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doandan
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Skript zur Vorlesung Introduction to Cognitive Neuroscience
Wintersemester 2009/10
Keine Gewähr für Richtigkeit oder Vollständigkeit. Viel Spaß wünschen Nadia Wilhelm, Florian Schiller, Janis Freund, Ini Essien
Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Einführung:
Zunächst erläutert Frau Röder einige Definitionen der Kognitiven Neurowissenschaften:
„The cognitive neuroscientist wants to understand how the brain enables mind“ (XII, Gazzaniga, 2000)
„Mind“ bedeutet dabei soviel wie Absicht, Ansicht, Gedanke, Geist, Gemüt, Psyche, Sinn, Seele, Verstand. Andere Definitionen lauten:
„Psychological, computational, and biological mechanisms of higher mental function including perception, attention, memory, language, emotion, motor control, executive functions, consciousness and the evolution of mental processes. How can knowledge about the fundamental mechanisms of the nervous system be used to obtain a deeper understanding of the higher mental functions in animals particular humans?”
oder
“Cognitive neuroscience is an interdisciplinary area of research and scholarship including, neurologists, psychologists, psychiatrists, philosophers, computer scientists, engineers, physicists etc.”
Verhalten kann dabei auf verschiedenen Ebenen untersucht werden:
- Sozial/ auf Gruppenebene - Organismus (=Individual) - Nervensystem - Gehirnareal - Neuronen-Ensembles (=Gruppen) - Nervenzellen - Synapse - Moleküle
Verhalten wird dann mit neuronalen Korrelaten in Verbindung gebracht (z.B. EKPs).
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Vorlesung 1: Neuroplasticity (Röder) Einleitendes Beispiel zu neuronaler Plastizität:
Muckli et al. (2009): Mädchen, das mit nur einer Hemisphäre geboren wurde ist zwar halbseitig gelähmt und hat diverse motorische Probleme, aber dennoch ein fast komplettes visuelles Gesichtsfeld. Normalerweise hätte sie an Hemianopsie, also einem halbseitigen Gesichtsfeldausfall beider Augen, leiden müssen. In ihrer verbleibenden Hemisphäre hatten sich somit nicht nur retinotope Karten des kontralateralen (rechten) Halbfeldes, sondern auch des ipsilateralen (linken) Halbfeldes entwickelt. Das bedeutet, beide visuellen Halbfelder eines Auges wurden in der verbleibenden Hemisphäre repräsentiert. Schlussfolgerung: dies weist auf eine beeindruckende Reorganisation der Afferenzen (des intakten linken Auges) hin. Siehe: Retinotopic Mapping
So sehen die Gesichtsfelder eines normalen Menschen aus:
So sieht das Gehirn des Mädchens aus:
Ggf. könnte ich hier noch ein weiteres Bild aus der Vl einfügen, wenn das gewünscht wird.
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Definitionen und Bedeutung des Wortes „Neuroplastizität“:
„Fähigkeit des zentralen Nervensystems (ZNS) sich funktional und strukturell den gegenwärtigen Anforderungen anzupassen.“
Roeders Lieblingsdefinition von Sheedlo & Turner (1992):
„Neuroplasticity broadly defined, involves the ability of the nervous system to adapt its structural organization to altered circumstances arising from either developmental, environmental or traumatic phenomena" (Sheedlo & Turner, p. 8, 1992)
- Bedeutet, dass Lernen bis ins hohe Lebensalter möglich ist, - Jedoch qualitative und quantitative Unterschiede der Veränderungskapazität des
ZNS, zwischen „Entwicklungsplastizität“ und „Erwachsenenplastizität“ - Neuronale Plastizität ist die notwendige Voraussetzung für jede Art von
Lernen(!) - „Plastische“ Veränderungen werden vor allem durch Lernen verursacht, aber
auch durch Läsionen: o Direkte Verletzungen: z.B. Läsionen, neurodegenerative Krankheiten o Indirekte Verletzungen: z.B. durch Verlust der Afferenzen eines
sensorischen Systems (z.B. Verlust eines Auges) Klassifikation von Neuroplastizität anhand des auslösenden Ereignisses: Verschiedene Ereignisse können zur Veränderung der Plastizität führen:
- Ontogenetische Entwicklung (über die Lebensspanne), d.h. es passieren funktionale und strukturelle Veränderungen über die Lebensspanne
- Umweltveränderungen (alle Arten von Lernen und Gedächtnis) - Verletzungen des Nervensystems:
o Partielle oder totale Deprivation, führt zu indirekter Verletzung, da Zielstrukturen (im ZNS) kein Input mehr bekommen. (Anmerkung: *
Partielle Deprivation: selektive Isolation z.B. eines sensorischen Systems (z.B. Retina- oder Cochlea-Läsionen)
Deprivation = Wegnahme eines normalerweise vorhandenen Inputs)
Totale Deprivation: Überhaupt kein Input eines bestimmten sensorischen Systems wird an das ZNS übertragen (z.B. totale Blindheit)
o Zentrale Läsionen, d.h. Input ist intakt während ZNS verletzt ist Intramodale vs. Cross-modale Plastizität: Intramodale Plastizität
- Eine bestimmte (intakte) Region, die mit einem bestimmten sensorischen System assoziiert ist, reorganisiert sich, z.B. in Folge von Lernen, neu. BSP.: weil ich dauernd irgendwelche Grauschattierungen unterscheiden muss, reorganisiert sich V1 durch das Training.
- Oder: Partielle Deprivation eines sensorischen Systems führt zu einer Reorganisation der damit assoziierten Region im ZNS.
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Frühe Evidenz von Merzenich et al. (1983): „Use-dependent Plasticity“
Somatosensorisches System: Forscher schnitten Affen einen Finger ab und schauten, ob sich das rezeptive Feld, also die Repräsentation, veränderte. Ergebnis: Teile von S1, die vorher auf Afferenzen des abgeschnittenen Fingers geantwortet hatten, antworten später auf Inputs benachbarter Finger. Die Regionen, die sonst Input (Afferenzen) vom abgeschnittenen Fingern bekommen hatten starben also nicht, sondern übernahmen andere Funktionen.
Abb: Finger und neuronale Repräsentationen vor- und nach dem Abschneiden. Außerdem Evidenz von Elbert et al (1994): Läsionsinduzierte Plastizität
Beleg für Reorganisation des somatosensorisches Kortex bei Arm-Amputierten: S1-Regionen, die vorher Punkte des verlorenen Arms repräsentiert hatten, zeigten Aktivität bei Input (z.B. Berührung) des Kinns.
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Und zu allem Überfluss auch noch Flor et al (1995):
Somatosensorische Befunde von… Überaschung - Amputierten: Es zeigte sich, dass bei ihnen die Reorganisation im somatosensorischen Kortex positiv mit der Höhe der empfundenen Schmerzen korreliert war. (Phantomschmerz = Phantom sensation)
Doch damit nicht genug:Jenkins & Merzenich (1987):
Wahrnehmungstraining bei Affen: sollten mit dem Finger Kontakt mit einer rotierenden Disk halten. Ergebnis: Der benutzte Finger hatte nach dem Training eine vergrößerte Repräsentation. Oder anders: kortikale Regionen, die die trainierte Stelle repräsentierten waren vergrößert.
Abb.: zeigt die Vergrößerung der Repräsentationen der Felder 2 und 3. Evidenz von Studien mit Blinden (Röder, Datum unbekannt):
Ausgangspunkt: Braille-Schrift lesen bedeutet intensives taktiles Training. Verändern sich somit die taktilen Fähigkeiten bei Blinden? Ergebnis: Blinde haben niedrigere Zwei-Punkt-Schwellen an ihrer „Braille-Hand“. Das bedeutet, sie können mit der Braille-Hand früher bestimmen, ob eine Berührung durch einen, oder zwei Punkte verursacht wurde (also, wenn diese noch sehr nah zusammen liegen). Kontrolle: Um sicher zu stellen, dass es sich bei dem Ergebnis nicht einfach um einen Unterschied in den Absolutschwellen (ab wann man überhaupt was spürt) handelt, wurden mit Von-Frey-Haar die Absolutschwellen Blinder und Nicht-Blinder verglichen. Diese unterscheiden sich nicht.
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Abb.: Sehende haben größere Zwei-Punkt-Schwellen (gemessen in cm) als Blinde mit ihrer Braille-Hand. Abb.: Von-Frey-Haar besteht aus verschieden kalibrierten Fasern. Fasern werden dafür verwendet, um den Schwellenwert der Kraft zu bestimmen, die aufgebracht werden muss, um eine Berührung wahrzunehmen. Weitere Studie mit Blinden (Quelle unbekannt): kam das noch dran?
Taktile und auditive Diskriminationszeiten bei Blinden schneller. Grund: Größere Verarbeitungseffizienz, da die mit dem EEG gemessene N1-Komponente bei Blinden mit einer kürzeren Latenz auftritt, als bei Sehenden.
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Intramodal, die Tausendste - Schwarz et al (2002): Visuelle Wahrnehmung
Ausgangsfrage: Wo im Gehirn passiert visuelles Lernen? Probanden hatte zwei Aufgaben:
1. Sie sollten auf einem Bildschirm die Ausrichtung/ Orientierung von drei Linien im oberen linken Quadaranten angeben.
2. Diskriminationsaufgabe: Sollten gleichzeitig entscheiden, ob es sich bei einem Buchstaben auf dem Fixationspunkt um ein L oder ein T handelt.
Mit dem trainierten Auge wurden 1700 Trials durchgeführt. Das andere Auge war, für die Kontrolle, abgedeckt. Ergebnis: Messung mit fMRI. Training führte zu einer Zunahme der Aktivität im visuellen Kortex (nur für das trainierte Auge), in dem Bereich, der den oberen linken Bereich des visuellen Feldes repräsentiert. Der Effekt betraf nur den visuellen Kortex und keine anderen Regionen.
Abb.: A = Aufgabe B = fMRI-Localizer?
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Cross-modale Plastizität - Neuronale Strukturen, die normalerweise mit dem deprivierten sensorischen
System assoziiert sind, verarbeiten Afferenzen anderer nicht-deprivierter sensorischer Systeme. Fiktives BSP: Weil jemand von Geburt an blind ist, übernimmt V1 Aufgaben auditiver Areale.
Studie von Röder et al. (2000):
Ausgangspunkt: Blinde können sich zum Sprachverständnis nicht auf visuelle Reize stützen und sind deshalb vollkommen auf das auditive System angewiesen, können aber dennoch Sprache schneller auffassen, als Sehende. EEG-Ergebnis: Bei inkongruenten Satz-Enden (“Tomorrow Bobby will be ten years hill”) tritt bei Blinden die N400 (die semantische Funktionen reflektiert; je größer die semantische Verletzung, desto größer die N400) nach kürzerer Latenz auf, als bei Sehenden. Auch bei Spät-Erblindeten tritt die N400 früher auf, als bei Sehenden. → Führt zu effizienterer Spracherwahrnehmung
Abb.: Vergleich der Latenz (in ms) der N400 bei Sehenden und Blinden.
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Weitere Befunde von Roeder et al (2002):
Ergebnis: Bei Blinden sind bei der Sprachwahrnehmung zusätzlich zu den Spracharealen der linken Hemisphäre die entsprechenden Bereiche der rechten Hemisphäre, sowie die visuellen Kortex-Areale aktiviert. Bei Spät-Erblindeten zeigt sich bei der Sprachwahrnehmung das gleiche Aktivierungsmuster wie bei Von-Geburt-an-Blinden, jedoch bleibt die Dominanz der linken Hemisphäre erhalten und die Aktivierung im visuellen Kortex ist schwächer ausgeprägt. Beleg auch dafür, dass Plastizität auch im Erwachsenenalter möglich ist.
Abb.: Aktivierte Regionen bei der Sprachwahrnehmung. Mechanismen der Plastizität Es gibt zwei Arten von Veränderungen:
- Physiologische (funktionale) Veränderungen o Bedeutet: Veränderungen der Art des Antwortverhaltens von
Neuronen o Kurzfristige Veränderungen o Beispiele:
Langzeitpotenzierungen Demaskierung stiller Synapsen
- Strukturelle Veränderungen o Bedeutet: Anatomische Veränderungen in der Struktur und Anzahl
der Neurone. o Langfristige Veränderungen o Beispiele sind:
Veränderung von Form und Größe der postsynaptischen Endungen, des Somas oder der Dendritenverzweigungen
Zuwachs der Anzahl an Synapsen
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o Die Verfestigung kurzfristiger Veränderungen benötigt strukturelle Veränderungen
o Diese Veränderungen sind auf kortikalem und subkoritkalem Level möglich
Positive und negative Konsequenzen von Plastizität Positive Konsequenzen (abgeschrieben)
- Schnellerer Zugriff auf Wissensrepräsentationen - Verbesserte Verarbeitungseffizienz - Schnellere Lernraten - Mehr Wissen - etc.
Negative Konsequenzen
- Phantomschmerzen - (Epileptische) Anfälle - Dystonie (Musikerkrampf, Schreibkrampf)
Developmental Plasticity vs. Adult Plasticity: Developmental Plasticity
- Meint, dass die Fähigkeit zur Veränderung des ZNS von bestimmten Episoden im Lebensverlauf abhängig ist.
Adult Plasticity
- Meint die Fähigkeit des Nervensystems zur Veränderung im Erwachsenenalter
→ Sensitive Perioden sind starke Evidenz dafür, dass quantitative und qualitative Unterschiede zwischen den beiden Arten von Plastizität existieren.
Sensitive Perioden
- Ein begrenzter Zeitraum innerhalb der Entwicklung, in dem der Einfluss von Erfahrung auf das Gehirn in der Regel stärker ist.
Kritische Perioden
- Bestimmte Arten sensitiver Perioden, die zu irreversiblen Veränderungen der Gehirnfunktionen führen. Nach Ende der kritischen Periode können abweichende Erfahrungen (z.B. Deprivation) die während der kritischen Periode gemacht wurden, nicht mehr korrigiert werden.
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Belege von Hubel (1979):
Studie: Visuelle Deprivation bei Katzen Ergebnis: Neurone deprivierter Augen waren nicht mehr in der Lage rezeptive Felder zu bilden. Analogie zu Kindern: wenn Kinder schielen, wird automatisch ein Auge vom Gehirn inhibiert. Wenn man das „schwache“ Auge nicht durch das Abdecken des gesunden Auges zum Sehen zwingt, werden sie auf dem schwachen Auge blind.
Komplexe Verhaltensweisen haben multiple sensible/kritische Perioden (!). Kritische Perioden helfen, komplexere Funktionen auszubilden.
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Vorlesung 2: Exekutive Funktionen (Wendt)
Heterogeneous class of cognitive processes assumed to (be necessary to) coordinate and re-configure basic sensory, cognitive, and motor processes to ensure goal-directed behavior
Verschiedene Definitionen:
= Heterogene Klasse kognitiver Prozesse, die wahrscheinlich erforderlich sind für die Koordination und Rekonfiguration von sensorischen, kognitiven und motorischen Prozessen, um zielgerichtetes Verhalten sicherzustellen.
oder
oder
… executive functions, or cognitive control … describe a loosely defined collection of brain processes which are responsible for planning, cognitive flexibility, abstract thinking, rule acquisition, initiating appropriate actions and inhibiting inappropriate actions, and selecting relevant sensory information.
• Wendt sagt auch noch, dass exekutive Funktionen zur Koordination basaler
Prozesse, zum Erreichen von Zielen, beitragen. • Es existieren also unterschiedlich weite Definitionen, die dem Komplex mal mehr
und mal weniger Prozesse zuschreiben. • Eine allgemeingültige, klare Eingrenzung existiert nicht!
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Beispiel für einen selektiven Ausfall der Funktion: Das "dysexekutive Syndrom"
Der Frontalcortex ist keiner Sinnesmodalität direkt zugeordnet, verfügt aber über afferente und efferente Verbindungen zu Arealen, die mit Sinnesmodalitäten und solchen, die mit Emotionen (lymbisches S.) assoziiert sind.
"Die überwiegende Zahl dieser Verbindungen sind reziprok, d. h. vom Frontalhirn führen efferente Verbindungen in die meisten Regionen, aus denen es afferente Projektionen erhält."
Patienten mit Schädigungen im Frontalcortex haben häufig intakte motorische und perzeptuelle Fähigkeiten. Trotzdem resultieren Läsionen im Frontalcortex häufig in der Unfähigkeit der Patienten, zielgerichtetes Handeln auszuführen, auch wenn die Intention sprachlich formuliert werden kann. Das gezeigte Verhalten beinhaltet dann eher eine ständige Wiederholung einzelner Verhaltensweisen, oder simple Reiz-Reaktionsmuster
Beispiel: „Utilization Behavior“ Patienten reagieren in stereotyper Weise habituell auf Stimuli, auch wenn das Verhalten situationell unangemessen ist, bzw. nicht der Intention entspricht).
Frontalcortex maßgebliche Beteiligung an exekutiven Funktionen.
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In der Vorlesung werden von Wendt drei Bereiche exekutiver Funktionen genauer behandelt:
1. Aufrechterhaltung zielrelevanter Informationen 2. Anpassung an sich verändernde Ziele, aufgrund veränderter Verarbeitung
(Folge: Verändertes Verhalten) 3. "Performance monitoring" (und entsprechende Anpassung)
- ist eine Aufgabe des Arbeitsgedächtnisses ("working-memory-task") 1. Aufrechterhaltung zielrelevanter Informationen
Verschiedene Variationen des Paradigmas:
Behalten und Auswählen eines bestimmten Ortes als Zielreiz
Delayed response task:
Behalten und Auswählen des Ortes, an dem der Zielreiz NICHT ist
Delayed alternation task:
Behalten und Auswählen eines nicht-ortsgebundenen Zielreizes
Delayed matching-to-sample task:
Befunde zum präfrontalen Cortex: • Läsionen des lateralen PFC beeinträchtigten die Performance von Affen bei Delayed-response-tasks, aber nicht bei assoziativen memory-tasks. • Einzelzellableitungen im lateralen PFC zeigen maximale Aktivität einzelner Neurone, wenn der Reiz gerade NICHT präsent ist. • Erhöhte Aktivität des lateralen PFC auch bei Menschen beobachtbar (fMRI), wenn Infos bereitgehalten werden müssen.
spricht für Funktion des PFCs, Informationen aufrecht zu erhalten
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Aufgabe: Es werden nacheinander Buchstaben dargeboten. Pbn muss mit „yes“ antworten, wenn der aktuell dargebotene Buchstabe derselbe ist wie der, der n Buchstaben zuvor gezeigt wurde. "n" steht für die Anzahl der Buchstaben, die zwischen dem aktuellen
und dem zu vergleichenden Reiz liegen (z.B. 2-back-task= Vgl. des aktuellen Buchstabens mit dem Buchstaben, der als vorletztes präsentiert wurde.).
Parametrische Variation: Manipulation der Gedächtnisauslastung beim "n-back task"
Damit lässt sich eine Variation der Arbeitsgedächtnisauslastung erreichen (stetig wachsender „memory load“).
Abb: Die Aktivität im dorsolateralen PFC steigt kontinuierlich mit der Buchstabenanzahl N. Diese Aktivität besteht also scheinbar darin, relevante Informationen bereitzuhalten, wenn die Reize selber abwesend sind. Die Aktivität im Broca-Areal erklärt
sich wohl durch zunehmende sprachliche Verarbeitung. → Evidenz für zentrale Rolle bei Bereithaltung von Infos im Arbeitsgedächtnis
Habituelle Handlungstendenzen: Oft werden z.B. durch einfache Konditionierungseinflüsse bestimmte Handlungen hervorgerufen oder provoziert, die eigentlich nicht mit dem beabsichtigten Ziel vereinbar sind (siehe der Gorilla links).
Zielgerichtetes Verhalten vs Stimulus- oder Gewohnheitseinflüsse
Diese stehen oft im "Wettbewerb" gegen die eigentlich geplanten Handlungsabläufe. Bei mangelnder Konzentration, starker Aufregung oder ähnlichem kann das eigentlich geplante Handeln dann "verlieren".
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Beispiele für Konflikt-Paradigmen, die Verarbeitungsselektivität testen: Stroop-Test Flankierungs-Tests Simon-Test
• Alle diese Tests haben gemeinsam, dass sie inkongruente oder Konfliktreize mit höheren Latenzzeiten aufzeigen.
• Diese verlängerte Zeit ist hierbei ein Maß dafür, wie gut man relevante Informationen verarbeiten und irrelevante unterdrücken kann.
Die längere Verarbeitungszeit ist auch Evidenz dafür, dass Verarbeitungsselektivität nicht komplett ist und die nicht relevanten Reize trotzdem verhaltenswirksam mitverarbeitet werden!
Es ließ sich außerdem zeigen, dass die Erhöhung der Arbeitsgedächtnis-Belastung die Fähigkeit zur Verarbeitungsselektivität verringert: Es gab größere Unterschiede zwischen kongruenten und inkongruenten Flankierungsreizen, wenn das Arbeitsgedächtnis stärker beansprucht war ( durch Merken einer vergleichsweise längeren Liste).
es findet also eine stärkere Verarbeitung von Störreizen statt, je stärker das Arbeitsgedächtnis beansprucht wird, weil die Verarbeitungspriorität beeinträchtigt ist.
Weitere Evidenz für verminderte Verarbeitungsselektivität durch AG-Belastung (Bildgebung):
Klassifikationsaufgabe: Versuchsteilnehmer sollen geschriebenen Namen von Stars als „Politiker“ oder „Popp-Stars“ einstufen. Distraktoren: Gesichter von Pop-Stars und Politikern im Hintergrund. Variation der AG-Belastung: Müssen sich 1-4 Zahlen merken. Ergebnisse:
• höher die Aktivität des gyrus fusiformis
Je stärker das Arbeitsgedächtnis beansprucht wurde, desto
• größer der "Face-name congruence effect".1
1 Nebenbeobachtung: Mike Wendt weiß kein einziges Beispiel für einen Popstar! =)
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2. Anpassung an sich verändernde Ziele, aufgrund veränderter Verarbeitung (Folge: Verändertes Verhalten)
Das flexible Angleichen von Handlungen auf gleiche Reize, je nach Zielgebung ist eine dissoziierbare Funktion (die nach Läsionen des Frontalcortex selektiv ausfallen kann)! eigene Teilfunktion Evidenz dafür ist der Perseverationsfehler:• Bezeichnet die Tendenz ein Verhalten unangemessen oft zu wiederholen
• Unfähigkeit von Zielflexibilität führt zu ständigem Wiederholen einer vorher ausgeführten Tätigkeit
• Untersuchung der Fähigkeit flexibel zwischen SR-Verbindungen hin- und her zu wechseln
Im Versuch: Das "task-switching" Paradigma
• Beispiel von Wendt:
Veränderung Wiederholung • Bei der Veränderung der Aufgabe (hier Letter oder Color beachten) gibt es
Wechselkosten (=switch costs): die Reaktionszeitverlängerung, die bei einem Aufgabenwechseln auftritt (im Vergleich zu keinem Aufgabenwechsel)
• Auch eine längere Vorbereitungszeit auf den Aufgabenwechsel verhindert diese Zeitverzögerungen nicht komplett, verringert sie aber signifikant. Die Reaktionszeitkosten die dann noch übrig bleiben werden Residualkosten genannt.
• Wenn das Arbeitsgedächtnis zusätzlich beansprucht wird, dann lassen sich die Reaktionszeitkosten nicht so gut senken.
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Frage: Woher kommen diese Verzögerungen? • Frühere Annahme: Die Wechselkosten spiegeln das Umstellen auf das neue Ziel
wieder. z.B. könnten neue S-R Verbindungen aufgebaut werden • ! Es gibt jedoch auch andere Interpretationen der dazu vorliegenden Befunde !
Aufbau: Zweiter Versuch dazu: Asymmetrische "switch-costs"
Stroop: Wechseln zwischen "Wörter lesen"-Aufgabe und "Farbe-benennen"-Aufgabe. Ausgewertet werden in diesem Design nur die inkongruenten Trials..
Ergebnis: Nur beim Wechseln von color naming zu word reading entstehen switch costs, während beim Wechsel von word reading zu color naming keine switch costs entstehen.
Interpretation: Switch costs sind höher, wenn die betroffene Aufgabe routinierter/ eingeübter (siehe „backward inhibition“) ist, als wenn dies nicht der Fall ist. auch bei bilingualem Test mit Vgl.
Muttersprache / Fremdsprache replizierbar!
Frage: Warum benötigt die Rekonfiguration einer stärker gelernten Aufgabe
mehr Zeit? Theorie: Die stark gelernte Verbindung/Reaktion (z.B. Lesen bei Wort-
Präsentation) muss inhibiert werden, wenn sie nicht ausgeführt werden soll. Diese Inhibierung könnte eine gewisse Persistenz aufweisen (= proaktive Interferenz) und so in Folgedurchläufen den Aufgabenwechsel behindern.
"At least large parts of the task switch cost seems to reflect proactive interference from previous execution of the other task."
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fMRI-Studie: • Es lassen sich präfrontale Areale unterscheiden, die für die Vorbereitung und
Durchführung von Aufgaben zuständig sind: ACC= anteriorer gyrus cinguli DLPFC=dorso-lateraler präfrontaler cortex DLPFC weist erhöhte Aktivität auf bei anspruchvolleren Aufgaben (color naming), wobei der ACC keine Veränderung aufweist. ACC hat jedoch höhere Aktivität bei inkongruenten Reizen, als bei kongruenten.
Erhöhte Aktivität könnte kognitive Kontrolle widerspiegeln. Z.B. ein Inhibieren der
konkurierenden Aufgabe. Bei mehr als 2 Aufgaben: "Backward Inhibition" möglich
ABA-Sequenz ist schlechter (langsamer) als die CBA-Sequenz.
3. "Performance monitoring" (und entsprechende Anpassung) Fragen: • Wird die eigene Performance von kognitiven Systemen überwacht und ggf.
angeglichen oder optimiert? • Welche Signale werden dafür verarbeitet? Kognitive Konflikte: • Z.B. ausgelöst durch die inkongruenten Stimuli bei Stroop- oder Simontests, oder bei
Flankierungsparadigmen. reflektieren dort so etwas wie Konflikte zwischen korrekten und inkorrekten Antworten
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• Bei solchen Konflikten ist immer erhöhte Aktivität im anterioren gyrus cinguli messbar (rechts markiert)
• dieser registriert Fehler lediglich und gibt diese Information dann weiter könnte eine Art Signalgeber für Konflikte sein.
Connectionist modeling (=konnektionistische Modelle):
• Entspricht im Prinzip künstlichen neuronalen Netzwerken • Simuliert menschliches Verhalten (z.B. im Stroop) inklusive Fehler- und Lerneffekten, mit ähnlichen Ergebnissen wie beim Menschen. • Inkongruent: langsamer + mehr Fehler • Attention: spiegelt hier die externe zusätzliche Aktivierung durch exekutiv Funktionen wieder ("top-down" Modulierung) • In diesem Modell hemmen sich aktivierte Antworten gegenseitig, wenn sie auf gleicher Ebene und inkompatibel sind • Einige Verbindungen sind stärker, weil sie öfter benutzt / stärker gelernt sind.
Zu „Attention“ passendes neuronales Korrelat: "Schließlich gibt es Hinweise darauf, dass präfrontale Neurone die Aktivität in anderen kortikalen Regionen »top-down« dahingehend modulieren, dass aufgabenrelevante Reize bevorzugt verarbeitet werden."
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Zusammenfassung • Exekutive Funktionen werden vermutlich zur Regulation und Koordination von
sensorischen und motorischen Prozessen genutzt, um gesetzte Ziele zu erreichen. • Wichtige Aspekte dieser Funktionen sind
(1) Bereithalten der für das Ziel relevanten Information Arbeitsgedächtnis (2) Fokussieren auf zielrelevante Stimulus-Aspekte selektive Aufmerksamkeit (3) Inhibition von ungewollten, bestehenden Verbindungen selektive Aufmerksamkeit (4) Aufzeichnen und entsprechendes Optimieren des eigenen Verhaltens "Performance monitoring"
• Verschiedene Areale des PFC sind in exekutive Kontrollmechanismen involviert: dorsolaterale Regionen im PFC scheinen die Infos bereitzuhalten (1) und für
selektive Aufmerksamkeitssteuerung zuständig zu sein (2) (3).
"[...]dass der dorsolaterale Präfrontalkortex an der aktiven Umkonfigurierung von Aufgabenregeln und der »Top-down«-Modulation aufgabenrelevanter Verarbeitungssysteme beteiligt ist."
der Cortex Cingularis Anterior agiert wahrscheinlich als "monitoring device"
und signalisiert ggf. den Bedarf verstärkter Kontrollmechanismen (4).
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Nice to know…
"Obwohl der präfrontale Kortex insofern eine funktionale Sonderstellung in Bezug auf kognitive Kontrollprozesse einnimmt, handelt es sich allerdings nicht um eine oberste zentrale Steuerinstanz, die »entscheidet«, welche Ziele zu verfolgen oder welche Handlungen auszuführen sind. Welche Zielrepräsentationen Zugang zum präfrontalen Kontextgedächtnis erhalten, hängt vielmehr von einer Vielzahl innerer und äußerer Einflüsse ab (u. a. davon wie stark die aktuelle Reizsituation aufgrund von Lernerfahrungen mit bestimmten Zielen assoziiert ist, ob die Situation Gelegenheiten zur Ausführung zieldienlicher Handlungen beinhaltet und wie stark konkurrierende Ziele mit aktuell angeregten oder antizipierten Motivationszuständen assoziiert sind"
"...dass präfrontale Kontrollprozesse, die die Balance von Zielabschirmung und Zielaktualisierung regulieren, ihrerseits durch subkortikale (insbesondere dopaminerge) Systeme moduliert werden, die an der Verarbeitung von affektiven Belohnungssignalen beteiligt sind."
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AUDITORY PERCEPTION (C. FRIEDRICH)
Einleitung: Grundlagen der Sprachwahrnehmung1
Welches sind die physikalischen Grundlagen des Sprachsignals? • Laute sind Druckwellen, die aus Luftverdichtungen und Luftverdünnungen
bestehen Druckwellen haben eine Frequenz bestimmt die Tonhöhe je höher die Frequenz, desto höher der Ton wird in Herz (Hz = s-1
Druckwellen haben eine Amplitude )
bestimmt die Lautstärke je größer die Amplitude, desto lauter der Ton wird in Dezibel (dB) gemessen
• Beachte: Schallwellen überlagern sich in komplexer Weise, reine Sinuswellen sind die Ausnahme!
• Das Sprachsignal wird häufig anhand von Spektrogrammen (siehe Abb.)
dargestellt. Das ist eine Darstellung der Frequenzanteile über die Zeit. Rot steht dabei für große Anteile, blau für kleine Anteile.
1 Beachte: in dieser ganzen VL geht es NUR um das Verständnis (NICHT die Produktion) von Sprache; und zwar GESPROCHENER Sprache (NICHT Schriftsprache)
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Welches sind die anatomischen Grundlagen der Sprachwahrnehmung? • Die Hörbahn hat 7 Stationen2
:
Hörsignal wird von den Haarzellen der Cochlea registriert und über den N. vestibulocochlearis weitergeleitet (1)
1. Umschaltung im Spiralganglion, direkt nach Austritt aus der Cochlea 2. Umschaltung erfolgt ipsilateral im ventralen Ncl. Cochlearis (2) 3. Umschaltung erfolgt contralateral in der superioren Olive (3) 4. Umschaltung erfolgt in den Colliculi inf. (Vierhügelplatte) (4) 5. Umschaltung erfolgt im medialen Kniehöcker (Corpus Geniculatum
medialis, CGM) (5) Beachte: Das ist ein Teil vom Thalamus und durch den Thalamus müssen
ALLE sensorisches Inputs (außer die olfaktorischen) „Das Tor zum Bewusstsein“, Remember?
Ankommen im Gehirn: Primärer auditorischer Cortex (oft A1 oder „Belt“ genannt)
Zur Weiterverareitung im Cortex siehe unten
4 Generelle Prinzipien der sensorischen Verarbeitung im Cortex
Prinzip 1: Topologischer Aufbau der primären sensorischen Cortices
Grundlage: Wie ist der auditive Cortex aufgebaut? • Kurzantwort: Primärer auditive Cortex (=Core) + erster auditiver
Assoziationscortex (=Belt) + zweiter auditiver Assozaitonscortex (Parabelt) 2 Das sind mehr Umschaltstationen als beim Sehen. Liegt wahrscheinlich daran, dass das auditive Signal zeitlich so komplex ist (d.h. aus der zeitlichen abfolgen so viel Information gezogen wird)
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Primärer auditiver Cortex: Ort: befindet sich in der Sylvischen Fissur (= Lateralfurche) ( das ist die
Furche, die den Temporallappen abtrennt) und ist Teil des Gyrus temporalis superior
Namen: • A1 • Core-Region • Heschl´sche Querwindungen • Gyrus temporalis transversi • Brodman-areal 41
Belt-Region: Ort: weitere Teile des Gyrus temporalis
sup. Parabelt-Region: Ort: allerlei Assoziationsartices, z.B. Broca- und Wernicke-Areal
Gyrus temporalis superior besonders wichtig für auditive Verarbeitung Und wie äußert sich das Prinzip 1 in der auditiven Modalität? • Der primäre auditive Cortex ist tonotop
aufgebaut, d.h. Frequenzen, die in der Cochlea nebeneinanderliegen, werden auch in A1 von benachbarten Neuronengruppen verarbeitet Dieses Prinzip gilt für ALLE primär-
sensorischen Cortices (beim olfaktorischen bin ich mir nicht so sicher…)
• Dieses Prinzip bleibt von der Cochlea bis zum primären auditiven Cortex über alle Stationen erhalten!!
• Ortsspezifische Kodierung in der Cochlea: Die Frequenz wird erkannt, durch den Ort in der Cochlea, an dem das Rezeptorpotential ausgelöst wird.
Welche funktionalen Spezialisierungen kennst Du?
Prinzip 2: Corticale Areale neigen dazu, sich funktional zu spezialisieren
• Kurzantwort: Was-, Wo- und Wie-Pfad +Lateralisierung der Sprachverarbeitung, z.B. beim „asymmetric Sampling of Speech“
Was wird im Was- und was imWo-Pfad verarbeitet? • Wo-Pfad (eher dorsal) zuständig für: Schallquellenlokalisation Loaklisieren von sich bewegendem Schall Räumliche Diskriminierung verschiedener Schallquellen
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• Was-Pfad (eher ventral) zuständig für: Erkennen auditiver Objekte Verarbeitung komplexer auditiver Info (Musik, Sprache…)
Wie wurde die Dissoziierbarkeit dieser beiden Pfade getestet? • Empirische Evidenz aus der Tierforschung
Katzenfolter - Lomber & Malhorta, 2008, doppelte Dissoziation Vortraining-Morsecodes zu unterscheiden
: Katzen lernen mit Hilfe operanter Konditionierung 2 Dinge:
-Sich in die Richtung zu orientieren, aus der ein Ton kommt Versuchsaufbau: Dann wird mit Hilfe von Thermoden entweder das anteriore auditive Feld (AAC) um 1-2 °C herabgekühlt (gehört zum Was-Pfad) oder das posteriore auditive Feld (PAC) (gehört zum Wo-Pfad). Kühlung führt zum „Lahmlegen“ des entsprechenden Areals. Während der Kühlung werden beide Aufgaben aus dem Training wieder durchgeführt.
-Bei Kühlung des AAC können die Katzen verschiedene Reize (Morseabfolgen) nicht mehr unterscheiden
Ergebnis:
-Anzahl der richtigen Antworten lag auf Zufallsniveau, d.h. 50% (es war ein forced-choice-Paradigma mit 2 Möglichkeiten, d.h. man hat auch zufällig 50% der Antworten richtig) -Bei Kühlung des PACs keine Beeiträchtigung der Diskriminationsleistung von Morselabfolgen -Bei Kühlung des AACs keine Beeinträchtigung der räumlichen Orientierungsaufgabe -Bei Kühlung des PACs können Katzen auditive Reize räumlich nicht mehr lokalisieren Anzahl der richtigen Antworten liegt bei 10-20% (Zufallsniveau) (hier gab es ja mehr als 2 mögliche Antworten, d.h. die Anzahl der zufälligen Treffer ist kleiner als bei der anderen Aufgabe)
Vortraining:
Ergebnis:
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
• Empirische Evidenz bei Menschen mit Hilfe bildgebender Verfahren
Wessinger et al, 2002 Versuchsaufbau:-Bestimme den Frequenzverlauf von Tönen (also sagen, ob er niedriger oder höher wird)
Versuchspersonen haben 2 Aufgaben:
-Bestimme den Ort, von dem der Ton kommt
- Bei der Bestimmung der Tonhöhe wurden ventrale Cortexregionen aktiviert, bei der Bestimmung des Ursprungsortes wurden dorsale Regionen aktiviert
Ergebnis:
• Empirische Evidenz bei Menschen mit Hilfe von Läsionsstudien (auch doppelte
Dissoziation)
Clarke et al, 2002, doppelte Dissoziation Ausgangslage: 2 Patienten: JG hat eine Läsion des ventralen Temporallappens, ES hat eine Läsion des Okzipitallapens und des Parietallappens (beides eher dorsale Regionen) Ergebnis:
ES kann Laute gut erkennen, ihren Ort aber nicht bestimmen. JG kann Laute nicht mehr erkennen, weiß aber, wo sie herkommen.
Existenz von Was- und Wo-Pfad in der auditiven Modalität immer noch
umstritten, allerdings zunehmende, und wie wir hier gesehen haben, konvergierende Evidenz dafür!
Gibt es auch einen Wie-Pfad?
Def:
Als „Wie-Pfad“ würde man eine Verarbeitungslinie verstehen, die die Produktion (also das Aussprechen) des Sprachsignals, das man gerade hört, simuliert. Man würde also beim Hören im Kopf „mitsprechen“ (Vgl. Motor-Theory von Liberman). Das ist die strenge Definition. Es gibt auch weichere Definitionen, die besagen, dass man z.T, mitspricht, z.T, aber auch nicht bla…
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
• Evidenz für den Wie-Pfad:
Pulvermüller (2006): Versuchsaufbau:1. Versuchspersonen sollen 2 Arten von Silben aussprechen: solche, die v.a. mit den Lippen produziert werden (z.B. /pa/) und solche, die v.a. mit der Zunge produziert werden (z.B. /ta/)
3 Versuchsbedingungen:
2.Sie artikulieren dieselben Silben lautlos 3.Sie hören diese Silben. 4. Es wird die Aktivierung im Gehirn zwischen den Bedingungen verglichen
Es werden beim Hören dieselben Areale des primären motorischen Cortex aktiviert, wie bei der Sprachproduktion (also Zungenareale sowohl beim Hören als auch beim Sprechen von /ta/). Hier macht man sich den somatotopen Aufbau des primären motorischen Cortex zunutze.
Ergebnis:
• Wie genau die Sensorik und Motorik beim Sprechen verschaltet sind, dazu gibt es
verschiedenen Modelle (siehe Abb.), die wir aber mit Sicherheit nicht wissen müssen.
• Exkurs (ich schreibs nur hierhin, weil sie in der VL davon gesprochen hat, ist m.M.n. auf gar keinen
Fall Klausurrelevant) • Zur Verbindung zwischen motorischen und sensorischen Arealen im Sprachverständnis gibt es auch
weitere Theorien, z.B. die Indexikale Hypothese von Glenberg und Kaschak. Sie besagt, dass motorische Areale bei der Repräsentation von Gegenständen aktiviert werden,
und zwar in der Form, als das wir bei Gegenständen immer mit Hilfe der motorischen Areale mitsimulieren, welche Handlungen damit möglich wären. Laut Theorie führt diese Simulation der Handlungsmöglichkeiten dazu, dass wir die Bedeutung von Gegenständen verstehen.
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Funktionale Spezialisierung: schnelle vs. Langsame Änderungen im Sprachsignal • Segmentale Information (Features, die sich schnell verändern) < 50ms, bzw. < 100 ms Z.B. Bursts oder Formanten Konsonanten werden über sich schnell ändernde
Features (motorische Unterschiede bei der Produktion) kodiert
Konsonanten sind für das Sprachverständnis viel wichtiger als Vokale
• Suprasegmentale Information (Features, die sich langsam verändern) Nennt man >100 ms Z.B. Sprachhülle, Grundfrequenzänderungen (d.h.
Intonation), Silbengrenzen
• Wichtig: Die Asymmetric Sampling
Hypothese von Poeppel (2003) besagt, dass segmentale Infos linkshemisphärisch verarbeitet wird, während suprasegmentale Info rechtshemisphärisch verarbeitet wird (Stichwort funktionale Spezifizierung)
• Empirsche Evidenz für Asymmetric Sampling Hypothese (fMRI):
Studie von Boemio et al (2005) Versuchsaufbau: Vps werden Frequenzenänderungen vorgespielt, die entweder sehr schnell sind (Änderung alle 12, 25 oder 45 ms) und solche, die sich erst langsam ändern (85, 160 oder 300ms) Ergebnis:
Je langsamer die Frequenz sich ändert, desto stärker ist die Aktivierung in der rechten Hemisphäre
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
• Empirische Evidenz für Asymmetric Sampling Hypothese (EEG):
Studie von Abrams et al. (2008) Versuchsaufbau: Vps werden Sätze vorgespielt. Dabei wird das EEG getrennt für die linke vs. rechte Hemisphäre ausgewertet Ergebnis
: Das gemittelte EEG über der rechten Hemisphäre folgt der Linie der Sprachhülle (suprasegmentale Info) viel dichter als das EEG der linken Hemisphäre
Prinzip 3: die Prozessierung von sensorischem Input erfolgt hierarchisch
Def. „Hierarchisches Prozessieren“: Erst werden einfache Merkmale extrahiert und verarbeitet und dann zu komplexeren Merkmalen zusammengesetzt. Je höher man in der Verarbeitungshierarchie kommt, desto eher reagieren Neurone selektiv auf komplexe Merkmale. Am Anfang steht ein „neuronales Spektrogramm“, das analysiert werden muss. Beispiel: zuerst nur Unterscheidung von Phonemen und bei höheren Verarbeitungsstufen Bedeutung usw.
Sprache ist ein besonders komplexes Signal. Welche Features werden aus dem Rohsignal extrahiert? • Phonemfeatures (Artikulationsort (labial, dental, alveolar, veolar etc,
siehe Abb.), Artikualtionsart (totaler Verschluss-plosiv, Teilverschluss, frikativ, wenig Verschluss (liquide, r,l) erst blockiert, dann durch (affrikative, ch) oder nasale), stimmhaft vs. Stimmlos)
Diese ganzen Features werden extrahiert und dann hierarchisch analysiert und zu Phonem-Gesamtrepräsentationen zusammengesetzt. Phonemrepräsentationen werden dann zu Worten zusammengesetzt, Worte zu Sätzen etc.
Def. Phonem: die kleinste sprachliche Einheit, die in einer Sprache bedeutungsunterscheidend ist. Unterschiedliche Sprachen haben daher auch unterschiedliche Phoneme. [r] und [l] unterscheiden in deutschen „rot“ von Lot“ und
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
sind damit 2 verschiedene Phoneme. Im chinesischen sind [r] und [l] nicht bedeutungsunterscheidend.
Außerdem werden natürlich auch extrahiert (wurde hier aber nicht näher behandelt): • Frequenz (Grundfrequenz, Formanten und ihre relative Beziehung zueinander,
Formantenübergänge) • Intensität • Intonation, Prosodie Weiteres Beispiel für das hierarchische Prozessieren: Pitch (=Grundfrequenz)-Extraktion:
Tian & Rauschecker (2004): Einzelzellableitungen bei Rhesusaffen zeigt: Es gibt erst Neurone, die selektiv auf eine langsame Steigung in der Grundfrequenz reagieren, und solche, die selektiv auf ein Abfallen der Grundfrequenz reagieren (unterste Hierarchieebene). Diese Information wird dann konvergent verschaltet. Auf höheren Hierarchieebenen gibt es dann Neurone, die selektiv auf bestimmte Grundfrequenzmuster reagieren und diese z.B. als Warnschrei klassifizieren.
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Prinzip 4: Sensorischer Input wird kategorial wahrgenommen
Def. Kategorie: Eine mentale Abstraktion von Elementen, Dingen, Ereignissen oder eben auch Lauten
Welche Vorteile und welche Nachteile hat Abstraktion (generell jetzt)? • Vorteile: Ökonomischere Repräsentation von Elementen der Welt Dadurch größere (Arbeits-) Gedächtniskapazität
Freiere Repräsentation von Elementen der Welt (wir wissen an dieser Stelle nicht genau was C.F. meint, könnten uns aber vorstellen dass sie damit das individuell freie Ausgestalten von Kategorien meint)
Erlaubt kombinatorische Operationen (sowas wie wenn alle Männer in Tische beißen und manche Tische lecker schmecken, beißen dann alle Männer in etwas wohlschmeckendes? Die Frage lässt sich nur mit der Abstraktion von „Mann“, „Tisch“ und „lecker“ beantworten )
• Nachteile: Durch größeren Abstand zu den „echten“ Elementen der Welt behindertes
Lernen und behindertes Wiedererkennen (z.B. weil man nicht erkennt, dass ein Tisch immernoch ein Tisch ist, nur weil er 3 statt 4 Beine hat)
Detailverlust durch Abstraktionen Merkmale phonologischer Kategorien? • Sie folgen dem Alles-oder-Nicht-Prinzip (entweder mein ist ein /d/ oder ein /t/,
was dazwischen gibt’s nicht) • Alle Kategoriemitglieder sind gleich (es gibt keinen, der ein bißchen mehr /d/ ist, als
andere /d/s)
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Wie wird kategorische Wahrnehmung (hier: von Phonemen) empirisch geprüft? Behaviorale Experimente bei Erwachsenen:
Blumstein et al (1980): Manipulation der “Voice Onset Time” (VOT) zwischen /d/ und /t/ -die VOT ist die Zeit, die bis zum einsetzen des stimmhaften Teils von /d/ oder /t/ vergeht. Eine VOT < 50ms wird meist als /d/ wahrgenommen, ein > 50ms als /t/
-wird nun die VOT schrittweise um 20 ms erhöht, dann wird kein gradueller Übergang von /d/ zu /t/ wahrgenommen, sondern ein plötzlicher Wahrnehmungsumschwung an der Phonemkategoriegrenze. (Siehe Abb.)
Behaviorale Experimente bei Kindern (Entwicklung der kategorischen Wahrnehmung von Phonemen)
Eimas et al (1971): Paradigma des “High Amplitude Sucking” (HAS) -Vorannahmen: Man macht sich zunutze, dass Babys alles spannend finden, was neu ist -Wenn sie einen Reiz als neu bzw. als “von dem vorherigen unterschiedlich” wahrnehmen, nimmt die Nuckelrate zu (gibt so Schnullis, die die Nuckelrate messen) -anhand der HAS kann man also feststellen, ob Babys 2 Reize als unterschiedlich oder gleich wahrnehmen Versuchsaufbau: -es werden Kindern Silben vorgespielt (/ba/ oder /pa/), die mit unterschiedlichen Phonemen anfangen. Allerdings unterscheiden sich die beiden Phoneme wieder in nur einem Feature, nämlich der VOT. -Habituationsphase: zuerst wird ihnen eine der beiden Silben so lange vorgespielt, bis sie die lahm finden und die Nuckelrate ihr Baseline-Niveau erreicht hat (z.B. /ba/) -Experimentalphase:dann wird sowohl die habituierte Silbe (/ba/) als auch die neue Silbe (pa/) dargeboten, wobei die habituierte Silbe häufig vorkommt und die neue selten (so ein Paradigma heißt Oddball-Paradigma). Die VOT wird wieder graduell variiert, so dass der Unterschied in der VOT zwischen 2 /ba/s genauso groß ist wie zwischen einem /ba/ und einem /pa/ (nämlich 20 ms). Ergebnisse: Die Babys reagieren mit einer erhöhten Nuchelrate auf die /pa/s, obwohl sie vom akustischen Signal nicht unterschiedlicher sind als die /ba/s untereinander. D.h. bei einem Wechsel der VOT innerhalb der Kategorie erholen sich die Babys nicht von der Habituation, bei einem Wechsel von einer Kategorie zur anderen erholen sie sich sehr wohl. Diese Ergebnisse wurden bereits bei 1-Monat-alten Babys gezeigt!
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Kategorische Wahrnehmung von Sprachlauten scheint angeboren zu sein
• Während des ersten Lebensjahres nimmt die Sensitivität für Phonemkategerien, die in der Muttersprache keine Rolle spielen, ab (graduell).
• Das Erlernen der Phoneme der Muttersprache scheint an eine kritische Periode gebunden zu sein, die mit dem 3. Lebensjahr endet.
EEG-Experiment:
Phillips et al (2000): werden Versuchspersonen /d/s und /t/s mit variierender VOT präsentiert, so lösen die seltenen /t/s (deviant) eine Mismatch Negativity (MMN) aus. Dabei sind sie in ihrer VOT nicht unterschiedlicher von den /d/s als die /d/s untereinander. Das zeigt, dass Phoneme automatisch kategorial wahrgenommen werden. Die akustische Repräsentation ist also nicht gleich der phonologischen Repräsentation. Die phonologische Repräsentation ist bereits kategorisiert.
Zur MMN: Sie ist ein automatisches EKP, das immer dann ausgelöst wird, wenn ein Reiz von den vorherigen abweicht. Die Größe der MMN reflektiert den Grad der „Neuheit“ des Reizes bzw. den Grad der Abweichung vom Standard. Die MMN wurde inzwischen für ganz viele Features gefunden, z.B. Abweichung in Frequenz, Intonation, Lautstärke, Klangfarbe, Grundfrequenz etc. pp. Sie ist eine automatische Komponente, d.h. sie ist von der Aufmerksamkeit unabhängig und kann willentlich nicht beeinflusst werden. Sie tritt meist ca. 200 ms nach Stimulus-Onset ein, ihr Zeitpunkt hängt aber sehr davon ab, wann das abweichende Feature extrahiert wird.
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Visual Perception (Daniel Senkowski)
Welche sind die Gestalttheoretischen Prinzipien? I.) Gestalttheoretische Grundlagen
Drei Gruppen von Gestaltgesetzen:
1. Figur und Grund 2. a) Ähnlichkeit, b) Nähe, c) gemeinsames Schicksal, d) Kontinuität 3. a) Geschlossenheit und b) Symmetrie
Das Auge differenziert zwischen einem Objekt und seinem umgebenden Umfeld. 1. Figur und Grund
Neuropsycholgische Erkenntnis:
Rechtes Beispiel: Ein (schwarzer) Hintergrund kann das Erkennen eines Objektes vereinfachen.
Areal in dem die Gesichtsverarbeitung stattfindet Area fusiformis ist bei Wahrnehmung des Gesichts im linken Beispiel aktiver.
Ähnliche Objekte werden als zusammengehörig empfunden. 2. a) Ähnlichkeit
Wir sehen horizontale Reihen, weil wir die Kreise einer Farbe als zusammengehörig empfinden.
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Objekte die sich in räumlicher Nähe zueinander befinden, werden als zusammengehörig wahrgenommen.
2. b) Nähe
Bei diesem Beispiel empfinden wir nicht die bunten Kreise im Gegensatz zu den schwarzen Kreisen als zusammengehörig, sondern die beiden aus Kugeln geformten Halbkreise, da sich ihre Kreise in größerer räumlicher Nähe zu einander befinden. Hier konkurrieren zwei Gestaltprinzipien. Und zwar welche? ;-)
Objekte, die in dieselbe Richtung weisen, oder wirken als würden sie in die gleiche Richtung „ziehen“, werden als zusammengehörig empfunden.
2. c) Gemeinsames Schicksal
1, 2 und 3 werden jeweils als gruppiert wahrgenommen, weil sich die in eine Richtung weisenden Linien gegen die anders orientierte Umgebung abgrenzen. Anmerkung: Linien die in eine Richtung zeigen sind nicht exakt gleich, sondern teilen „das gemeinsame Schicksal“, sich bezüglich ihrer Ausrichtung stark vom Hintergrund abzugrenzen.
• Anmerkung
: die o.g. Abb. wird in Roelsema (2006) als Beispiel für das Prinzip der Ähnlichkeit verwendet…
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Nix zu aufgeschrieben, deshalb leider nur Wikipedia: Reize, die eine Fortsetzung vorangehender Reize zu sein scheinen, werden als zusammengehörig angesehen.
2. d) Kontinuität
Obwohl das Reizmaterial gleich ist (bis auf die Unterbrechung der Kontinuität) werden in den beiden Bildern (a und b) unterschiedliche Teilstücke der Figur als zusammengehörig empfunden.
3. x) Verbundenheit1Verbundende Objekte werden als zusammengehörig empfunden.
Links: rote Punkte werden als zusammengehörig empfunden, weil sie sich auf einem Objekt befinden. Rechts
→ Interessant: Unterscheidungsmerkmal befindet sich weit entfernt von den roten Punkten (!)
: Rote Punkte werden als nicht zusammengehörig empfunden, weil die schwarzen Linien nicht verbunden sind.
• Verbundenheit ist laut Roelsema (2006) eine transitive Eigenschaft. Geschlossenheit
oder Nicht-Geschlossenheit wird auf andere Elemente im Bild übertragen. Z.B. hängt im BSP die Gruppierung der roten Punkte von der Gruppierung der Büroklammer (verbunden vs. unverbunden) auf der linken Seite ab.
1 Herr Lenkowski führt in seiner Vorlesung die Abbildung als Beispiel für „Geschlossenheit“ an.
a) b)
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Wikipedia: „Linien, die eine Fläche umschließen, werden unter sonst gleichen Umständen leichter als eine Einheit aufgefasst als diejenigen, die sich nicht zusammenschließen
3. a) Geschlossenheit
(D. Katz, Gestaltpsychologie, 1969)“
Kanizza-Figur: Die Außenlinien des Objekts werden als Linien empfunden, weil sich die Strukturen der schwarzen Objekte anhand dieser imaginären Linie ausrichten.
Herr Lenkowski und wir sind uns an diesem Punkt nicht einig, was hierunter zu verstehen ist…
3. b) Symmetrie
Gestalttheorie = Einflussreichster ganzheitlicher Ansatz der visuellen Wahrnehmung
Fazit und Take-home messages:
Wichtig: Gestaltgesetze sind zum größten Teil deskriptiv, nicht erklärend (!). Die zugrunde liegenden neuronalen Mechanismen wurden nicht durch die
Gestalttheorie erklärt Neurophysiologische Theorien zur visuellen Wahrnehmung sind sehr viel
komplexer und beschränkt auf spezielle Mechanismen der visuellen Wahrnehmung
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
II.) Das visuelle System
Verschiedene Spezies unterscheiden sich in der visuellen Wahrnehmung durch Unterschiede
“What we process is what we perceive” – wir nehmen nur Fragmente der realen physischen Umwelt wahr
• Flackerrate (flicker fusion frequency = fff) • im Farbsehen • in der Entfernung, in der Objekte wahrgenommen werden können • in den visuellen Feldern • in dem Ausmaß, in dem das Gehirn bei der visuellen Wahrnehmung involviert ist
Fliegen: haben eine höhere fff und deshalb eine höhere zeitliche Auflösung bei der visuellen Wahrnehmung., bedeutet sie sehen alles in Zeitlupe Katzen: haben mehr Stäbchen, d.h. bessere Nachtsicht. Außerdem wirkt ihre Retina wie ein Spiegel und erleuchtet das Auge stärker, weshalb sie sensitiver sind. Hunde: Können rot und grün nicht unterscheiden, weshalb es sehr witzig sein kann mit ihnen mit einem roten Ball auf einer Wiese zu spielen. Vögel
: haben einen größeren Sehwinkel, können deshalb weiter sehen.
Unsere Wahrnehmung hängt stark von den Eigenschaften unseres visuellen Systems ab
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Drei Punkte wurden besonders hervorgehoben: Der visuelle Pfad
1. Die Sehbahnen kreuzen im Chiasma opticum 2. Der Thalamuskern Corpus geniculatum laterale (lateral geniculate nucleus) hat
eine besondere Funktion bei der Weiterleitung der visuellen Information: Verstärken und Absenken der Amplitude des Signals.
3. Colliculi sup. spielen eine Rolle bei der Koordination schneller Augenbewegungen
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Der Signaltransfer kann grob in vier Schritte aufgeteilt werden: Signaltransfer zum Cortex: vier Schritte
1. Optisches Signal: Projektion auf die Innenseite des Bulbus 2. Photo-Transduktion: Photonen werden in neuronale Signale umgewandelt 3. Optischer Nerv: Informationstransfer vom Auge zum Gehirn 4. Kortex: Bildverarbeitung, Interpretation, Selektion
Nur was bei 1) transportiert wird, kann bei 4) verarbeitet werden…
• Welche visuellen Inputs verarbeitet werden hängt von der Architektur und den Eigenschaften des Auges ab:
Verarbeitung im Auge
Physiologische Eigenschaften (Abb. unten links) Zelleigenschaften (Abb. unten rechts: Stäbchen, Zapfen, Bipolare Zellen,
Amakrine Zellen, Ganglienzellen) • Besonders hervorgehoben wird bei der Verarbeitung im Auge die Rolle der
Ganglienzellen (siehe später auch Magnozellular- und Parvozellular), da hier die erste Informationsverarbeitung stattfindet
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Bereits bei 1% Feuerrate der Ganglienzellen ausreichend, um Informationen zu enkodieren
Verarbeitung in der Retina (Rank Order Coding)
Dies liegt an der Interkonnektivität der Zellen, die z.B. durch die Amakrine Zellen hergestellt wird
Abb.: Bildrekonstruktion als Funktion davon wie viele Ganglienzellen feuern: Wenn nur 1% der Ganglienzellen feuert, entstehen bereits grobe visuelle Eindrücke.
Sakkaden werden intentional und automatisch durch ein komplexes Netzwerk kortikaler und subkortikaler Strukturen kontrolliert
Kontrollsystem für Sakkaden
• Kortikale Strukturen: Sakkaden können intentional beeinflusst werden • Subkortikale Strukturen: eher automatisch, der willentlichen Kontrolle entzogen • 2 bis 3 Sakkaden pro Sekunde • Während einer großen Sakkade findet keine Informationsübertragung statt
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Die folgende Abbildung veranschaulicht, wieviele Strukturen bei der Kontrolle von Sakkaden involviert sind:
Abb.: besonders hervorgehoben wurden folgende Punkte: dorsolateraler “Wo-Pfad” und ventraler “Was-Pfad“. Außerdem wurde das Colliculum superiore genannt, welches mit multisensorischen und feinmotorischen Prozessen verbunden ist. Das Ausführen schneller Sakkaden ist eine Funktion, die vor allem durch den dorsalen Pfad kontrolliert wird (siehe auch Magno- und Parvozellular).
• Augen sind kontinuierlich in Bewegung, sogar bei Fixation auf einem Objekt Mikrosakkaden
• Wir sind uns dieser „Fixations-Bewegungen“ nicht bewusst • Bis zu 600-700 Mikrosakkaden pro Sekunde • Visuelle Wahrnehmung verschwindet völlig, wenn „Fixations-Bewegung“ verhindert
wird, d.h. ohne Mikrosakkaden keine visuelle Wahrnehmung • Sakkaden sind für kognitive Prozesse relevant (z.B. Aufmerksamkeit)
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Es existiert eine funktionelle Verbindung zwischen Parvozellular-Zellen und Magnozellularzellen und dem Was- und dem Wo-Pfad. D.h. Ganglienzellen sind bereits spezialisiert auf den Was- und Wo-Pfad.
Was- und Wo-Pfade im visuellen System
In der Retina befinden sich unterschiedliche Arten von Ganglienzellen, die verschiedene Rollen bei der visuellen Verarbeitung spielen: • Magnozellular-Zellen (ca. 80%); hervorgehobene Eigenschaften: Hohe zeitliche Auflösung Geringe räumliche Auflösung Vorwiegend Bewegungsverarbeitung (Basis für „Wo-Pfad“) Beispiel: Man erkennt, dass sich gerade etwas bewegt hat, und wohin
• Parvozellular-Zellen (ca. 10%); hervorgehobene Eigenschaften: Geringe zeitliche Auflösung Hohe räumliche Auflösung Vorwiegend Farb –und Formverarbeitung (Basis für „Was-Pfad“) Beispiel: Man erkennt was sich bewegt hat
Und nun nochmal alle Eigenschaften im Schaubild:
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Worin unterscheiden sich parallele und serielle Suche? Parallele und serielle visuelle Suche
• Parallele visuelle Suche: bedeutet, dass bei der Suche eines Targets alle Elemente gleichzeitig verarbeitet
werden • Serielle visuelle Suche: bedeutet, dass bei der Suche eines Targets alle Elemente nacheinander
verarbeitet werden
Beispiel:
a) Target wird wegen Pop-Out-Effekt schneller gefunden. Die Nicht-Targets (Distraktoren)
werden parallel verarbeitet. b) Die Distraktoren ähneln den Targets und können deshalb nicht parallel verarbeitet werden,
sondern müssen seriell, also nacheinander, abgesucht werden.
Empirische Befunde zur visuellen Suche:
Versuchsaufbau: Rot umrandetes Target (Kanizsa-Quadrat) soll gefunden werden. Gleichzeitig werden 2, 4 oder 6 Distraktoren präsentiert. Ergebnis: Die Anzahl der präsentierten Distraktoren hat keinen großen Einfluss auf die Reaktionszeit bei der visuellen Suche. Man wird also nicht wirklich langsamer, wenn mehr Distraktoren präsentiert werden. Interpretation
: Flache Kurve spricht für parallele Verarbeitung.
900 ms
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Versuchsaufbau: Rot umrandetes Target soll gefunden werden. Gleichzeitig werden 2, 4 oder 6 Distraktoren präsentiert. Unterschied zu Experiment 1: die kurvlinearen Innenlinien sind geschlossen, daher kein Kanizsa-Quadrat vorhanden. Ergebnis: Je mehr Distraktoren präsentiert werden, desto größer ist die Reaktionszeit. Interpretation
: Spricht für serielle Verarbeitung. In dem Moment, in dem die Kanizsa-Figur gebrochen wird, wird von paralleler auf serielle Verarbeitung „umgeschaltet“.
Die visuelle Suche hängt also von den Eigenschaften der Targets/ Distraktoren ab (!) und weniger von deren Anzahl (Pop-Out-Effekt nennen)
Frage: wie werden visuelle Wahrnehmungs-Informationen gruppiert? III.) Kortikale Algorithmen für Gruppierung bei der Wahrnehmung
Beispiele zum Warmwerden:
Beispiel: Feedback-Prozess
Man sieht den Hund im oberen Bild nur, weil man durch das untere Bild weiß, dass sich dort ein Hund befindet. Wahrnehmung ist somit mit Wissen verbunden (= Top-Down).
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Beispiel: Vordergrund-Hintergrund-Trennung durch Labeling-Network
a) Der Vogel ist schwierig auf einem Hintergrund zu erkennen, der die gleiche Textur und die
gleiche Farbe hat. b) Incremental Grouping2
: Transitiver Prozess, bei dem ausgehend von anderen Elementen in der visuellen Szene verarbeitet/interpretiert wird. Die Region, die vom Vogel eingenommen wird, wird in größerer Helligkeit gezeigt, um zu illustrieren, wie „höhere“ (enhanced) Neurone Elemente eines Bildes labeln, die dann gruppiert werden. Entspricht also in etwa einer Top-Down gesteuerten Kontrast-Erhöhung.
Bei der Trennung von Vordergrund und Hintergrund spielen die Feedback-Prozesse und Labeling Networks eine Rolle
• Früher nahm man nur Feedforward-Verbindungen (One-Way) an, was zu sehr
komplexen Annahmen über Netzwerke führte (siehe ggf. „Spinnennetz“ auf Folie 26) Feedforwad ist zwar nicht falsch, heute nehmen wir aber zusätzlich Feedback-
Verbindungen an, was zu einfacheren Modellen führt.
2 Incremental bedeutet soviel wie „schrittweise“ oder „stufenweise“
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Die Größe rezeptiver Felder (RF) nimmt mit der Verarbeitungsstufe zu; höhere Areale verarbeiten komplexere Merkmale.
Grundprinzipien: Hierarchische visuelle Verarbeitung
Beispiele für hierarchische Verarbeitung (Roelsema, 2006):
Links: Neuronen in V1 haben kleine RF, die auf einfache Merkmale reagieren, wie z.B. auf die Orientierung. Die RFs in V4 sind größer. Viele Neurone in V4 sind selektiv für die Verarbeitung von Umrissen/Konturen und Krümmung („curvature“) von Elementen. Rechts
: Aufzeichnung der Aktivität eines Neurons in der Area IT (inf. temp. Kortex) eines Primaten (Brincat & Connor, 2004). Feuern der Zelle hängt von den Kontur-Elementen der präsentierten Objekte ab. Hatte das präsentierte Objekt zwei Kontur-Elemente (A und B) wurde die Zelle erregt, bei drei Kontur-Elementen (A, B und C) war die Antwort bereits stark. Ein viertes zusätzliches Element (D) hat einen Suppressor-Effekt, hemmt also die Aktivität des Neurons. [Anm.: das rechte BSP wurde in der Vl nicht behandelt und dient nur der Veranschaulichung]
Feedforward- und Feedback-Prozesse, sowie horizontale Verbindungen, sind wichtig für visuelle Wahrnehmung und Aufmerksamkeit.
Feedforward und rekurrente Verarbeitung
• Bei der Präsentation eines neuen visuellen Stimulus besteht die neuronale Antwort
zunächst primär aus Feedforward-Verbindungen. • Rekurrente (horizontale und Feedback-) Verbindungen finden erst nach einer
zeitlichen Verzögerung statt. Feedforward-Verbindungen: Ähnlich Bottom-Up-Prozessen. Werden in der Psychologie häufig auch als
„präattentive Prozesse“ bezeichnet. Initialantwort von Neuronen ist vorwiegend durch Feedforward-
Verbindungen geprägt, weil dies den schnellsten Weg von der Retina zum Neuron (Kortex) darstellt
Meine Interpretation (Roelsema, 2006): Neuron wird nur durch die Eigenschaften/Aktivierung des zugeordneten rezeptiven Feldes beeinflusst.
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Rekurrente Verbindungen: „Horizontale- und/oder Feedback-Verbindungen, die modulatorisch
wirken“ (Roelsema, 2006) Austausch von Informationen zwischen Neuronen die sich auf einer Ebene
befinden, durch horizontale Verbindungen, bzw. zwischen Neuronen höherer und niedrigerer Areale durch Feedback-Verbindungen
Geschehen zeitlich verzögert Meine Interpretation: Bei rekurrenten Verbindungen wird das Neuron durch
Verbindungen beeinflusst, die sich außerhalb des RF befinden.
Beispiel für Verarbeitung eines “neuen” visuellen Stimulus
Links: Stimulus wird präsentiert; vorwiegend Feedforward-Verarbeitung Mitte: Nach einer Verzögerung zeigen sich horizontale –und Feedback-Prozesse Rechts
: Mit der Zeit beginnen die rekurrierenden (horizontale -und Feedback-Prozesse) die neuronalen Feedforward-Prozesse zu beeinflussen.
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Algorithmen für Incremental Grouping
Modell: Retinotope Verarbeitung von schwarzen und roten verbundenen Quadraten
a) Aufgabe
b)
: Alle schwarzen Quadrate, die mit dem roten Quadrat verbunden sind, sollen gruppiert werden. Das gesamte Rechteck in a entspricht einem rezeptiven Feld. Feedforward/Base grouping
c)
: Feedforward Verbindungen aktivieren eine Teilmenge der Neurone in deren rezeptiven Feld sich schwarze und rote Quadrate befinden. Außerdem erhalten diese Neurone auch horizontale (rekurrente) Verbindungen durch ihre nächsten Nachbarn, aber nur, wenn sie bereits durch Feedforward-Verbindungen aktiviert wurden. Dieser Prozess wird als „gating“ bezeichnet. Dies wird in b durch dicke Linien (enabled = aktiviert) bzw. dünne Linien (disabled = deaktiviert) gekennzeichnet. Rekurrent
: Durch das gating werden die Neurone in zwei Klassen unterteilt: die erste Klasse hat ein inaktives Neuron auf einer oder zwei Seiten und ist deshalb inaktiviert (disabled). Die zweite Klasse ist aktiviert, da sie aktive Neurone auf beiden Seiten hat. Nun breitet sich eine verstärkte Antwort durch das Netzwerk bereits aktivierter Verbindungen aus und das incremental grouping wird explizit.
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Beispiel für Feedforward und Feedback bei der Verarbeitung im Kortex:
Feedforwardprozesse von V1 zum inferioren temporalen Kortex (IT) Feedbackprozesse vom IT zu V1
Neurone mit RFs, die gleich ausgerichtete Kontur-Elemente reagieren, erregen sich gegenseitig, während Neurone, die auf unterschiedliche Kontur-Elemente reagieren sich gegenseitig inhibieren.
Lokale Gruppierung von Kontur-Elementen
Beispiel für wechselseitige Verstärkung (facilitation) von Neuronen, die auf dieselben Features (z.B. Kontur-Elemente) reagieren
c) Vergleich von 1 und 2 ergibt: Obwohl die Anzahl der vertikalen Linien sich verdoppelt, ist die
Feuerrate in V1 überproportional stärker. Zu erwarten wäre eine Feuerrate, die doppelt so hoch ist. Dieser Effekt wird als collinear facilitation bezeichnet.
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Serielle Konturen-Gruppierung (contour grouping)
Beispiel: Curve-tracing-task
Versuchsaufbau: Probanden sollen auf roten Punkt fixieren. Sollen dann entscheiden, ob bei Präsentation eines zweiten grünen Punktes dieser sich auf derselben Linie befindet. Ergebnis: Je weiter der grüne vom roten Punkt auf derselben Linie entfernt ist, desto länger ist die Reaktionszeit (linearer Anstieg). Befindet sich der grüne Punkt auf der anderen Linie, ist die RT immer gleich, aber länger als wenn sich der Punkt auf der gleichen Linie befindet. Interpretation
: Dies deutet im Gegensatz zur Pathfinder-task (siehe unten) darauf hin, dass dieser Gruppierungsprozess der Kontur-Elemente (also der Linien-Abschnitte) eine serielle Verarbeitung erfordert.
Pathfinder-task
Bei der pathfinder task findet im Gegensatz zur curve tracing task eine parallele Verarbeitung statt.
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Skript zur Vorlesung: Introduction to Cognitive Neuroscience Wintersemester 2009/10
Neurophysiologische Mechanismen bei der seriellen Konturen-Gruppierung
Noch eine curve tracing task
Versuchsaufbau: Affen sollen anzeigen, welcher von zwei möglichen Punkten mit dem Fixationspunkt verbunden ist. Ein Punkt befindet sich hierbei auf der Target-Linie T (ist also mit dem Fixationspunkt verbunden), während sich der andere Punkt auf der Distraktor-Linie D befindet. Bedingungen: Es wird ein und dasselbe RF über zwei verschiedene Bedingungen verglichen. Entweder befand sich der Fixationspunkt auf derselben Linie wie das Target oder nicht. Messung: Währenddessen wurde die Aktivität mehrerer Neurone in V1 mit Hilfe einer dauerhaft implantierten Elektrode abgeleitet (multiunit recording). Ergebnisse: Neuronale Antwort in dem RF auf das die Linie fällt am stärksten, wenn Fixationspunkt und Target-auf dieselbe Linie fallen
LinksNeuronen mit verstärkter Antwort sind gelb markiert. Es zeigt sich, dass die neuronale Antwort,
: Hier sieht man in a) fünf rezeptive Felder (die gelben und grauen Rechtecke). RFs von
die durch die Target-Linie evoziert wurde stärker war, als die durch die Distraktor-Linie. Interpretation
: Alle Kontur-Elemente der Target-Linie werden mit einer verstärkten Antwort gelabelt. Ergebnis passt zu der Annahme, dass beim incremental grouping die Feuerrate von Neuronen verstärkt wird.
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Decision Making (T. Schicke)
(Bei dieser Vorlesung sind, Herrn Schicke zufolge, auch die Paper zur Vorlesung relevant: z.B. Gold et al., 2007) Es kann zwischen perzeptuellen und komplexen Entscheidungsprozessen unterschieden werden. Bei perzeptuellen Entscheidungen geht es um die direkte Bewertung von sensorischer Evidenz (=Input), während komplexe Entscheidungsprozesse kognitiver sind (z.B. Entscheidung BMW vs. Mercedes).
Wie aber laufen perzeptuelle Entscheidungsprozesse ab? TWO MODELS: Perzeptuelle Entscheidungen
Es gibt mindestens zwei Modelle, die diese Entscheidungsprozesse modellieren sollen: 1. Die Signal detection theory 2. Die Sequential Analysis
Bei der Signal detection theory wird angenommen, dass es neben dem Signal, das entweder vorliegt oder nicht vorliegt, auch noch ein Rauschen gibt. Es nehmen also zwei Faktoren darauf Einfluss, wie die Entscheidung „Signal präsent“ vs. „Signal nicht präsent“ ausfällt:
1. Signal detection theory
Kritik: Das Modell erklärt jedoch nicht, wie Entscheidungen über die Zeit entstehen. Eine Entscheidung ist etwas Statisches in diesem Modell.
Signal
present Not present
Decision Signal present
HIT FALSE ALARM
Signal not present
MISS CORRECT REJECTION
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Eine Alternative bzw. Erweiterung der Signal detection theory ist die Sequential Analysis. Die Idee der Sequential Analysis ist, dass so lange Evidenz für eine Hypothese (dafür, dass z.B. ein bestimmtes Signals vorliegt) angesammelt wird, bis ein bestimmter Threshold (=Schwelle) erreicht ist. Wenn der Threshold überschritten ist, dann wird die Entscheidung getroffen, dass die Hypothese wahr ist (im Beispiel also das Signal vorliegt). Im folgenden Bild ist dieser Prozess graphisch dargestellt:
2. Sequential Analysis
NEURONALE BASIS VON ENTSCHEIDUNGEN Die Sequential Analysis scheint ziemlich gut das abzubilden, was in der Wirklichkeit abläuft. Das zeigt folgende Entscheidungsaufgabe:
Typical Decision Task: Mokeys Versuchsaufbau: Ein Affe wird vor einen Bildschirm gesetzt, auf dem sich ein Fixationskreuz und zwei große Punkte befinden. Diese zwei Punkte (im Folgenden auch response dots genannt) liegen horizontal (?) auf einer Achse mit dem Fixationskreuz. Hat der Affe das Kreuz fixiert, wird eine Punktewolke dargeboten. Einige der Punkte bewegen sich entweder nach rechts oder links; die anderen Punkte bewegen sich zufällig hin und her (es handelt sich um so genannte random dots). Aufgabe
: Der Affe soll nun entscheiden, ob sich die Punktewolke insgesamt nach rechts oder links bewegt. Er tut seine Entscheidung kund, indem er eine Sakkade auf den rechten oder den linken großen Punkt macht.
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Auf neuronaler Ebene sind nun zwei Bereiche an der Bewältigung dieser Aufgabe beteilig: 1. MT und 2. LIP. Zu 1.: Das Areal MT (middle temporal visual area) ist für die Wahrnehmung von Bewegung zuständig Zu 2.: Das Areal LIP (lateral intraparietal) ist für die Planung von Augenbewegungen zuständig. Dasselbe trifft auch für das Areal FEF (frontal eye field) zu. Es ist nun zu erwarten, dass in dem oben beschriebenen Paradigma sowohl in MT als auch in LIP Aktivität auftritt. Es wird angenommen, dass • Areal MT das Vorliegen von Evidenz anzeigt • Areal LIP die von MT gelieferten Evidenzen integriert (=aufsummiert) ERGEBNISSE MT: Ableitungen von MT Neuronenverbänden zeigen, dass das Areal MT aktiv ist, solange es Bewegung gibt. Je stärker die Bewegung ist (d.h. je eindeutiger die Evidenz ist), desto höher ist die Feuerrate von MT. Die Abbildung rechts zeigt, dass MT relativ konstant auf einem Level feuert. LIP: Das Areal LIP akkumuliert die sensorische Information von MT, d.h. die Aktivität von LIP erhöht sich ständig, solange MT feuert. Wenn ein gewisser Grenzwert erreicht ist, dann erfolgt eine Reaktion (d.h. eine Entscheidung wird getroffen). In diesem Paradigma handelt es sich bei der Reaktion um eine Sakkade. Der Threshold, der in LIP erreicht werden muss, scheint immer gleich zu bleiben, wenn der Kontext gleich bleibt (bspw. immer dieselbe Belohnung für eine Response gegeben wird). Bei gleich bleibendem Kontext dauert eine Entscheidung deshalb umso länger, je schwächer MT feuert. Wie oben gezeigt, feuert MT schwächer, wenn das sensorische Signal schwächer (d.h. weniger eindeutig) ist. Also: stärkere Evidenz = schnellere Entscheidung. Der Threshold kann je nach Kontext variieren: Wenn der Affe bspw. nur zwischen „stimulus present“ und „stimulus not present“ entscheiden muss und für jede korrekte „stimulus present“ Reaktion eine ganz besonders hohe Belohnung bekommt und bei einer falschen Reaktion keine schlimme Konsequenzen erwarten muss, dann wird er
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wahrscheinlich eine niedrigere Schwelle für „stimulus present“ haben. Alternatives Beispiel: Someone is fingering Tobias’ wallet at a crowded train station vs. in a crowded kindergarten. Wichtig: Entscheidungen sind wohl Effektor-spezifisch (d.h. von dem Areal, das den Effektor koordiniert). Sie werden in LIP getroffen, d.h. von einem Areal, was für die Planung der motorischen Reaktion zuständig ist. Würde der Affe mit einer Handbewegung antworten müssen, dann wäre PRR anstelle von LIP für die Integration der Evidenz zuständig und LIP würde keine Aktivität zeigen. TYPICAL DECISION TASK: METHODOLOGISCHE FRAGEN Bei dem oben beschriebenen Versuch ergeben sich zwei Probleme: 1. Es müssen genau die rezeptiven Felder der MT Neurone bei der Ableitung der elektrischen Aktivität erfasst werden, in denen die random dots dargeboten werden. Wie aber stellt man sicher, dass die Elektrode genau an den Neuronenverbänden anliegt, die auf die random dots reagieren? 2. LIP Neuronen haben ein motor response field. Das motor response field eines LIP Neurons ist derjenige Bereich X, auf den das Auge gerichtet wird, wenn das Neuron aktiviert ist. Wie stellt man aber sicher, dass die Elektrode genau an den Neuronenverbänden anliegt, die aktiviert werden, wenn eine Bewegung auf den Response Dot geplant ist? Diese Probleme werden folgendermaßen gelöst: Ad 1.: Man bietet die random dots an verschiedenen Stellen auf dem Bildschirm dar, bis man die Stelle gefunden hat, auf die die Neuronen reagieren. Ad 2.: Man präsentiert die response dots an verschiedenen Stellen auf dem Bildschirm und lässt den Affen eine Sakkade auf diese Stelle machen. Wenn die Neurone bei einer Sakkade reagieren, dann hat man das passende motor response field gefunden. Wichtig ist nun: Diese Vorgehensweise macht es sehr wahrscheinlich, dass keine festen Verbindungen zwischen den abgeleiteten MT und LIP Neuronen bestehen. Dennoch kann vom Gehirn während des Versuchs eine Verbindung zwischen diesen Neuronen hergestellt werden. D.h. sobald eine Entscheidung getroffen werden soll, entsteht eine Verbindung zwischen MT und LIP.
Response dot Motor response
field
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DECISION TASK: HUMANS Bei Affen scheinen Entscheidungen effektor-spezfisch zu sein; sie werden in LIP getroffen, wenn eine Sakkade als Reaktion auf die Entscheidung erfolgen soll. Bei Menschen kann es möglicherweise aber vom Effektor unabhängige Entscheidungs-Areale im Gehirn geben. Dafür in Frage kommen bspw. der superiore frontale Sulcus (SFS) im dorsolateralen präfrontalen Cortex (DLPFC) oder der linke IPS. Die Behauptung ist also: Es gibt ein Areal, dass nur für Entscheidungen zuständig ist und nichts mit der Reaktion zu tun hat, die auf die Entscheidung folgen soll. Dieses Areal soll sich dadurch auszeichnen, so Heekeren et al., dass es besonders aktiv für hohe strength of evidence ist.
Untersuchung 1: Heekeren et al. glauben, ein solches Entscheidungsmodul im Gehirn gefunden zu haben. Versuchsaufbau: Den Probanden wurden Bilder von Häusern oder von Gesichtern dargeboten. Die Bilder waren mehr oder weniger klar zu erkennen. Wenn Probanden ein Gesicht klar erkennen konnten, dann zeigte sich eine hohe Aktivität im fusiformen Gesichtsareal des fusiformen Gyrus (fusiform face area, FFA), während sich eine hohe Aktivität in der parahippocampal place area (PPA) des Gyrus parahippocampalis erkennen lässt, wenn Häuser gezeigt werden (FFA und PPA funktionieren also so ähnlich wie MT). Aufgabe: Den Probanden wurde nun die Aufgabe gestellt, zwischen Gesichter und Häusern zu unterscheiden. Dabei hat sich im fMRT gezeigt, dass insbesondere bei deutlichen Stimuli die Aktivität des SFS anstieg. Für starke Evidenz ist also hohe Aktivität im SFS zu verzeichnen. Interpretation
: Dies hat Heekeren et al. zu der Behauptung veranlasst, dass der SFS ein effektorunspezifisches Entscheidungsmodul ist. Es ist jedoch sehr umstritten, ob diese Behauptung wahr ist.
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Untersuchung 2: In einer Studie von Tosoni et al. hat sich gezeigt, dass es möglicherweise doch kein Entscheidungsmodul im Gehirn gibt, so wie von Heekeren et al. postuliert. Versuchsaufbau: Wieder wurden den Probanden mehr oder weniger deutliche Bilder von Häusern oder Gesichtern gezeigt. Dieses Mal bestand die Aufgabe der Probanden jedoch darin, eine Sakkade zu machen, wenn ein Gesicht erkannt wurde und eine Zeigebewegung auszuführen, wenn ein Haus erkannt wurde. Es wurde von Tosoni untersucht, ob es ein Areal gibt, dass während all diesen Entscheidungen aktiv ist. Ergebnis: Dieses Areal konnte jedoch nicht gefunden werden. Vielmehr hat sich gezeigt, dass Entscheidungen beim Menschen ähnlich wie beim Affen ablaufen. Wurden Sakkaden gemacht, dann war zuvor die Aktivität im Sakkaden-Areal des IPS aktiv; wurde mit Zeigebewegungen auf den Stimulus reagiert, dann waren vorher hingegen Zeige-Areale des IPS aktiv. Das spricht dagegen, dass es im Gehirn ein bestimmtes Entscheidungsmodul gibt. Spekulationen
: Wenn es dieses Modul aber nicht gibt, wie lässt sich dann die von Heekeren et al. entdeckte Aktivität im SFS erklären? Tosoni behaupten, dass der SFS Teil eines so genannten default networks im Gehirn sei. Dieses default network ist immer dann besonders aktiv, wenn dem Gehirn „langweilig“ ist. Die verminderte Aktivität des DLPFC bei unscharfen Bildern könnte also dadurch erklärt werden, dass die Entscheidung schwierig ist und sich das Gehirn deshalb nicht langweilt. Umgekehrt kann die erhöhte Aktivität des DLPFC bei klaren Bildern von Gesichtern oder Häusern durch die starke Aktivität des default network erklärt werden, weil die Entscheidung dann sehr einfach ist.
Welche Faktoren haben noch einen Einfluss darauf, ob und wie wir entscheiden? Offenbar spielt bei einer Entscheidung auch so etwas wie der Faktor *Motivation* eine Rolle. Einerseits müssen wir eine Motivation dazu haben, überhaupt eine Entscheidung zu treffen. Andererseits scheint auch die Art, wie wir entscheiden, von motivationalen Zuständen abzuhängen. Unsere Motivation scheint wiederum von dem Wert abzuhängen, den ein Decision Task bzw. die darin vorkommenden Alternativen für den Entscheider haben. Wie also werden Entscheidungen von dem Wert, den sie für uns haben, beeinflusst? Hier werden zwei Untersuchungen genannt.
REWARD VALUE
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Untersuchung 1 (Sugrue et al. 2004): Foraging experiment. Ein sehr durstiger und deshalb stark motivierter Affe sitzt vor einem Bildschirm und fixiert das Fixationskreuz. Ein grüner und ein roter Target dot werden auf dem Bildschirm dargeboten. Wenn der Affe eine Sakkade auf einen der Punkte macht, dann erhält er mit einer sich ständig verändernden Wahrscheinlichkeit einen Reward, nämlich etwas zu trinken. Die Aufgabe des Affen ist nun, zu entscheiden, auf welchen der beiden Punkte er blickt. In dem Fall, dass der Affe zwei Mal hintereinander eine Sakkade auf dasselbe Target macht (also bspw. zwei Mal hintereinander auf den grünen Punkt schaut) ist die Wahrscheinlichkeit für eine Belohnung beim zweiten Mal sehr gering. Es zeigt sich, dass der Affe sein Verhalten den veränderten Wahrscheinlichkeiten anpasst, um seinen Reward zu optimieren. Sobald diese Optimierung stattgefunden hat, wird die Aktivität der LIP Neuronen untersucht. Ergebnisse
(die grünen Linien spielen keine Rolle): Wenn die Wahrscheinlichkeit für einen Reward sehr hoch war (durchgezogene blaue Linie), d.h. wenn der Stimulus einen hohen Wert hatte, dann war die Aktivität der LIP Neuronen sehr hoch. M.a.W.: Der Threshold, bei dem LIP eine Sakkade in das entsprechende motor response field auslöst, wird schnell erreicht. War die Wahrscheinlichkeit für einen Reward klein (gestrichelte blaue Linie), d.h. hatte der Stimulus einen niedrigen Wert (bspw. weil der dot vorher schon einmal gewählt wurde), dann war die LIP Aktivität niedrig. M.a.W.: Der Threshold, bei dem LIP eine Sakkade in das entsprechende motor response field auslöst, wird langsam erreicht.
Tobias weist darauf hin, dass nicht alle Value-Berechnungen in LIP stattfinden. Denn es müsste sonst ein vollständiges Entscheidungsmodell in LIP für Augenbewegungen geben, und ein genau so vollständiges Entscheidungsmodell für Handbewegungen in PRR, usw. Das scheint unplausibel zu sein. Für Augenbewegungen gilt, dass sie von einem ganzen sensomotorischen Schaltkreis (LIP, FEF, SC) abhängen, der das alles irgendwie in Abhängigkeit von LIP verrechnet. Tobias macht nun folgenden Punkt:
VALUE
Die Values, die durch den oben genannten Schaltkreis verrechnet werden, sind nicht transitiv, sondern hängen von der gegenwärtigen Situation ab, in der sich der Entscheider gerade befindet. In einem dunklen Raum kann ich zum Beispiel folgende Präferenzen haben „jonglieren < Buch lesen“, „Buch lesen < am Kopf kratzen“, während in einem hellen Raum meine Präferenz „am Kopf kratzen < jonglieren“ sein könnte.
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Nun scheint es jedoch auch noch ein zweites Netzwerk (valuation circuitry) zu geben, in dem die Values absolut und transitiv sind. Dies ermöglicht es, sehr verschiedene Alternativen gegeneinander abzuwägen.
Über viele Dinge, die wir so tagtäglich tun, denken wir nicht großartig nach. Wir können natürlich versuchen, uns diese Dinge bewusst zu machen, aber können diese Handlung kognitiv nicht wirklich verstehen. Alien Hand Syndrom. Wie können wir die Hand dazu bringen, das zu tun, was wir wollen. Und: Können wir das überhaupt? Feeling of causality.
FREE WILL
Libet et al. 1982/3: Versuchsaufbau
: Die VPN saßen in einem Raum vor einer Uhr, EEG wurde abgeleitet. Die VPN wurden instruiert, ihren Finger genau dann zu bewegen, wenn sie sich danach fühlten (Instruktion: Let the urge to act appear on its own at any time without any preplanning or concentration on when to act). Danach wurden sie gefragt, wo sich der Uhrzeiger befand, als sie sich entschieden haben, den Finger zu bewegen. Wahrenddessen wurde mit dem EEG das Bereitschaftpotential (readiness potential) aufgezeichnet. Das Bereitschaftpotential ist ein EKP, das mit der Planung von Handlungen in Verbindung gebracht wird. Libet scheint also davon auszugehen, dass das Auftreten des Bereitschaftspotentials eine Entscheidung für die Fingerbewegung reflektiert.
ERGEBNISDie VPN haben erst eine halbe Sekunde nach Auftreten des Bereitschaftspotentials den bewussten Willen, den Finger zu bewegen. Libets Idee ist nun die, dass wir Dinge von ganz alleine tun und diese Handlungen dann nachträglich unserem Willen kausal zuschreiben. Und: Vielleicht haben wir die Möglichkeit, die von unserem Körper geplanten Handlungen bewusst stoppen zu können, sodass wir zwar kein „I will“ haben, aber ein „I won’t“.
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KRITIK I: Sehr künstliches Experiment: Es gibt nur eine Auswahlmöglichkeit. Das ist doch keine Auswahl. Kritik II: Gemessen wurde möglicherweise das falsche EKP. Es ist nicht das Bereitschaftspotential, sond