14

3.1 Determinanten im Mediendiskurs zum Thema Einwanderung ............. 14

3.2 Die Migrantin in den Print-Medien ........................................................ 17

3.3 Die Migrantin im Fernsehen ................................................................. 19

4. Fazit........................................................................................................... 20

Quellenverzeichnis ............................................................................................ 21

Page 3: Seminararbeit Diskriminierung

Inhaltsverzeichnis

Seite III

Anhang.............................................................................................................. 24

Anhang 1: Phasen der Migrationspolitik ................................................. 24

Anhang 2: Phasen der Auseinandersetzung mit Migration ..................... 25

Anhang 3 : Migrantinnen im Fernsehen ................................................. 26

Page 4: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 1

1. Einleitung

„Die Arbeitsmigrantinnen der sechziger und siebziger Jahre haben zweifellos Diskriminierung erlebt, aber viele von ihnen haben die neuen Lebensumstände dennoch genutzt, um die Grundlagen für eine andere Zukunft zu schaffen [… ] sie sind nicht nur passive Opfer, sondern auch Handelnde, die ihr Leben einrichten und gestalten – und zwar nach ihren Werten, Maßstäben, Leitbildern.

Solange die Forscherinnen und Forscher der Mehrheitsgesellschaft dies nicht erkennen und anerkennen, solange sie ihren eigenen Vorstellungen von Autonomie Selbstbehauptung und Befreiung als Maßstab des Universums begreifen, so lange bleibt ihnen verschlossen was das Leben der Migrantinnen bewegt, worum es sich dreht – was deren Kämpfe, Anstrengungen, Leistungen sind.“1

Was Beck-Gernsheim hier kritisiert, hat die Forschung inzwischen weitestgehend er-

kannt und hat versucht den Perspektivenwechsel und eine ganzheitliche Sicht in ihre

Arbeit mit einzubeziehen. So sollte sich die Kritik verstärkt an die Öffentlichkeit richten,

in der noch immer ein einseitiges und statisches Bild der Migrantin dominiert.2 Doch

wie genau sieht dieses Bild aus? Wie konnte es entstehen und welche Zuschreibungen

werden gemacht? Wie tragen die Medien zur Aufrechterhaltung oder sogar Zeichnung

des einseitigen Bildes bei?

„Migrationshintergrund“ wurde 2005 in die deutsche Einwanderungsdebatte als statisti-

sche Kategorie eingeführt. Als Personen mit Migrationshintergrund gelten dabei „alle,

die nach 1949 auf das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewander-

ten, sowie alle in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als

Deutsche Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in

Deutschland geborenen Elternteil.“3 Nach dem lange Zeit die Begriffe „Gastarbeiter“

und „AusländerIn“ dominierten, werden nun auch verstärkt von Politik-, Medien- und

Alltagsdiskurs der Begriff „MigrantIn“ verwendet. Doch mit der Veränderung des

Sprachgebrauchs ist nicht zwingend ein Wandel in der Stereotypisierung verbunden.

Die Größe und Vielfalt der Gruppe der Migrantinnen ist dem Einzelnen bei der Ver-

wendung des Begriffs „Migrantin“ kaum bewusst. Die zugewanderte Spitzensportlerin,

Managerin oder Professorin wird nur selten als „Migrantin“ bezeichnet. Die türkische

Kopftuchfrau stellt hingegen den Prototyp einer Migrantin im Bewusstsein der Mehr-

heitsgesellschaft dar.4

Die Arbeit soll zeigen wie bereits von Beginn der Arbeitsmigration an ein bestimmtes

Bild der Migrantin gezeichnet wurde, dieses durch Politik, Wissenschaft, verschiedene

Institutionen immer wieder aufgegriffen, verfestigt und verfeinert wurde. Dieses Bild der

1 Beck-Gernsheim (2007), S. 73.

2 Vgl. Treibel (2008), S. 151.

3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2008), S. 10.

4 Vgl. Lünenborg, (2009), S. 8.

Page 5: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 2

Migrantin reicht bis in die heutige Zeit und ist noch immer Gegenstand des Mediendis-

kurses.

Ab den Neunzigern findet sich zusätzlich verstärkt ein Diskursstrang über zugewan-

derte Osteuropäerinnen, die allerdings auf eine andere Art und Weise, jedoch nicht

unbedingt weniger stereotyp, thematisiert werden wie die bereits anwesenden Migran-

tinnen. Sie werden in dieser Arbeit nicht genauer untersucht. Veränderung der Begriff -

lichkeiten wie zum Beispiel Gastarbeiterin zu Migrantin sind der jeweiligen Zeit ver-

schuldet. Der Wandel der schwerpunktmäßigen Betrachtung von nationaler Herkunft

zu religiöser Überzeugung rührt von einer Bewusstseinsänderung in der Gesellschaft

vor allem ab dem 21. Jahrhundert, wie noch zu zeigen sein wird.

Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit der Entstehung des einseitigen Bildes der

Migrantin. Dazu wird zunächst untersucht inwiefern sich die Diskurse überhaupt mit der

Migrantin seit der Gastarbeiterbewegung beschäftigt haben. Anschließend werden die

einzelnen Zuschreibungen, die der Migrantin gemacht werden dargestellt und deren

Ursachen beleuchtet. Im zweiten Teil wird dargestellt wie die Medien auch heute noch

das einseitige Bild der Migrantin reproduzieren. Zunächst wird dazu die allgemeine

Funktionsweise der Medien beleuchtet und anschließend auf die Repräsentation der

Migrantin in Print-Medien und Fernsehen getrennt eingegangen.

Das Bild der Migrantin wird durch verschiedene Zuschreibungen geprägt. Dazu gehört

die Verortung im privaten Bereich, unterstellte türkische Wurzeln, Handlungsunfähig-

keit, sowie Opferdasein der Migrantin. Unterschiedliche Faktoren haben zur Zeichnung

dieses einseitigen Bildes geführt. Dabei wären zunächst einmal der Zeitpunkt und die

Art der Auseinandersetzung mit Frauenmigration zu nennen. Auch ausländerrechtliche

Bestimmungen, falsche Anwerbepolitik, Mentalitätszuschreibungen der Südländerin,

oder die Rollenzuweisung als Heimatersatz haben ihren Beitrag geleistet.

2. Die Entstehung des Bildes der Migrantin

2.1 Auseinandersetzung mit Frauenmigration

Die Migrantin rückte erst spät in den Mittelpunkt des Interesses. Da für die Mehrheits-

gesellschaft das „Funktionieren“ als Arbeitskraft im Vordergrund stand, war die Be-

trachtung der Lebenssituation des Einzelnen und damit auch die Unterschiede, die sich

für Migranten und Migrantinnen ergaben zunächst nicht von Bedeutung. In der An-

fangszeit wurde sie unter dem Begriff „Gastarbeiter“ subsumiert.5 So ist zu erklären,

5 Bereits zu Beginn der Arbeiteranwerbung im Ausland erschienen gynäkologische Arbeiten, die sich

hauptsächlich mit körperlichen Unterschieden der südländischen Frau beschäftigten. Sie können jedoch kaum als Migrationsforschung sondern eher als biologischen Determinismus gewertet

Page 6: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 3

dass die Migrantinnenforschung auch deutlich später einsetzt als die Migrationsfor-

schung.6

Bei der Klassifizierung der zu Frauenmigration erschienenen Texte überwiegt deutlich

die praxis-, politik- und alltagsbezogene Literatur, wissenschaftliche Texte sind hinge-

gen eher selten vorzufinden. Der Anwendungsbezug der Texte zur

Migrantinnenforschung ist gegenüber dem der allgemeinen Migrationsforschung noch

ausgeprägter. Oftmals handelt es sich um sozialpädagogische Texte, Texte aus dem

Bereich der Erwachsenenbildung, Erfahrungen und Lösungsansätze von PraktikerIn-

nen. Zu bedenken ist dabei, dass Texte von PraktikerInnen meist von Extremfällen be-

richten, also beispielsweise den Lebensgeschichten von Frauen in Frauenhäusern.7

Betrachtet man die Herangehensweise an das Thema Frauenmigration im Zeitverlauf,

so ist Ende der siebziger Jahre ein starker Anstieg von Texten „aus der Praxis für die

Praxis“ vorzufinden. Dieser Anstieg kann vor dem Hintergrund der Änderung der Mig-

rationspolitik gesehen werden. Mit dem verhängten Anwerbestopp kam es zu einer

verstärkten Familiennachmigration, so kamen die Migrantinnen erstmals in den Blick,

jedoch lediglich als Teil der Migrantenfamilie. Sie wurden als Ehefrauen und Anhängsel

der Gastarbeiter und als nicht ebenfalls Erwerbstätige gesehen. Bereits anwesende,

erwerbstätige Migrantinnen fielen weiterhin unter den Begriff Gastarbeiter.8 Zu dieser

Zeit mit seinen zahlreichen Beschreibungen und Erfahrungsberichten aus Praxispro-

jekten und Initiativgruppen fehlt fast jegliche primär empirische Untersuchung, sodass

mit sekundärstatistischen Analysen gearbeitet werden muss. Die Migrationsgeschichte

der Frauen kann kaum rekonstruiert werden und es sind kaum interkulturell verglei-

chende Studien vorhanden. Häufig zum Einsatz kommt hingegen die

Biographieforschung, sodass Studien zum Leben von Migrantinnen aus

Interpretationen der Lebensgeschichten Einzelner entstehen. Die Hauptzeit der Frau-

enmigrationsforschung war in den achtziger Jahren, während die allgemeine

Migrationsforschung sich bereits in der Bilanzphase befand. Die

Migrantinnenforschung etabliert sich erst als die Folgen von Migration vor dem Hinter-

grund von religiösen und kulturellen Einstellungen und Praxen untersucht wurden und

somit der private Raum mehr in den Mittelpunkt gerückt wurde. Die unterstellte Kultur-

differenz, und teilweise auch Defizitannahme, wurde herangezogen um mögliche

Migrationsprobleme zu erklären. Dieser Kulturdeterminismus prägte das Bild der

werden. Unterschiede in der Beckengröße zwischen deutschen und südländischen Frauen wurden teilweise sogar mit deren niedrigeren zivilisatorischen Stufe erklärt (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 105-111). 6 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 29.

Eine Darstellung der Phasen der Migrationspolitik und der Phasen der Auseinandersetzung mit Migration im Allgemeinen findet sich im Anhang ab Seite 23. 7 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 35.

8 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 35-36.

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Seite 4

Migrantin nachhaltig. Auch thematisch bewegen sich die Arbeiten zu Migrantinnen im

privaten Bereich, am zahlreichsten sind Titel zu Schwangerschaft, Geburt,

Lebenssituation und kulturspezifischen Einstellungen und Praxen. Ende der Achtziger,

mit Auslaufen der Forschungsförderung für Migrantinnenprojekte, reduzieren sich die

erschienen Arbeiten zu Frauenmigration. Es deutet sich ein erneuter Perspektivwech-

sel an, der jedoch nicht wie in der allgemeinen Migrationsforschung zu einer

Bilanzierung der Forschung führt. Anfang der neunziger Jahre findet die Diskussion

über die Lebensbedingungen der Migrantinnen kaum noch statt. Im Fokus stehen ge-

sellschaftliche Institutionen und die Interaktionen zwischen Migranten und Migrantinnen

und der Aufnahmegesellschaft. Die sich verändernden Lebenssituationen der Migran-

tinnen werden kaum näher betrachtet, sie erscheinen nur als Teil des Kollektivs der

Migrantengruppe.

Das Verhältnis von praxisorientierten und wissenschaftlichen Texten wandelt sich

schließlich. Mit der Auseinandersetzung um Differenzen, Rassismus und Macht ent-

stehen einige Arbeiten aus Tagungsergebnissen wissenschaftlicher Zusammenkünfte.9

Erst Ende der neunziger Jahre wird das Thema der Frauenmigration wieder verstärkt

aufgenommen, kritisiert und auch erste Bilanzierungen versucht.10 Huth-Hildebrand

stellt jedoch fest, dass bei den meisten Arbeiten auf die Texte der Hauptzeit zurückge-

griffen wird und somit die Kritik an der Ethnisierung des Migrationsdiskurses völlig un-

beachtet bleibt.11

Seit 2000 sind vermehrt Studien zu finden, die das heterogene Spektrum der Lebens-

situation der Migrantinnen darstellen und deren individuellen Lebensentwürfe untersu-

chen.12

Die Tatsache, dass die Auseinandersetzung mit Frauenmigration stets vor einem

problemhaften Hintergrund thematisiert wurde egal ob für Frauen der ersten oder

zweiten Generation gibt bereits eine Richtung vor. Dadurch, dass sich vermehrt Prakti-

kerInnen, wie SozialarbeiterInnen, mit dem Thema beschäftigten kam es zu einer wei-

teren Verzerrung, denn hier wurden meist besonders schwierige und dramatische Fälle

aufgezeigt. Zusätzlich fiel das Aufkommen der Auseinandersetzung mit der Migrantin in

die Zeit der auch die feministische Bewegung Aufwind erhielt. Viele AutorInnen nutzten

die Folie der Migrantin um die Diskussion um Emanzipation zu führen. Auch hier galt

die Regel, je dramatischer desto anschaulicher.

Im nächsten Teil werden die einzelnen Facetten des Bildes der Migrantin näher be-

schrieben. Zunächst wird dabei auf die Verortung im privaten Bereich eingegangen.

9 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 38.

10 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 31-33.

11 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 33.

12 Vgl. Treibel (2008), S. 149-150.

Page 8: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 5

Verschiedene Faktoren spielen dabei eine Rolle. Wie bereits angedeutet befassen sich

Texte und Studien stets im Kontext des Privaten mit der Migrantin. Aber auch die rest-

riktivere Ausländerpolitik der achtziger Jahre „machte“ die Migrantin zur Hausfrau.

Hinzu kommt das Bild der Südländerin bereits vor der Migration, das zu einer falschen

Anwerbepolitik und falschen Interpretationen der Erfolglosigkeit bei der Anwerbung von

Arbeitsmigrantinnen zur Folge hatte. Die zugedachte Rolle als Heimatersatz und die,

durch die Politik, intendierte Separierungsfunktion vor allem in den Fünfziger und

Sechzigern leisten einen weiteren Beitrag zur Verortung der Migrantin im privaten Be-

reich.

2.2 Verortung der Migrantin im privaten Bereich

2.2.1 Texte und Studien beleuchten die Migrantin stets im Kontext des privaten Bereichs

Betrachtet man die Texte, die zur Rechtssituation der Migrantin erschienen sind, so ist

auffällig, dass mehr als die Hälfte von der spezifischen Rolle als Ehefrau und/oder

Mutter handeln oder das Thema zumindest mit einbeziehen. Betont wurde vor allem

die Notwendigkeit der eigenen rechtlichen Absicherung des Aufenthaltsstatus der Ehe-

frauen, verbunden mit der Kritik dem bestehenden Abhängigkeitsverhältnis in den pat-

riarchal-dominanten Ehebeziehungen, besonders am Beispiel von türkischen Migran-

tinnen. Die rechtliche Schaffung solcher Abhängigkeitsstrukturen durch die Aufnahme-

gesellschaft wurde hingegen nie in Frage gestellt.13 Zudem stellt Huth-Hildebrandt die

erschwerte Zuordnung der Texte gerade im Bereich Recht und Erwerbstätigkeit her-

aus. Nur selten lassen sie sich eindeutig einem Bereich zuordnen. Sie interpretiert dies

als Unvermögen der Autoren sich Migrantinnen überhaupt in einem Kontext außerhalb

der Privatsphäre vorzustellen.14

Erstmals wurden Ende der Siebziger die Lebensbedingungen nichterwerbstätiger Mig-

rantinnen untersucht. Dazu erschienen zwei empirische Studien, die jeweils große

Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hervorriefen.15 In der ersten Studie wurden die

Migrantinnen zu ihren Einstellungen und Erfahrungen in der Migrationssituation be-

fragt. Als Ergebnis wurde dabei die Isolation der „nachgereisten Ehefrauen“ herausge-

stellt. Die zweite Studie griff die Ergebnisse auf und untermauerte sie empirisch. Damit

war die Blickrichtung auf die Migrantin und die Grundrichtung der künftigen Auftrags-

forschung vorgegeben. Nichterwerbstätige Migrantinnen sollten aus der Isolation be-

13 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 49.

14 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 49.

15 1977 erschien die Studie von Brand mit dem Titel „Situationsanalyse nichterwerbstätiger

Ehefrauen ausländischer Arbeitnehmer in der BRD“ und 1981 von Mehrländer „Situationsanalyse der nicht erwerbstätigen ausländischen Frauen in der Bundesrepublik“ (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 50).

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Seite 6

freit werden, jedoch nicht durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, sondern durch

sozialpädagogische Hilfen, die den Kontakt zu den Frauen des Aufnahmelandes her-

stellen sollten. Texte dieser Zeit beschreiben die Migrantin als eine Frau, die in ihrer

Isolation von der Aufnahmegesellschaft vergessen wurde und keine Möglichkeit hat

sich außerhalb der eigenen Wohnung aufzuhalten. In der Sozialpädagogik wurde die-

ser Ansatz aufgegriffen und versucht entsprechende Konzepte zu entwickeln, die meist

über das Muttersein der Frauen oder über vorhandene Traditionen der jeweiligen Her-

kunftsländer anknüpfen sollten.16 Die Verortung der Migrantin im Privaten ging sogar

soweit, dass Konzeptionen entwickelt wurden die in der Wohnung der Migrantin statt

finden sollten.17 Texte, die sich mit den Folgen von Arbeitsmigration von Frauen

beschäftigen sind in der BRD kaum zu finden. Mit der Frage, ob sich durch die Ar-

beitsmigration möglicherweise Verschiedenheiten für Frauen und Männer ergeben

wurde nie wissenschaftlich oder auch öffentlich diskutiert.18

Nicht nur, dass durch das Ausblenden der erwerbstätigen Migrantinnen im Diskurs die

Migrantin im Bewusstsein der Mehrheitsgesellschaft dem privaten Bereich zu zuordnen

war, darüber hinaus wurde sie auch durch ausländerrechtliche Bestimmungen vom

Arbeitsmarkt gedrängt und tatsächlich zur Hausfrau gemacht.

2.2.2 Ausländerrechtliche Bestimmungen machen die Migrantin zur Hausfrau

Mit dem Inländerprimat konnten ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen

vom Arbeitsmarkt gedrängt werden, nachgereisten Familienangehörigen blieb eine

Arbeitserlaubnis 4 bis 5 Jahre lang verwehrt. Dieser Umstand veranlasste viele Mig-

rantinnen ihre Arbeitserlaubnis an den nachgereisten Ehemann zu verleihen. So nahm

die Gruppe der erwerbstätigen Frauen kontinuierlich ab. 1974 bis 1976 waren noch

über 40% der Migrantinnen erwerbstätig, 1988 nur noch 26,2%.19

Huth-Hildebrandt beschreibt eine weitere „künstliche Hausfrauisierung“ der Migrantin.

Durch die ausländerrechtlichen Bestimmungen wurde eine neue Gruppe der nichter-

werbstätigen nachgezogenen Ehefrauen geschaffen worden. Diese Gruppe war inso-

fern künstlich, als dass die Frauen zwar im Rahmen des Familiennachzuges eingereist

waren, sie aber auch gar keine Arbeitserlaubnis bekamen. In einer Studie von Mehr-

länder 1981 unter nicht erwerbstätigen Migrantinnen gaben zwei Drittel der Befragten

16 Die Anzahl der Publikationen in diesem Bereich stieg weiter an, da für Beratungs- und

Bildungsinstitutionen verstärkt finanzielle Mittel für Frauenarbeit zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 50-53). 17

Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 50-53. 18

Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 112-114. 19

Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 112-114; siehe auch Beck-Gernsheim (2007), S. 58.

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Seite 7

an grundsätzlich an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit interessiert zu sein, lediglich

9,4 % lehnen diese für sich ab.20

Insofern gewann im Laufe der achtziger Jahre die Zuordnung der Migrantin in den pri-

vaten Bereich zwar an Berechtigung, dies geschah jedoch nicht auf Wunsch der Mig-

rantin und auch nicht unbedingt aufgrund von Zwang durch patriarchale Familien-

strukturen. Vielmehr war bereits vor der Anwerbephase eine Vorstellung von der Süd-

länderin in den Köpfen vorhanden, das dann weiter ausdifferenziert wurde und als Er-

klärung für den mangelnden Anwerbeerfolg von Arbeiterinnen aus dem Ausland her-

angezogen wurde.

2.2.3 Falsche Anwerbepolitik zeichnet das Bild der Migrantin bereits vor ihrer Migration

Aber auch schon früher wurde das Bild der Migrantin vorgezeichnet. Im Jahr 1960

wurden beispielsweise 111.706 Personen von den Behörden für die deutschen Unter-

nehmen angeworben, von ihnen waren 5.218 Frauen, die überwiegend für die Textil-

und Metallindustrie vermittelt wurden. Dieser geringe Frauenanteil lag nicht am man-

gelnden Bedarf der Industrie für weibliche Arbeitskräfte, sondern am mangelnden Er-

folg der Behörden diese anzuwerben. Denen es nach eigenen Angaben Schwierigkei-

ten bereitete weibliche Arbeitskräfte für die deutschen Unternehmen zu gewinnen und

somit den Vermittlungsauftrag nicht erfüllen konnten. In der öffentlichen Debatte wurde

dies jedoch nie diskutiert. Begründet wurde die Erfolglosigkeit mit dem Wesen der

Südländerin, das sich nach den Angaben der Behörden deutlich von dem der deut-

schen Frau unterschied.21

Verfolgt man jedoch den Gang der Anwerbepraxis am Beispiel Italien so kann der

mangelnde Anwerbeerfolg der Behörden auf noch ganz andere Gründe zurück geführt

werden.22 Aufgrund des Bildes der südländischen Frau wurde jedoch die

20 Zitiert nach Huth-Hildebrandt (2002), S. 120.

21 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 76-77.

Maturi beschreibt anlässlich einer Tagung der Leitung von Arbeits-, Sozial-, und Steuerbehörden, den Botschaftsangehörigen der Anwerbeländer, Unternehmer des Hessischen Instituts für Betriebswirtschaft und der Hessischen Metallindustrie die Südländerin das Bild der südländischen Frau. Es sei allgemein anerkannter Grundsatz, dass die Frau ganz anders denkt und empfindet als der Mann und sich auch dementsprechend anders zu benehmen hat. Familie und Gesellschaft trete sie als Weib und Mutter auf und werde auch gerade aufgrund ihrer weiblichen Eigenschaften geschätzt und geachtet. So suchten auch die südländischen Männer eher eine Frau mit ausgeprägten weiblichen Eigenschaften vor Intelligenz, Bildung und Weltgewandtheit, wenn nötig zu Lasten anderer allgemein menschlicher Vorzüge. Eine Betätigung außerhalb der Familie stelle somit eine Abkehr vom eigentlichen südländischen Ideal der Frau dar. Nähme eine Frau trotzdem eine Beschäftigung außerhalb der Familie auf, führe dies zu Widerständen, Spannungen und Schwierigkeiten. Die Frau aus dem Süden genieße zu wenig Freiheit und Unabhängigkeit um in allem eine gleichgestellte Arbeitskollegin zu sein (Zitiert nach Huth-Hildebrandt (2002), S. 76). 22

Deutsche Unternehmen gaben zur damaligen Zeit ihren Arbeitskräftebedarf an das Arbeitsamt und von dort an die Bundesanstalt für Arbeit über die Deutsche Kommission nach Italien bis zum italienischen Arbeitsministerium weiter. Das italienische Arbeitsministerium fragte beim italienischen

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Anwerbepraxis als mögliche Ursache für den geringen Erfolg bei der Anwerbung von

Frauen als Arbeitskräfte nie in Frage gestellt.23

Ganz im Gegenteil wurde das Bild der Südländerin weiter politisch genutzt und ihr die

Rolle als Bewahrerin von Heimat im Heim des Migranten zugedacht.

2.2.4 Die Ehefrau im Heim als Heimatersatz

Migrantinnen tauchten im allgemeinen Diskurs erst auf, als die Migration nicht mehr als

vorübergehende Ausnahmesituation in der Mehrheitsgesellschaft wahrgenommen

wurde. An Stelle des Begriffspaares Herkunftsland und Gastland traten dann Heimat

und Fremde.24 Der Frau wurde die Rolle zugeschrieben im Heim, der Heimat in der

Fremde, traditionelle Gepflogenheiten aufrechtzuerhalten und damit die Heimat in das

Aufnahmeland hinein zu holen. Diese Auffassung war aber nicht nur unter Migranten

zu finden, auch von der Aufnahmegesellschaft wurde dies als eine Aufgabe für die

Frau gesehen. Mit zunehmender Sichtbarkeit der MigrantInnen im Alltag gewann der

allgemeine Diskurs über die negativen Folgen eines Kontaktes zwischen den Ge-

schlechtern von Herkunfts- und Aufnahmegesellschaft an Raum. Als besonders prob-

lematisch wurden dabei die jeweils andersartigen Geschlechterverhältnisse gesehen.25

Dem Wunsch der ArbeitsmigrantInnen nach Heimat auf der einen und der Sorge der

Aufnahmegesellschaft um eine zunehmende Vermischung auf der anderen Seite, be-

gegnete die staatliche Politik mit der offiziellen Unterstützung von Familienmigration.

So sollte die Frau zur Separierung der Migranten dienen und ihnen in der Fremde ei-

nen Heimatersatz bieten. In dieser Rolle war sie also nicht als Erwerbstätige gefragt,

Provinzialarbeitsamt dann die Personen ab, die eine Beschäftigung in Deutschland der Arbeitslosigkeit in Italien vorzogen. Frauen waren aber nur in sehr seltenen Fällen als arbeitslos registriert, da sie oftmals aufgrund der schlechten Arbeitsmarktlage zuvor nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen waren und daher auch nicht von den Provinzialämtern erfasst wurden (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 77-78). 23

Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 77-78. 24

Heimat wird näherungsweise als Synonym für Herkunftsland, Nationalität, Tradition oder traditionelle Sozialisation, meist mit einer positiven Konnotation, verwendet. Demgegenüber steht der Begriff der Fremde als Gegenteil von Heimat. In dieser erlebten Fremde wird „Heimat“ meist auf etwas Konkretes projetziert, das dann als emotionale Stütze fungieren soll. Materielle und ökonomische Gründe haben meist zur Emigration aus dem Heimatland geführt und scheiden damit als positive Projektionsfläche für Heimat aus, es bleiben die sozialen Beziehungen der Personen zueinander. So lassen sich in einigen Texten der Berater Sorgen der Migranten über das Entgleiten ihrer Frauen in die „Fremde“, was als Heimatverlust empfunden wird, erkennen (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 145-153). 25

In den Sechzigern entstanden Studien, die den problematischen Zusammenprall von magisch-arachischer Welt der Südländer mit den rationalistischen, individualistischen Welt der Mitteleuropäer belegen sollten. Darüberhinaus gab es zahlreiche Untersuchungen zum Gastarbeiter als potentielle Ansteckungsgefahr für die Aufnahmegesellschaft. So wiesen Ärzte immer wieder auf die Gefahren einer Bevölkerungsvermischung hin, der Gießener Genetiker Anders glaubte sogar das deutlich erhöhte Krebsrisiko einer Völkervermischung nachgewiesen zu haben (vgl. Huth-Hildebrandt, S. 145-153).

Page 12: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 9

sondern als Ehefrau des Gastarbeiters, die einer Entfremdung gegenüber des Her-

kunftslandes entgegenwirken sollte.26

Darüber hinaus lässt sich hier erkennen wie bereits in den ersten Jahren der Anwer-

bung von Gastarbeitern deren Andersheit anhand von Geschlechterverhältnissen kon-

statiert und hierarchisiert wurde.

Auch später fand die Migrantin als Bewahrerin wieder Eingang in die öffentliche Dis-

kussion, dann allerdings unter negativen Vorzeichen.

2.2.5 Die Ehefrau im Heim als Integrationsbehinderung

Paradoxerweise wurde der Migrantin genau diese ihr zugedachte Rolle der Bewahrerin

von Tradition und des Herkunftslandes im privaten Bereich einige Jahre später als

Quelle für Rückständigkeit und Behinderung von Integration zum Vorwurf gemacht.

Kulturelle Isolation und Familienzentriertheit wurden als Ursachen für die Integrations-

probleme der jungen Einwanderergeneration ausgemacht. Als Hausfrau gedacht, folg-

lich im privaten Bereich anwesend, sollte die Migrantin nun zur Schlüsselfigur im Mo-

dernisierungsprozess werden. Dem Ansatz folgend, dass Integration meist erst über

mehrere Generationen möglich ist, wurden vermehrt sozialpädagogische Angebote für

Mütter mit Kindern, vor allem Kleinkindern und Säuglingen, angeboten.27

Über die Verortung im privaten Bereich und als Quelle für Rückständigkeit gibt es al-

lerdings noch weitere Zuschreibungen, so wird die Migrantin meist als Türkin gedacht

in neuerer Zeit auch als Muslimin.

2.3 Die Migrantin wird stets als Türkin gedacht

Zwar bilden die türkischen Migrantinnen Ende der Siebziger den größten Anteil der

Migrantinnen und sind leicht sichtbar, jedoch wird die Migrantin überproportional stark

als Türkin gedacht, Migrantinnen anderer Herkunftsländer kommen in der öffentlichen

Wahrnehmung (lange) praktisch gar nicht vor.28 Über das Hausfrauendasein

kristallisieren sich Mitte bis Ende der siebziger Jahre noch zwei weitere Themen her-

aus. Zum einen taucht in den Titeln vermehrt das Wort „Problem“ auf und zum anderen

wurde die Migrantin von der vergessenen Frau zum Opfer patriarchaler Unterdrückung.

Neben Problembearbeitungen und Erfahrungsberichten mit den ausgearbeiteten Integ-

rations- und Bildungskonzepten für Frauen kommen nun auch neue Themenbereiche

aus der Sozialarbeit hinzu. Zum Beispiel Auseinandersetzungen mit Gewalt gegen

26 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 145-153.

27 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 153-163.

28 Inzwischen werden auch Migrantinnen anderer Herkunftsländer thematisiert, besonders oft

Osteuropäerinnen. Aber auch diese Beiträge sind selten frei von Stereotypisierungen, zumeist tauchen sie im Kontext von Prostitution auf.

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Migrantinnen und deren Aufnahme in Frauenhäusern. Vor allem wurde dabei über die

türkische Frau geschrieben, nur sehr wenige Texte beschäftigen sich mit Migrantinnen

anderer Herkunftsländer. Meist wurde entweder von der Ausländerin oder den Frauen

aus der Türkei gesprochen. In der Phase der Auftragsforschung bestimmten die Zu-

ordnungen Nichterwerbstätigkeit, Hausfrauendasein, Problembehaftung der Lebenssi-

tuation das Bild der Migrantin mit besonderer Gewichtung der Migrantinnen aus der

Türkei. Auch in den Neunzigern drehte sich die Debatte hauptsächlich um die Frauen

aus der Türkei.29 Huth-Hildbrandt findet für diesen Zeitabschnitt zwei Texte zu Frauen

aus dem ehemaligen Jugoslawien, vier Texte über Italienerinnen, ein Text über grie-

chische Migrantinnen, zwei Texte über Frauen aus Spanien und zwei Texte über Asia-

tinnen. Auf türkische Migrantinnen hingegen beziehen sich 101 Texte. Diesen Texten

können zusätzlich Arbeiten zugerechnet werden deren Titel zwar von Migrantinnen im

Allgemeinen handeln, inhaltlich jedoch auf die türkische Migrantin Bezug nehmen.30 In

den neunziger Jahren kommt ein weiterer Themenbereich hinzu, die Lebenssituation

von Musliminnen allgemein. Hier wird eine Verschiebung der Blickrichtung deutlich, es

geht weniger um das Bild der türkischen Frau, sondern mehr um den in Deutschland

praktizierten Islam, für den oft das Kopftuch als Synonym fungiert. Weiter wurde

Fremdheit und die fremde Frau im Verhältnis zum eigenen Selbst thematisiert und das

Verhältnis der Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft zu den Migrantinnen. In der

Auseinandersetzung um Fremdheit wurde das zuvor gezeichnete Bild der türkischen

Migrantin, später Muslimin als Folie für den interkulturellen Vergleich genutzt. Migran-

tinnen aus beispielsweise Italien, Spanien, Portugal, oder Osteuropa, waren dabei

nicht zu finden.31

Außer als Hausfrau, Türkin (seit neuerem Muslimin) ist das Bild der Migrantin durch

eine weitere Eigenschaft gekennzeichnet; sie ist handlungsunfähiges Opfer. Dabei

wurde das Bild der Ausnahme-Migrantin entworfen, das des dreifachen Opfers, das der

Komplizin und die Töchter der Gastarbeiter als Opfer im Kampf der Kulturen.

2.4 Die Migrantin als handlungsunfähiges Opfer

2.4.1 Die instrumentalisierte Ausnahme-Migrantin, die sich ins Elend stürzt

Nachdem zu Beginn der Anwerbephase das Bild der Südländerin gezeichnet wurde als

Weib und Mutter, als Daheimgebliebene und Daheimbleibende, mussten später auch

Erklärungen für die Zunahme der Frauenmigration gefunden werden. Im Jahr 1961

betrug ihr Anteil unter der Immigrantengruppe bereits 31,1 %. Um diesem „Phänomen“

zu begegnen wurde die „Ausnahme-Migrantin“ konstruiert, der unterstellt wurde sich

29 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 53-56.

30 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 55-56.

31 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 56-61.

Page 14: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 11

aufgrund eines persönlichen Dramas in die Migration zu begeben.32 Dass sich Frauen

bewusst aufgrund eigener Zielsetzungen, wie beispielsweise erweiterte Ausbildungs-

möglichkeiten oder eigenes Einkommen für eine Migration entschieden, wurde gar

nicht in Erwägung gezogen. In der Folgezeit verfestigte sich die Annahme, dass Ein-

zelmigration, aber auch Migration im Allgemeinen, grundsätzlich ein großes Elend für

die Südländerinnen darstellt. Diese Figur, der ins Elend gestürzten „Ausnahme-Mig-

rantin“, dem Schutz ihrer Familie entrissen, wurde sowohl von den deutschen Behör-

den, als auch von den Anwerbestaaten benutzt um die Notwendigkeit der Familienmig-

ration zu begründen. Mit dem raschen Anstieg der Frauenmigration, 1973 waren 20,4

% der Arbeitsmigranten aus der Türkei Frauen, widerlegte jedoch das Bild der „Aus-

nahme-Migrantin“. Auch die „Unehrhaftigkeit“ von Frauenmigration konnte bald nicht

mehr als Argument genutzt werden, da die Anwerbestaaten aktiv die Migration von

Frauen unterstützten.33 Insgesamt sind die Beweggründe der Migrantinnen wenig er-

forscht und auch schwierig empirisch zu konstruieren.34 Aus Biographien lässt sich je-

doch erkennen, dass die Motivationen teilweise sehr unterschiedlich sind und die

Frauen durch die Migration durchaus aktiv ihren eigenen Lebensentwürfen zu verwirk-

lichen suchten.35

Nicht nur, dass der Migrantin die Migration als eigene bewusst getroffene Entschei-

dung aberkannt wurde, in den Achtzigern wurde die Migrantin zusätzlich als dreifaches

Opfer gezeichnet.

2.4.2 Die Migrantin als dreifaches Opfer

Bedingt durch ihre Lebenssituation wurden die Migrantinnen in der Öffentlichkeit als

dreifache Opfer dargestellt. Argumentiert wurde, dass sie als Arbeiterinnen die status-

niedrigsten Arbeitsplätze hätten und so in Krisenzeiten vergleichsweise schwerer von

32 Maturi erklärte dazu, grundsätzlich widerspreche die Migration dem Wesen der südländischen

Frau als Weib und Mutter. Die freie Frau würde im Herkunftsland meist gleichermaßen als schlechte Frau gelten. Da niemand gern als schlechte Frau gelte, müssten weit schwerwiegendere Gründe für Migration vorliegen als ökonomische, fast gar zwanghafte, um einen Entschluss mit derart gravierenden persönlichen Folgen zu fasen. Die These der theoretischen Unmöglichkeit der Frauenmigration stütze Mutari mit der Beschreibung von dramatischen Einzelschicksalen denen ein persönliches Drama voraus ging (zietiert nach Huth-Hildebrandt (2002), S. 78-79. 33

Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 79-86. 34

Eine Studie, die hätte das Bild der Frau als Verliererin und Opfer im Migrationsprozess entschärfen können fand leider keine Beachtung. Als einziger untersuchte Delgado die Situation der ersten Arbeitsmigranten und –migrantinnen geschlechterspezifisch. In seiner Studie 1966 befragte er Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen zu den vorgefundenen Gegebenheiten in der BRD gegenüber dem Herkunftsland. Weitaus mehr Frauen als Männer befanden die Situation gegenüber dem Heimatland als positiv, besonders betonten sie dabei die vorgefundene individuelle Freiheit. Über die Dauer des Aufenthalts war bei den Männern eher eine Verschiebung ins Negative, bei den Frauen hingegen ins Positive zu beobachten. Auch war die Kontaktbereitschaft und –Häufigkeit bei den Frauen ausgeprägter als bei den befragten Männer. Vor diesem Hintergrund hätte das Opferbild der Migrantin weiter in Frage gestellt werden müssen (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 92-93). 35

Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 86-92.

Page 15: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 12

Arbeitslosigkeit betroffen wären; als Angehörige einer Minderheit seien sie rechtlicher

und sozialer Diskriminierung ausgesetzt; als Frauen seien sie zusätzlich der Ungleich-

heit in Familie und Beruf unterworfen.36 Nach einer bundesweiten Konferenz für

Ausländerfragen 1981 stieß diese Position auf breites Interesse der Öffentlichkeit und

die Medien berichteten ausführlich. Fortan ging es nicht mehr nur um die Benachteili-

gung der Migrantin sondern um deren Notsitutation, die für die Öffentlichkeit bisher

nicht sichtbar gewesen sei. Als Grund dafür wurde die Unsichtbarkeit der Migrantin

selbst angeführt, die aufgrund der patriarchalen Familienstrukturen ihrer Heimatländer

auch in der BRD von ihren Männern nach außen vertreten würden. Durch Unkenntnis

der Sprache und Lebensumstände in der BRD wären die Migrantinnen völlig unvorbe-

reitet aus ihrer Heimat gekommen und nun teilweise völlig von der Außenwelt abge-

schnitten. Dieses Bild der Migrantin war zu der Zeit als das Private teilweise zum Politi-

schen wurde und Feministinnen Lohn für Hausarbeit forderten eine willkommene Dar-

stellung der dramatischen Folgen einer privaten Isolierung. Huth-Hildebrandt weist zu-

sätzlich auf ein weiteres Interesse hin die Lebenssituation der Migrantin derart darzu-

stellen. In einer Zeit in der Arbeitsplätze knapp wurden und Massenentlassungen an-

standen wurde lieber auf die Not der Migrantin aufgrund bestehender privater

Beziehungsstrukturen hingewiesen, als auf ihre Not durch die ökonomischen

Veränderungen. So konnte das aus sozialökonomischer Sicht überzeichnete Opferbild

der Migrantin genutzt werden um deren zunehmende Nichterwerbstätigkeit anhand von

kultureller Differenz zu erklären. Der Verdrängung dieser Frauen vom Arbeitsmarkt

musste keine weitere Beachtung geschenkt werden.37

Mit der Mutter beziehungsweise Schwiegermutter taucht erfährt das Bild der Migrantin

eine kleine Erweiterung, zwar wird sie dabei selbst zur Täterin, kann aber selbst aus

der Opferrolle nicht ausbrechen und handelt auch nicht selbstbestimmt.

2.4.3 Die Komplizin

In den Texten ab den Siebzigern taucht eine weitere Figur auf. Die Mutter, bezie-

hungsweise Schwiegermutter, als Komplizin patriarchaler Herrschaft, die aktiv mithilft

bestehende Verhältnisse und die Unterdrückung der (Schwieger-)Tochter aufrecht zu

erhalten. Als Motivation wurden ihr die Aufrechterhaltung der Familienehre, das Aus-

üben von Macht und die Bindung der Mädchen an sich und das Haus als Arbeitskraft

aber auch als Unterhaltung nachgesagt.38 Immer wieder ist die Mutter auch als Kompli-

zin des Opfers zu finden. Es wird ihr jedoch nicht zugetraut aus eigener Überzeugung

36 Vgl. Beck-Gernsheim (2007), S. 55.

37 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 114-116.

38 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 169-173.

Page 16: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 13

zu handeln, das Handeln wird als Fremdbestimmtheit beschrieben mit dem die Mutter

die Erwartungen der wichtigsten emotionalen Bezugsperson, der Tochter, erfüllen

möchte, jedoch im ständigen Konflikt mit sich und den männlichen

Familienangehörigen steht.39

2.4.4 Die Migrantin der zweiten Generation als das neue Opfer im Kampf der Kulturen

In den achtziger Jahren rückten, parallel zu den vermehrten Bildungs- und Beratungs-

angeboten zum Thema Schwangerschaft und Kleinkinder, die Mädchen der zweiten

Generation in das Blickfeld. Die Diskussion um Kulturdifferenz wurde auf die herange-

wachsenen Töchter der Migranten übertragen. Die Begrifflichkeiten änderten sich

jedoch, während bei den Müttern noch die Rede von Problemen durch die bestehende

Kulturdifferenz war, wurde bei den Mädchen die Konfliktsituation herausgestellt, in der

sie sich befänden. Ihre Lebenssituation wurde durch Zerrissenheit und Problemhaftig-

keit beschrieben. Die Mädchen wurden zur neuen Folie zum Aufzeigen kultureller Diffe-

renzen. Sie wurden nicht mehr, wie ihre Mütter, als Opfer des Migrationsprozesses

dargestellt, sondern als Opfer vorherrschender patriarchaler Familienstrukturen. Auf-

grund angeblich vorherrschender traditionellen Moralvorstellungen und familialer

hierarchischer Abhängigkeitsstrukturen wurde ein Leben in zwei Welten und zwei Kul-

turen unterstellt. Damit stünden die Mädchen vor einem für sie unlösbaren Konflikt, den

sie ohne fremde Hilfe nicht in der Lage zu lösen wären. Huth-Hildebrandt kritisiert, dass

sich zu dieser Zeit kaum Arbeiten finden lassen, die sich mit den Konflikten

beschäftigen, die sich aus Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen oder

Außenseiterinnendasein ergeben können.40

Aus den Beschreibungen über Mütter und Töchter ergeben sich jedoch auch Gemein-

samkeiten; sie befinden sich „dazwischen“. Im Gegensatz zu den Männern, bei denen

vor allem in der Anfangszeit der Migration gefordert wird sich in der neuen Situation

zurecht zu finden und anzupassen, wird die Situation für die Frau als für sich selbst

unauflösbar beschrieben. Sie sind angeblich zwischen „Kreuzberg und Anatolien“,

„gestern und morgen“, „Holzpflug und Fließband“. Den Frauen wird das aktive Handeln

abgesprochen, Migration wird nicht als Weg oder Lebensentscheidung empfunden,

sondern als statischer Ist-Zustand in dem die Migrantinnen gefangen sind.41 Bei der

Entscheidung zwischen Tradition und Emanzipation stehen sie zwischen den Stühlen.

Männern hingegen wird die Entscheidungsfähigkeit zugesprochen, selbständig

entscheiden sie sich für Integration oder für die Besinnung auf die Herkunftstradition.

39 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 174-175.

40 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 61-65.

41 Vgl. Beck-Gernsheim (2007), S. 56.

Page 17: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 14

Das Dilemma auf widersprechende Anforderungen zu treffen wurde auch für die Mäd-

chen der zweiten Generation identifiziert. Die Konflikte ergeben sich jedoch aus der

Familie und werden somit in das Private hinein verlagert. Mädchen und Frauen wurden

besondere Schwierigkeiten bei der Anpassung im Aufnahmeland diagnostiziert, die

auch aus den Widerständen im familiären Umfeld und der Migrationsgemeinschaft her-

rührten. Die Mädchen sind nun jedoch Opfer im Kampf der Kulturen, der sich innerhalb

der Migrantenfamilie als ein Konflikt der Generationen abspielt. Nach Huth-Hildebrandt

wird die Migrationssituation nicht als eine Auseinandersetzung mit etwas Neuem, un-

bekannten beschrieben, sondern als ein Machtkampf der Handlungsfähigen, Personen

der Mehrheitsgesellschaft und männliche Migranten, um die angeblich nicht hand-

lungsfähigen, abhängigen Migrantinnen.

Im ersten Teil der Arbeit wurde aufgezeigt wie das Bild der Migrantin in der Mehrheits-

gesellschaft gezeichnet wurde. Die Zuwandererin wurde als meist als Opfer, Hausfrau

und Türkin gedacht, die alleine nicht entscheidungsfähig ist. Diese Annahmen wurden

durch verschiedene Faktoren ausgelöst. Dazu gehören ausländerrechtliche Bestim-

mungen, das Ausleben politischer Interessen, einseitige Darstellung und Dramatisie-

rung, Eurozentrismus und Nutzung der Migrantin als Folie in der feministischen De-

batte, Fehler und Schwächen in der Forschung. Auf welche Art und Weise das ver-

zerrte Bild der Migrantin bis in die heutige Zeit reicht, in der öffentlichen Wahrnehmung

präsent ist und von den Medien reproduziert wird soll im folgenden Teil untersucht

werden. Dabei wird zunächst kurz auf die Relevanz der Medien bei der Identitätsbil-

dung und die allgemein vorherrschenden Bedingungen der Medien beim Thema „Ein-

wanderung“ erläutert. Darauffolgend wird die Darstellung der Migrantin in den Print-

Medien und anschließen im Medium Fernsehen skizziert.

3. Die Reproduktion des Bildes der Migrantin in den Medien

3.1 Determinanten im Mediendiskurs zum Thema Einwanderung

Die Relevanz von Medien bei der Herstellung einer gesellschaftlichen Öffentlichkeit

konnte bereits mehrmals nachgewiesen werden. Themen, Images und Bilder, die von

den Medien verbreitet werden, sind eine zentrale Ressource bei der Herausbildung von

Vorstellungen von Migranten und Migrantinnen, von dem was als zugehörig oder

fremd, bereichernd oder bedrohlich empfunden wird. Die Konstrukte „gender“42 und

42 Gender ist nicht mit dem biologischen Geschlecht (sex) zu verwechseln, es ist kulturelles

Konstrukt einer (hier: weiblichen) Geschlechtsidentität. Die Geschlechterrolle wird von außen zugeschrieben aber auch subjektiv gelebt (doing gender) (vgl. Lünenborg (2009), S. 6).

Page 18: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 15

„ethnicity“43 sind „sozialer Platzanweiser“44 in der deutschen Gesellschaft mit dem

hierarchischer Status und symbolische und materielle Ressourcen verbunden sind.45

An der Konstruktion von ethnicity und gender sind Medien maßgeblich beteiligt.46 Die

entworfenen Vorstellungen werden mit eigenen Lebens- und Alltagserfahrungen abge-

glichen und ins Verhältnis gesetzt. Medial kommunizierte Images sind aber nicht nur

für die Bildung des Fremdbildes der Mehrheitsgesellschaft verantwortlich, auch für die

Entwicklung des Selbstbildes von MigrantInnen besitzen sie erhebliche Relevanz.

Somit ist die Teilhabe am Mediendiskurs eine zentrale Ressource bei individuellen und

kollektiven Indentitätsbildung und damit auch Voraussetzung für die Entwicklung von

Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft (cultural citizenship).47

Die Verstrickung des Mediendiskurses, der Politikdiskurses und der Alltagsdiskurses

sind beim Thema „Einwanderung“ besonders ausgeprägt. Oft ist der Politikdiskurs

Stichwortgeber für den Mediendiskurs.48 Jedoch ist auch die umgekehrte Weise zu

beobachten, wie beispielsweise im Fall des Buches „Die fremde Braut“ von Necla

Kelek, das Otto Schily als Anlass für eine intensivere politische Auseinandersetzung

mit der Zwangsehe sah. Eine enge Verzahnung von Politik und Medien war beispiels-

weise auch bei der Asyldebatte in den achtziger Jahren zu beobachten.

Der Alltagskurs wird häufig aus dem Mediendiskurs übernommen, wie unter anderen

Jäger (1996) in seinem Buch „BrandSätze. Rassismus im Alltag“ zeigt. Quer durch alle

Schichten und Altersgruppen übernahmen viele Befragte die genauen Begriffe und

Argumentationsmuster von Politikern und Medien. Besonders auffällig war dabei die

Verwendung von Kollektivsymbolen, wie „Boot“, „Flut“, oder „Schwemme“.49 Durch die

emotionale Aufladung können sich diese Begriffe besonders stark im Bewusstsein

festsetzten.

Auch die Organisationsstruktur der Medien hat Auswirkungen auf die Art und Auswahl

der Berichterstattung. Ethnische Minderheiten sind unter RedakteurInnen oder Journa-

listInnen kaum vertreten. An der geamtdeutschen Wohnbevölkerung haben sie einen

Anteil von 9%, unter MedienmacherInnen jedoch weniger als 1 %. Alleine dadurch ist

der Blick der Medien verengt, denn auch JournalistInnen wachsen mit einem be-

stimmten Weltbild auf. So ist in den Medien hauptsächlich eine Berichterstattung aus

43 Ethnizität ist nicht naturgegeben, sondern resultiert aus einem Prozess von Fremd- und

Selbstzuschreibung. Sie bezeichnet Eigenschaften, die aus kulturellem, sprachlichem und historischem Rahmen entstehen können (vgl. Lünenborg (2009), S. 7) 44

Knapp (1987): Arbeitsteilung und Sozialisation: Konstellationen von Arbeitsvermögen und Arbeitskraft im Lebenszusammenhang von Frauen. Zitiert nach Lünenborg (2009). 45

Vgl. Lünenborg (2009), S. 7. 46

Vgl. Lünenborg (2009), S. 9. 47

Vgl. Lünenborg (2009), S. 5-6. 48

Vgl. Farrokhzad (2006), S. 59. 49

Vgl. Farrokhzad (2006), S. 59.

Page 19: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 16

der Perspektive der Mehrheitsgesellschaft vertreten, die zudem oft (ungewollt) euro-

zentrisch geprägt ist.50

Zwar haben Medien eine Informationsfunktion, gleichzeitig wird die Umwelt aber auch

gefiltert und vereinfacht. Dies geschieht anhand der Art der Thematisierung und der

Auswahl der Themen.51 Es kann jeweils nur ein Teil der Realität abgebildet werden und

dieser meist vereinfacht.

Die Funktionsweise von Medien behindert eine neutrale, differenzierte und aufklärende

Darstellung der Migrationsthematik. In der Berichterstattung liegt der Schwerpunkt auf

Aktualität und Punktualität, je nach Medium zusätzlich auf Dramatisierung und

Skanalisierung. Der Druck möglichst hohe Auflagen und Einschaltquoten zu erreichen

verstärkt dieses Phänomen zusätzlich.52

Medien kommen beim Thema Einwanderung kaum ohne Kollektivsymbol aus, beson-

ders beliebt ist dabei das Kopftuch. Nachdem in den Achtzigern vom „Türkenproblem“,

kurz darauf das „Asylantenproblem“ im Mediendiskurs häufig zu finden war, scheint es

nun das „Islamproblem“ zu sein. Um die Problemhaftigkeit zu beschreiben wird häufig

die Muslimin herbei gezerrt.53

In jüngerer Zeit ist dabei die Gleichsetzung von Kopftuch, Islam und Unterdrückung

sehr auffällig. Kaum ein Beitrag über den Islam kommt ohne die Beschreibung der Ge-

schlechterbeziehung in Form von Unterdrückung und als dessen Symbol das Kopftuch

aus. Wobei das Kopftuch meist eine Dichotomisierungs- und Markierungsfunktion hat;

Kopftuch = rückständig und unterdrückt; ohne Kopfbedeckung = modern und liberal. 54

Die verschleierte Muslima wird als Gegenentwurf zur westlichen Frau benutzt. Oft dient

sie aber auch reinen Illustrationszwecken und der visuellen Aufbereitung von Beiträ-

gen, die sich in erster Linie gar nicht mit der Muslimin beschäftigen.55

Im vorangegangenen Abschnitt wurde die Bedeutung der Medien für die Konstruktion

des „Eigenen“ und des „Fremden“, sowie die auffällige Vermischung der Diskurse beim

Thema „Zuwanderung“ aufgezeigt, zusätzlich wurde auf die Funktionsweise der

Medien, die von Vereinfachung und möglichst hoher Anschaulichkeit geprägt ist, hin-

gewiesen. Alle genannten Determinanten erschweren eine objektive und umfassende

Darstellung der Migrantin. Jedoch stellen sie umso mehr eine Herausforderung für die

Verantwortlichen dar Zuwanderung realitätsnah darzustellen. Inwiefern dieser Aufgabe

gegenwärtig nachgekommen wird, soll im Folgenden anhand exemplarischer Untersu-

chungen von Print- und Fernsehmedien dargelegt werden.

50 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 60-61.

51 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 57.

52 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 61.

53 Vgl. Kulcke (2009), S. 27.

54 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 75.

55 Vgl. Lünenborg (2009), S. 20.

Page 20: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 17

3.2 Die Migrantin in den Print-Medien

Farrokhzad identifiziert mittlerweile vier unterschiedliche Konstruktionen der muslimi-

schen Frau in den (Print-)Medien; die exotische Orientalin, die Kopftuchtürkin, die mo-

derne Türkin und die Fundamentalistin. Das Bild der exotischen Orientalin ist allerdings

zunehmend zu vernachlässigen. Es stammt noch aus einer Zeit vor der Gastarbeiter-

anwerbung und dient heute hauptsächlich noch der Tourismusbranche.56

Wie bereits im ersten Teil der Arbeit gezeigt, dominierte lange Zeit das Bild der Kopf-

tuchtürkin, der Unterdrückung, Hausfrauendasein und schlechte Bildung nachgesagt

wurden. Vor allem nach den Anschlägen vom 11.September 2001 kam ein weiteres

Bild hinzu; das der Fundamentalistin. Wobei die Grenzen von Kopftuchtürkin und Fun-

damentalistin in den Medien teilweise fließend sind. Die Kopftuchtürkin der ersten oder

auch noch zweiten Generation erschien harmlos. Mitleidig wurde sie als Opfer ihrer

eigenen Männer dargestellt. Der Blick auf die Kopftuchtragenden Frauen der dritten

Generation ist oftmals ein anderer. Mit der Gewissheit, dass die Mädchen und Frauen

in Deutschland geboren sind, vielleicht sogar schon in der dritten Generation in

Deutschland leben und deutsche Schulen besucht haben, wird ihre starke Religiostät

als Widerspruch empfunden. Ihr angeblich (freiwilliges,) unhinterfragtes Verharren in

Religiosität und patriarchalen Strukturen wird als Fundamentalismus und Beweis für

die Existenz von Parallelgesellschaften gesehen. Sehr einfach lassen sich daraus

weitere Bedrohungsszenarien konstruieren.57 Die „moderne“ Türkin hingegen ist im

allgemeinen Mediendiskurs berufstätig, trägt kein Kopftuch, ist nicht sonderlich religiös,

besucht Diskotheken und hat einen Freund. Sie wird der westlichen Gesellschaft zuge-

ordnet und dient als Gegenentwurf zu Kopftuchtürkin und Fundamentalistin.58

Farrokhzad konnte diese kulturrassistische und eurozentrische Sichtweise fast durch-

gängig in den Artikeln von Spiegel und Emma zum Thema Frauen und Islam oder

sogar Islam im Allgemeinen nachweisen. Besonders bedenklich ist dies, da der Spiegel

in der Öffentlichkeit eigentlich als seriöses und liberales Magazin wahrgenommen wird.

Auch die Emma ist eigentlich dafür bekannt sich für Frauen einzusetzen. Bei Frauen

anderer Religion scheinen Unterschiede gemacht zu werden.59

Nicht nur in Printmedien wie dem Spiegel, sondern auch in der Literatur wird das Op-

ferthema gerne aufgenommen. Romane zum Thema Zwangsverheiratung, Brauthan-

del, Ehrenmorde, Beschneidung, die Frau als Opfer von Unterdrückung, patriarchali-

sche Gewalt, grausamen Sitten, Riten und Traditionen bilden gar ein neues Genre der

Belletristik. Inhalt ist immer der Leidensweg einer fremden, in der Regel muslimischen

56 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 76.

57 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 77.

58 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 78.

59 Vgl. Farrokhzad (2006), S. 72-80.

Page 21: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 18

Frau. Beck-Gernsheim beschreibt ein immer wiederkehrendes Motiv: „[…] der Kampf

gegen die Mächte des Bösen; dazu ein Hauch von Orient, gemischt mit antiker Tragö-

die.“ Alleine zum Schlagwort „Ehrenmord“ findet Amazon.de deutschsprachige 43 Titel

in der Rubrik Belletristik60, zu „Zwangsehe“ 48 Titel61. Auch der Handlungsverlauf ist

meist ähnlich; die Mädchen und Frauen erleiden große psychische und/oder physische

Qualen, aus denen sie sich schließlich dank ihres starken Charakters, und oft auch der

westlichen Zivilisation als Retter, befreien können. Einen Großteil ihrer Beliebtheit er-

langen diese Bücher durch das Mitgefühl, das sie erregen. Leserinnen sind bei der

Thematik Leid durch patriarchale Strukturen emotional stark involviert und leben den

Kampf mit der Roman-Heldin. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Authenzität, die

diese Bücher vermitteln, meist sind sie im Stil einer Biographie verfasst.62

Besondere Aufmerksamkeit erlangte das Buch „Die fremde Braut“ der promovierten

Soziologin Necla Kelek, die in Istanbul geboren wurde und dort die ersten Jahre ihres

Lebens verbrachte.63 Als Soziologin und türkische Migrantin wird Kelek als besondere

Spezialistin empfunden.64 „Die fremde Braut“ feierte großen Erfolg und wurde sogar

von Otto Schily im Spiegel besprochen und als „[…] einen wichtigen Beitrag, die Integ-

rationsdebatte noch intensiver zu führen als bisher“65. Im wissenschaftlichen Diskurs

erfuhr Keleks Buch harsche Kritik.66

Die Analyse zeigt, dass die Migrantin in den Print-Medien noch immer sehr einseitig

dargestellt wird, auch wenn ihr bereits neue Facetten zugestanden werden. Noch

immer ist der Diskurs stark eurozentrisch geprägt und die westliche Frau das Maß an

der die Migrantin gemessen wird. Es muss an dieser Stelle jedoch festgehalten

werden, dass trotz des Forschungsbooms der letzten Jahre zum Thema „Migrantinnen

60 Abruf „Ehrenmord“ auf Amazon.de.

61 Abruf „Zwangsehe“ auf Amazon.de.

62 Vgl. Beck-Gernsheim (2007), S. 75-76.

63 In ihrem Buch erzählt sie von ihrem eigenen Leben und beschreibt das große Ausmaß an Unrecht,

das die in Deutschland lebenden türkischen Migrantinnen durch die noch immer vorherrschenden patriarchalen Strukturen in ihren Familien, erfahren. Darüber hinaus zeichnet sie das Bild von türkischen organisierten Parallelgesellschaften, die vom deutschen Staat mit Sozialleistungen subventioniert werden und der unbemerkten Bedrohung durch den Islam. Das Buch soll die Mehrheitsgesellschaft aufrütteln, die Integration sei bei den meisten Türken in Deutschland gescheitert. Auch das Buch der Soziologin lässt sich wie die anderen Romane und Biographien als Leidensweg muslimischer Frauen entschlüsseln: Die arme, muslimische Frau, der böse muslimische Mann und die westliche Zivilisation, durch die eine Rettung erfolgt beziehungsweise erfolgen soll (vgl. Beck-Gernsheim (2007), S. 76-79). 64

Vgl. Beck-Gernsheim (2007), S. 76-79. 65

Schily (2005). 66

Vgl. Beck-Gernsheim (2007). S. 76. da Behauptungen aufgestellt werden, die jeglicher Überprüfbarkeit entbehren und zudem grob und unscharf sind. Darüber hinaus finden sich über große Teile des Buches Schilderungen aus dem eigenen Leben der Autorin, eine Arbeitsweise, die genau in diesem Zusammenhang, der Migrationsforschung, bereits vor einigen Jahren zu scharfer Kritik geführt hat. (Vgl. Beck-Gernsheim (2007), S. 76)

Page 22: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 19

in den Medien“ große Forschungsdesiderate auszumachen sind67 und die dargelegten

Ergebnisse deshalb eher als Tendenzen zu werten sind und bisher nicht ausreichend

empirisch belegt werden können.

3.3 Die Migrantin im Fernsehen

In den letzten Jahren hat die Präsenz der Migrantinnen in den Medien zwar zugenom-

men, jedoch egal ob als Moderatorin oder Schauspielerin ist die Darstellung oft nicht

frei von Stereotypisierung.

Um die qualitative und quantitative Veränderung der Darstellung der Migrantin im Film

über die Zeit zu beobachten hat Claudia Bulut Filmproduktionen untersucht, bei denen

die Figur, die durch die Migrantin besetzt ist, im Mittelpunkt steht. Äußert Toker im Jahr

1996 noch heftigste Kritik über die schwache und verzerrte Präsenz von Migrantinnen

in den Medien, als auch als Macherin der Medien, stellt Bulut bereits eine positive Ent-

wicklungstendenz in ihrer Arbeit heraus.68

Bei der Fernsehanalyse wird deutlich, dass die Muslimin tendenziell noch immer in

einem problembehafteten Kontext abgebildet, bei dem die gelebte

Geschlechterordnung stets eine Rolle spielt. Die Handlungsrollen der muslimischen

Frauen sind eher eingeschränkt. Beiträge erzählen zumeist entweder von der Emanzi-

pation der Frauen vom Islam oder von deren Unterdrückung. Trotzdem hat in den

letzten Jahren eine Pluralisierung der Rollen muslimischer Migrantinnen stattgefunden,

sie werden nun auch als Schülerinnen, Ärztinnen, Moderatorinnen, Hausfrauen, Mütter,

Büroangestellte, gläubige und säkulare Musliminnen dargestellt. Trotz der Vielfältigkeit

der Darstellungsweisen kommt kaum ein Beitrag ohne den Bezugspunkt der verschlei-

erten Frau aus.69 Trotz festgestellter Tendenzen ist anzumerken, dass das

Forschungsdesiderat bei Migrantinnen im Fernsehen noch größer als in den Print-

Medien ist. Daher ist zu betonen, dass;

beim Untersuchungsgegenstand Migrantinnen in den Medien trotz des Forschungs-

booms der letzten Jahre ein großer Forschungsbedarf herrscht. Der Großteil der

Veröffentlichungen beschäftigt sich mit Printmedien und hier wiederum vor allem mit

dem Spiegel (Huhnke 1996, Farrokhzad 2002; 2006, Hentges 2006 und Röder 2007).

Die nordrhein-westfälische Lokalpresse wurde 1996 von Bobber untersucht. Systema-

tische Analysen anderer Printmedien, wie z.B. die überregionale Boulevard- oder

Qualitätspresse sind bisher nicht zu finden. Noch größere Lücken bezüglich systemati-

67 Vgl. Lünenborg (2009), S. 15.

68 Eine skizzenhafte Untersuchung der Präsenz der Migrantin in den Medien anhand der Filmografie

Buluts, die um Beiträge aus Nachrichtenmagazinen, Präsenz der Migrantin als Nachrichten-sprecherin und Moderatorin und Darstellung der Migrantin in der Familienunterhaltung ergänzt wurden, findet sich im Anhang S. 25. 69

Vgl. Lünenborg (2009), S. 21.

Page 23: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 20

scher Analysen weist das Medium Fernsehen auf. Bisherige Untersuchungen zu Fern-

sehfilmen (Bulut 2000; Toker 1996) oder TV-Dokumentationen (Paulus 2007; 2008)

stehen nur auf sehr geringer empirischer Basis und sind eher als explorativ zu be-

zeichnen. Untersuchungen zum Radio oder Internet als Medium zur Verbreitung von

Bildern von Migrantinnen fehlen bisher ganz. 70 Positiv anzumerken ist, dass vor allem

die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten und einige gesellschaftspolitische Stiftungen

aktiv JournalistInnen mit Migrationshintergrund fördern.71

4. Fazit

Das Bild von der Migrantin, als handlungsunfähiges Opfer, das isoliert von der Au-

ßenwelt lebt beziehungsweise zwischen den Kulturen und meist türkischer Abstam-

mung ist, wurde hauptsächlich Ende der siebziger Jahre und in den Achtzigern

geprägt. Noch heute kann diese Vorstellung in der Darstellungsweise von Migrantinnen

in den Medien identifiziert werden. Zwar tummeln sich neue Figuren von Migrantinnen

in den Medien, bei genauerer Untersuchung handelt es sich jedoch eher um Abwande-

lungen des alten Bildes beziehungsweise um die „moderne“ Migrantin, die dann als

„westliche“ Frau abgebildet wird. Ein grundlegender Perspektiv-und

Verständniswechsel, der den Eurozentrismus ablegt und die unterschiedlichen

Lebensentwürfe der Migrantinnen als dem der „westlichen“ Frau als gleichwertig

würdigt, ist im Medien- im Unterschied zum Wissenschaftsdiskurs bisher kaum zu

beobachten. Vor dem Hintergrund der dargelegten Wichtigkeit der Medien für das

Verständnis des Selbst- und Fremdbildes ist dies höchst bedenklich. Daher wären

Studien, die die Wirkung der medial verbreiteten Bilder der Migrantin bei Angehörigen

der Mehrheitsgesellschaft, als auch bei den MigrantInnen selbst untersuchen, über die

bereits besprochenen Forschungsdesiderate hinaus, äußerst spannend. Bisher blieben

sie jedoch leider aus.72 Abschließend ist zu bemerken, dass die Migrantin als

Forschungsfeld hochinteressant bleibt, da in der Öffentlichkeit Fremdheit meist noch

immer über gender bestimmt wird, ein Abbau des impliziten Kulturdeterminismus der

Mehrheitsgesellschaft wäre mehr als wünschenswert.

70 Vgl. Lünenborg (2009), S. 14.

71 Vgl. Lünenborg (2009), S.13.

72 Vgl. Lünenborg (2009), S. 22.

Page 24: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 21

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d%2Cn%3A%21541686%2Cn%3A117&bbn=541686&keywords=ehrenmord&ie=UTF8

&qid=1295815815&rnid=541686#/ref=nb_sb_noss?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%8

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Page 27: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 24

ANHANG

Anhang 1: Phasen der Migrationspolitik

Ab 1955 kamen die ersten Gastarbeiter aufgrund von bilateralen Verträgen zwischen

Deutschland und den Anwerbeländer in die BRD. Anfangs wurden sie hauptsächlich

als Saisonarbeiter eingesetzt und kehrten so stets in ihre Herkunftsländer zurück.

Nachdem auch die Industrie vermehrt Gastarbeiter einsetzte wurde das Rotationsprin-

zip ausgesetzt. Für die Unternehmen war es nicht lohnenswert ständig neue Mitarbei-

ter einlernen zu müssen. Dadurch erhielten einige Migranten längerfristige, später

sogar unbefristete, Arbeitsverträge.

Nach der Rezession 1966/67 und der Ölkrise 1973 verhängte die Regierung 1973 auf

Druck der Bevölkerung und der Gewerkschaften, die besorgt wegen knapp werdenden

Arbeitsplätzen waren, einen Anwerbestopp. Aus Angst vor weiteren Restriktionen

zogen viele Migranten ihre Familien nach. Es wurde eine Ausländerpolitik verfolgt, die

eine weitere Zuwanderung möglichst beschränken sollte, deshalb erhielten nachgezo-

gene Familienmitglieder zunächst keine Arbeitserlaubnis. Diese konnte unter Ehepart-

nern übertragen werden. Die Rückkehr der MigrantInnen in ihre Herkunftsländer wurde

mit finanziellen Anreizen gefördert. Es gab jedoch auch erste verhaltene Bemühungen

zur Integration der anwesenden MigrantInnen.

1979 veröffentlichte der Ausländerbeauftragte Kühn73 ein Memorandum, in dem er fest-

stellte, dass es sich bei der Mehrzahl der Migranten nicht mehr nur um Gastarbeiter

handle, sondern um Einwanderer, für die aus einer Vielzahl von Gründen die Rückkehr

nicht in Betracht kommt.74

Ab 1981 ist eine nochmalige Verschärfung der Ausländerpolitik festzustellen. Der

Politik wird vorgeworfen gezielt den Diskurs über Horrorszenarien des Asylrechtmiss-

brauchs und die „Flut aus dem Ausland“ geschürt und ausgenutzt zu haben.75 Die Zeit

von 1988 bis 1991 ist von einer erneuten Zuwanderung von Arbeitsmigranten,

Asylbewerbern, Aussiedlern und Kriegsflüchtlingen gekennzeichnet.

Seit 1992 wird von einer zweiten Phase der Begrenzungspolitik gesprochen.76

Als Mitte der 50er die Einwanderung von Gastarbeitern begann, wurde dies von der

Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Eine öffentliche Thematisierung fand erst in den

siebziger Jahren statt. Bis dahin wurden die Gastarbeiter als Instrument zur Regelung

des Arbeitskräftebedarfs in der Wirtschaft gesehen. Dem folgend sollte es auch die

Auseinandersetzung mit Migration in der Wirtschaft erfolgen. So ging es hauptsächlich

73 Kühn (SPD) war ehemaliger Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.

74 Vgl. Bade (2001), o. S.

75 Vgl. Bade (2001), o.S.

76 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 24.

Page 28: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 25

darum Störungen in der Wirtschaft durch Arbeitsmigration rechtzeitig zu erkennen und

entgegenzuwirken. Daher wurde nur ein kleiner Ausschnitt des Lebens der Migranten

betrachtet. Als erste beschäftigten sich Wohlfahrtsverbände, kirchliche Institutionen

und schulische Einrichtungen mit den Lebensbedingungen der Migranten. Eine breitere

politische Diskussion fand wenn überhaupt im negativen Sinne und im Vorfeld von

Wahlen statt. Erst in den achtziger Jahren entwickelte sich eine Minoritätenpolitik mit

einer spezifischen Ausländerpädagogik und Ausländersozialarbeit. Sie wurde später

um politische Institutionen wie Ausländerbeauftragte und Ausländerbeiräte ergänzt.77

Die westdeutsche Migrationsforschung ist erst mit großer zeitlicher Verschiebung auf

die Folgen der Arbeiteranwerbung aus dem Ausland eingegangen. Sie orientierte sich

vornehmlich an der staatlichen Migrationspolitik und der vorherrschenden Konjunktur.

So wurde auch die Problematisierung der Migrationsthematik aus dem allgemeinen

Diskurs übernommen. Es sollten Konzepte und Problemlösungsstrategien entwickelt

werden um die Folgen der Migration für die Bundesrepublik auffangen zu können.78

Anhang 2: Phasen der Auseinandersetzung mit Migration

In der Vorlaufphase bis 1969 lag der Fokus der Forschungsarbeiten auf sozialpsycho-

logischen Aspekten, so auch in der Frühphase von 1970 bis 1973. Die Hauptphase,

von 1974-1983, war vor allem durch Auftragsarbeiten bestimmt. Sie beschäftigten sich

vornehmlich mit den Themen Schule (19,6%), Arbeitsmarkt/ Wirtschaft (19 %).79 Mit

dem Themenbereich Schule rückte auch die Betrachtung der Lebenssituation der

Migranten und Migrantinnen weiter in den Mittelpunkt. Bei der Erforschung der

Situation der Migrantin lag jedoch der Schwerpunkt auf der Rolle als Mutter. Unter dem

Motto „Integration oder Rückkehr“ entstanden in der Zeit von 1979 bis 1983 einige

Integrationskonzepte, die vor allem der gesellschaftlichen und individuellen Konflikt-

vermeidung dienen sollten. Zu dieser Zeit wurde von einem kleinen Teil der Forscher

und Forscherinnen Kritik an den Integrationskonzepten laut. Der Vorwurf lautete die

intendierte Germanisierung, Ethnozentrismus und Rassismus. Mitte der achtziger

Jahre begann die Debatte um das Konzept der multikulturellen Gesellschaft. Die

Arbeiten befassten sich mit der ethnischen Identität von Migranten und Migrantinnen,

Migrantensubkulturen und Gemeinschaftsbildungen. Die Phase ab 1984 kann als

77 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 23-25.

78 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 25.

79 Weitere Themen der Hauptphase in der Zeitspanne von 1976 bis 1979 waren soziokulturelle

Integration (13,9 %), Berufsausbildung/ Weiterbildung (10,7%), Sozialisation / Familie (6,5 %), Sozialarbeit/ Beratung/ Therapie (5,6%), Wohnen/ Wohnungspolitik (5,0%), Arbeitsbedingungen (4,1%), Gesundheit (3,0 %), Ausländerrecht/ Partizipation (3,0 %), psycho-soziale Probleme (2,7%), Delinquenz (2,4 %), Medien (1,2%), Kommunal-/ Landespolitik (0,9%), Ausländerstudium (0,9%), Sonstige Forschungsprojekte (1,5 %) (vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 26)

Page 29: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 26

Bilanzphase bezeichnet werden. Der Forschungsbereich wuchs weiter, während

parallel erste kritische Beiträge über das Missverhältnis von quantitativem zu qualitati-

vem Wachstum des Forschungsgebiets erschienen. Die rezeptive Wissenschaftsrefle-

xion entwickelte sich zu einem eigenen Forschungsgebiet, wobei sich deren

empirische Basis kaum mehr aktualisierte oder vergrößerte. Seit Beginn der Neunziger

nimmt die Auseinandersetzung mit dem Fremden, der Umgang mit den Zuordnungen

in Fremd- und Eigenkultur zu.80

Anhang 3 : Migrantinnen im Fernsehen

In den sechziger Jahren findet sich noch keine Produktion, die die Arbeitsmigrantin

darstellt. Mögliche Erklärung, ist dass die türkische Migrantin außer als exotische

Orientalien oder Italienerin als sexy Vollweib, jedoch nicht als couragierte Arbeitsmig-

rantin in das damalige Bild der Südländerin gepasst hätte. Bulut beschreibt den

Verstoß gegen die weibliche Rollenzuweisung in dem im Wiederaufbau befindlichen

Männerpatriarchat sogar als „Provokation“ 81

Auch in den siebziger Jahren finden sich kaum Migrantinnen in Filmproduktionen. Im

Bewusstsein eines Großteils der Bevölkerung stellten die MigrantInnen noch immer

vorübergehende Gäste dar. Einige wenige Filme, die Migration thematisieren, sind

entstanden: Katzelmacher (R.W. Fassbinder, BRD 1969), Angst essen Seele auf (R.W.

Fassbinder, BRD 1974), Emigration (Nino Jacusso, BRD/ Schweiz 1978), Das Boot ist

voll (Markus Imhoff, Schweiz/ BRD/ Österreich 1978).82

Weitaus zahlreicher waren die „Lebenshilfeprogramme“ in verschiedenen Fernsehma-

gazinen in den Siebzigern, wie beispielsweise Nachbarn in Europa (1975, ZDF) oder

Aktuelle Stunde (1977, West 3). Konsens der Beiträge war, dass türkische Frauen Hilfe

brauchen, dazu wurden Ihnen Nähkurse, Sprachkurse und Alphabetisierungskurse

angeboten.83

Einer der bekanntesten Filme mit einer Migrantin in der Hauptrolle ist Shirins Hochzeit

(BRD, 1975) über das Scheitern einer Migrantin von Helma Sanders-Brahms. Der Film

erzählt die Geschichte einer jungen couragierten Türkin, die sich einer arrangierten

Ehe widersetzt und ihrem Geliebten nach Deutschland folgt, den sie jedoch zunächst

nicht findet. Durch die Rezession verliert Shirin ihre Arbeit. Nach einer Vergewaltigung

rutscht sie in die Prostitution und wird schließlich ermordet. Der Film hat eigentlich

einen sozialkritischen Hintergrund, der jedoch leider kaum Beachtung fand. Anstatt die

Kritik an der schlechten Migrations- und Integrationspolitik wahrzunehmen, fühlten sich

80 Vgl. Huth-Hildebrandt (2002), S. 26-27.

81 Vgl. Bulut (2000), S. 4, siehe auch Toker (1996), S. 33.

82 Vgl. Bulut (2000), S. 4

83 Vgl. Toker (1996), S. 38.

Page 30: Seminararbeit Diskriminierung

Seite 27

vor allem türkische Migranten bloßgestellt und erniedrigt.84 Zwar endet Shirins Schick-

sal dramatisch, trotzdem wird ihre Migration als Weg beschrieben, den sie selbst für

sich wählt. Sie wird nicht, wie häufig das Bild der damaligen Migrantin, als

handlungsunfähig dargestellt.

1985 entstand Die Kümmeltürkin (BRD), dabei begleitet die Regisseurin eine türkische

Migrantin, die nach 20 Jahren Emigration in die Türkei zurückkehrt.

Renan Demirkan ist eine der ersten Schauspielerinnen, die mit großem Erfolg in der

Serie Die Reporter (1988) zwar eine Migrantin spielte, wobei ihre Herkunft aber keine

dramaturgische Funktion einnahm. Als Azade Celik verkörperte sie eine selbstbe-

wusste, couragierte und gefühlvolle Frau mit eigener kultureller Identität. 1989 erhielt

Renan Demirkan für diese Rolle den Adolf-Grimme-Preis.85

In den Achtzigern wurde die Sozialarbeit durch das Fernsehen fortgeführt, wobei

immer mehr türkische Migrantinnen und die Integrationsschwierigkeiten und gesell-

schaftlichen Konflikte der Migrantinnen in zweiter Generation (West 3-Reihe Reporter:

Gastarbeiter in der BRD, 1981) im Fokus standen.86

Besonders negativ merkt Toker hier an, dass weder JournalistInnen der Mehrheitsge-

sellschaft noch „ausländische“ JournalistInnen auf die Idee kamen Migration auch

positiv darzustellen, nämlich als Chance.87

Auch der vielfach debattierte Identitätskonflikt der zweiten Generation wurde mit dem

Film „Yasemin“ (BRD, 1991) von Hark Bohm aufgegriffen. Im Film ist Yasemin eine in

Deutschland aufgewachsene türkische Migrantin auf der Suche nach ihrer eigenen

Identität. Es wird ein alltäglicher Spagat beschrieben, zwischen den Kulturen und

zwischen der Verbundenheit zu ihrer Familie und ihren Emanzipationsbestrebungen.

Nachdem sich Yasemin in den Deutschen Jan verliebt soll sie schließlich in die Türkei

gebracht werden. Sie rettet sich durch eine Flucht mit Jan auf dessen Motorrad. Bohm

wurde teilweise stark für die Auflösung des Films kritisiert. Yasemin wird letztendlich

keine eigene kulturelle Identität zugestanden, sie muss sich entscheiden und assimi-

liert sich schließlich an die Dominanzkultur 88

In den beiden Serien Doppelter Einsatz (RTL, ab 1994) und Einsatz Hamburg-Süd

(NDR, 1996-1999) ist jeweils eine der beiden Hauptrollen des Ermittlerpaares mit einer

Migrantin besetzt. Beide treten jeweils aus der Opferrolle als Frau und als Migrantin

heraus ohne dabei ihre Identität aufzugeben.89

84 Vgl. Bulut (2000), S. 5-6.

85 Vgl. Bulut (2000), S. 7-8.

86 Vgl. Toker (1996), S. 38-39.

87 Vgl. Toker (1996, S. 39.

88 Vgl. Bulut (2000), S. 6-7.

89 Vgl. Bulut (2000), S. 9.

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Seite 28

In den Neunzigern sind bei den öffentlich-rechtlichen noch nur in Ausnahmefällen

farbige Moderatoren oder migrantische Nachrichtensprecher zu finden, bei Privatsen-

dern sind diese jedoch hoch im Kurs (Milka Loff Fernandes bei VIVA 1999-2004 oder

Arabella Kiesbauer bei ProSieben 1994-2004).90 Mittlerweile sind auch Moderatorinnen

und Nachrichtensprecherinnen migrantischer Abstammung bei den öffentlich-

rechtlichen Sendern zu finden. Eine Stellenausschreibung des ZDF lautete „Frauen

und Personen mit Migrationshintergrund werden bei gleicher Qualifikation bevorzugt

eingestellt“91. Im Mai 2007 wurde daraufhin Dunja Hayali eingestellt, die inzwischen

Hauptmoderatorin des ZDF-Morgenmagazins in der Spätschiene von 7 Uhr bis 9 Uhr

ist.92 Nazan Eckes moderierte bereits ab 1999 das Wetter im Regionalmagazin, Guten

Abend RTL, Hamburg und ab 2000 das Wetter im Mittagsmagazin PUNKT 12 auf RTL.

Bemerkenswert ist auch der Erfolg der Comedy- und Familienserie „Türkisch für

Anfänger“ (ARD, 2006), die mit dem Emmy, dem Deutschen Fernsehpreis und dem

Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.93 Genauere Untersuchungen zur Serie

„Türkisch für Anfänger“ hinsichtlich Publikumsreaktionen und -Wirkung, aber auch das

gewählte Genre wären äußerst spannend. Keine der Figuren erfüllt einen direkten

Stereotyp, weder die als deutsch dargestellten Doris (Mutter, verheiratet mit Metin) und

Lena (Doris‘ Tochter) noch die vermeintlich türkischen Charaktere Metin (Vater), Cem

(Metin’s Sohn) und Yagmur (Metin’s Tochter). Zwar arbeitet die Serie sehr stark mit

überspitzten Klischees, die auch die Komik ausmachen, sie ergeben sich allerdings

eher durch einzelne Szenen und Handlungen der Figuren und dienen nicht der Markie-

rung der einzelnen Charaktere als „der/die Deutsche“ oder „der/ die Türke/in“. Yagmur,

die Kopftuch trägt, ist keineswegs ein Opfer, weder der männlichen Familienmitglieder,

noch ihrer Religion. Sie ist nicht an die Dominanzkultur assimiliert, noch wird sie wegen

ihrer strengen Religiosität als Fundamentalistin dargestellt. Die Figur Yagmur ist ein

deutscher Teenager mit türkischen Wurzeln und eigener kultureller Identität. Wie für

Jugendliche üblich ist sie zwar teilweise unsicher und auf der Suche nach ihrem

eigenen Ich, probiert jedoch selbstbewusst aus was sich für sie richtig anfühlt und

findet ihren eigenen Weg.

90 Vgl. Toker (1996), S. 44.

91 Röben (o.J.).

92 Vgl. Röben (o.J.).