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Soziale Arbeit im Wandel Im Spannungsfeld von Profession, Politik und Wirtschaft Referat Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berufsidentität in verschiedenen Feldern der Sozialpädagogik Von Nicole Dobmann, Sozialpädagogin FH und Thomas Kappeler, Sozialpädagog FH. Die Ausgangsfrage Unsere Bachelorarbeit befasst sich mit der Berufsidentität in der Sozialpädagogik und stellt die Frage, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berufsidentität sich aus der Wahrnehmung von SozialpädagogInnen sich anhand des professionellen sozialpädagogischen Handelns in verschiedenen Handlungsfeldern feststellen lassen. Unsere Erfahrungen gegen Ende unseres Studiums zeigten, dass unterschiedliche Haltungen und Beschreibungen der Arbeit in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialpädagogik wahrzunehmen sind. Als angehende Fachkräfte hatten wir dies zwar nicht eindeutig benennen können, doch haben wir dies auf die Berufsidentität zurückgeführt. Kurz vor Abschluss unseres Studiums stellten wir fest, dass wir selber bezüglich unserer eigenen Berufsidentität unsicher waren. Die Neugier, wie denn ausgebildete BerufskollegInnen die Berufsidentität beschreiben war gross. Anhand von Literatur und Studien haben wir die Berufsidentität und das professionelle sozialpädagogische Handeln hergeleitet. Dies und das Berufsbild der SozialpädagogInnen diente uns als Ausgangspunkt unserer Befragung. In unserer Arbeit gehen wir davon aus, dass Berufsidentität und professionelles sozialpädagogisches Handeln sich gegenseitig beeinflussen. Das Stimmungsbild der Befragten Als erstes möchten wir ein Stimmungsbild nachzeichnen. Bei den von uns befragten SozialpädagogInnen sind verschiedenste, sehr individuelle Wege in den Beruf feststellbar, häufig geprägt vom Interesse an der Arbeit mit Menschen, vom Willen neues Wissen zu erwerben, neue Arbeitsfelder zu entdecken oder sich weiterzuentwickeln. Der Beruf wird als abwechselnd angesehen und die Arbeit mit Menschen und im Team als bereichernd empfunden. Unterstützend in der täglichen Arbeit sind sowohl fachliche Kompetenzen als auch Erfahrungswissen. Weitere wichtige Stützen sind das Team und der Austausch. Auch die Rahmenbedingungen der Organisation oder Weiterbildungen können den Arbeitenden eine Stütze sein. Unangenehm oder gar hemmend wirken die unterschiedlichen Meinungen und beruflichen Voraussetzungen im Team, die zum Teil unregelmässigen Arbeitszeiten und vor allem die Rahmenbedingungen (Organisation, Politik, Wirtschaft, Finanzen etc.). Die Befragten zeichnen ein sehr positives Bild von ihrem Beruf und es ist eine hohe Berufszufriedenheit und Motivation feststellbar. Dies sind Bedingungen, die gemäss der Literatur für die Entwicklung und Festigung einer beruflichen Identität förderlich sind. Auswertung der Fragestellung In theoretischen Beschreibungen wird darauf hingewiesen, dass ein Berufsstand über eine berufliche Identität verfügt, wenn die der Berufsgruppe zugehörigen Personen ein berufliches Selbstverständnis derart verinnerlicht haben, dass dieses sich bei verschiedenen Berufsleuten in ähnlicher Weise auf ihr sozialpädagogisches Handeln auswirkt. Die von uns Befragten betonen

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Soziale Arbeit im Wandel Im Spannungsfeld von Profession, Politik und Wirtschaft

Referat

Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berufsidentität in verschiedenen Feldern der Sozialpädagogik Von Nicole Dobmann, Sozialpädagogin FH und Thomas Kappeler, Sozialpädagog FH. Die Ausgangsfrage Unsere Bachelorarbeit befasst sich mit der Berufsidentität in der Sozialpädagogik und stellt die Frage, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berufsidentität sich aus der Wahrnehmung von SozialpädagogInnen sich anhand des professionellen sozialpädagogischen Handelns in verschiedenen Handlungsfeldern feststellen lassen. Unsere Erfahrungen gegen Ende unseres Studiums zeigten, dass unterschiedliche Haltungen und Beschreibungen der Arbeit in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialpädagogik wahrzunehmen sind. Als angehende Fachkräfte hatten wir dies zwar nicht eindeutig benennen können, doch haben wir dies auf die Berufsidentität zurückgeführt. Kurz vor Abschluss unseres Studiums stellten wir fest, dass wir selber bezüglich unserer eigenen Berufsidentität unsicher waren. Die Neugier, wie denn ausgebildete BerufskollegInnen die Berufsidentität beschreiben war gross. Anhand von Literatur und Studien haben wir die Berufsidentität und das professionelle sozialpädagogische Handeln hergeleitet. Dies und das Berufsbild der SozialpädagogInnen diente uns als Ausgangspunkt unserer Befragung. In unserer Arbeit gehen wir davon aus, dass Berufsidentität und professionelles sozialpädagogisches Handeln sich gegenseitig beeinflussen. Das Stimmungsbild der Befragten Als erstes möchten wir ein Stimmungsbild nachzeichnen. Bei den von uns befragten SozialpädagogInnen sind verschiedenste, sehr individuelle Wege in den Beruf feststellbar, häufig geprägt vom Interesse an der Arbeit mit Menschen, vom Willen neues Wissen zu erwerben, neue Arbeitsfelder zu entdecken oder sich weiterzuentwickeln. Der Beruf wird als abwechselnd angesehen und die Arbeit mit Menschen und im Team als bereichernd empfunden. Unterstützend in der täglichen Arbeit sind sowohl fachliche Kompetenzen als auch Erfahrungswissen. Weitere wichtige Stützen sind das Team und der Austausch. Auch die Rahmenbedingungen der Organisation oder Weiterbildungen können den Arbeitenden eine Stütze sein. Unangenehm oder gar hemmend wirken die unterschiedlichen Meinungen und beruflichen Voraussetzungen im Team, die zum Teil unregelmässigen Arbeitszeiten und vor allem die Rahmenbedingungen (Organisation, Politik, Wirtschaft, Finanzen etc.). Die Befragten zeichnen ein sehr positives Bild von ihrem Beruf und es ist eine hohe Berufszufriedenheit und Motivation feststellbar. Dies sind Bedingungen, die gemäss der Literatur für die Entwicklung und Festigung einer beruflichen Identität förderlich sind. Auswertung der Fragestellung In theoretischen Beschreibungen wird darauf hingewiesen, dass ein Berufsstand über eine berufliche Identität verfügt, wenn die der Berufsgruppe zugehörigen Personen ein berufliches Selbstverständnis derart verinnerlicht haben, dass dieses sich bei verschiedenen Berufsleuten in ähnlicher Weise auf ihr sozialpädagogisches Handeln auswirkt. Die von uns Befragten betonen

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ihre eigene Persönlichkeit aber tendenziell stärker als die eigene Fachlichkeit, vor allem im sozialpädagogischen Alltagshandeln. Liegt der Fokus auf den Grundsätzen des Handelns, in der Quelle des Wissens und Erklärens, so wird von den Befragten ein Bild von vertiefter Fachlichkeit gezeichnet. Die Mischung von Fachlichkeit und Persönlichkeit der Befragten ist von einer hohen Reflexivität getragen. In der Literatur gilt es als Ausweis von Fachlichkeit, wenn der Einsatz der Person fachlich begründet und berufsethisch fundiert erfolgt. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist in der Sozialpädagogik von grosser Wichtigkeit, die Berufsleute arbeiten zum Teil sehr eng mit diversen Angehörigen anderer Disziplinen und Berufsgruppen zusammen. Die fachliche Autonomie der von uns befragten Personen ist gesamthaft gesehen eher eingeschränkt. Im alltäglichen Handeln kann sie aber recht hoch sein. Dies zeigt, dass die Befragten im Alltag Fachpersonen sind. Im Grundsatz ist das Handeln der SozialpädagogInnen aber (mit-)bestimmt von den Nachbardisziplinen, vor allem wenn es um Entscheidungen bei der Abklärung des Hilfsbedarfs und um Problemdefinitionen geht. Die von uns Befragten sehen sich von ihrem fachlichen Umfeld klar als Fachperson im Umgang mit sozialen Problemen. Schlussfolgerungen Die Ergebnisse zeigen, dass bei den befragten Personen eine berufliche Identität zu erkennen ist und diese aus persönlichen und fachlichen Komponenten besteht. Dabei sind nur geringe Unterschiede zwischen den verschiedenen Handlungsfeldern feststellbar. Die berufliche Identität ist eher als gemeinsam sozialpädagogisch geprägt zu verstehen. Diese Gemeinsamkeiten lassen die SozialpädagogInnen als Fachpersonen auftreten und machen es möglich, dass sie sich gegenüber Angehörigen anderer Berufsgruppen abgrenzen können. Dass sich kaum typische handlungsfeldspezifische Ergebnisse darstellen lassen, kann einerseits mit der kleinen Anzahl Befragten zusammenhängen oder möglicherweise damit, dass die Befragten Mitglied im Berufsverband sind. Dieser Umstand wird in der Literatur als beruflich identitätsstützend erwähnt und könnte so vielleicht die handlungsfeldspezifischen Einflüsse etwas verwischt haben. Transfer in die heutige von Arbeit Nicole Dobmann In meiner Tätigkeit bin ich immer wieder mit meiner Berufsidentität konfrontiert. Ich arbeite im Erwachsenenbereich der Beschäftigung in der Stiftung Scalottas in Scharans. Teilweise ist es schwierig mich als Sozialpädagogin zu behaupten. In meiner Organisation sind die pflegerischen und agogischen Berufe ausgeglichen. Jedoch merkte ich schnell, dass die pflegerischen Fachpersonen es einfacher haben, ihr berufliches Handeln zu erklären und zu legitimieren. Meiner Meinung nach ist es mir gelungen, in interdisziplinären Sitzungen meinen Standpunkt, sowie die Ziele und Hintergründe meines Handelns aufzuzeigen. Nach dem Studium war für mich klar, dass ich einen Koffer mit Theorien, Methoden und allgemeinen Grundlagen für mein berufliches Handeln bereit habe. Die Kunst liegt nun im Berufsalltag im richtigen Moment ein gutes Werkzeug aus dem Koffer zu nehmen es einzusetzen und zu evaluieren. Seit diesem Sommer habe ich die Gruppenleitung der Beschäftigung übernommen. Diese Beförderung stärkt mich als Berufsfrau und auch in meiner Berufsidentität. Somit kann ich sagen, dass ich zwei Jahre nach Abschluss des Studiums meine Berufsidentität als gestärkt und ausgeprägter empfinde. Ich weiss was ich tue und ich weiss wo und wie ich mir Wissen holen kann wenn ich etwas nicht weiss. Ergänzungen aus der heutigen Sicht von Thomas Kappeler Ich arbeite auf der sozialpädagogisch geführte Wohngruppe Tigelberg Berneck. Acht Jugendliche, die sich in einer besonderen Lebenssituation befinden, machen bei uns Schritte in Richtung Selbständigkeit oder zurück zu ihrer Herkunftsfamilie. In enger Zusammenarbeit mit ihren Familien,

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VersorgerInnen, LehrerInnen, TherapeutInnen und LehrmeisterInnen begleiten wir sie auf dem Weg. In meiner täglichen Arbeit bin ich oft mit einem Balanceakt meiner beruflichen Identität zwischen den Polen Persönlichkeit und Fachlichkeit betroffen. Mein sozialpädagogisches Handeln ist ein Arbeiten mit Menschen und meine Fachlichkeit kommt immer auch als Person daher. Es gilt widersprüchliche berufliche Anforderungen ausbalancieren, den eigenen persönlichkeitsbedingten Fähigkeiten und ihren Wirkungen bewusst zu werden und mich selbst als Werkzeug zu erfahren und als solches einsetzen. Kompetenzen der Selbstwahrnehmung und Selbstreflexion haben dabei einen hohen Stellenwert. Der Einsatz meiner Person ist letztlich auch fachlich zu begründen und muss berufsethisch fundiert erfolgen. Weiterbildungen sind mir da eine gute Stütze. Auch dasTeam, Supervision und die Organisation selbst sind mir bei der Arbeit eine Hilfe. Bei meiner Arbeit ist der Einfluss von Nachbardisziplinen gering. Aber ich muss den Personen an den Schnittstellen immer wieder genau erklären können, was wir tun und mit ihnen gemeinsam die Zusammenarbeit definieren. Nach ein paar Jahren in der Praxis bin ich mir bezüglich meiner eigenen beruflichen Identität sicherer geworden. Spannend wäre es aber auch, sich die Fragen in einigen Jahren nochmals zu stellen... Dobmann, N. & Kappeler, T. (2007). Berufsidentität in der Sozialpädagogik. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Berufsidentität in verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialpädagogik. Bern: Edition Soziothek. ISBN 987-3-03796-7