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SOZIALRECHT KOMPAKT TEIL 1 SOZIALHILFEREGRESS Berlin, 25. Oktober 2019

Sozialrecht kompakt Teil 1 Sozialhilferegress · SOZIALRECHT KOMPAKT TEIL 1 SOZIALHILFEREGRESS Berlin, 25. Oktober 2019 . WAS ERWARTET SIE ? SGB II: • Anrechnung von Vermögen •

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SOZIALRECHT KOMPAKT TEIL 1

SOZIALHILFEREGRESS

Berlin, 25. Oktober 2019

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WAS ERWARTET SIE ?

SGB II:

• Anrechnung von Vermögen

• gesetzlicher Anspruchsübergang

• Ersatzansprüche

SGB XII:

• Anrechnung von Vermögen

• Überleitung von Ansprüchen

• Heranziehung Unterhaltspflichtiger

• Kostenersatz

• Erbenhaftung

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SGB II VERMÖGEN

• hilfebedürftig ist nur, wer seinen Bedarf nicht oder nicht ausreichend aus seinem Einkommen oder Vermögen decken kann, § 9 Abs. 1 SGB II § 12 SGB II: alle verwertbaren Vermögensgegenstände sind zu berücksichtigen

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SGB II VERMÖGEN

• Vermögen = alles, was Vermögenswert hat, also „versilbert“ werden kann, z. B. :

• Guthaben auf Bankkonten

• Wertpapierdepots

• Lebensversicherungen, Bausparverträge, Rentenversicherungen

• Grundstücke u. Rechte an diesen, z. B. Nießbrauch

• Forderungen

• Wertgegenstände

aber nicht die Erträge aus dem Vermögen, Einkommen

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SGB II VERMÖGEN

• Vermögensgegenstand muss verwertbar sein, sonst kein „bereites Mittel“

• Vermögen ist verwertbar, wenn es verbraucht, übertragen oder belastet werden kann.

• nur dann gegeben, wenn der Hilfebedürftige durch die Verwertung Geld erhält oder erhalten kann, von dem er wenigstens kurzfristig seinen Lebensunterhalt bestreiten kann

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SGB II VERMÖGEN

• BSG v. 30.08.2010 - B 4 AS 70/09 R –: Verwertung einer noch nicht fälligen Forderung aus einem notariellen Grundstücksüberlassungsvertrag gegen den Bruder durch Beleihung?

mangelnde Fälligkeit mindert den Wert der Forderung

Beleihbarkeit muss im Wege der Amtsermittlung festgestellt werden

muss im Leistungszeitraum (früher. 6 Monate) durchführbar sein

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SGB II VERMÖGEN

es ist zu prüfen, ob Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre: Vergleich von Substanz- und Verkehrswert

besondere Härte? unzureichende Alterssicherung (Versorgungslücke) des Klägers?

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SGB II VERMÖGEN

BSG v. 06.05.2010 – B 14 AS 2/09 R :

• Verwertbarkeit eines Pflichtteilsanspruchs durch Geltendmachen, Abtretung und Verkauf, Verpfändung

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SGB II VERMÖGEN

• Nimmt die Verwertung Zeit in Anspruch Leistungen nach dem SGB II als Darlehen, § 9 Abs. 4 SGB II, § 24 Abs. 5 SGB II;

• Prognosezeitraum: der Zeitraum, der auch für die Leistungsgewährung vorgesehen ist, also 12 Monate, § 41 Abs. 3 S. 1 SGB II (früher 6 Monate)

• Auf die Gewährung des Darlehens besteht dann ein Rechtsanspruch., kein Ermessen!

• Nach Verwertung ist das Darlehen sofort zur Rückzahlung fällig, § 42 a Abs. 3 SGB II.

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SGB II VERMÖGEN

Beispiel:

M und F haben vor der Trennung gemeinsam ein im beiderseitigen Miteigentum stehendes Reihenhaus bewohnt, Wohnfläche 98 qm, Grundstücksgröße 338 qm. F hat nach Trennung Leistungen nach dem SGB II für sich und Sohn A ab Mai 2017 beantragt. Im Februar 2018 kehrt sie mit A zu M zurück.

Das JC hat Leistungen nur als Darlehen bewilligt: M verfüge über 1/2-ME-Anteil am Haus = Vermögen, vgl. § 24 Abs. 5 SGB II

M beantragt nach Rückkehr zu V die Umwandlung in einen Zuschuss

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SGB II VERMÖGEN

• Antrag gem. § 48 SGB X: Änderung eines VA mit

Dauerwirkung wegen nachträglicher Änderung der Verhältnisse - ?

• ME-Hälfte kein geschütztes Vermögen, da nicht selbst genutzt, § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II

• Vermögen verwertbar innerhalb Bewilligungs-zeitraum(veräußern, belasten): Mai 2017 bis April 2018? – denkbar

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LSG Bremen-Niedersachsen Urteil v. 31.05.2017 – L 13 AS 105/16:

• hier: besondere Härte, § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II, da Eheimmobilie innerhalb des 1. Trennungsjahres nicht verwertet werden soll

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• Vermögensgegenstand muss tatsächlich verwertbar sein - daran fehlt es,

• wenn er nicht marktgängig ist

• oder die Veräußerung eines Grundstücks nicht möglich ist, weil durch die Kaufpreiszahlung keine Lastenfreiheit erreicht werden könnte

• eine Miteigentümergemeinschaft nicht auseinandergesetzt werden kann, weil der Aufenthalt eines Miteigentümers im Ausland nicht bekannt ist

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SGB II

VERMÖGEN

Rechtlich ist die Verwertung ausgeschlossen, wenn Verfügungsbeschränkungen bestehen:

• Eltern übertragen das Haus auf ihr Kind mit einem Veräußerungs- und Belastungsverbot

• eine Lebensversicherung ist zur Tilgung eines Immobiliendarlehens abgetreten

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• BSG v. 17.02.2015 – B 14 KG 1/14 R:

1.Bei ererbtem Vermögen handelt es sich nicht um „bereite Mittel“ im sozialrechtlichen Sinne, wenn eine Dauertestamentsvollstreckung der Verwertung des Vermögens entgegensteht.

2. Die Anordnung einer Dauertestamentsvollstreckung ist im Falle einer „rein gewillkürten Erbeinsetzung“ nicht sittenwidrig.

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• LSG Baden-Württemberg v. 27.09.2011 - L 13 AS 4496/10:

• Eine Vereinbarung, dass eine Bausparsumme auf ein für den Leistungsbezieher nicht zugänglichen Sparkonto gezahlt wird, um daraus später Bankschulden tilgen zu können, ist sittenwidrig

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LSG NRW v. 30.08.2007 - L 7 (12) AS 8/07 -:

• Vater überträgt ETW auf beide Söhne, Nießbrauchsvorbehalt, Veräußerungsverbot, Rückforderungsvorbehalt – kein verwertbares Vermögen!

• Verfügungsbeschränkungen sind nicht sittenwidrig, da Eltern nicht verpflichtet sind, ihre Immobilie schon zu Lebzeiten auf ihre Erben zu übertragen

• künftiger Erbanspruch stellt ja ebenfalls kein zur Bedarsfdeckung heranziehbares Vermögen dar

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• Liegen rechtliche Verfügungsbeschränkungen vor, ist zu prüfen, ob noch eine andere Art der Verwertung in Betracht kommt BSG v. 12.07.2012 - B 14 AS 158/11 R:

• Ein Nießbrauchsvorbehalt lässt die Verwertbarkeit einer Immobilie nicht grundsätzlich entfallen:

• Verkehrswert: 91.326 €, Grundschuld 48.600 €, Wohnrecht der Eltern 16.700 €, Freibetrag Kläger 8950 €, Ergebnis: rd. 17.000 € noch frei, also Beleihbarkeit gegeben!

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BSG v. 25.4.2018, B 14 AS 15/17 R:

• Ist die Rücknahme einer Arbeitslosengeld II-Bewilligung wegen verschwiegenen Vermögens vom Begünstigten zu vertreten, kommt es auf das Verhältnis zwischen dem zu erstattenden Betrag und dem ursprünglich einzusetzen-den Vermögenswert nicht an.

• Hat das Jobcenter einen Forderungserlass zur Vermeidung unbilliger Härten noch nicht geprüft, berührt das die Rechtmäßigkeit der Rücknahme nicht.

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SGB II VERMÖGEN

Es gilt das Prinzip der bereiten Mittel:

BSG v. 29.04.2015 - B 14 AS 10/14 R -: Geldzufluss aus Erbschaft

• 1. Die Verrechnung der einem Konto gutgeschriebenen Einnahme seitens der Bank im Rahmen einer Kontokorrentabrede (Dispositionskredit) ist eine Einkommensverwendung und mindert nicht die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens. (amtlicher Leitsatz)

• 2. Zwischen dem Zufluss einer einmaligen Einnahme, die durch die normativ vorgegebene Aufteilung in einem Verteilzeitraum zu berücksichtigen ist, und den bereiten Mitteln, die in den Monaten des Verteilzeitraums tatsächlich zur Verfügung stehen, ist zu unterscheiden. (amtlicher Leitsatz)

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BSG v. 12.12.2013 - B 14 AS 76/12 R -: Geldzufluss aus Erbschaft:

„Am 16.3.2009 beantragte der Kläger erneut Alg II und gab unter Vorlage von Belegen über Ausgaben von etwa 4900 Euro an, er habe die Erbschaft bereits vollständig verbraucht und sei nunmehr wieder hilfebedürftig; u. a. habe er das Erbe für die Anschaffung einer Digitalkamera, den Ersatz von verschlissenen Möbeln, für Kleidungsstücke, den Ersatz eines defekten Fernsehers, die Anschaffung eines Laptops sowie eine preiswerte Pauschalreise in die Türkei eingesetzt.“

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• § 24 Abs. 4 Satz 2 SGB II: Ermessen des Jobcenters, ob Leistungen nur als Darlehen erbracht werden, wenn der Geldzufluss vorzeitig verbraucht wurde.

• Werden Leistungen nur als Darlehen erbracht, entfällt die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung!

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BSG v. 24.05.2017 – B 14 AS16/16 R -

Unterlassen der Verwertung einer 98 qm großen ETW durch Alleinstehenden:

es entfällt auch der Anspruch auf Gewährung von Leistungen als Darlehen!

Es liegt in der Eigenverantwortung des Bedürftigen, sich Mittel durch Vermögensverwertung zu verschaffen kein Verstoß gegen das Prinzip der bereiten Mittel!

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§ 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II:

Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft haben

• Partner füreinander Vermögen einzusetzen

• und Eltern für ihre Kinder

• – aber nicht Kinder für ihre Eltern!

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Beispiel:

52jähriger Vater hat eine Lebensversicherung mit einem Rückkaufswert von 7.500 €.

Die 48jährige Mutter hat aus einem Vermächtnis ihrer Großmutter 12.000 € bekommen.

Das 16jährige Kind verfügt über ein eigenes Sparbuch, auf dem 6.000 € Guthaben, gedacht als Rücklage für Führerschein und Ausbildung, angespart sind.

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Lösung:

Das Vermögen der Eltern beläuft sich zusammen auf 19.500 €, ihre Freibeträge auf 7.800 € für den Vater und 7.200 € für die Mutter, zusammen 15.000 €. Es sind daher 4.500 € für die Bedarfsgemeinschaft einzusetzen.

Das Kind kann nur 3.100 € als Freibetrag beanspruchen und muss daher von seinem Sparvermögen 2.900 € für seinen eigenen Bedarf einsetzen, nicht aber für den Bedarf der Eltern. Es scheidet aus der Bedarfsgemeinschaft aus, weil es nicht bedürftig ist.

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Altersvorsorge als Schonvermögen:

• Nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ist ein Altersvorsorge-Freibetrag geregelt in Bezug auf geldwerte Ansprüche, die der Altersvorsorge dienen und vor Eintritt in den Ruhestand unwiderruflich nicht verwertet werden können

• Bei Lebensversicherungen muss mit dem Versicherer gem. § 168 Abs. 3 Satz 1 VVG Verwertungsausschluss unwiderruflich vereinbart worden sein

• das kann auch noch nach dem Leistungsantrag geschehen, aber…

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• BSG, v. 31.10.2007 - B 14-11b AS 63/06 R:

1. Die Hilfebedürftigkeit eines Antragstellers auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ist jeweils aktuell für den Zeitraum zu beurteilen, für den Leistungen beansprucht werden. Ist im Zeitpunkt der Antragstellung ein Verwertungsausschluss gemäß § 165 Abs. 3 VVG für eine Lebensversicherung nicht vereinbart, kann eine zeitlich später erfolgte vertragliche Vereinbarung keine Wirksamkeit für vergangene Zeiträume entfalten.

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2. Ob der Sozialleistungsträger eine ihm auferlegte Beratungspflicht verletzt hat, indem er nicht von sich aus auf die Möglichkeit des Verwertungsausschlusses hingewiesen hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls fehlt es an der Voraussetzung, dass der Nachteil einer möglichen Verletzung durch eine vom Gesetz vorgesehene und zulässige Amtshandlung ausgeglichen werden kann. Eine in der Gestaltungsmacht ausschließlich des Bürgers liegende vertragliche Disposition kann nicht im Wege des Herstellungsanspruchs nachgeholt oder fingiert werden, weil sie insoweit außerhalb des Sozialrechtsverhältnisses liegt.

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• für Hilfebedürftige, die von der Versicherungspflicht in der GRV befreit sind, sind außerdem gem. § 12 Abs. 3 Nr. 3 SGB II alle denkbaren Formen der Vermögensanlage verschont, die der Altersvorsorge dienen, sofern diese eine geldwerte Forderung gewähren;

• das soll nicht ohne weiteres für Immobilienvermögen gelten, LSG Schleswig-Holstein Beschl. v. 20.9.2010 – L 6 AS 128/10 B ER.

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§ 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II:

• angemessenes Kraftfahrzeug gem. Grundsatzurteil des BSG v. 06.09.2007: Grenzwert von 7.500 €

• Dieser Wert ist aus der Kraftfahrzeughilfeverordnung für behinderte Menschen abgeleitet: Den dortigen Wert von 9.500 € hat das BSG auf die Verhältnisse des SGB II mit einem 20%igen Abschlag angepasst. Der Wert kann aber nach den Umständen des Einzelfalles auch überschritten werden BSG v. 06.09.2007 - B 14/7b AS 66/06 R –

• ergänzend: § 7 Abs. 1 Alg II- V !

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• § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II: Hausgrundstück bzw. ETW von angemessener Größe

Schutzzweck der Norm:

allein der Schutz der Wohnung iSd Erfüllung des Grundbedürfnisses „Wohnen“ und als räumlicher Lebensmittelpunkt (BSG 7.11.2006 – B 7b AS 2/05 R), nicht Immobilie als Vermögensgegenstand

maßgebend allein die Größe (anders als im SGB XII!), andere wertbildende Faktoren spielen keine Rolle

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• Wohnflächenobergrenzen:

• 80 qm für eine Person

• 130 qm für vier Personen in einem Einfamilienhaus, für jede weitere Person 20 qm mehr

• 120 qm für vier Personen in einer Eigentumswohnung.

• Überschreitung dieser Grenzen um bis zu 10 % noch verhältnismäßig

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Bei den Grundstücksgrößen gelten folgende Anhaltspunkte:

• 500 qm im städtischen Bereich für ein alleinstehendes Haus

• 250 qm für ein Reihenhaus

• 350 qm für eine Doppelhaushälfte

• 800 qm im ländlichen Bereich für ein Einfamilienhaus

ggf. modifiziert durch regionale B-Pläne

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BSG, Urteil vom 12. 12. 2013 - B 14 AS 90/12 R

• 1. Für die angemessene Größe eines Hausgrundstücks ist auf die gesamte Wohnfläche des Hauses abzustellen, auch wenn nur ein Teil des Hauses vom Antragsteller und den mit ihm in Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft lebenden Personen bewohnt wird.

• 2. Eine besondere Härte für die Vermögensverwertung nach dem SGB II kann daraus folgen, dass der Vermögensgegenstand nach dem SGB XII vor seiner Verwertung geschützt wäre.

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Die Klägerin ist geschieden und lebt in ihrem Haushalt allein. Es besteht auch keine Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und den Mitgliedern der Familie ihrer Tochter, die in einem eigenen Haushalt lebt. In den beiden Wohnungen des Zweifamilienhauses wird von der Klägerin in ihrer Wohnung und von der Familie ihrer Tochter in deren Wohnung jeweils ein eigener Haushalt geführt.

Zwar nutzt die Klägerin die Gesamtwohnfläche ihres Hauses nur zum Teil selbst, denn sie wohnt nur in einer der beiden Wohnungen. Doch steht die Nutzung der anderen Wohnung, in der die Tochter der Klägerin, deren Ehemann und ihre Kinder wohnen und einen eigenen Haushalt führen und in der nicht auch die Klägerin wohnt, der Anwendung der Vermögensschutzregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II nicht entgegen.

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Grund:

Der Eigentümer unterliege kraft seines Eigentums, dessen Verwertbarkeit als Vermögen im Streit stehe, keinen rechtlichen Beschränkungen hinsichtlich dessen tatsächlicher Nutzung, BSG v. 22.3.2012 B 4 AS 99/11 R (anders evtl. in einer Miteigentümergemeinschaft), ebenso BSG v. 12.07.2012 B 14 AS 158/11 R

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• Die danach hier maßgebliche Wohnflächengrenze von 130 qm ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren; „typisierend“ ist diese Reduzierung jedoch auf eine Belegung mit bis zu zwei Personen zu begrenzen (BSG v. 07.06.2006 B 7b AS 2/05 R)

• Hieraus ergibt sich für den Einpersonenhaushalt der Klägerin allein ein Grenzwert von 90 qm (130 qm – 2 × 20 qm = 90 qm). Dieser wird mit der Gesamtwohnfläche des Hauses von 129 qm deutlich überschritten.

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• Aus Gleichbehandlungsgründen ist eine Anwendung der Kriterien des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII im Rechtsbereich des SGB II nicht erforderlich.

• Der von der Klägerin formulierte Wunsch, das seit 2001 in ihrem Alleineigentum stehende Hausgrundstück als Familienheim und Mehrgenerationenhaus zu erhalten, ist bei der Prüfung der Angemessenheit nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 SGB II kein rechtlich maßgeblicher Gesichtspunkt.

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• eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II erscheint in dieser Fallkonstellation möglich.

• gem. § 90 Abs. 2 SGB XII wäre das Hausgrundstück geschützt, weil auch Angehörige der Klägerin dort wohnen

• LSG wird zu prüfen haben, ob hier eine besondere Härte vorliegt. Dafür spricht, dass die Tochter und der Schwiegersohn der Klägerin ein Darlehen über 75.000 € aufgenommen haben und Beiträge für die Tilgung dieses Darlehens leisten, dessen Mittel zumindest teilweise zur Finanzierung von Arbeiten am und im Haus der Klägerin verwandt worden sein sollen. Die näheren Umstände von Darlehensaufnahme, -verwendung, -tilgung und -sicherung wird das LSG aufzuklären haben.

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• die im Haus für die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit genutzten Räume zählen mit, BSG v. 18.09.2014- B 14 AS 58/13 R

• das Argument, dass die Immobilie ursprünglich für eine größere Bewohnerzahl errichtet wurde, hilft nicht, BSG v. 12.10.2016 – B 4 AS 4/16 R

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Verwertung gem. § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II ausgeschlossen?

• offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung

• besondere Härte

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SGB II VERMÖGEN

Wann ist die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich?

• deutliches Missverhältnis zwischen dem zu erzielenden Gegenwert und dem wirklichen Wert, BSG v. 11.12.2012 - B 4 AS 29/12 R

• Beispiel Lebensversicherung:

eingezahlte Beiträge + Anwartschaft auf Versicherungs-summe = Substanzwert

Rückkaufswert + Überschussanteile = Verkehrswert

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es kann aber dennoch unwirtschaftlich sein, die LV zu verwerten, wenn

• der Hilfebedürftige kurz vor Erreichen der Altersgrenze steht, zu dem die Versicherung fällig wird

• oder die Alterssicherung ohne die LV unzureichend wäre und dann erneut Hilfebedürftigkeit eintreten würde

solche Umstände können auch den Einwand der „besonderen Härte“ begründen!

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BSG v. 20.02.2014 - B 14 AS 10/13 R -:

• unterschreitet der Verkehrswert den Substanzwert, ist das prozentuale Verhältnis zu bestimmen

• feste Grenzen gibt es nach der Rechtsprechung nicht

• ein Verlust von 44% zwischen Rückkaufswert und eingezahlten Beiträgen ist aber jedenfalls offensichtlich unwirtschaftlich

Veräußerung von Aktien idR nicht unwirtschaftlich, das Verluste der Anlageform immanent sind

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eine besondere Härte ergibt sich (nur) dann, wenn

• außergewöhnliche Umständen vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als bei einer einfachen Härte, BSG v. 06.05.2010 - B 14 AS 2/09 R

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BSG v. 30.08.2017 – B 14 AS 30/16 R -:

Verwertung eines Eigenheims mit 110 qm Wohnfläche (angemessen nur 90 qm) stellt besondere Härte dar und ist deshalb nicht geboten, wenn nach längerer Krankheitszeit eine Wiedereingliederung in das noch bestehende Arbeitsverhältnis unmittelbar bevorsteht – Gewährung von Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss, nicht nur als Darlehen!

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keine besondere Härte ohne Hinzutreten weiterer Umstände, wenn das erbberechtigte Kind nach dem Tod des Vaters, der mit der Mutter ein Berliner Testament mit Pflichtteilsstrafklausel errichtet hatte, den Pflichtteil fordern soll. Dass es dann auch im zweiten Erbfall nur den Pflichtteil bekommen würde, sei hinzunehmen, weil es sich um eine bloße Erwerbsaussicht handele, BSG v. 06.10.2010 – B 14 AS 2/09 R

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Eine Erbschaft kann Einkommen oder Vermögen sein:

• BSG v. 28.10.2009 – B 14 AS 62/08 R -

• BSG v. 24.02.2011 – B 14 AS 45/09 R -

• BSG v. 25.01.2012 - B 14 AS 101/11 R

Entscheidend ist die Frage, wann der Erbfall eingetreten ist.

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• die modifizierte Zuflusstheorie ist anzuwenden, ständige Rechtsprechung des BSG seit Urteil v. 30.07.2008 - B 14 AS 26/07 R –; sie besagt:

Einkommen ist grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt.

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• Ist der Erbfall vor dem Leistungsbezug eingetreten und fließen daraus Geldbeträge während des Leistungsbezuges zu, handelt es sich um (die „Versilberung“ von) Vermögen

• ist der Erbfall während des Leistungsbezuges eingetreten, ist der Geldzufluss daraus Einkommen

• das gilt für Erb- und Pflichtteilsansprüche, nicht aber für Erfüllungsansprüche aus einem Vermächtnis. Geldzuflüsse aus einem Vermächtnis sind immer Einkommen!

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Faustregel für (zu erwartende) Geldzuflüsse:

• Geringe Beträge – Zuordnung zum Vermögen günstiger.

• Höhere Beträge – Zuordnung zum Einkommen günstiger.

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• Abmelden aus dem Leistungsbezug ist rechtlich belanglos, wenn die Hilfebedarf nur durch den teilweisen Verbrauch des Geldes gedeckt wird; das empfangene Geld behält seinen Charakter als Einkommen und wird bei der erneuten Antragstellung wieder angerechnet, BSG v. 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R-Rz. 27: keine Veränderung des „Aggregatzustandes“

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• wenn ein Geldzufluss erwartet wird, sollten erstmalige Leistungen grundsätzlich erst danach beantragt werden – dann Vermögen!

• Achtung: § 37 Abs. 2 Satz SGB II fingiert die Rückwirkung der Antragstellung auf den Monatsersten!, §§ 31, 34 SGB II nicht einschlägig

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• wird von Folgeantrag abgesehen, um Geldzufluss abzuwarten: unzulässiger Verzicht gem. § 46 Abs. 2 SGB I (Umgehungsverbot); Einkommensanrechnung wird nicht verhindert

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Nur Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen = reale Überwindung der Hilfebedürftigkeit! führt zu einer Zäsur; etwa dann noch vorhandenes Geld aus der Erbschaft gilt bei erneuter Antragstellung als Vermögen!

BSG v. 08.05.2019 – B 14 AS 15/18 R mit gutem Überblick über die bisherige BSG-Rspr. !

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

• § 33 SGB II stellt den Nachrang der Sozialleistungen für den Fall wieder her, dass der Bedürftige Ansprüche gegen Dritte hat.

• § 33 Abs. 2 SGB II regelt speziell die Besonderheiten des Anspruchsüberganges bei Unterhaltsansprüchen.

• Der Übergang von Unterhaltsansprüchen stellt den häufigsten praktischen Anwendungsfall dar

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Voraussetzungen:

• wenn Leistungen der Grundsicherung tatsächlich erbracht worden sind, d.h. im Normalfall überwiesen wurden. Die Leistungsbewilligung durch Bescheid reicht nicht aus.

• Leistung nur darlehensweise kein Anspruchsübergang (vgl. Fachliche Weisungen der BA zu § 33 SGB II Ziff. 33.13).

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

weitere Voraussetzungen beim Übergang von Unterhaltsansprüchen:

• die Nichtzahlung von Unterhalt muss für den Eintritt der Hilfebedürftigkeit kausal sein

• Unterhaltspflichten und Bedürftigkeit des Leistungsempfängers müssen zeitlich deckungsgleich sein

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

• Wird die Leistung aufgrund einer vorläufigen Bewilligung gem. § 41a SGB II erbracht, reicht dies für den Anspruchsübergang aus.; Bezifferung erst später möglich

• Die Leistungsgewährung muss rechtmäßig gewesen sein; im Falle rechtwidriger Leistungsbewilligung hat das JC die Möglichkeiten der Korrektur nach §§ 44 ff. SGB X

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Beispiel:

A lebt getrennt, kann krankheitsbedingt nicht vollschichtig arbeiten. Ehevertrag, in dem beide Ehegatten für den Fall ihrer Scheidung wechselseitig einen Verzicht auf Unterhalt nach der Scheidung vereinbart haben. Während der Trennungszeit kommt der Ehemann seiner Verpflichtung auf Zahlung von Trennungsunterhalt nicht vollständig nach, so dass A ergänzend Leistungen nach dem SGB II beantragen muss. Als die Ehe rechtskräftig geschieden wird, steht A immer noch im Leistungsbezug. Es ist ein Unterhaltsrückstand von 2.500 € aufgelaufen.

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Lösung:

• Der Anspruch der A auf Trennungsunterhalt ist nur für die Zeiträume vor rechtskräftiger Scheidung und nur in Höhe der in diesen Zeiträumen erbrachten Leistungen auf den Grundsicherungsträger übergegangen.

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Kein Anspruchsübergang gem. § 33 Abs. 2 SGB II:

• soweit laufende Unterhaltszahlungen erbracht werden (§ 33 Abs. 2 Satz 2 SGB II)

• bei Bestehen von Unterhaltsansprüchen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft (§ 33 Abs. 2 Nr.1 SGB II)

• Unterhaltsansprüche des schwangeren Kindes oder des Kindes, das ein eigenes Kind bis zu 6 Jahren betreut, gegen seine Eltern (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 SGB II)

• sonstige – nicht geltend gemachte! – Unterhaltsansprüche gegen Verwandte (§ 33 II Nr.2 SGB II),

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

• Im Rahmen des Anspruchsüberganges gem. § 33 SGB II ist eine sozialrechtliche Vergleichsberechnung durchzuführen, § 33 Abs. 2 Satz 3 SGB II

• der Unterhaltspflichtige soll jedenfalls nicht schlechter gestellt werden soll, als er als Leistungsberechtigter nach dem SGB II gestellt wäre

• Das kann dazu führen, dass zivilrechtlich ein Unterhaltsanspruch besteht, der aber nicht auf den Leistungsträger übergeht.

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Beispiel:

• Der unterhaltspflichtige Vater bezieht selbst Leistungen nach dem SGB II und wird daher vom JC als nicht leistungsfähig angesehen für den Unterhalt seines minderjährigen Kindes, das ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezieht

• Unterhaltsrechtlich besteht eine Obliegenheitsverletzung, so dass dem Vater fiktives Einkommen unterstellt wird, aus dem Mindestunterhalt gezahlt werden kann; im Sozialrecht gibt es hingegen die Anrechnung fiktiver Einkünfte nicht!

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Umstritten war, ob die Gewährung von Leistungen an das Kind dann zu dessen Bedarfsdeckung führt, so dass der Unterhaltsanspruch entfällt, oder ob das Kind sowohl Leistungen nach dem SGB II als auch Unterhalt zeitgleich beziehen könnte

Sozialleistungen grds. nicht bedarfsdeckend: BGH FamRZ 2015, 1467 = NJW 2015, 2655; es kann jedoch im Einzelfall sowohl für den laufenden Unterhalt als auch für Rückstände der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB erhoben werden

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• keine Einwand der unbilligen Härte wie in § 94 SGB XII!

• nur: Verwirkung gem. §§ 1611, 1579, 1361 Abs. 3 BGB

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Auskunftsansprüche:

Der Leistungsträger kann sowohl

• die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche geltend machen, §§ 1580, 17605 BGB

• als auch den öffentlich-rechtlichen gem. § 60 SGB II; diesen kann er mit Mitteln des ö-r Zwanges durchsetzen!

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Durchsetzung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs:

• für die Vergangenheit nur, wenn entweder die Verzugsvoraussetzungen nach bürgerlichem Recht vorliegen, §§ 1585 b, 1613 BGB oder ab dem Zeitpunkt, zu dem eine Mitteilung an den Verpflichteten ergangen ist, dass an den Berechtigten Leistungen nach dem SGB II erbracht werden. § 33 Abs. 3 SGB II

• Der Unterhaltspflichtige muss schriftlich von der Hilfegewährung unterrichtet werden; Mitteilung ist zugangsbedürftig, muss aber nicht förmlich zugestellt werden Rechtswahrungsanzeige

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Rechtswahrungsanzeige nicht mit Überleitungsanzeige gem. § 93 SGB XII verwechseln!

• sie ist kein VA keine Widerspruch möglich u. nötig!

• sie ist nicht konstitutiv, das ist nur der Anspruchsübergang kraft Gesetzes

• sie ersetzt das (zivilrechtliche) Inverzugsetzen

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Der Leistungsträger kann

• den Unterhaltsanspruch selbst geltend machen, auch für die Zukunft, sofern weitere Leistungsgewährung zu erwarten ist

• er kann den Anspruch aber auch auf den Unterhaltsberechtigten zurückübertragen, damit dieser ihn selbst geltend macht; dies geschieht in der Regel in einer sog. „Rückübertragungs- und Abtretungsvereinbarung“ nach Auftragsrecht

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• im Falle der Rückübertragung muss der Leistungsträger die Kosten (anteilig) tragen; es besteht ein Anspruch des Leistungsempfängers auf Kostenvorschuss; VKH ist nur für noch nicht übergegangene Unterhaltsansprüche möglich

• die Rückübertragung ist bedingungsfeindlich und darf nicht mit der Bedingung verknüpft werden, dass für Vergleiche die vorherige Zustimmung des JC einzuholen ist

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

Beispiel für die Formulierung des Antrages in sog. Mischfällen:

Im Dezember 2018 fordert die langfristig arbeitsunfähig erkrankte Antragstellerin F von ihrem getrennt lebenden Ehemann M ab 1.12.2018 monatlich 900,– EUR Unterhalt. Ab 20.2.2019 erhält sie monatlich 600,– EUR Leistungen nach dem SGB II. Am 1.4.2019 wird M ihr gerichtlicher Unterhaltsantrag über monatlich 900,– EUR ab 1.12.2018 zugestellt.

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SGB II ANSPRUCHSÜBERGANG

In der mündlichen Verhandlung vom 10.5.2019 muss sie – unter Rücknahme ihres für den Unterhaltszeitraum 20.2. bis 31.5.2019 weitergehenden Antrags auf Zahlung an sie - beantragen: den Antragsgegner zu verpflichten,

1. an sie für den Zeitraum 01.12. 2018 bis 19.02.2019

mtl. 900 €, für den Zeitraum 20.02.2019 bis 31.05.2019

mtl. 300 € und ab 01.06.2019 mtl. 900 € sowie

2. an den SH-Träger für den Zeitraum 01.04. bis

31.05.2019 mtl. 600 € zu zahlen.

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

§ 34 SGB II:

…grob fahrlässig die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für sich oder andere Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft verursacht hat…

Beispiel: BSG v. 08.02.2017 - B 14 3/16 R - :

Kläger weigerte sich, für den Entleiher weiter zu arbeiten, da er nicht als Schweißer eingesetzt wurde, daraufhin Kündigung durch die Zeitarbeitsfirma; Kläger bekommt Sanktion gem. § 31 SGB II iHv. 30 % Leistungskürzung; später werden von ihm und seiner Ehefrau 7.521 € gem. § 34 SGB II zurückgefordert

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

BSG:

1.Eine bereits festgestellte Pflichtverletzung und Minderung des Arbeitslosengeldes II nach §§ 31 ff. SGB II entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber der Geltendmachung eines Ersatzanspruchs wegen sozialwidrigen Verhaltens nach § 34 SGB II aF.

2. Die Hilfebedürftigkeit der Bedarsfsgemeinschaft ist durch das Verhalten des Klägers nicht herbeigeführt, sondern nur aufrechterhalten worden.

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

§ 34 SGB II idF ab 01.08.2016:

„Als Herbeiführung gilt auch, wenn die Hilfebedürftigkeit erhöht, aufrechterhalten oder nicht verringert wurde…

weitere Voraussetzungen:

• qualifiziertes Verschulden (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit)

• Sozialwidrigkeit (Überschrift!)

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

BSG v. 02.11.2012 – B 4 AS 39/12 R:

Kläger wurde in 10/2004 wg. räuberischen Diebstahls, Körperverletzung und vers. Vergewaltigung zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Wegen des dringenden Verdachts einer erneuten Belästigung der Geschädigten kam er vom 17.01.2005 bis 18.03.2005 in U-Haft. Seine Ehefrau und seine Tochter erhielten in dieser Zeit Leistungen nach dem SGB II; vom Kl. wurden rd. 1.500 € zurückgefordert. Beim SG hatte er Erfolg; das LSG hob das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Mit seiner Revision hatte der Kl. Erfolg.

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

BSG:

• Kl. bildet mit Ehefrau und Tochter eine Bedarfsgemeinschaft, da trotz räumlicher Trennung durch die Haft kein Trennungswille

• es liegt jedoch keine sozialwidriges Verhalten vor

• § 34 ist als Ausnahmetatbestand von dem Grundsatz, dass existenzsichernde Leistungen als Zuschuss gewährt und nicht zurückgefordert werden, restriktiv auszulegen

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

• Das konkret vorgeworfene Verhalten muss nach den Wertungen des SGB II sozialwidrig sein.

• richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles

• es bedarf eines spezifischen Bezuges zwischen dem Verhalten selbst und dem dadurch herbeigeführten Erfolg

• Verhalten des Klägers moralisch verwerflich, aber es handelte sich „nicht um ein solches, das in seiner Handlungstendenz auf die Einschränkung bzw. den Wegfall der Erwerbsfähigkeit oder -möglichkeit bzw. die Herbeiführung von Bedürftigkeit gerichtet war oder hiermit in innerem Zusammenhang stand“

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

LSG Berlin-Brandenburg Beschluss v. 10.07.2007 - L 5 B 410/07 AS ER:

Investition des Vermögens von 80.000 € in den Erwerb einer ETW

• dadurch zwar Hilfebedürftigkeit herbeigeführt

• jedoch sozialadäquates Verhalten

• Unterkunftskosten geringer als vorher

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

• der Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages trotz Hilfebedürftigkeit stellt kein sozialwidriges Verhalten dar, da der BGH entschieden hat, dass ein solcher Vertrag wegen der „negativen Erbfreiheit“ nicht sittenwidrig sei:

BGH v. 19.01.2011 – IV ZR 7/10 –

• Ist der Pflichtteilsanspruch allerdings entstanden, muss er auch geltend gemacht werden (gem. § 33 SGB II geht er ohnehin in Höhe der gewährten Leistungen auf das JC über)

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

Gem. § 34 Abs. 2 SGB II geht die Ersatzpflicht auf die Erben über = unselbständige Erbenhaftung

• Grenze: Höhe des Nachlasses, Zeitpunkt § 2311 BGB

• Ersatzanspruch muss bereits zu Lebzeiten des Erblassers geltend gemacht worden sein (Leistungsbescheid)

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

• § 34 Abs. 1 Satz 6 SGB II: Härteregelung

• teilweises oder völliges Absehen vom Geltendmachen des Ersatzanspruchs ist möglich

• Eingliederung des Betroffenen in Arbeit ist vorrangig

• zur Prüfung von Härtegesichtspunkten ist Anhörung gem. § 24 SGB X durchzuführen

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

§ 34 a SGB II:

… ersatzpflichtig ist auch derjenige, der eine unrechtmäßige Leistungsgewährung an Dritte verursacht hat….

Der Empfänger der rechtswidrigen Leistungen ist gem. § 50 SGB X iVm §§ 44 SGB X erstattungspflichtig

Rückforderung jedoch nicht möglich gegen Leistungsempfänger, die vertreten worden sind § 38 SGB II und keine Kenntnis von den Umständen hatten

Beispiele s. Skript S. 31

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

Erstattungsanspruch bei Doppelleistungen

mit dem 9. SGB II-Änderungsgesetz mit Wirkung zum 01.08.2016 als § 34b SGB II neu eingefügt als Auffangtatbestand:

• Leistungsgewährung war rechtmäßig

• ein anderer Sozialleistungsträger (z.B. RV, KV) hat für denselben Zeitraum geleistet, ohne das JC Erstattungsanspruch angemeldet hat, § 40a SGB II, 104 SGB X

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SGB II ERSATZANSPRÜCHE

§ 34c SGB II: Erstattungsanspruch bei vorrangiger Leistungspflicht Dritter

Die alleinerziehende Mutter bekommt aufgrund eines Burn-Out-Syndroms von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit nachträglich bewilligt. Die monatliche Rente ist höher als der Bedarf der Mutter nach dem SGB II. Das Jobcenter kann über § 104 SGB X nur eine Erstattung der Leistungen von der DRV Bund verlangen, die sie für die Mutter erbracht hat. Denn in Hinblick auf die Leistungen, die für das Kind erbracht worden sind, besteht keine Personenidentität.

Diese Lücke füllt die Vorschrift des § 34 c SGB II, indem der Ersatzanspruch auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erstreckt wird

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SGB XII VERMÖGEN

• Es gilt die normative Zuflusstheorie

• Vermögen aller Mitglieder der Einsatzgemeinschaft ist heranzuziehen

• z. B. § 27 Abs. 2 SGB XII: Ehepartner, Lebenspartner, Eltern für Kinder (nicht umgekehrt!)

• Besserstellungsverbot, § 20 SGB XII für nichteheliche Lebensgemeinschaft

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SGB XII VERMÖGEN

BSG v. 28.08.2018 – B 8 SO 1/17 R:

Streitig war die Frage, inwieweit das aus seinem Erwerbseinkommen angesparte Vermögen eines schwerstbehinderten Lehrers im Rahmen der Eingliederungshilfe, die er beanspruchte, einzusetzen bzw. verschont war. Nebenbei spielte auch das Prinzip der bereiten Mittel eine Rolle:

„Soweit der Leistungsberechtigte das Vermögen aber im laufenden Rechtsstreit durch die Tilgung von nach der Leistungsablehnung deswegen eingegangenen Schulden aufbraucht, kann es für die Zeiträume nach einem solchen Verbrauch nicht mehr als bereites Mittel eingesetzt werden.“

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SGB XII VERMÖGEN

• Beweislast dafür, dass kein Vermögen (mehr) vorhanden ist, liegt bei Hilfebedürftigen

• siehe LSG NRW v. 18.02.2016 - L 9 SO 128/14 -; Revision anhängig beim BSG - B 8 SO 27/16 R : Betreuerin kann nicht beweisen, wo das Vermögen von 12.000 € geblieben ist, dass der alkoholkranke und nicht kooperative Ehemann für seine im Pflegeheim lebende Ehefrau nicht eingesetzt hat

• § 19 Abs. 5 SGB XII !

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SGB XII VERMÖGEN

Schonvermögen, § 90 Abs 2 SGB XII:

Nr. 8: angemessenes Hausgrundstück, das vom Hilfebedürftigen oder einem Mitglied seiner Einstandsgemeinschaft nebst Angehörigen bewohnt wird; über den Wortlaut hinaus auch ETW, Wohnungsrecht, § 1093 BGB, Dauerwohnrecht/Erbbaurecht, § 31 WEG: BSG v. 24.03.2015 – B 8 SO 12/14 R -

Nr. 9: kleinere Barbeträge, sog. „Notgroschen“

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SGB XII VERMÖGEN

§ 90 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 SGB XII:

anders als im SGB II gilt hier die Kombinationstheorie

grds. müssen alle Kriterien angemessen sein, jedoch Gesamtabwägung erforderlich, BSG v. 09.12.2016 – B 8 SO 15/15 R; weichen ein oder zwei Kriterien ab, muss begründet werden, warum diese die anderen, angemessenen verdrängen

Schutzzweck: Erfüllung des Grundbedürfnisses „Wohnen“ als räumlicher Lebensmittelpunkt, um dem Hilfebedürftigen „das Dach über dem Kopf“ zu erhalten, nicht der Vermögenswert der Immobilie als solcher.

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SGB XII VERMÖGEN

• Ist nur einer der Bewohner leistungsberechtigt, ist dennoch auf die Gesamtwohnfläche abzustellen, nicht nur auf die von ihr allein genutzte Fläche, LSG NRW Urteil v. 05.05.2014 - L 20 SO 58/13 -

• Wert des Hausgrundstücks = Verkehrswert Belastungen haben (zunächst) außer Betracht zu bleiben. Sie werden erst im Rahmen der Frage relevant, ob das Grundstück verwertbar ist.

• ein Wohnrecht mindert den Verkehrswert

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SGB XII VERMÖGEN

• selbst genutzt:

BSG Urteil v. 20.09.2012 - B 8 SO 13/11 R: ETW in Ankara ist nicht selbst genutzt, wenn der Lebensmittelpunkt in Deutschland bleibt

anders evtl., wenn die Mietwohnung in Deutschland aufgegeben wird, der Ehemann der Im deutschen Pflegeheim lebenden Ehefrau dauerhaft in seine ETW in Ankara zieht,

BSG v. 06.12.2018 - B 8 SO 2/17 R: ist dies zunächst streitig und verwertet der Ehegatte das Vermögen nicht, muss SH-Träger gem. § 19 Abs. 5 SGB XII vorgehen, sog. erweiterte Sozialhilfe!

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SGB XII VERMÖGEN

• § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII : Verschonung kleinerer Barbeträge, um völlige Mittellosigkeit des Bedürftigen zu vermeiden

• Die Höhe der freizulassenden Beträge: in der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr.9 SGB XII in der Fassung vom 22.03.2017 mit Wirkung zum 01.04.2017 neu geregelt (nicht mehr nach Hilfeart differenziert):

• 5.000 € für jede volljährige Person, für Ehepartner also 10.000 €, für jedes in der Einstandsgemeinschaft lebende Kind 500 €, im Einzelfall auch höhere Beträge möglich!

• gilt auch bei PKH/VKH!

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SGB XII VERMÖGEN

• BSG v. 28.08.2018 – B 8 SO 1/17 R :

beamteter Studienrat, in Vollzeit beschäftigt, wegen einer Schwerbehinderung auf einen Rollstuhl und die Unterstützung durch Pflege- und Assistenzkräfte rund um die Uhr angewiesen, monatliche Eingliederungshilfe 9.600 € Freibetrag wie bei einem Leistungsbezieher nach dem SGB II zugebilligt. Der Sozialhilfeträger wollte ihm nur 2.600 € (Freibetrag nach altem Recht) belassen.

Ergebnis BSG: Kläger 49 Jahre alt, § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II iVm § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II analog: Freibetrag 8.100 €.

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SGB XII VERMÖGEN

§ 90 Abs. 3 SGB XII: Härteregelung: Ausnahmetatbestand! Es sollen atypische Fallkonstellationen aufgefangen werden können

Eine Härte liegt danach vor, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalles, wie z. B. die Art, Schwere und Dauer der Hilfe, das Alter, der Familienstand oder die sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zu einer besonderen Situation wird, weil die soziale Stellung des Hilfenachfragenden insbesondere wegen einer Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist, BSG v. 25.08.2011 - B 8 SO 19/10 R -: Einsatz einer Lebensversicherung eines Erwerbsgeminderten bei Leistungen gem. §§ 41 ff. SGB XII

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SGB XII VERMÖGEN

Sonderfall Stromkostenerstattung (Sparleistung des Hilfebedürftigen)

• kein Einkommen gem. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, deshalb Vermögen!

• von der Verwertung als Härtefall verschont? LSG München v. 21.11.2014 - L 8 SO 5/14 : Der Einsatz von aus Leistung der Grundsicherung angespartem Vermögen ist nicht als Härte iSd § 90 Abs. 3 SGB XII anzusehen. (amtlicher Leitsatz), a. A. Geiger in LPK-SGB XII § 90 Rdnr. 91

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SGB XII VERMÖGEN

Ist das grds. einzusetzende Vermögen nicht sofort verwertbar, kommt Darlehensgewährung in Betracht (Soll-Vorschrift!), § 91 SGB XII

• durch Verwaltungsakt (§§ 31 ff. SGB X), wenn der Hilfebedürftige zuvor zugestimmt hatte

• oder durch Darlehensvertrag, der ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist (§§ 53 ff. SGB X),

• Der Träger der Sozialhilfe kann Sicherheit verlangen, z.B. durch Eintragung einer Grundschuld oder einer Hypothek auf einem nicht sofort verwertbaren Grundstück…

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SGB XII VERMÖGEN

…jedoch keine Verzinsung, weil es dafür an der gem. § 31 SGB I notwendigen gesetzlichen Regelung fehlt, BSG v. 27.05.2014 - B 8 SO 1/13 R -

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SGB XII ÜBERLEITUNG

Die Überleitung von Ansprüchen gem. § 93 SGB XII:

• privatrechtsgestaltender VA, der mit dem Widerspruch angegriffen werden kann

• Bestimmtheit gem. § 33 SGB X

• Ermessenausübung muss deutlich gemacht werden

• übergeleiteter Anspruch muss geeignet sein, die Hilfebedürftigkeit zu vermeiden, daher Freibeträge beachten!

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SGB XII ÜBERLEITUNG

Rechtsfolgen der Überleitung:

• Gläubigerwechsel

• Nebenrechte gehen mit über, z.B. Anpassung einer Leibrente nach einer Wertsicherungsklausel

• sind Rückstände eingetreten, die vor der Überleitung fällig waren, kann auch die Erfüllung der Rückstände verlangt werden

• Verzicht nach Überleitung nicht mehr möglich, Verzicht vor Überleitung trotz Hilfebedürftigkeit sittenwidrig!

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SGB XII ÜBERLEITUNG

• Formelle und materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen Skript S. 45!

• Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung

• Antrag auf eA bei ernsthaften Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Überleitung?

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SGB XII ÜBERLEITUNG

Problem: Negativevidenz:

es gelten die Grundsätze der Rechtsprechung zum Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII und zum Auskunftsanspruch gem. § 117 SGB XII:

Eine Überleitung ist nur ausgeschlossen, wenn der Anspruch offensichtlich nicht besteht, BSG v. 25.04.2013 – B 8 SO 104/12 B; die Sozialgerichte sollen nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen rechtswegfremder Ansprüche entscheiden müssen

Rechtsmittel gegen Überleitung in den meisten Fällen nicht sinnvoll!

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

§ 94 SGB XII: gesetzlicher Forderungsübergang, Voraussetzungen:

• Unterhaltspflicht dem Grunde nach besteht; Übergang nur in der Höhe, in der eine Unterhaltspflicht besteht,

• der Sozialhilfeträger Leistungen erbracht hat, Rechtmäßigkeit nicht Voraussetzung

• die ausgebliebene Unterhaltszahlung kausal war für den Eintritt der Hilfebedürftigkeit,

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

• Unterhaltsanspruch und Sozialhilfeleistung in sachlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht kongruent

und

• der Anspruchsübergang auf den Sozialhilfeträger nicht ausnahmsweise ausgeschlossen oder beschränkt ist.

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

Bestehen des Unterhaltsanspruchs richtet sich ausschließlich nach Zivilrecht!

Der Vater in einem Pflegeheim untergebracht und benötigt Hilfe zur Pflege gem. §§ 61 ff. SGB XII. Sein Einkommen wird sozialhilferechtlich zunächst mit dem Bedarf der Ehefrau verrechnet und nur dem überschüssigen Restbetrag für seinen eigenen Bedarf (vgl. § 92a SGB XII – sog. Eigenanteil). Unterhaltsbedürftigkeit und damit ein Unterhaltsanspruch gegenüber einem erwachsenen Kind sind nicht gegeben, wenn das gesamte eigene Einkommen des Vaters dessen Bedarf deckt. BGH vom 07.07.2004 - XII ZR 272/02 - FamRZ 2004, 1370

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

Beispiele fehlender Kongruenz:

• SH-Träger übernimmt Beiträge für eine angemessene Alterssicherung des Hilfebedürftigen; Kinder schulden ihren Eltern aber keinen Altersvorsorgeunterhalt!

• Sozialhilfe und Unterhaltsanspruch müssen zeitlich, also monatlich, deckungsgleich sein;

• berühmtes Gegenbeispiel: BVerfG v. 07.06.2005 – 1 BvR 1508/96 – FamRZ 2005, 1051 = NJW 2005, 1927

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

Ausschlusstatbestände:

• Unterhaltsverzicht – wirksam ?!

• laufende Unterhaltszahlung

• Unterhaltsanspruch des schwangeren oder ein eigenes Kind bis zu 6 Jahren betreuenden Kindes gegen seine Eltern

• nicht gegenüber Enkeln!

• Kein Übergang bei GruSi-Leistungen, § 43 Abs. 5 SGB XII, wenn Einkommen der Eltern oder des erw. Kindes jährlich 100.000 € brutto nicht übersteigt

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

Unterhaltspflichten des „armen“ und des „reichen“ Kindes:

keine Anspruchsübergang?

1934 geborene Witwe, die in ihrem eigenen Haushalt lebte. Ihr nicht gedeckter Bedarf lag zwischen 647 € und 756 € monatlich. Der eine Sohn verdiente 76.500 € brutto im Jahr, der andere 150.000 €. Der SH-Träger hatte die Unterhaltsansprüche auf die Mutter rückübertragen. Diese nahm beide Söhne im Verhältnis ihrer Einkünfte auf Unterhalt in Anspruch. Dagegen wehrte sich der „arme“ Sohn. Das AG wies den Unterhaltsantrag ab. Beschwerde und Rechtbeschwerde der Mutter blieben erfolglos.

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

BGH v. 08.07.2015 - XII ZB 56/14 – FamRZ 2015, 1467:

• wenn nur ein Unterhaltspflichtiger mehr als 100.000 € Einkommen hat, entfällt der – bedarfsdeckende – Anspruch auf GruSi-Leistungen

• Mutter kann nur HzL in Anspruch nehmen; Unterhaltsansprüche gehen somit auf den SH-Träger über

• jedoch wg. unbilliger Härte, § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII, kein Anspruchsübergang zulasten des „armen“ Sohnes

• Unterhaltsanspruch der Mutter besteht zwar; zivilrechtlich kann sich der „arme“ Sohn auf § 242 BGB berufen

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

Schuldnerschutzklauseln:

• pauschalierter Anspruchsübergang bei volljährigen behinderten Kindern, dynamischer Anstieg mit den Steigerungen des Kindergeldes

• kein Anspruchsübergang bei Eintritt von Sozialleistungsbedürftigkeit des Unterhaltspflichtigen (sozialrechtliche Vergleichsberechnung)

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

Unbillige Härte:

• zuvor prüfen: Liegt ein Verwirkungstatbestand vor? Tatbestände des § 1611 BGB setzen schuldhaftes Handeln voraus (idR ausgeschlossen bei krankheitsbedingtem Verhalten)

• Bei der Härtefallprüfung ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen, daneben sind die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe zu beachten

• Es muss aber hinzukommen, dass aus der Sicht des Sozialhilferechts durch den Anspruchsübergang soziale Belange berührt werden

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SGB XII UNTERHALTSREGRESS

BGH v. 21.04.2004 – XII ZR 251/01 – FamRZ 2004, 1097 -: „Kriegskindentscheidung“

Tochter wurde für ihren Vater, einen ehemaligen Wehrmachts-soldaten, zu Unterhalt herangezogen, der als psychisch kranker Mann aus dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt war und zu seiner Tochter keinerlei Beziehung mehr aufbauen konnte, vielmehr sein weiteres Leben überwiegend in psychiatrischen Einrichtungen verbringen musste. Besondere sozialen Belange: Die Beeinträch-tigungen des Vaters beruhten auf seinem Einsatz als Wehrmachts-soldat, er hatte also seine Gesundheit im Dienste für seinen Staat geopfert hatte; daher nicht unangemessen, dass der Staat nunmehr für die Pflegekosten ohne Rückgriff auf die Tochter aufkommen muss.

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SGB XII KOSTENERSATZ

Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Leistungen der Sozialhilfe für sich oder andere herbeigeführt hat, ist zum Ersatz verpflichtet § 103 Abs. 1 SGB XII.

es muss ein sozialwidriges Verhalten vorliegen!

Die Ersatzpflicht betrifft die Erstattung rechtmäßiger Leistungen.

siehe hierzu BSG v. 08.02.2017 – B 14 AS 3/16 R!

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SGB XII KOSTENERSATZ

Ersatzpflichtig ist auch, wer die Rechtswidrigkeit der Leistungsgewährung kannte oder aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht kannte, § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB XII

Adressat sind der Leistungsberechtigte selbst oder sein Vertreter, z.B. die Eltern minderjähriger Kinder

Abgrenzung zu § 104 SGB XII: dort muss der Ersatzpflichtige die Leistungsgewährung herbeigeführt haben,

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SGB XII KOSTENERSATZ

Zur Erinnerung:

Grobe Fahrlässigkeit, die eine besonders schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erfordert, liegt vor, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten würde, wenn also schon einfache, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden.

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SGB XII KOSTENERSATZ

• von der Heranziehung gem. § 103 Abs. 1 Satz 3 SGB XII kann aus Härtegründen abgesehen werden

• unselbständige Erbenhaftung gem. § 103 Abs. 2 SGB XII, Erlöschen des Anspruchs in drei Jahren (statt vier Jahren).

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SGB XII KOSTENERSATZ

Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen, § 104 SGB XII:

• Leistungsbescheid muss aufgehoben sein

• schuldhaftes Herbeiführen, Sozialwidrigkeit

• Erbenhaftung, Erlöschen und Härteklausel analog § 103 SGB XII

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SGB XII KOSTENERSATZ

Kostenersatz bei Doppelleistungen, § 105 SGB XII:

Erstattung der Leistungen, wenn ein vorrangig Leistungsverpflichteter Leistungen erbracht hat und der SH-Träger davon nichts wusste und deshalb seinen Erstattungsanspruch gem. § 104 SGB X nicht geltend machen konnte,

Beispiel s. Skript S. 58

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SGB XII ERBENHAFTUNG

§ 102 Abs. 1 SGB XII:

• Die Sozialhilfeaufwendungen der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall können von den Erben des verstorbenen Hilfeempfängers erstattet verlangt werden.

• Der Ersatzanspruch begründet eine selbständige Erbenhaftung

• maßgeblich ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalles § 102 Abs. 2 SGB XII.

• Der Anspruch erlischt nach Ablauf von drei Jahren nach Eintritt des Erbfalles, § 102 Abs.4 SGB XII.

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SGB XII ERBENHAFTUNG

Freibeträge:

• Stets vom Nachlassvermögen abzuziehen ist das Dreifache des Grundbetrages nach § 85 Abs. 1 SGB XII. Grundbetrag ist das Zweifache des Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 1. Damit ergibt sich für 2019 das Dreifache von 848 €, mithin 2.544 €.

• zusätzlicher Freibetrag: 15.340 € für Pflege durch Ehegatten oder Verwandten in häuslicher Gemeinschaft

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SGB XII ERBENHAFTUNG

Härtefall: nur in atypischen Fallkonstellationen!

Härtefall verneint:

• BSG v. 27.02.2019 - B 8 SO 15/17 R: Verwertung des geerbten Miteigentumsanteils an einem zu Lebzeiten des Erblassers verschonten Hausgrundstück

• BGH Beschluss v. 27.08.2014 - XII ZB 133/12 – zum Einsatz des Vermögens für die Betreuervergütung, wenn der Hilfebedürftige/Erblasser zu Lebzeiten seiner Lebensgefährtin ein lebenslanges Wohnungsrecht vermacht hat – Vermächtnisse sind nicht vorab abziehbar!

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