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BERICHTE Sport -- Planen, Durchffihren, Auswerten I0. ADL-Kongre~ yore 1.--4. Mai 1986 in Kiel Was bereits Aaiswoa'v~Es fiir jede geistige T~itlgkeit mit seinem ,Ternar ~ und viele P~idagogen yon Hv_a~aw iiber Kva~sem~N- sa'gmrm bis RowH mit der Artikulation des Unterridats gemeint hattert, n~imlich die Dreiteilung des Erkenntnisprozesses in eine Phase des Aufnehmens, des Verarbeitens und des Anwendens, das gilt auda fiir Sport und besonders fiir Sportunterricht. Fiir die Sportlehrer, Hochschullehrer und L~bungsleiter, die fiir Sport und Sport- unterficht verantwortlich sind, besteht die- ser Dreischritt aus Planung, Durchfiihrung und Auswertung -- also ein ideales Kon- grefthema sowohl fiir diejenigen, die Un- terricht in der Regel haupts~ichlich durcb- fiihren, gern etwas genauer planen und auch etwas yon seinen Wirkungert erfiih- ren, als auch fiir diejenigen, die normaler- weise gar nicht unterrichten, aber sich wis- senschaftlich-theoretisch mit der Planung und Auswertung yon Unterricht besda~ifti- gen. Das Thema versprach deshalb interessante und -- so die Hoffnung der Veranstalter -- auch zukunftsweisende Impulse fiir die Theorie und Praxis des Sports. Dies gait besonders fiir den Teil ,Auswertung" neudeutsch: Evaluation --, der einen Schwerpunkt des Kongresses bilden sollte. Auf diesem Gebiet besteht in der Sportwis- senschaft und speziell in der Sportpiidago- gik der Bundesrepublik aus Griinden, die in der Gesdaichte der P~idagogik und der Leibeserziehung in Deutschland zu suchen sind, ein grofer Nachholbedarf. Nidlt ganz zuf~illig hielt deshalb der Schweizer Eva- luationsexperte K. Ec.orm das Einfiihrungs- referat zum Thema ,Auswertung". Die Teilnehmer des Kongresses wurden be- reits langfristig durch eine Sondernummer der Zeitsdarift ,sportunterricht ~ und durch die gesammelten Kurzfassungen der Refe- rate auf das Kongrefthema eingestimmt. Man konnte sich deshalb in aller Ruhe einen genau geplanten privaten Kongref- Stundenplan zusammenstellen. Ein -- m. E. vermeidbares -- Termin- problem iiberschattete jedoch von Anfang art den Kieler Kongrefl. Am gleichen Wochenende fand n/imlich der wegen sei- ner personellen Entscheidungen besonders wichtige Bundestag des DSB in Saar- briicken statt, so daft einige sowohl in Sportwissensohaft als auch Sportselbstver- waltung t~itige Fachleute in Kiel fehlten. Trotzdem reisten am 1. Mai bei strah- lendem Sonnenschein knapp tausend Sportlehrer(innen), -wissenschaftler(innen), -praktiker(innen,) -studenten(innen) und -dozenten(innen) an, um sich zwei Einfiih- rungsreferate, sieben l~bersichtsreferate, 54 Arbeitskreise, 16 Unterrichtsdemonstratio- nen, 48 Kurzreferate, zw~51fPostersessions, fiinf Brennpunktdiskussionen sowie meh- rere Ausstellungen anzuhiSren, anzusehen und zu diskutieren und das umfangreiche Rahmenprogramm des Kongresses mitzuer- leben. Diese imponierende Palette yon Ver- anstaltungen beweist, welches zumindest quantitativ beachtliche Ausmafl die Sport- p/idagogik und Sportwissensdaaft in unse- rem Lande inzwischen angenommen haben. Gr/Sfe und Selbstbewufltsein des Faches zeigten sich schlieflich auch darin, da~ ,wir ~ es offensichtlich nicht mehr n&ig ha- ben -- wie es noch bei friiheren ADL- 209

Sport — Planen, Durchführen, Auswerten

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B E R I C H T E

Sport - - Planen, Durchff ihren, Auswer ten

I0. ADL-Kongre~ yore 1.--4. Mai 1986 in Kiel

Was bereits Aaiswoa'v~Es fiir jede geistige T~itlgkeit mit seinem ,Ternar ~ und viele P~idagogen yon Hv_a~aw iiber Kva~sem~N- sa'gmrm bis RowH mit der Artikulation des Unterridats gemeint hattert, n~imlich die Dreiteilung des Erkenntnisprozesses in eine Phase des Aufnehmens, des Verarbeitens und des Anwendens, das gilt auda fiir Sport und besonders fiir Sportunterricht. Fiir die Sportlehrer, Hochschullehrer und L~bungsleiter, die fiir Sport und Sport- unterficht verantwortlich sind, besteht die- ser Dreischritt aus Planung, Durchfiihrung und Auswertung - - also ein ideales Kon- grefthema sowohl fiir diejenigen, die Un- terricht in der Regel haupts~ichlich durcb- fiihren, gern etwas genauer planen und auch etwas yon seinen Wirkungert erfiih- ren, als auch fiir diejenigen, die normaler- weise gar nicht unterrichten, aber sich wis- senschaftlich-theoretisch mit der Planung und Auswertung yon Unterricht besda~ifti- gen. Das Thema versprach deshalb interessante und - - so die Hoffnung der Veranstalter - - auch zukunftsweisende Impulse fiir die Theorie und Praxis des Sports. Dies gait besonders fiir den Teil ,Auswertung" neudeutsch: Evaluation -- , der einen Schwerpunkt des Kongresses bilden sollte. Auf diesem Gebiet besteht in der Sportwis- senschaft und speziell in der Sportpiidago- gik der Bundesrepublik aus Griinden, die in der Gesdaichte der P~idagogik und der Leibeserziehung in Deutschland zu suchen sind, ein grofer Nachholbedarf. Nidlt ganz zuf~illig hielt deshalb der Schweizer Eva-

luationsexperte K. Ec.orm das Einfiihrungs- referat zum Thema ,Auswertung". Die Teilnehmer des Kongresses wurden be- reits langfristig durch eine Sondernummer der Zeitsdarift ,sportunterricht ~ und durch die gesammelten Kurzfassungen der Refe- rate auf das Kongrefthema eingestimmt. Man konnte sich deshalb in aller Ruhe einen genau geplanten privaten Kongref- Stundenplan zusammenstellen. Ein - - m. E. vermeidbares - - Termin- problem iiberschattete jedoch von Anfang art den Kieler Kongrefl. Am gleichen Wochenende fand n/imlich der wegen sei- ner personellen Entscheidungen besonders wichtige Bundestag des DSB in Saar- briicken statt, so daft einige sowohl in Sportwissensohaft als auch Sportselbstver- waltung t~itige Fachleute in Kiel fehlten. Trotzdem reisten am 1. Mai bei strah- lendem Sonnenschein knapp tausend Sportlehrer(innen), -wissenschaftler(innen), -praktiker(innen,) -studenten(innen) und -dozenten(innen) an, um sich zwei Einfiih- rungsreferate, sieben l~bersichtsreferate, 54 Arbeitskreise, 16 Unterrichtsdemonstratio- nen, 48 Kurzreferate, zw~51f Postersessions, fiinf Brennpunktdiskussionen sowie meh- rere Ausstellungen anzuhiSren, anzusehen und zu diskutieren und das umfangreiche Rahmenprogramm des Kongresses mitzuer- leben. Diese imponierende Palette yon Ver- anstaltungen beweist, welches zumindest quantitativ beachtliche Ausmafl die Sport- p/idagogik und Sportwissensdaaft in unse- rem Lande inzwischen angenommen haben.

Gr/Sfe und Selbstbewufltsein des Faches zeigten sich schlieflich auch darin, da~ ,wir ~ es offensichtlich nicht mehr n&ig ha- ben - - wie es noch bei friiheren ADL-

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Berichte

Kongressen fiblida war --, einen fachfrem- den, aber weithin bekannten P/idagogen oder Wissenschaftler den Einfiihrungsvor- trag halten zu lassen. Die Einffihrungs- und Ubersichtsreferate in Kiel hielten ,reine ~ Sportp/idagogen und Sportwissen- schaftler. Sie sollten in Teilbereiche der Themen Planung und Auswertung einffih- ren; so sprach z. B. H. ALLM~a fiber die Planung in ,verschiedenen Institutionen", S. Ga6ss1~e fiber ,Planungskonzepte" und H. HAASg fiber ,Auswertungskonzep- re% K. Wm~v.a stellte die ,Funktionen der Answertung yon Lehr- und Lernpro- zessen im Sport ~ dar; H. MVCHLINO fragte im Komplex Auswertung nach den ,moto- rischen F/ihigkeiten und sportmotorischen Fertigkeiten ", D. HXC*rFOaT nach ,Kennt- nissen und Einstellungen ~ und J. Bm~- ~LD nach der Auswertung durch ,verschie- dene Personengruppen% Die Einseitigkeit der Kommunikationsrich- tung in den Referaten sollte in den Ar- beitskreisen, die thematisch grob den ent- sprecbenden Uberblicksreferaten zugeord- net wurden, ver~indert werden. Hier bot sidl die M~Sglichkeit, jeweils zwei manchmal etwas lange - - Stunden zu dis- kutieren, eigene Erfahrungen und Meinun- gen auszutauschen oder Protest und Wider- spruch einzulegen. Der Komplex ,Durch- ffihrung" wurde tats~.chlich aud~ praktisch als Unterrichtsstunde vorgeffihrt ~ ohne Theorie, aber mit mehr oder weniger er- schiSpfenden Erl~iuterungen des jeweiligen ,Lehrers% Da es dem einzelnen Kongre~teilnehmer natfirlich unm~glioh war, auch nur einen kleinen Teil des reichhaltigen Angebots wahrzunehmen, soll im folgenden gar nicht auf einzelne Referate oder Arbeitskreise eingegangen werden, die richer bald schrift- lich im Kongret]beri&t vorliegen werden, sondern es sollen drei Problemfelder ge- nannt werden, in die sich die Themen, In-

hake und Diskussionen des Kieler Kon- gresses einordnen lassen.

Das Theorie-Praxis-Problem: Schon lange hat der Sport die Unschuld seiner Praxis verloren, sp~itestens jedoda, seit die Leibes- fibungen mit einer Theorie versehen wur- den, die sich in den letzten Jahren irn Eil- tempo zu den Sportwissensdaaften oder dew Sportwissenschaft entwickelt hat. Das Ver- h~iltnis zwischen Praxis und Theorie/Wis- senschaft im Sport ist seit jeher von Span- nungen, MiRverstiindnissen und falsdaen gegenseitigen Erwartungen gekennzeichnet gewesen: Am Anfang stand die Aufgabe der ,wissenschaftlichen Erforschung aller k~rperlidaen, seelischen, gesellschaftlichen, kurz allgemein menschlidlen Wirkungen yon Spiel und Sport", die jedoch nur ge- lingen ki~nneo .wenn die verschiedenen Wissenschaftstr~iger organisiert zusammen- treten m man mut~ schon sagen, auf dem Sportplatz zusammentreten ", wie C. Dram 1940 in der ,Olympischen Rundschau ~ for- mulierte. Heute tritt man nur noch h&hst selten ~uf dem Sportplatz zus~mmen; mei- stens sitzen die Wissenschaftler - - so lau- ten die (pauschalen) Vorwfirfe der Prak- tiker - - in ihren Sportinstituten und den- ken sich Theorien aus, die die Praktiker gar nicht brauchen und schon gar nicht ha- ben wollen, untersuchen mit umst~indlichen, aber wissenschaftlich gesicherten Methoden Fragen, die der Praktiker ohne weiteres aus der Erfahrung seiner Praxis heraus be- antworten k~nnte, oder machen sich fiber Probleme Gedanken, die sidl auf dem Sportplatz oder in der Turnhalle fiber- haupt nicht oder ganz anders stellen. Auf der anderen Seite erwarten die Praktiker

so lauten die berechtigten Einw~inde der Theoretiker - - ~Wunderdinge" yon der Sport-Wissens&aft: Sie soil ihnen sowohl konkrete Handlungsanweisungen als auch wissenschaftlich gesidlerte Grundlagen lie- fern; sie soll fiir jeden verst~.ndlida sein

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und sich gleichzeitig um die Anerkennung des Sports al's wissenschaftswiirdiger Ge- genstandsbereich bemiJhen; oder sie soil ihren spezifischen und unverwechselbaren Charakter ausbilden, ohne sich den Ideen und Anregungen aus anderen Wissen- schaftsdisziplinen oder den W~inschen und Erwartungen aus der sportlichen Praxis zu verschlletlen. Ein Teil dieser aus der Entwiddung yon Leibeserziehung, Sport und Sportwissen- schaft entstandenen Probleme spiegelte sida auch in Theorie und Praxis des Kieler Kongresses wider. Der ADL mit seinen Tr~igerverb~inden DSLV und DVS verkSr- pert bereits als Organisation das span- nungsrelche Verh~iltnis zwischen den Sport- lerrt/Sportlehrern in Trainingshosen und Turnschuhen und den Sporttheoretikern/ -wissenschaftlern in Ja&etts und (oft auch) Krawatten. Gleichwohl bemiiht rich der ADL seit seinem ersten Kongrd~ 1958 um die fruchtbare Begegnung, die enge Verbin- dung von Theorie und Praxis. Dies war auch das erkl~irte Ziel des diesj~ihrigen (10.) ADL-Kongresses, wie der Pr~isident des ADL, H. HXAG, und zahlreiche andere Redner der EriSffnungsveranstaltung bis hin zu G. HEC~R, der den Einf'fihrungs- vortrag hielt, betonten. In der Planung des Kongresses war diese Absicht daran zu erkennen, daft der Be- reich ,Durchfiihrung* auch tats~ichlich in der Turn-, Schwimm-, Sport- oder Gym- nastikhalle stattfand. Das Angebot an die- sen Unterrichtsvorf'tihrungen war zwar thematisch breit angelegt, erreichte aber bei weitem nicht die Fiille der in den Hi~rs~ilen stattfindenden theoretischen Veranstaltun- gen. Auflerdem konnte nur ~iuflerst selten eine Beziehung zur Theorie oder gar das in den Hauptreferaten vielgenannte enge Wechselverh~iltnis zwischen Planen, Durch- fiihren und Auswerten festgestellt werden. Die demonstrierten Untertichtseinheiten er-

Bericbte

innerten eher an die Lehr- und Schauvor- fiihrtmgen bei Tumfesten oder auf der Gymnaestrada w dies spricht natiirlich nicht gegen sie. Auf der anderen Seite fiel es den Theoreti- kern schwer, ihr Anliegen den Praktikern verstiindtich zu machen. Versuchte man, wie G. HECXER, einen weiten Bogen zu spannen und das enge Zusammenwirken yon Planen, Durchffihren und Auswerten in Abhiingigkeit yon Leitideen und Ziel- vorstellungen darzustellen, so handelte man sich den Vorwurf ein, Altbekanntes und Selbstverstiindliches zu verbreiten. Ging man dagegen in die Tiefe wie K. EAGER im zweiten Hauptreferat des Kon- gresses iiber ,Reichweite und Grenzen der sportunterrichtlichen Evaluation ~, so sah man die versammelten Praktiker schon kurz nach der Einleitung den Kugelschrd- ber aufs Pult legen und rich wundern, was denn das noch mit ihrem Sportunterricht zu tun haben k/Snnte. Eccrm hatte denn auch in weiser Voraussicht dieser Schwierig- keit darauf hingewiesen, daft seine For- schungen zur Evaluation weder einen di- rekten praktischen Nutzen h~itten noch zur Verwissenschaftlichung der sportlichen Pra- xis fiihren sollten, sondern ,lediglich ~ einen Beitrag zur notwendigen Verbreiterung des wissenschaftlichen Fundaments yon Unter- richt leisteten. Trotzdem erhielt die tradi- tionelle Wissenschafts- und Empiriefeind- lichkeit mancher Sportpraktiker gerade bei Eoo~ns wissenschaftlich fundiertem Vor- trag ausrdchend Nahrung. Die Hoffnung auf wissenschaftlich gesicherte Hilfe bei der Auswertung des Unterrichts, die wiederum bei der Planung hilfreich sein kann oder soll, schlug bei vielen schnell in Skepsis gegeniiber der Verwissenschaftlichung yon Sport und Sportunterricht um, wo sich eben auch bei den besten und ausgekliigelt- sten Methoden w zum Gliick - - nicht alles operationalisieren und messen l~it~t.

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Berid~te

Genauso wurde im Berdch Planung ange- sichts der Viehahl yon Planungsmodellen, -konzepten, -schfitten, -mustern, -schemata usw. h~iufig die Furcht vor der Verplanung mitgedacht. Planung daft nidat zur Verpla- hung oder Uberplanung fiihren, darf nicht zum Korsett fiir einen dynamischen, spon- tanen und auch zuf~illigen Sport werden. Oder, wie S. Gt6SSINC im Riickgriff auf die Reformp~idagogik sagte, das Motto des Sportunterfichts diirfe nicht ,System oder Leben" heiflen, sondern ,System und Leben% Leider nahmen die zahlreida versammehen Praktiker nur sehr vereinzeh die M~Sglich- keit wahr, in einem Arbeitskreis ihre Fra- gen und Probleme darzustellen und mit Wissenschaftlern zu diskutieren. Ein Kon- gref, der sich mlt seinem Thema ,Planen, Durdafiihren, Auswerten" genau auf das Alltagsgesd~ft der Sportlehrer, Referen- dare, Fadaleiter und Ubungsleiter bezieht, h~itte m. E. mehr aktive Beteiligung der Praktiker verdient, z.B. der Fachleiter yon Seminaren der zweiten Ausbildungsphase - - H. DASSV.L und C. Scm~aENB~K stell- ten eine riihmliche Ausnahme dar. Aber vielleicht hat die hehre und sich weihevoll pr~isentierende Sportwissenschaft die Praktiker schon so eingeschiichtert, daft sie sich nicht mehr trauen, sich zu Wort zu melden; und vielleicht stehen die Praktiker den Bemiihungen um eine wissenschaftliche Grundlegung yon Sport und Sportunter- rieht gar nicht so aufgeschlossen gegeniiber, wie dies im Interesse der Sadie dringend geboten w~ire. Das erkl~irte Kongrefziel der Verbindung zwischen Theorie und Praxis konnte des- halb inhaltlich nur sehr bedingt erreicht werden. Das Rahmenprogramm bot da- gegen Praktikern und Theoretikern genii- gend M/Sglichkeiten der Begegnung. S portpiidagogik oder Schulsportdidaktik? Wahrscheinlich haben die Organisatoren

oder diejenigen, die sich das Kongregthema ausdachten, bewuflt Sport und nicht Sport- unterricht als Ubersdarift gew~ihlt, obwohl die Trias von Planen, Durchfiihren und Auswerten eher mit Unterricht in Verbin- dung gebracht wird. Dahinter stand wohl die Absicht, die enge didaktisdae oder gar schulsport-unterrichtliche Ausrichtung der Sportp~idagogik zu iiberwinden und sich auch anderen Feldern oder Institutionen des Sports zuzuwenden. Nachdem sich die ersten vier ADL-Kon- gresse mit den Grundformen der Leibes- fibungen besch~iftigt [Spiel (1958), Wett- eifer (1963), Leistung (1964) und Ge- staltung (1967)], danach die sozialwissen- schaftlichen Themen Motivation (1970) und Sozialisation (1973) zur Diskussion gestanden und die letzten drei ADL-Kon- gresse eine ,Art Hinwendung zur schuli- schen Sportpraxis" (O. GRUPE in seinem Bericht vom ADL-Kongrefl ,Schiiler im Sport - - Sport fi~r Sdaiiler ~ 1983 in Biele- feld) bedeutet hatten, scheint inzwischen das Bediirfnis gewachsen zu sein, fiber den Schulhof hinauszugehen. Die Sportp~idagogik blieb ,lange auf die didaktisdle Problematik der Schule be- grenzt ~ (R6m~s 1982). Das Thema Schul- sport wurde vor allem Mitte der 70er Jah- re intensiv diskutiert, wie die Doppelnum- mer 3/4 (1975) der Zeitschrift ,Sportwis- sensd~ft" zum Thema Didaktik zeigt, hat aber inzwischen nicht zuletzt wegen der Sportlehrer-Arbeitslosigkeit aufgrund des Sdaiilerrii&gangs und der restriktiven Per- sonalpolitik der Kuhusminister an Aktuali- t~it verloren. Au~erdem scheint das zentra- le bildungspolitische Ziel der Sportp~idago- gender 60er und 70er Jahre erreidat zu sein, Sport als gleichberechtigtes Fach in der Schule zu verankern. Mit der Ausdehnung der Sportwissensdaaft schlieflich und mit den von ihr aufgenommenen Impulsen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen hat

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auch die Sportp~idagogik ihr Interesse zu- nehmend auf weitere Bereiche der Sport- wirklichkeit ausgedehnt. Die Absicht und Notwendigkeit, den engen Bezug zum Sdqulsport aufzugeben und sich anderen Institutionen und anderen Sport- treibenden/Sportinteressierten zuzuwenden, kam in zahlreichen Referaten und Arbeits- kreisen des Kongresses zum Ausdruck. Frei- zeit-, Erwachsenen-, Senioren-, Behinder- ten-, Vereins-, Verbands- oder ,Altema- tiv~-Sport standen ebenso auf dem Pro- gramm wie grundlegende Themen der Sportpiidagogik, z. B. Wohlbefinden, K~Sr- pererfahrung, soziales Lernen und Gesund- heit. Trotzdem zeigte ein Blick in den Kongref~fiihrer, daft nadl wie vor der Schulsport alles andere dominiert. Bezeich- nend ist in diesem Zusammenhang, daf sich nur ein Arbeitskreis, n~imlich der K. DmT- RICHS, mit der Frage besch~iftigte, wie denn die sportwissenschaftlichen Hochschulein- richtungen in der Bundesrepublik auf die Sportlehrer-Arbeitslosigkeit reagieren, d. h., wie sie ihre Lehrplanung vonder Einbahn- strafle Sportlehrerausbildung weg auf ein breites Berufsfeld Sport hin ~Sffnen kSnn- ten, das der grot~en gesellsdaaftlichen Nach- frage nach Sport, Spiel und Bewegung nachkommen kann und die Sportlehrer nicht vom Examen auf das Arbeits- und Sozialamt zwingt. Wie die am Abend gut besuchte und engagiert gefiihrte Brerm- punktdiskussion zur Sportlehrer-Arbeits- losigkeit deutlich machte, geniigt zur L~5- sung dieses schwierigen Problems jedoch die Umstrukturierung der Sportinstitute allein nicht; hler bedarf es, wie J. DiEcragrir im Arbeitskreis K. Dma'aicas forderte, einer politischen Offensive auf allen Ebenen. Sport und/oder Bewegungserfabrung? In einem dritten, heimlidaen Hauptthema des Kongresses ging es nicht nur darum, wie, wound fiir wen Sport p~idagogisch bedeut- sam werden kann, sondem vor allem um

Beridote

die Frage, welcher Sport denn in Zukunft iiberhaupt in Freizeit, Schule und Verein angeboten und betrieben werden soil. Ent- spricht der traditionelle, in Vereinen und Verb~inden institutionalisierte und nach Sportarten gegliederte Sport noch den Be- diirfnissen der Mens&en nach Bewegung, Spiel und Gesundheit? Oder zeigt nicht der Boom kommerzieller Sportangebote, infor- mell organisierten Sporttreibens und ,neuer" Spiele und Bewegungsformen, daf der ,DSB-Sport ~ zu starr und unbeweglich geworden ist, um die Erwartungen, Wiin- sche und Bed~irfnisse der Menschen nach Wohlbefinden, Gliick, K6rpererfahrung und -identit~it noch erfiillen zu kSnnen? Ist es so, wie J. Fu~,~E (Sportunterricht als KSrpererfahrung. Reinbek 1983, 10) sdareibt: ,Auf Sport l~iflt sida vielleicht verzichten. Aber das gilt nicht in gleidaer Weise fiir die Pflege und Ubung des K6r- pers und fiir seine Bildung durch Erfah- rung. Erst dadur~ wird der Sport wieder wertvoll". Geben die ,Wiederkehr des KiSr- pers ~ [so lautet der Titel eines yon K ~ - PEB/W~F (1982) herausgegebenen Buchs] und die Abwendung vieler Menschen vom normierten, leistungsorientierten und mafl- losen Sport denen recht, die in der Bewe- gung - - nicht im Sport - - in erster Linie ein Mittel sehen, sich selbst, den eigenen KSrper und seine materiale und soziale Umwelt ganzheitlich zu erfahren? Oder steckt diese subjektive Dimension der KSr- pererfahrung nicht auch in der traditionel- len und herrschenden Bewegungskultur, und wird diese nur dadurch verdeckt, daf der Sport als ,6ffentliches Ereignis ~ sie nicht zu artikulieren vermag?

Diese Frage nach den Grenzen des Sports und damit auch die Suche nach Inhalten und Formen der KiSrper- und Bewegungs- kultur, die p~idagogisch sinnvoll und wiin- sdaenswert sind und den Bediirfnissen und Interessen der Menschen entsprechen, be-

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Berichte

stimmten in zahlreidaen Referaten nnd Ar- beitskreisen die Diskussion. Bereits S, GR6SSING hatte in seinem Uberblicksreferat fiber .Konzepte der Planung von Lehr- und Lernprozessen im Sport ~ das traditio- nelle, rationale, inhalts- und lehrerorien- tierte Sportartenkonzept dem offenen, sub- jektiven, alternativen, an der nicht-sport- lichen Bewegung ausgerichteten K/Srper- and Bewegungskonzept gegeniibergestellt, das Empfindungen, Erfahrungen und Wohlbefinden betont und Bewegungswel- ten jenseits des etablierten Sports zu er- schlieflen versucht. Vertreter beider Kon- zepte traten in Kiel als Referenten oder Arbeitskreisleiter auf: Welten sdaienen zwi- sdaen solchen Arbeitskreisen mit Themen wie .Konditionstests und Leichtathletik im Schiilersport ~ (LETZELTER / LETZELTER) oder .Fort- und Weiterbildung yon Trai- nern (A-D-Kader) ~ (KmzEn) oder .Test- verfahren ~ (FETz) und Arbeitskreisen mit l~berschriften wie .Wohlbefinden durda KSrpererfahrung ~ (TREtrrt~N U. a.) oder .Sprache wird Bewegung ~ zur Planung und Anleitung kreativer Bewegungsgestal- tung ~ (DmcK~RT) oder ~ als demonstrier- te Unterrichtssmnde ~ .Rnhe in Bewegung

Tai Chi Chuan im Sportunterridat ~ (MoEGLmG) ZU liegen. Hier war tats,ichlich zu erkennen, wie J. Biv~Ewzs.a) in der Kurzfassung der Ankfindigung seines Ar- beitskreises .Ans~itze zur Diagnose der K~irpererfahrung ~ sdarieb, daft sich die .Sportp~idagogik auf der methodisch- didaktisch motivierten Sudae nada Alter- nativen zum iiblichen fertigkeitsorientierten Sportunterrich.t befindet%

Die Kluft zwisdaen beiden ModelIen oder Konzepten der Leibes- oder K~Srper~ibun- gen ist grofl und scheint nur schwer iiber- windbar zu sein. Trotzdem war gelegent- lida, z. B. im Arbeitskreis ,Erfahrungen oder Fertigkeiten ~ ist das tats~ichlida die Alternative? ~, das Bemiihen um Diskussion

und Verstiindigung zu erkennen. Wie schaffen es die normierten, traditionellen Sportarten, sich wieder verst~irkt dem ein- zelnen und seinen Erfahrens- und Erlebnis- m~Sglichkeiten beim Sporttreiben zu ~Sffnen? Sind nicht auda im ,normalen ~ Sport Kreativit~it, Phantasie, spielerische Freiheit und Ungezwungenheit, Lust, Spannung oder das Hingegebensein an sich, seinen K6rper und seine Bewegung m~Sglich oder vielleicht noch besser m~glich als in einer ,alternativen ~ Bewegungskultur, die be- wuflt ganz auf die Tradition und auf ge- wachsene, kollektive Bewegungserfahrun- gen verzichtet? Ohne eine Antwort auf diese Fragen geben zu k~Snnen, hat der Kieler Kongref miSg- li&erweise die Diskussion um ein neues oder um die Weiterentwicklung des alten Sportverst~indnisses ein bifl&en vorange- bracht. Neben dem umfangreichen wissensdaaft- lichen Teil wurde den vom Kongreflstref geplagten Teilnehmern fiir die nicht gerade niedrige Kongrefgeb[ihr auch ein sport- liches und ein festliches Rahmenprogramm geboten. Leider kam - - frei nach Oaa~ox

eine ,sportlich-festliche ~ Stimmung nicht so recht auf. Das Sportliche blieb sauber vom Festlichen getrennt und umgekehrt. Auf den eher weihevoll-sakralen EriSff- nungs- und Abschluflkundgebungen h[itte man als unbeteiligter Beobadater richer nidat vermutet, daft sich die versammelten Damen und Herren mit so etwas Lebendi- gem, Vitalem, Kraftvollem und Dynami- schem wie Sport besch~iftigten - - zum Gli~ck ~inderte sich dies grundlegend, als der Kongrefl schlieflida tanzte. Das sport- lithe Rahmenprogramm reidate vom dig- lichen ffiihmorgendlidaen Sportangebot yon dem ida nidat sagen kann, wer daran teilgenommen hat - - tiber das iib|iche Spielfest mit seinen inzwischen auda ~ilter gewordenen New Games bis zu einem 10-

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km-Kongrefllauf. ,Der Kongre~ l~iuft" - - das bedeutete aber auch die t~iglich mehr- reals zu absolvierenden Wege vom Audi- max zum Sportforum, zur PH und wieder zuriick; und wer nicht das Gliick hatte, in der Stadtmitte unterzukommen, fiir den kam noch das Fahren dazu - - mit dem Bus nach Holm ins Quartier in 45 Minuten. Und trotzdem hat sich der ,Kongrefl der langen Wege" alles in allem gelohnt: Die Veranstalter und Organisatoren unternah- men grot~e Anstrengungen, den Teilneh- mern des 10. ADL-Kongresses ein gehalt- volles wissenschaftliches Programm und ausreichende Gelegenheiten zum Gespriich, zur Begegnung und zur Entspannung zu bieten.

M. K~OGEn

Beridat tiber die Tagung des International Committee for the Sociology of Sport im Rahmen des XI. World Congress of Sociology vom 18.--23. August 1986 in New Delhi

Die Sportsoziologen hatten 1986 zwei M~glichkeiten, r ich bei internationalen Kongressen zu treffen: zum einen im Rah- men der Vllth Commonwealth and Inter- national Conference on Sport, Physical Education, Dance, Recreation and Health in Glasgow, zum anderen w~ihrend des Xltb World Congress in New Delhi. Die- ses doppelte Angebot innerhalb eines Jah- res erwies rich aus zwei Grtinden als pro- blematisch: Zum einen war keiner der Sportsoziologen bereit und in der Lage, beide Veranstaltungen zu besuchen; zum anderen bevorzugten die .soziologisda orientierten" Sportsoziologen die Teilnah- me in New Delhi, die .sportwissensdaaft- lida orientierten ~ Sportsoziologen den Be- such der Veranstaltung in Glasgow. Diese

Bericbte

Aufspaltung ist kelneswegs zuf~.llig, zelgt sie doch, daft auch im internationalen Be- reich die Gefahr besteht, die in der Ent- wicklung der Sportsoziologie in der Bun- desrepublik mit der Organisation der Sportsoziologen in zwei Wissenschaftsver- b~nden bereits manifest geworden ist: daft die Sportsoziologen n~imlich auch hier auf- grund unterschiedlicher Aufgaben, institu- tioneller Verankerungen und fachlicher Orientierungen ihre einheitliche Identit~it und ein geschlossenes Setbstverst~indnis verlieren kSnnten. Diese Entwicklung wird m~Sglicherweise dadurch verst~irkt, daft sich die Sportsoziologen 1987 im Rahmen des Jyv~iskyl~i-Kongresses ,On Movement and Sports in Women's Life" treffen, also in einem Rahmen, der fiir viele Soziologen keine besondere Attraktivit~it besitzen wird. Der Kongreg in Delhi war aus dem ge- nannten Grund keineswegs repr~entativ besetzt, so dab tiber neue Trends und For- schungsschwerpunkte in der Sportsoziolo- gie nicht berichtet werden kann. Auch das Generalthema des XI. Weltkongresses fiir Soziologie, ,Social Change: Problems and Perspectives ~, land in den einzelnen Bei- tr~igen selten Berii&sichtigung; der rapide Wandel, den wir in den letzten Jahren etwa durch die wachsende Kommerziali- sierung und Professionalisierung, durda neue Formen des Sporttreibens und seiner Organisationen verzeichnen k~Snnen, spie- gelte sich in den Vortr~igen selten wider. Auch die zahlenm~flige Beteiligung war aus den genannten Griinden nur schwach, was allerdings den Vorteil hatte, daft fiir die einzelnen Vortr~ige mehr Zeit als bei solchen internationalen Kongressen sonst iiblich zur Verfiigung stand. Zun~ichst sollen einige Beitr~ige dieser Ta- gung vorgestellt, schliefllich zwei allgemei- ne abschlieflende Bemerkungen gemacht werden:

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