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3 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 3.1 Einleitung Zum Zwecke einer systematischen Herangehensweise an das Thema orientiert sich die vorliegende Arbeit an einem etablierten Managementmodell, welches im Abschnitt 3.4 im Detail vorgestellt wird. Dieses Modell hilft einen verständnisfördernden Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufzubauen. Um die konkreten Ziele der Arbeit 144 fokussiert verfolgen zu können, wurde das klassische Modell adaptiert bzw. in seinen Dimensionen und Ausprägungen bedarfsorientiert reduziert. Das resultierende, für die Arbeit zentrale Konstrukt wird in Abschnitt 3.5 detailliert beschrieben. Die Abschnitte 3.6 (Strategie), 3.7 (Organisation) und 3.8 (Kultur) gehen auf die für die Studie wesentlichen Modellas- pekte im Detail ein. 3.2 Begriffliche Abgrenzung 3.2.1 Managementmodell Laut Staehle/Conrad/Sydow (1999, 71 und 81f) verlangt der facettenreiche Begriff „Ma- nagement“ sowohl der Wissenschaft als auch der Wirtschaftspraxis eine klare Abgren- zung ab. In ausgewählter Literatur 145 ist man sich einig, auf jeden Fall zwischen der Institution und der Funktion des Managements zu unterscheiden. Die Institution bezeich- net auf einer formalen Ebene die organisatorisch zuständigen, auf einer inhaltlichen Ebene die faktischen Träger der betrieblichen Macht. Für Staehle/Conrad/Sydow (1999) beinhaltet die Managementfunktion stets dispositive, nicht hingegen ausführende Tätig- keiten. Steinmann/Schreyögg (2005, 67) beschreiben „Modellierung“ als Selektion problemrele- vanter Zusammenhänge und deren Darstellung mit Hilfe eines geeigneten Mediums, so dass die Problemlösung für praktische Zwecke verwendet werden kann. Folgt man Alisch/Winter/Arentzen (2004c, 2070f), werden „Modelle“ speziell zum Zwecke von jenen Problemlösungen benutzt, deren Durchführung am Original nicht möglich oder zu aufwendig wäre. Generell haben sie in den Wirtschaftswissenschaften einen hohen Stel- lenwert. Man unterscheidet dabei zwischen (1) Beschreibungs-, (2) Erklärungs- und (3) Entscheidungsmodellen. Das hier verwendete neue St. Galler Managementmodell ist als Erklärungsmodell aufzu- fassen, welches die Anwendung von Theorien auf mehr oder weniger typische Tatbe- stände zu interpretieren versucht. 144 Vgl. zu den „Zielen dieser Arbeit“ Abschnitt 1.3. 145 Vgl. etwa Schneck (1996, 14), Alisch/Winter/Arentzen (2004c, 1964) oder Schreyögg/Koch (2007, 6ff). P. Hutterer, Dynamic Capabilities und Innovationsstrategien, DOI 10.1007/978-3-658-01094-2_3, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

St. Galler Mgm

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St. Galler Management Modell

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  • 3 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen

    3.1 Einleitung Zum Zwecke einer systematischen Herangehensweise an das Thema orientiert sich die vorliegende Arbeit an einem etablierten Managementmodell, welches im Abschnitt 3.4 im Detail vorgestellt wird. Dieses Modell hilft einen verstndnisfrdernden Bezug zum Untersuchungsgegenstand aufzubauen. Um die konkreten Ziele der Arbeit144 fokussiert verfolgen zu knnen, wurde das klassische Modell adaptiert bzw. in seinen Dimensionen und Ausprgungen bedarfsorientiert reduziert. Das resultierende, fr die Arbeit zentrale Konstrukt wird in Abschnitt 3.5 detailliert beschrieben. Die Abschnitte 3.6 (Strategie), 3.7 (Organisation) und 3.8 (Kultur) gehen auf die fr die Studie wesentlichen Modellas-pekte im Detail ein.

    3.2 Begriffliche Abgrenzung

    3.2.1 Managementmodell Laut Staehle/Conrad/Sydow (1999, 71 und 81f) verlangt der facettenreiche Begriff Ma-nagement sowohl der Wissenschaft als auch der Wirtschaftspraxis eine klare Abgren-zung ab. In ausgewhlter Literatur145 ist man sich einig, auf jeden Fall zwischen der Institution und der Funktion des Managements zu unterscheiden. Die Institution bezeich-net auf einer formalen Ebene die organisatorisch zustndigen, auf einer inhaltlichen Ebene die faktischen Trger der betrieblichen Macht. Fr Staehle/Conrad/Sydow (1999) beinhaltet die Managementfunktion stets dispositive, nicht hingegen ausfhrende Ttig-keiten. Steinmann/Schreygg (2005, 67) beschreiben Modellierung als Selektion problemrele-vanter Zusammenhnge und deren Darstellung mit Hilfe eines geeigneten Mediums, so dass die Problemlsung fr praktische Zwecke verwendet werden kann. Folgt man Alisch/Winter/Arentzen (2004c, 2070f), werden Modelle speziell zum Zwecke von jenen Problemlsungen benutzt, deren Durchfhrung am Original nicht mglich oder zu aufwendig wre. Generell haben sie in den Wirtschaftswissenschaften einen hohen Stel-lenwert. Man unterscheidet dabei zwischen (1) Beschreibungs-, (2) Erklrungs- und (3) Entscheidungsmodellen. Das hier verwendete neue St. Galler Managementmodell ist als Erklrungsmodell aufzu-fassen, welches die Anwendung von Theorien auf mehr oder weniger typische Tatbe-stnde zu interpretieren versucht.

    144 Vgl. zu den Zielen dieser Arbeit Abschnitt 1.3. 145 Vgl. etwa Schneck (1996, 14), Alisch/Winter/Arentzen (2004c, 1964) oder Schreygg/Koch (2007, 6ff).

    P. Hutterer, Dynamic Capabilities und Innovationsstrategien,DOI 10.1007/978-3-658-01094-2_3, Springer Fachmedien Wiesbaden 2013

  • 110 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 3.2.2 Bezugsrahmen Gem Steinmann/Schreygg (2005, 42) ermglicht ein Bezugsrahmen die terminologi-sche Einordnung und frdert damit das Verstndnis bzw. die Bewertung von wesentli-chen Begriffen und Konzepten eines Gegenstandsbereichs. Er erlaubt eine Formulierung der praktischen Steuerungsprobleme und gibt eine generelle Storichtung fr ihre Lsung an. Der (konzeptionelle) Bezugsrahmen soll sich auf einem hohen Abstraktionsniveau befinden. Fr Steinmann/Schreygg (2005, 42) unterscheidet er sich von einer Theorie dadurch, dass er keine falsifizierbaren Aussagen enthlt.

    3.3 Grundlegendes zur Auffassung von Organisationen als Systeme

    Es kann grundstzlich zwischen zwei Auffassungen bzw. Modellvorstellungen von Or-ganisationen unterschieden werden: Mechanistisch-rationale

    Fr Graf (1997) und Ulrich (2001) geht diese Perspektive vom Grundmodell einer funk-tionsorientiert geplanten und konstruierten Maschine aus und erachtet Organisationen als zweckgerichtete Zusammenschlsse und Konstruktion von planenden und gestaltenden Einheiten. Damit diese wie beabsichtigt funktionieren, werden die Ursachen der Wirkun-gen definiert. Man denkt dabei in linearen Ursache-Wirkungs-Beziehungen. Der Aufbau derartig konstruierter Organisationen ist i.d.R. starr, hierarchisch und zentralistisch. Systemisch-evolutionre

    Aus dieser zweiten Perspektive werden gem Graf (1997) und Ulrich (2001) Organisa-tionen als lebende Systeme erachtet, die selbstorganisiert spontane Ordnung schaffen. Ihr Grundmodell ist der lebendige Organismus, dessen Elemente ein dynamisches Netzwerk mit interdependenten Verknpfungen untereinander und mit ihrer Umwelt bilden. Damit sind sie weniger das Resultat einer vernunftgetriebenen Planung, als vielmehr von natr-lichen Entwicklungsprozessen. Ihre Strukturen und Verhaltensweisen sind das Ergebnis zirkulrer Prozesse. Dementsprechend ist ihr Aufbau i.d.R. flexibel, dezentral und durch flache Hierarchien gekennzeichnet. Graf (1997) und Ulrich (2001) merken an, dass in der Realitt stets beide Sichtweisen miteinander verknpft auftreten. Sowohl bewusste Zielsetzungen und Planung als auch natrliche und spontane Ordnung bzw. Entwicklung sind mehr oder weniger stark ausge-prgt. Prgend ist, welche der beiden genannten Aspekte die betreffende Organisation und ihr Handeln strker bestimmt.

    3.4 Neues St. Galler Managementmodell im berblick

    3.4.1 Einleitung und begriffliche Abgrenzung Fr Regg-Strm (2003, 12ff) hat das neue St. Galler Managementmodell viele Gemein-samkeiten mit einer Orientierungskarte fr Managementfragestellungen. Karten dienen

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 111 der Darstellung gewisser Aspekte eines abzubildenden Territoriums. Das Modell hilft rasch Wichtiges von Unwichtigem zu trennen, zeigt die als relevant betrachtete Hand-lungssphre auf und bildet einen Ordnungsrahmen, welcher logische Verbindungen und Wirkungszusammenhnge postuliert.

    3.4.2 Unternehmung als komplexes, dynamisches System Geprgt von systemtheoretischen Grundvorstellungen146 wird die Unternehmung im neuen St. Galler Modell als komplexes System aufgefasst. Ein System wird von Regg-Strm (2003, 17ff) als geordnetes Ganzes von Elementen verstanden, welches von ihrer Umwelt abzugrenzen ist. Laut genannter Quelle ist ein System dann komplex, wenn die Systemelemente in vielfltiger Weise interagieren und zueinander in einer spezifischen, dynamischen Beziehung stehen. Durch eine Vielfalt von Elementen und den Wechsel-wirkungen zwischen diesen begrndet sich die Komplexitt. Komplexe Systeme sind typischerweise dynamische Systeme, d.h. sie erleben stndige Vernderungen und Re-konstruktionen. Fr von Hayek (1972), Simon (2001) und Malik (2008) hat die Dynamik komplexer Systeme zur Folge, dass es unmglich ist ein bestimmtes komplexes System von einer zentralen Instanz zu durchschauen, vollstndig und objektiv zu beschreiben und in einem Modell korrekt abzubilden. Komplexitt impliziert fr Luhmann (1984), dass die Beobachtung und Interpretation des Geschehens in und um Unternehmungen unausweichlich selektiv ist. Deshalb erscheint fr Morgan (1997) je nach Kontext und Perspektive, die aus der Selektionsleistung erwchst, die Unternehmung und ihre Prob-lemlage in einem speziellen Licht, woraus sich laut Regg-Strm (2003, 19) unterschied-liche Problemstellungen und Arbeitsschwerpunkte unternehmerischer Ttigkeit ergeben. Ein solcher Zugang zum Management macht fr Ulrich (1984) deutlich, dass das Verhal-ten komplexer Systeme nur eingeschrnkt prognostizierbar ist und dass den Einflussmg-lichkeiten von Fhrungskrften deutliche Grenzen gesetzt sind. Generell sollte ein Management anstreben, auch solch vielschichtige, komplexe Systeme zu beherrschen. Gem Malik (2008, 153ff) kann dies durch strategisches Management bzw. durch Ordnung und Problemlsen erreicht werden. Die Vielfalt von Beziehungen, Interaktionen und Wechselwirkungen in einer Unternehmung impliziert nicht, dass das Geschehen in einem komplexen System vllig beliebig, chaotisch und unberechenbar ist. Wre dem so, wrde das System sofort zusammenbrechen. In einem solchen Kontext wre jede Form von Zusammenarbeit und Arbeitsteilung grundstzlich unmglich. Fr Regg-Strm (2003, 20) ist die Lebensfhigkeit eines komplexen Systems daher zwin-gend auf strukturierende Einflussmomente und ordnende Krfte angewiesen. Dies be-grndet die Notwendigkeit von Fhrung, unabhngig davon von wem und auf welche Weise diese auch wahrgenommen wird. Gem Probst (1987) kristallisieren sich in einem komplexen System Strukturen durch den wiederholt hnlichen Vollzug von Ablufen heraus. Sie zeigen sich etwa in Interak-tions- und Kommunikationsmustern, die temporr betrachtet eine gewisse Konstanz und

    146 Vgl. zur Systemtheorie etwa Luhmann (1984) oder Ulrich (2001).

  • 112 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen Stabilitt aufweisen. Demzufolge sind fr den genannten Autor komplexe Systeme stets durch ein bestimmtes Ma an Ordnung gekennzeichnet. Regg-Strm (2003, 20) be-schreiben diese Ordnung durch bestimmte, wiederholt auftretende Muster in der alltgli-chen Kommunikation, Fhrung und Zusammenarbeit, genauso wie durch bestimmte Formen der Arbeitsteilung. Muster im alltglichen Ablauf bringen die vorherrschende Ordnung zum Ausdruck, die aus den Prozessen der Strukturierung hervorgeht.

    3.4.3 Grundkategorien des neuen St. Galler Managementmodells Aufbauend auf den oben skizzierten Systembegriff ist laut Regg-Strm (2003, 21ff) beim neuen St. Galler Managementmodell zwischen sechs Grundkategorien zu unter-scheiden, welche in Abbildung 37 systemisch dargestellt sind.

    Abbildung 37: Grundkategorien des neuen St. Galler Managementmodells

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Regg-Strm (2003, 22)]

    Im Detail beschreibt Regg-Strm (2003, 21ff) diese sechs Grundkategorien wie folgt: Umweltsphren

    Die Sphren Gesellschaft, Natur, Technologie und Wirtschaft werden von R-egg-Strm (2003, 23) als als zentrale Kontexte der unternehmerischen Ttigkeit aufge-fasst. Anspruchsgruppen

    Die Anspruchsgruppen (Stakeholdergruppen) Konkurrenten, Lieferanten, Staat, ffentlichkeit und Non-Governmental Organizations (NGOs), MitarbeiterInnen, Kunden und Kapitalgeber werden von Regg-Strm (2003, 23) als organisierte oder nicht organisierte Gruppen von Menschen, Organisationen und Institutionen verstanden, die vorwiegend von unternehmerischen Wertschpfungsaktivitten, manchmal aber auch von negativen Nebeneffekten betroffen sind.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 113 Interaktionsthemen

    Regg-Strm (2003, 23) bezeichnet als Interaktionsthemen jene Elemente der Aus-tauschbeziehungen zwischen Anspruchsgruppen und Unternehmung, die fr eine Kom-munikation zwischen diesen Parteien von zentraler Bedeutung sind. Im Konkreten sind das Ressourcen, Normen und Werte, Anliegen und Interessen. Ordnungsmomente

    Gem Regg-Strm (2003, 23) laufen unternehmerische Wertschpfungsaktivitten in mehr oder weniger geordneten Bahnen ab, auch wenn die entsprechenden Kommunikati-ons- und Handlungsmuster oft nicht einfach zu erkennen sind. Die Ordnungsmomente147 Strategie, Strukturen und Kultur geben dem organisationalen Alltagsgeschehen eine zusammenhngende Form, indem sie diesem Geschehen eine gewisse Ordnung auferlegen und so die Aktivitten auf die Erzielung bestimmter Wirkungen und Ergeb-nisse ausrichten. Prozesse

    Die Wertschpfungsaktivitten einer Unternehmung und die dazu bentigte Fhrungsar-beit werden laut Regg-Strm (2003, 23) in den Management-, Geschfts- und Untersttzungsprozessen erbracht. Entwicklungsmodi

    Gem Regg-Strm (2003, 23) bringt die hohe Umweltdynamik, an deren Entstehung und Aufrechterhaltung innovative Unternehmen mageblich beteiligt sind, fr jede Un-ternehmung das Erfordernis einer kontinuierlichen Weiterentwicklung mit sich. Die Entwicklungsmodi Erneuerung und Optimierung beschreiben dabei grundlegende Muster der unternehmerischen Weiterentwicklung. Diese Grundkategorien beziehen sich laut Regg-Strm (2003, 21f) auf zentrale Dimen-sionen des Managements. Unter Management sind Funktionen, sprich ein System von Aufgaben zu verstehen, die sich in enger Anlehnung an das Verstndnis von Ulrich (1984) als Gestalten, Lenken (Steuern) und Weiterentwickeln zweckorientierter sozio-technischer Organisationen148 zusammenfassen lassen.

    3.5 Ein fr die Studie reduziertes Managementmodell Hinsichtlich einer anzustrebenden Komplexittsbeherrschung erscheint es sinnvoll, das vollstndige St. Galler Managementmodell149 auf Kernelemente, welche fr die vorlie-gende Studie als mageblich erscheinen, zu reduzieren. Dieses adaptierte Modell ist in Abbildung 38 schematisch dargestellt. 147 Der Begriff Ordnungsmoment lehnt sich an Giddens Begriff Strukturmomente an (vgl. Giddens 1997,

    240ff). Unter einem Ordnungsmoment ist in diesem Sinne eine bergreifende, ordnende und strukturierende Kraft zu verstehen, die mit den Strukturen einer Sprache (Grammatik, Semantik) vergleichbar ist.

    148 Gem Regg-Strm (2003) ist der Begriff Organisation grundstzlich weiter gefasst als der Begriff Unter-nehmung. Er umfasst auch andere arbeitsteilige Institutionen wie etwa non-profit Organisationen, Vereine und dergleichen.

    149 Vgl. zum vollstndigen neuen St. Galler Managementmodell Abschnitt 3.4.

  • 114 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen

    Abbildung 38: Schema des reduzierten Modells

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Regg-Strm (2003, 22)]

    Die der Studie zugrundeliegende Innovationsorientierung durchdringt inhaltlich grund-stzlich alle Einzelelemente und Kategorien des reduzierten Modells. Aufgrund der Ausrichtung am analytischen Konzept der Dynamic Capabilities nach Teece150 treten die Ordnungsmomente Strategie und Strukturen in den Vordergrund. Da die Kultur fr Innovationsthemen als nicht unwesentlich einzuschtzen ist, wird diese Dimension am Rande zustzlich mitbercksichtigt. Hinsichtlich der Anspruchsgruppen fokussiert die Studie auf den Markt (Konkurrenten, Lieferanten und Kunden) bzw. auf die im Unternehmen beschftigten MitarbeiterInnen. Dem Innovationsaspekt folgend sind die allgemeine Wirtschaft bzw. die Technologien als wesentliche Elemente der Umweltsphre zu betrachten. Im Rahmen der Interaktionsthemen treten bei der Studie vor allem die Ressourcen (und Fhigkeiten) in den Vordergrund. Vor dem Hintergrund der zu betrachtenden produzierenden High-Tech Branche Mecha-tronik und der zu analysierenden Dynamic Capabilities im Kontext von unternehmeri-scher F&E und Innovationsstrategien, konzentriert sich die Untersuchung vor allem auf den Entwicklungsmodus Erneuerung. Auf Prozessebene spiegelt sich dieser explorative Charakter vor allem im Innovations-prozess151 wider. Grundstzlich sind fr die zu untersuchende Thematik sowohl Ma-nagement-, Geschfts- als auch Untersttzungsprozesse relevant und werden dem-entsprechend im Modell bercksichtigt.

    150 Vgl. zum analytischen Konzept nach Teece Abschnitt 4.5.2. 151 Vgl. zum Innovationsprozess Abschnitt 2.2.1.1.4.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 115 3.6 Strategische Dimension Die Strategie, die gem Regg-Strm (2003, 39) das Geschehen in der Unternehmung ausrichtet, ist neben den Strukturen und der Kultur ein Ordnungsmoment im Rahmen des oben vorgestellten neuen St. Galler Managementmodells152 und ist fr die vorliegende Arbeit153 von zentraler Bedeutung. Nach einer kurzen Einleitung (3.6.1) beleuchten die folgenden Abschnitte das breite Spektrum des Strategieverstndnisses im Allgemeinen (3.6.2), zeigen einen Zusammen-hang von Strategie und Marketing (3.6.3) und gehen auf die Schulen des strategischen Managements mit Konnex zur Dynamic Capabilities Perspektive genauer ein (3.6.4). Eine abschlieende Reflexion (3.6.5) fasst die gewonnenen Erkenntnisse mit Fokus auf Dynamic Capabilities zusammen.

    3.6.1 Einleitung Zur Schaffung von Klarheit ber den Begriff der Strategie ist es notwendig zunchst die Perspektive der Betrachtung festzulegen. In der vorliegenden Studie soll dies in erster Linie die Sichtweise einer Unternehmung sein. Eine solche Einschrnkung erscheint vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung des Strategiebegriffs notwendig.154 Trotz dieser Fokussierung auf unternehmungspolitische Sachverhalte ist der Strategiebegriff immer noch uerst vielschichtig. Folgt man der Auffassung von Glweiler (1987, 55), ist dies auch nicht verwunderlich. Er spricht in diesem Zusammenhang von einer Mo-de. Wird etwas zur Mode, bedeutet dies nicht nur dass viele Personen sich dieser Sache annehmen, sondern auch dass der Gegenstand des Interesses eine vielfltige Interpretati-on erfhrt, abhngig von der individuellen Handlungsabsicht. Laut Schewe (1998, 16) sind als Konsequenz davon in der Literatur, trotz Einschrnkung auf die unternehmeri-sche Perspektive, eine Vielzahl an Definitionen des Strategiebegriffs zu finden. Versucht man die Strategiedefinitionen zu systematisieren wird fr Welge/Al-Laham (2008, 15) augenscheinlich, dass aus den bereits genannten Grnden kein einheitliches Verstndnis ber den Begriff der Strategie vorliegt. Chandler (2001, 23) etwa definiert Strategie als () the determination of the basic long-term goals and objectives of an enterprise, and the adoption of courses of action and the allocation of resources neces-sary for carrying out these goals und vertritt damit das klassische Strategieverstndnis. Implizit verbunden mit dieser Definition ist die Annahme, dass eine Strategie das Ergeb-nis formaler, rationaler Planungen sei. Die Schule um Mintzberg nimmt dazu eine Ge-genposition ein. Fr Mintzberg (1987) sind Strategien nicht zwingend das Ergebnis solcher Planungen. Aufbauend auf Beobachtungen beschreibt er schon sehr frh, dass ein

    152 Vgl. zum (vollstndigen) neuen St. Galler Managementmodell Abschnitt 3.4. 153 Vgl. dazu das fr die Studie reduzierte Modell, beschrieben in Abschnitt 3.5. 154 Vgl. etwa die Definition des preuischen Offiziers Carl von Clausewitz um 1832. Er bezeichnet Strategie als

    () Gebrauch des Gefechts zum Zwecke des Krieges (zitiert nach Mller-Stewens/Lechner 2005, 8). Dieser Zugang erscheint hier uerst unpassend, obwohl umgangssprachlich oft von Preisschlachten und derglei-chen gesprochen wird.

  • 116 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen breites Spektrum an Strategietypen in den Unternehmungen existiert und leitet daraus fnf unterschiedliche Strategieverstndnisse der Praxis ab, die er folgendermaen be-schreibt: Plan: Der Typus Strategie als Plne korrespondiert im Prinzip mit dem klassischen

    Verstndnis nach Chandler (2001). Ploy: Laut Mintzberg (1987) nehmen Strategien oft den Charakter von spontanen,

    taktischen Manahmen an, mit denen Konkurrenten berrascht werden sollen. Stra-tegie wird dabei als List betrachtet.

    Pattern: Nach diesem Verstndnis von Mintzberg (1987) entwickeln sich Strategien unbeabsichtigt aus dem Handeln und den Entscheidungen der Unternehmung heraus. Sie entstehen demnach eher zufllig. Strategien als Muster sind erst ex post erkenn-bar.

    Position: Den Beobachtungen von Mintzberg (1987) zufolge beschrnken sich Stra-tegien hufig auf eine Positionierung der Unternehmung in Bezug zu seiner Umwelt. Eine solche Position kann geplant angestrebt aber auch eher zufllig erreicht werden.

    Perspective: Eine Strategie kann laut Mintzberg (1987) zudem lediglich als eine Denkhaltung in den Kpfen des Managements verankert sein. Diese wird weder schriftlich festgehalten noch explizit kommuniziert, sondern stellt ein gemeinsam ge-teiltes Einstellungsmuster dar, welches das strategische Verhalten der Unternehmung mageblich beeinflusst.

    Folgende Schwchen des Strategieverstndnisses nach Mintzberg werden von Welge/Al-Laham (2008, 22) genannt: Aufgrund seiner konzeptionellen Offenheit liefert der Ansatz nur wenig Konkretes

    darber, welche Phnomene aus seinem Geltungsbereich ausgeschlossen werden knnen. Im Extremfall fhrt dies laut Welge/Al-Laham (2008, 22) dazu, dass jede Entscheidung in einer Unternehmung, sofern sie aus subjektiver Sicht bedeutend ist, als strategisch bezeichnet wird.

    Zudem weisen emergente Strategien, die sich aus Entscheidungen des Tagesgeschfts eher zufllig ergeben, fr Welge/Al-Laham (2008, 22) keinen direkten Bezug zu den zentralen Merkmalen eines strategischen Managements auf. So ist z.B. unklar, in-wieweit diese Strategien einen Zielbezug haben, sie die Strken und Schwchen einer Unternehmung bercksichtigen oder sie einen Wettbewerbsbezug aufweisen.

    Schewe (1998, 16ff) versucht die enorme Vielschichtigkeit des Strategiebegriffs syste-matisch zu erfassen, indem er einen Begriffsraum aufspannt, der das Verstndnis smtli-cher von ihm analysierter Studien zum Begriff Strategie beinhaltet. Er bildet den Raum aus den Dimensionen Strategieverstndnis und Strategieinhalt. Gem der Auffas-sung des Autors hat eine Strategie stets beide Dimensionen zu besetzen. Abbildung 39 zeigt im berblick die gewhlte Systematik zur Analyse der unterschiedli-chen Strategiebegriffe. Die einzelnen Aspekte werden im Abschnitt 3.6.2 im Detail erlutert.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 117

    Wahl bestimmter Produkt/Markt-Kombinationen

    Erlangung von Wettbewerbsvorteilen

    Beeinflussung der Umwelt

    bezogen aufUmwelt

    Festlegung einer Grundhaltung

    Steuerung desRessourceneinsatzes

    Betroffene organisatorische Einheit

    bezogen aufUnternehmung

    Bewusst-seinsbezug

    Phasen-bezug

    Zeit-bezug

    Interaktions-bezug

    StrategieverstndnisStrategieinhalt

    Abbildung 39: Systematik zur Analyse des Strategiebegriffs

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Schewe (1998, 19)]

    3.6.2 Strategieverstndnis und Strategieinhalt

    3.6.2.1 Rolle der Interaktion Fr die vorliegende Arbeit liegt eine unternehmerische Sichtweise des Strategiebegriffs vor. Das aus der mathematischen Spieltheorie herrhrende Verstndnis ist gem Schewe (1998, 20) jedoch um den interaktiven Fokus mageblich zu erweitern. Von Ansoff (1979, 4) wird explizit nicht ausgeschlossen, dass die Interaktion mit den Wett-bewerbern, oder allgemeiner gesprochen mit der Umwelt, ein Bestandteil der betriebs-wirtschaftlichen Strategiedefinitionen ist. Der Wettbewerbsaspekt soll jedoch nicht pri-mr im Vordergrund stehen. Gem Schewe (1998, 20f) ist grundstzlich der Erfolg einer Unternehmung nicht daran festzumachen, ob es gelingt einen Konkurrenten am Markt zu besiegen, sondern inwieweit Nachfrage fr die eigenen Leistungen geschaffen werden kann. Wenn dies zu Lasten der Wettbewerber geht, mag damit ein erfreulicher Zusatznutzen verbunden sein. Ein solcher Verdrngungswettbewerb muss jedoch nicht zwangslufig stattfinden. Schewe (1998, 21) weist dabei explizit auf stark wachsende, innovative Mrkte hin. Gem der Auffassung von Pearce/Robinson (1988, 6f) ist Strategie hinsichtlich des Interaktionsbezugs wie folgt zu betrachten: By strategy, managers mean their large-scale, future-oriented plans for interacting with the competitive environments to optimize achievement of organization objectives. Thus, strategy represents a firms game plan.

  • 118 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 3.6.2.2 Zeitliche Perspektive Folgt man Schewe (1998, 21), wird in der Literatur155 einer Strategie berwiegend lang-fristige Orientierungen zugeschrieben, teilweise werden jedoch auch kurzfristige Aspekte betont. Bosemann/Phatak (1989, 4) schreiben etwa, dass die Strategie zwar die Zukunft der Unternehmung bestimmt, sie jedoch gleichzeitig auch der Verwirklichung von kurz- und mittelfristigen Zielsetzungen dient. Die kurzfristigen Komponenten knnen als Ausgangspunkt fr die Formulierung der langfristigen Absichten gedeutet werden. Mintzberg (1979b, 25) spricht dabei von der Interpretation der unternehmensrelevanten Umwelt, aus der sich unterschiedliche strategische Ausgangssituationen abzuleiten ha-ben.

    3.6.2.3 Phasenbezug Gem Schewe (1998, 22) ist sich die Literatur hinsichtlich einer Abgrenzung der Pha-sen im Strategieprozess uneinig. Legt man einschlgige Phasenschemata der Entschei-dungstheorie zugrunde, so ergeben sich zwei Phasen, deren Behandlung im Rahmen des strategischen Managements unterschiedlich erfolgt: (1) Zielbildung und (2) Realisierung. Fr Schewe (1998, 22) besteht in der Literatur keine konsistente Auffassung darber, ob der Prozess der Zielbildung unter dem Prozess der Strategieformulierung zu subsumieren ist oder nicht. Laut Jauch/Osborn (1981, 492) wird bei der Abgrenzung des Strategiebe-griffs oftmals vermieden sich darauf festzulegen, ob Strategien der Zielformulierung dienen oder aber Strategien aus bereits existierenden Zielen abgeleitet werden. Gem Lehner (2004, 461) wird traditionellerweise zwischen den Phasen Strategiefor-mulierung und Strategieimplementierung unterschieden. Autoren wie etwa Chakravarthy/Doz (1992) oder Floyd/Lane (2000) kritisieren eine solch strikte Unter-scheidung und argumentieren, dass Strategieprozesse grundstzlich viel zu verflochten sind, um eine explizite Abgrenzung vornehmen zu knnen. In diesem Zusammenhang stellt Witte (1968, 625ff) schon frh fest, dass bei hochgradig komplexen, innovativen Entscheidungsprozessen ein nach Einzelphasen strukturiertes Entscheidungsverhalten nicht anzutreffen ist. Es lassen sich berschneidungen der einzelnen Phasen und Feed-backs zwischen den Perioden beobachten. Speziell fr strategische Entscheidungsprozes-se knnen Mintzberg/Raisinghani/Thorlt (1976, 246ff) diesen Befund besttigen. Die Strategieformulierung entspringt demnach nicht einer bestimmten linearen Abfolge von Einzelschritten. Hauschildt (1977, 112ff) kommt durch Untersuchungen zum Ergebnis, dass die Zielfest-legung einen kognitiven Prozess darstellt, bei dem sich die Ziele stark an den vorhande-nen Mglichkeiten zur Problemlsung orientieren. Der wechselseitige Prozess der An-passung der Ziele an die Alternativen bzw. der Alternativen an die Ziele lsst fr Schewe (1998, 24f) eine strikte Trennung der Zielbildungs- von der Strategiebildungsphase als nicht sachgerecht erscheinen.

    155 Vgl. z.B. Chandler (1962, 13), Schreygg (1984, 5) oder Galbraith/Kazanjian (1986, 3).

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 119 3.6.2.4 Bewusstseinskomponente Bereits Hedberg/Jnsson (1977, 90) weisen darauf hin, dass man bei Unternehmungen durchaus ein bestimmtes strategisches Verhalten beobachten kann, ohne dass das Ma-nagement explizit Aktivitten ergriffen hat, um eine solche Strategie auch zu implemen-tieren. Mintzberg (1978, 945ff) greift diesen Gedanken auf und versucht eine entspre-chende Systematik zu entwickeln, indem er zwei Strategiedimensionen voneinander trennt: (1) das Geplantsein einer Strategie und (2) die Realisation einer Strategie. Fr den genannten Autor muss eine Strategie nicht intendiert (beabsichtigt) sein, sie kann sich auch durch einen Lernprozess ergeben. Als Konsequenz dieser Erkenntnis formuliert Mintzberg (1991, 221) ein sogenanntes Grassroot Model of Strategy: Strategien wachsen zu Beginn wie Unkraut im Garten. Sie werden nicht wie Tomaten im Treibhaus kultiviert. (...) Strategien knnen berall Wurzeln schlagen, praktisch berall, wo Leute lernfhig sind und die Mittel dazu haben, diese Fhigkeiten auszubauen. Wenn Strate-gien realisiert werden, die nie intendiert wurden, spricht Mintzberg (1978, 945) von emergenten Strategien.156

    3.6.2.5 Organisatorischer Geltungsbereich (Ebenenbezug) Hinterhuber (2004), Mller-Stewens/Lechner (2005, 33f) und Backhaus/Schneider (2007, 16) gehen in ihrer Auffassung konform, dass sich Strategien im Kontext der Be-triebswirtschaftslehre grundstzlich auf Objekte beziehen, die sie zu gestalten beabsichti-gen. Je nach Komplexitt einer Organisation sind unterschiedliche Arten solcher Gestal-tungsobjekte zu identifizieren. Ihnen ist gemein, dass sie jeweils fr eine bestimmte Aggregationsebene stehen, fr die eine eigene Strategieentwicklung als zweckmig erscheint. Aus diesem Grund werden diese Bezugsobjekte der Strategien etwa von Hinterhuber (2004), Mller-Stewens/Lechner (2005) und Backhaus/Schneider (2007) als Gestaltungsebenen bezeichnet. Besonders manifestiert sind sie dann, wenn man sie als organisatorische Einheiten auf den unterschiedlichen hierarchischen Ebenen der Aufbau-organisation einer Unternehmung157 antrifft. Daneben gibt es auch Gestaltungsebenen, welche lediglich die Funktion einer konsolidierenden Planungsebene haben, die jedoch als reale Organisationseinheit nicht existiert. Laut De Wit/Meyer (2004, 8ff) stehen Gestaltungsebenen grundstzlich in Wechselbe-ziehungen zueinander (vgl. Abbildung 40). Fr Mller-Stewens/Lechner (2005, 36) impliziert dies, dass Manver bezogen auf eine Ebene normalerweise Rckkopplungen auf andere Gestaltungsdimensionen haben.

    156 Vgl. zu den emergenten Strategien die einleitend (3.6.1) dargestellte Perspektive Strategy as Pattern. 157 Vgl. zur Aufbauorganisation einer Unternehmung Abschnitt 3.7.2.

  • 120 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen

    Unternehmens-strategien

    Netzwerk-strategien

    Geschfts-strategien

    Funktional-strategien

    Issue-strategien

    Abbildung 40: Bezugs-, respektive Gestaltungsebenen der Strategie [eigene Darstellung, in Anlehnung an Mller-Stewens/Lechner (2005, 36)]

    Die folgenden Teilabschnitte (3.6.2.5.1 bis 3.6.2.5.5) beinhalten eine systematische, fr eine etwaige Strategieentwicklung bzw. -analyse als sinnvoll erscheinende Unterschei-dung verschiedener Bezugs- bzw. Gestaltungsebenen.

    3.6.2.5.1 Unternehmensstrategien (Corporate Strategy) Im strategischen Management hat sich laut Andrews (1987, 13f) vielfach die Unterschei-dung zwischen Corporate und Business Strategy etabliert. Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) und Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008, 252ff) fhren im Detail aus, dass man sich auf Unternehmensebene die Frage stellt, in welchen Geschften das Unterneh-men berhaupt ttig sein will bzw. ttig sein kann, wie es die Ressourcen in diesen Ge-schften allokieren und mglichst wertschaffend nutzen will und welche organisatori-schen Rahmenbedingungen dafr erforderlich sind. Neben Selektionsvorteilen durch geschickte Wahl des Geschftsportfolios sind es vor allem die Strategic Spillovers158 die auf Unternehmensebene oft von zentraler Bedeutung sind. Neben der synergetischen Nutzung von Wettbewerbsvorteilen anderer Geschftseinheiten ist vor allem das Transfe-rieren von Potentialen, die sich aus bestimmten einzigartigen Kompetenzen ergeben (Parenting Advantage159), ein wesentlicher Faktor zur Realisierung von Vorteilen auf dieser Ebene.

    3.6.2.5.2 Geschftsstrategien (Business Strategy) Folgt man Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff), sind, vor allem bei diversifizierten Unternehmen, die Einheiten auf der zweiten organisatorischen Ebene auf den Markt ausgerichtet. In der Aufbauorganisation werden dort die einzelnen Geschfte angetroffen. Innerhalb dieser strategischen Geschftseinheiten wird typischerweise festgelegt, mit welchen Produkten man sich in welchen Mrkten positionieren mchte (Produkt/Markt-Kombinationen). Der Schlssel zum unternehmerischen Erfolg liegt oft in der Etablie-rung von Vorteilen auf der Geschftsebene. Laut Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) ist die Leistung dieser Einheiten oftmals ber die Art wie eine Geschftseinheit sich in

    158 Vgl. zum Begriff Strategic Spillovers im Detail Saloner/Shepard/Podolny (2001). 159 Vgl. zum Begriff Parenting Advantage im Detail Campbell/Goold (1997).

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 121 ihren Mrkten positioniert (Marktvorteile) oder wie sie im Vergleich zur Konkurrenz die Wettbewerbsdynamik fr sich zu nutzen vermag (Wettbewerbsvorteile), zu erklren. Laut Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008, 252) bezieht sich eine strategische Marketing-planung160 im Kern vor allem auf die im Unternehmen definierten strategischen Ge-schftsfelder und Geschftseinheiten.

    3.6.2.5.3 Funktionalstrategien Laut Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) haben in diversifizierten Unternehmen die Geschfte vielfach die Funktionalstrategien auf eine der darunter liegenden Ebenen verdrngt. Die betriebswirtschaftlichen Funktionen finden sich oft als Funktionalbereiche in der Aufbauorganisation wieder. Es werden dabei Funktionalstrategien, welche sich auf die direkten, leistungswirtschaftlichen Aktivitten beziehen (z.B. Produktions- und Mar-ketingstrategie), von solchen unterschieden, die indirekt die Untersttzung des Wert-schpfungsprozesses zur Aufgabe haben (z.B. Personal- und Finanzierungsstrategie). Eine hnliche Aufteilung zeigt Porter (2000, 66ff) in seinem Wertkettenkonzept (vgl. Abbildung 41), wo ebenfalls zwischen primren und untersttzenden Aktivitten unter-schieden wird.

    Unternehmensinfrastruktur

    Personalwirtschaft

    Technologieentwicklung

    Beschaffung

    Eingangs-Logistik

    Produktion Marketing &Vertrieb

    Ausgangs-Logistik

    Kunden-Dienst

    Primre Aktivitten

    Unt

    erst

    tze

    nde

    Aktiv

    itte

    n

    Abbildung 41: Grundmodell einer Wertkette nach Porter

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Porter (2000, 66)]

    Laut Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) ist eine fr F&E-Strategien typische Frage-stellung auf dieser Ebene etwa, in welche Technologien ein Unternehmen investieren soll. Vor allem in den einzelnen Funktionen knnen die Fertigkeiten und Fhigkeiten eines Unternehmens geortet werden. Im Kern einer berdurchschnittlichen Leistung auf dieser Ebene stehen demnach Kompetenzvorteile.

    3.6.2.5.4 Netzwerkstrategien Je nach Gre des Unternehmens kann gem Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) die Gestaltung der Strategie noch vielschichtiger sein als bereits beschrieben. Dies gilt, bezogen auf das Aggregationsniveau, sowohl nach unten als auch nach oben. Aufgrund

    160 Vgl. zur Marketingplanung Abschnitt 3.6.3.

  • 122 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen der Dezentralisierung der unternehmerischen Verantwortung und der Einrichtung von ergebnisverantwortlichen Profit-Centern kommt es bei groen Unternehmen zu einem massiven Zuwachs an strategischen Gestaltungsebenen und objekten. Nach oben nimmt die Ausdifferenzierung dort zu, wo Unternehmen aufgrund ihres Branchenkontextes sich zu Unternehmensnetzwerken zusammengeschlossen haben. Solche Netzwerke sind dann als ergnzende Gestaltungsebene zustzlich zu bercksichtigen. In diesem Zusammen-hang wird von Netzwerkstrategien auf Ebene von Kooperationen, Partnerschaften und Joint Ventures gesprochen. Fr Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) korrespondieren die Gestaltungsebenen hufig mit den Dimensionen nach denen die Aufbauorganisation strukturiert ist (Strategie-Struktur-Zusammenhang), wodurch man sich im Spezialfall noch weitere Gestaltungsebenen, wie z.B. Strategien nach Regionen, Kundenplattformen, etc., vorstellen kann.

    3.6.2.5.5 Strategic Issues Abschlieend wird von Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) noch eine Gestaltungsebe-ne angefhrt, welche keiner (offiziellen) organisatorischen Ebene zugeordnet werden kann. Auf dieser Ebene nehmen sich Gruppen von MitarbeiterInnen strategischen The-men (Strategic Issues) an. Das sind Entwicklungen, die sich hinsichtlich ihrer Konse-quenzen nur schwer abschtzen lassen und mit entsprechenden Chancen und Risiken behaftet sind. Zu einem Strategic Issue formiert sich eine strategische Initiative, die es fortan zu gestalten gilt. Die Akteure kommen anfangs ohne feste Organisationsformen aus, agieren nur lose miteinander, erlangen aber spter unter Umstnden den formalen Status eines strategischen Projekts, dessen Projektstruktur eventuell mehrere Organisati-onseinheiten und Gestaltungsebenen berspannt. Strategien auf dieser Ebene knnen laut Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) ihre Vorteile daraus ziehen, dass deren Initiativen auerhalb der bestehenden Strukturen betrieben werden, was normalerweise mehr Platz fr ungewhnliche und innovative Inhalte zulsst. In diesem Zusammenhang erscheint die Auffassung von Ansoff (1984) hinsichtlich des Strategic Issue Managements interessant. Der Hauptansatz besteht (zunchst) in einer kontinuierlichen Beobachtung der Umwelt, um mglichst frhzeitig zu erkennen (Weak Signals), ob Reaktionen auf neue Situationen sofort, spter oder gar nicht erforderlich sind. Im Extremfall spricht der genannte Autor von einem Notfall-Management, wel-ches dann einsetzt, wenn eine strategische berraschung (ein neues, vorab nicht zu er-kennendes, wichtiges Ereignis) bewltigt werden muss.

    3.6.2.5.6 Ebenenbezug von Innovationsstrategien Richtet man den Fokus speziell auf die Gruppe der Innovationsstrategien, so sind grund-stzlich alle Ebenen mehr oder weniger stark betroffen bzw. in den Strategieprozess involviert. Exemplarisch kann folgende Zuordnung von Innovationsthemen gemacht werden:

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 123 Unternehmensstrategie

    Fr Hauschildt/Salomo (2007, 63) erfordert eine bewusste Gestaltung der Innovationst-tigkeit strategische Entscheidungen auf oberster Ebene. Voraussetzung ist eine Unter-nehmenspolitik, die Wert auf Langfristigkeit legt, von den Fhrungsinstanzen bestimmt wird und ein zuvor durchdachtes Konzept von Innovationsanstrengungen explizit ver-folgt. Geschftsstrategie

    Laut Mller-Stewens/Lechner (2005, 34) trifft man bei diversifizierten Unternehmungen in der Aufbauorganisation meist auf der zweiten organisatorischen Ebene die einzelnen Geschftseinheiten an, wo es darum geht zu entscheiden, mit welchen Produkten man sich in welchen Mrkten positionieren will. Die Optionen mit neuen Produkten zu wach-sen,161 impliziert a priori die Auseinandersetzung mit Innovations- bzw. F&E-Themen. Folgt man den Ausfhrungen von Leitner (2006, 19), sind, neben der strategischen Frage nach der Abstimmung zwischen Technologie- und Produktportfolio sowie der Aufrecht-erhaltung der Integrationskompetenz, vor dem ressourcenorientierten Hintergrund auch die strategischen Alternativen der Exploration und Exploitation (Ambidexterity)162 zu adressieren, die eine direkte Wechselbeziehung zu anderen Gestaltungsebenen impli-zieren. Unternehmungen knnen neues Wissen und Technologien im Rahmen eigener F&E-Prozesse und externer Suchprozesse generieren (Exploration), aber auch existieren-des Wissen und Kompetenzen durch vielfltige Rekombination und Bndelung nutzen (Exploitation). Funktionalstrategie

    Fr Mller-Stewens/Lechner (2005, 38 und 477) ist die F&E als Funktionalbereich mit strategischen Fragestellungen konfrontiert. Diese betreffen vor allem das Management der einem Funktionalbereich zugerechneten Erfolgspotentiale. So knnte z.B. in der F&E darber zu entscheiden sein, in welche Technologien man zu investieren hat bzw. ist das Verhltnis zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung zu klren. Netzwerkstrategie

    Laut Gassmann/Reepmeyer (2006, 55) stellen neben der Lizenzierung die klassischen Kooperationsformen im Bereich der F&E bliche Interaktionen zwischen einzelnen Unternehmen dar. Innerhalb der sterreichischen Forschungslandschaft besteht die Mglichkeit von gefr-derten oder nicht-gefrderten Kooperationen mit Kompetenzzentren und/oder Universit-ten,163 wodurch hinsichtlich Netzwerkstrategien im Bereich Innovation und F&E enorme Potentiale zu vermuten sind.

    161 Vgl. zu Wachstum mit neuen Produkten die Markt/Produkt-Matrix nach Ansoff (1965, 109), auch beschrie-

    ben in Abschnitt 3.6.2.10.1. 162 Vgl. zu Ambidexterity im Rahmen der Dynamic Capabilities Abschnitt 4.5.2.7.2. 163 Vgl. zu Kooperationsmglichkeiten in der F&E Abschnitt 2.3.3.

  • 124 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen Fr Sydow (1992, 82 und 149) gewinnen strategische Netzwerke im Generellen seit Ende der 1970er Jahre als alternative Koordinationsform zunehmend an Bedeutung. Auslser dieser Entwicklung sind moderne Informations- und Kommunikationstechnolo-gien, fortschrittliche Transportsysteme und vor allem flexible Produktionstechnologien, die selbst relativ kleinen, dezentralen, gleichwohl miteinander vernetzten Produktions- und F&E-Sttten die wirtschaftliche Nutzbarmachung von Netzwerken ermglichen. Primres Ziel solcher Netzwerke ist gem Sydow (1992) grundstzlich die gemeinsame Realisierung von Wettbewerbsvorteilen. Strategic Issues

    Da laut Mller-Stewens/Lechner (2005, 38) Issue-Strategien lediglich situationsbedingt auftreten, kann a priori nicht beschrieben werden, wie diese sich gestalten und mit ande-ren Ebenen interagieren. Es ist jedoch festzuhalten, dass solche Strategien i.A. viel Platz fr ungewhnliche und innovative Inhalte zulassen.

    3.6.2.6 Bestimmung der Art des Ressourceneinsatzes Gem Schewe (1998, 29) beschftigt sich der Inhalt einer Strategie auch damit, in wel-chem Ausma betriebliche Ressourcen in einem Bereich zu investieren bzw. aus einem Bereich abzuziehen sind. Mit Hilfe strategischer Manahmen erfolgt eine Steuerung des Ressourceneinsatzes. Es steht nicht das lokale Problem der Verteilung im Vordergrund, sondern vielmehr die Vernderung oder die Aufrechterhaltung der Quantitten der zu betrachtenden Ressourcen.164 Strategien legen nicht nur fest wohin die Ressourcen flie-en, sie determinieren auch ob im Vergleich zur Vergangenheit die zur Verfgung ste-henden Ressourcen steigen, schrumpfen oder unverndert bleiben. Diese Betrachtung fokussiert vor allem die Unternehmensstrategie, ist jedoch auch auf hierarchisch niedri-ger stehende Strategien165 anwendbar. Grundstzlich knnen Strategien zur Steuerung des Ressourceneinsatzes aktiv verfolgt werden, um sich von Umweltvernderungen unabhngig zu machen bzw. kann man sie als Reaktion auf Vernderungen konzipie-ren.166 Glueck (1972, 186ff) und Certo/Peter (1991, 97ff) unterscheiden bei der Ressourcenver-teilung im strategischen Kontext zwischen (1) Schrumpfung, (2) Stabilisierung und (3) Wachstum. In Anlehnung daran systematisiert Hinterhuber (1992, 171ff) Strategien die sich an der Ressourcensteuerung orientieren wie folgt: Abschpfungs- oder Desinvestitionsstrategien

    Dienen zur Aufgabe von Geschftsbereichen.

    164 Vgl. dazu auch die Ausfhrungen zum Ressourcenbestand und die auf ihn wirkenden Dynamiken, beschrieben

    in Abschnitt 4.3.5.2. 165 Vgl. zu Gestaltungsebenen von Strategien Abschnitt 3.6.2.5. 166 Vgl. zur Unterscheidung zwischen aktiven und passiven Strategien auch die Grundhaltung der Unterneh-

    mung diskutiert in Abschnitt 3.6.2.8 bzw. Strategien zur Beeinflussung der Umwelt skizziert in Abschnitt 3.6.2.7.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 125 Investitions- und Wachstumsstrategien

    Dienen zur Erschlieung von neuen Produkten und/oder Mrkten.167 Selektive Strategien

    In Form als Defensivstrategie werden bestehende Produktlinien stabilisiert. Als Of-fensivstrategie werden die Produktlinien in benachbarten Segmenten ausgebaut.

    3.6.2.7 Gestaltung der Umweltabhngigkeit Folgt man der Auffassung von Schewe (1998, 30f), stehen einer Unternehmung prinzipi-ell drei Alternativen fr die Ausrichtung der strategischen Verhaltensweise gegenber ihrer Umwelt zur Verfgung, die sich in ihrer Intensitt, mit der sie Einfluss auf die Umwelt nehmen, unterscheiden: Independent Environment Management Strategies

    Diese Strategien verzeichnen laut Schewe (1998, 31) die geringste Einflussnahme und streben lediglich eine Unabhngigkeit vom wettbewerblichen Umfeld an. Auf die restliche Umwelt wird im Rahmen der Strategie nicht eingegangen. Diese Art von Strategie zielt darauf ab, dem Wettbewerb offensiv und aggressiv zu begegnen um sich so unabhngig von nderungen der Wettbewerbsumwelt zu machen. Man selbst bestimmt den Wandel der Wettbewerbsparameter und nicht umgekehrt.

    Cooperative Strategies Fr Schewe (1998, 31) haben diese Strategien nicht mehr nur das Wettbewerbsum-feld im Fokus. Zwar wird hier bereits die gesamte Unternehmensumwelt betrachtet, konkrete Aktivitten zur Gestaltung der entsprechenden Umweltparameter werden jedoch nicht gestartet. Vielmehr wird versucht die unternehmenseigene Flexibilitt derart zu erhhen, dass bei Umweltvernderungen eine eigene Reaktion nicht sofort erforderlich ist. Die durch Kooperation gebndelten Ressourcen erlauben es, dem Umweltdruck nachhaltig Widerstand zu leisten. Viele inkrementelle Impulse, die oh-ne Kooperation einer Antwort bedurft htten, knnen mit dem gehuften Ressour-cenpotential absorbiert werden.

    Strategic Maneuvering Der Begriff Strategic Maneuvering entstammt der Auffassung von Zeitha-mel/Zeithamel (1984, 49). Bei diesem dritten Strategietypus rckt gem Schewe (1998, 31) ebenfalls (wie schon bei den kooperativen Strategien) die gesamte Unter-nehmensumwelt in den Fokus der Strategiegestaltung. Hier wird jedoch nicht nur versucht die Konsequenzen einer Umweltvernderung zu absorbieren, sondern viel-mehr einzelne Umweltparameter, nicht nur solche des Wettbewerbs, aktiv zu gestal-ten. Die strategischen Manver bilden folglich diejenige Option, die es einer Unter-

    167 Vgl. zu Wachstumsstrategien die Festlegung von Produkt/Markt-Kombinationen beschrieben in Abschnitt

    3.6.2.10.1.

  • 126 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen

    nehmung durch aktive Mitgestaltung ihrer gesamten Umwelt am ehesten ermglicht eine grere Unabhngigkeit von externen Einflssen zu bekommen.

    Zu den obigen Ausfhrungen ergnzend bzw. vertiefend ist die Dynamic Capabilities Theorie, im Speziellen die Kompetenzklasse Sensing (and Shaping) Opportunities and Threats (4.5.2.4), zu betrachten. Dort wird im Rahmen des analytischen Modells der Mikrofundierungen nach Teece (2007b) explizit das gezielte Formen von Chancen disku-tiert.

    3.6.2.8 Ausdruck der unternehmerischen Grundhaltung

    3.6.2.8.1 Generelle Typologisierung Gem Schewe (1998, 33) kann, analog zum Verhalten bei Einzelentscheidern, bei dem abhngig von der individuellen Einstellung zum Risiko zwischen (1) Risikoneutralitt, (2) -aversion und (3) -freude zu unterscheiden ist, die Strategie einer Unternehmung auch Ausdruck einer bestimmten Grundhaltung sein. Eine derartige Ausrichtung muss jedoch laut Kirsch (1990, 284f ) nicht explizit formuliert sein, es kann sich auch um eine unbe-wusste Verhaltensweise handeln, die in Summe als Grundhaltung zu deuten ist. Miles/Snow (1978, 29ff) skizzieren Strategien, die ein bestimmtes Anpassungsverhalten der Unternehmung an die spezifische Umwelt beschreiben. Bei dieser Typologisierung ist zu beachten, dass sie sich vor allem auf das Verhalten der Unternehmung am Markt konzentriert. Folgende drei strategische Grundhaltungen konnten von Miles/Snow (1978) empirisch festgestellt werden und gelten folglich als realtypische Muster: Defender: Dieser Typus agiert auf gut berschaubaren Mrkten und versucht dort

    sich eine starke Marktstellung aufzubauen, was sich oft in einem scharfen Preiswett-bewerb und einem Drang zur vertikalen Integration ausdrckt.

    Prospector: Dieser Typ ist stndig auf der Suche nach neuen Geschftsfeldern und ist damit Hauptverursacher der marktmigen und technologischen Dynamik einer Branche.

    Analyzer: Diese Typologie wird von Miles/Snow (1978) als Kombination der beiden obigen verstanden. Ziel ist ein stetiges Wachstum, wobei sorgfltig abgewogen wird, inwieweit angestammte Geschftsfelder ausgebaut bzw. neue Geschftsfelder er-schlossen werden.

    Darber hinaus existiert laut Miles/Snow (2003) noch ein vierter Typ: Reactor: Dieser Typus wird, da er kein stabiles Verhalten aufweist, von Miles/Snow

    (2003) nicht dezidiert als Strategietyp bezeichnet. Miles/Snow (2003) postulieren, dass Defender, Analyzer und Prospector bei richtiger Anwendung erfolgsversprechende Strategien sind, welche der Reactor-Strategie berle-gen sind. Ein Reactor passt seine Verhaltensweise stetig den Umweltvernderungen an, ohne dass eigenstndige Ziele bezglich der Umweltparameter verfolgt werden. Durch empirische Untersuchungen, wie etwa McDaniel/Kolari (1987), McKee/Varadarajan/Pride (1989), Conant/Mokwa/Varadarajan (1990) sowie im ber-

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 127 blick Homburg/Simon (1995), konnte die Existenz der von Miles/Snow (1978) beschrie-benen Strategietypen besttigt werden. Durch diese Studien konnte jedoch auch nachge-wiesen werden, dass z.B. in unsicheren Umweltsituationen, die Reactor-Strategie er-folgsversprechend ist. Fr Schewe (1998, 34) besitz dieser Residual-Typ ebenfalls Stra-tegiecharakter, da Unternehmungen sich dabei durch ein Hchstma an Flexibilitt aus-zeichnen mssen. Das Bereithalten von Ressourcen zur Sicherung der Flexibilitt wird folglich als strategische Grundhaltung aufgefasst.

    3.6.2.8.2 Typologisierung mit Bezug zum Ausma der Innovationsorientierung Gem Homburg/Krohmer (2006, 520f) stellt das Innovationsniveau des zu betrachten-den Objekts (Unternehmen oder Geschftseinheit) eine zentrale Dimension zur Beschrei-bung verschiedener Strategietypen dar. Die oben vorgestellte Typologisierung von Mi-les/Snow (1978) bzw. Miles/Snow (2003) kann insbesondere zur Charakterisierung des Ausmaes einer Innovationsorientierung herangezogen werden. Die einzelnen Typen lassen sich entlang eines Kontinuums anordnen (vgl. Abbildung 42) und sind mit Innova-tionsthemen wie folgt in Zusammenhang zu bringen: Der Defender weist eine geringe Innovationsorientierung auf und konzentriert sich

    auf die Verteidigung der besetzten Marktposition. Dies erfolgt laut Hom-burg/Krohmer (2006) hufig in Kombination mit einer Nischenstrategie.

    Der Prospector orientiert sich hin zu einem breiten Markt und weist eine ausgeprg-te Innovationsorientierung auf, welche durch die kontinuierliche, aktive Suche nach neuen Chancen gekennzeichnet ist. Fr Homburg/Krohmer (2006) sind Unternehmen bzw. Geschftsbereiche dieser Kategorie im Hinblick auf Innovationen sehr risiko-freudig.168

    Der Analyzer weist eine mittelstarke Innovationsorientierung auf. Er ist Neuerungen gegenber aufgeschlossen, analysiert die Erfolgschancen systematisch und ist laut Homburg/Krohmer (2006) weniger risikofreudig als Objekte (Unternehmen, Ge-schftseinheiten) der Prospector-Kategorie.

    Der Reactor ist auerhalb des Kontinuums angeordnet, da bei diesem Typus kein Muster in den Strategiedimensionen zu beobachten ist. Hier reagieren laut Hom-burg/Krohmer (2006) Objekte (Unternehmen, Geschftseinheiten) erst bei hoher Dringlichkeit auf Vernderungen der Umwelt, ohne dass jedoch eine strategische Konzeption erkennbar ist.

    168 Als Beispiel fr einen Prospector kann ein typisches Silicon-Valley Unternehmen angefhrt werden. Eine

    solche Organisation investiert massiv in F&E und ist stets auf der Suche nach neuen Chancen (vgl. Homburg/Krohmer 2006, 520).

  • 128 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen

    Defender Analyzer Prospector

    Auerhalb dieses Kontinuums: Reactor

    - Risikoneigung- Innovationsorientierung- Weite des als relevant betrachteten Marktes- Flexibilitt des Technikeinsatzesn

    iedr

    ig

    hoch

    Abbildung 42: Innovationsbezogene Strategietypen

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Miles/Snow (2003)]

    3.6.2.9 Erlangung von Wettbewerbsvorteilen Ein Aspekt der laut Schewe (1998, 35) immer wieder mit dem Strategiegedanken ver-bunden wird, ist die Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Wettbewerb. Ziel einer Unternehmung ist es sich Vorteile gegenber den Wettbewerbern zu schaffen. Zur Zielerreichung wird eine Wettbewerbsstrategie konzipiert. Gem Porter (1986, 19ff) bestimmen die Kosteneffizienz bzw. der Differenzierungsgrad den relativen strategischen Vorteil gegenber dem Wettbewerb innerhalb einer Branche. Mit der Kosteneffizienz meint Porter (1986) eine gnstige Input/Output-Relation. Der Differenzierungsgrad gibt an, inwieweit die Leistung bzw. der resultierende Nutzen aus der Sicht der Abnehmer als einzigartig empfunden wird. Entlang der beiden Dimensio-nen Kosteneffizienz und Differenzierungsgrad (vgl. Abbildung 43) leitet Porter (1986) unterschiedliche Wettbewerbsstrategien ab: Strategie der Kostenfhrerschaft

    Man versucht der kostengnstigste Wettbewerber innerhalb einer Branche zu werden. Es werden eher Standardprodukte angeboten.

    Strategie der Differenzierung Ziel ist Produkte anzubieten, die sich hinsichtlich der Produkteigenschaften von de-nen der Wettbewerber unterscheiden. Bedingung ist, dass es sich um Eigenschaften handelt, fr deren Bereitstellung auch eine Nachfrage existiert.

    Strategie der Konzentrierung auf Schwerpunkte Im Gegensatz zu den obigen Strategien liegt hier nicht der Gesamtmarkt im Fokus der Unternehmung. Man konzentriert sich auf eine Marktnische oder ein Marktseg-ment. In diesem Teilmarkt werden die Schwerpunkte entweder auf die Kostenfhrer-schaft oder auf die Differenzierung gelegt.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 129

    Wettbewerbsvorteil

    Branchenweite Wettbewerbsstrategie Kostenfhrerschaft Differenzierung

    Kosten-Schwerpunkt

    Beschrnkungauf Segmente

    Niedrige Kosten Differenzierung

    Wet

    tbew

    erbs

    -Fe

    ld

    Differenzierungs-Schwerpunkt

    Abbildung 43: Generische Wettbewerbsstrategien nach Porter

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Porter (2000, 38)]

    Fr Porter (1986) schlieen sich Strategiekombinationen, sprich die gleichzeitige Erlan-gung der Wettbewerbsvorteile Kostenfhrerschaft und Differenzierung, aus, da eine Strategie der Differenzierung i.d.R. zu hheren Kosten fhrt und insofern nicht mehr kosteneffizient sein kann. Dieser Aspekt wird jedoch in der Literatur, etwa von Hill (1988, 401ff), Wright et al. (1991, 62) und Marlin/Hoffman/Lamont (1994, 155ff), nicht ohne Widerspruch hingenommen. Es wird auch von Pearce/Robinson (2003, 249) be-schrieben, dass die Herausforderung fr ein modernes Management in der Evaluierung und Auswahl von Geschftsbereichsstrategien, welche auf Fhigkeiten, Kompetenzen und Wertkettenaktivitten basieren und sowohl Wettbewerbsvorteile durch Kostenfh-rerschaft als auch durch Differenzierung erlangen, liegt. In diesem Kontext diskutieren etwa Welge/Al-Laham (2008, 534ff) Hybride Strategien und unterscheiden zwei Ar-ten: Sequentielle und Simultane Hybride Strategien. Sequentielle hybride Strategien

    Gem Gilbert/Strebel (1987) entkoppeln Sequentielle Hybride Strategien die Kosten- und Differenzierungskomponente in ihrer zeitlichen Dimension. Die Autoren schlagen vor, in bestimmten Phasen des Wettbewerbs von einer Strategie zur anderen zu wechseln, wobei beim Wechsel der bis dahin jeweils erreichte Wettbewerbsvorteil (Kosten oder Differenzierung) erhalten bleibt. Sie verdeutlichen ihr Konzept an einem wettbewerbs-theoretischen Modell, das einen Innovator (First Mover) und mehrere Imitatoren (Follower) eines Leistungsangebots bercksichtigt. In diesem Zusammenhang be-schreiben Welge/Al-Laham (2008, 537) mit Bezug auf Fleck (1995, 61ff), dass der Inno-vator auf einem gegebenen Markt quasi per Definition eine Differenzierungsstrategie verfolgt. Die Neuartigkeit des von ihm angebotenen Leistungsbndels verspricht einen hheren Kundennutzen und stellt ein einzigartiges Angebot dar. Man spricht hier vom Differenzierungsvorteil durch Innovationsvorsprung. Der vom Innovator i.d.R. relativ hoch angesetzte Preis lockt fortan Imitatoren auf den Markt. Diese warten zunchst ab, bis sich ein De-facto-Standard im Diffusionsprozess169 herauskristallisiert hat. Die Imita-toren positionieren sich mit standardisierten Me-too-Produkten, die sie in Massenpro-duktion kostengnstig herstellen knnen (Kostenfhrerschaft). Im Verlauf der Bran-chenevolution nhern sich jedoch die beiden Positionen einander an. Im Zuge des sin-

    169 Vgl. zum Diffusionsprozess Abschnitt 2.2.5.

  • 130 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen kenden Branchenpreises bemht sich der Innovator um Kostensenkungen, um unter Beibehaltung des Differenzierungsvorteils einen greren preispolitischen Spielraum zu erzielen. Der Imitator hingegen erreicht eine Grenze, in der die Kosten-Preis-Dimension ausgereizt ist, sprich keine weiteren Kosten- und Preisreduktionen erzielbar sind. Er beginnt sein Angebot zu differenzieren, um den Kundennutzen und damit den preispoliti-schen Spielraum zu erhhen. Am Ende der Branchenevolution befinden sich gem Welge/Al-Laham (2008, 537) die meisten Anbieter in einer hybriden Wettbewerbspositi-on, von der aus nur durch eine Verschiebung des Wettbewerbsrahmens neue, temporre Wettbewerbsvorteile erzielt werden knnen. Simultane hybride Strategien

    Simultane hybride Strategien realisieren gleichzeitig Kosten- und Differenzierungsvor-teile. Aus mikrokonomische Vorberlegungen leitet Fleck (1995) drei Differenzie-rungsstrategien ab: - Die Innovationsstrategie (laterale Differenzierung) zielt auf das Angebot neuer

    Nutzenkomponenten oder Nutzenausprgungen (z.B. Produkttechnologien) ab. - Die Variettsstrategie (horizontale Differenzierung) zielt auf das Angebot einer

    individuelleren Leistung,170 d.h. auf eine Vernderung der Merkmalskombinatio-nen des Angebots (z.B. hhere Wirtschaftlichkeit bei reduzierten Funktionen und gleichbleibender Qualitt) ab.

    - Die Qualittsstrategie (vertikale Differenzierung) zielt auf das Angebot einer besse-ren Leistung, (z.B. hhere Wirtschaftlichkeit bei hherer Qualitt und grerem Funktionsumfang) ab.

    In Anlehnung an die mikrokonomische Kostentheorie beschreibt Fleck (1995, 92ff) drei Alternativen zur Verbesserung der Kostenposition: - Economies of Scale (Skalen- oder Greneffekte) sind Kostendegressionseffekte,

    die (automatisch) bei steigender Kapazittsauslastung oder steigender Kapazittsgr-e entstehen.

    - Economies of Learning (Lern- oder bungseffekte) sind Einsparungen, die im Zeitablauf aus einer Verbesserung von Prozessen resultieren.

    - Economies of Scope (Verbund- oder Synergieeffekte) liegen dann vor, wenn die Produktion von zwei Gtermengen innerhalb eines Unternehmens bzw. Geschftsbe-reichs kostengnstiger ist als die Produktion der gleichen Gtermenge in zwei ge-trennten Unternehmens- bzw. Geschftsbereichen.

    Ausgehend von diesen Vorberlegungen greift Fleck (1995, 97ff) auf eine Gewinnfunk-tion vom Typ

    Gewinn Menge Preis Kosten (4)

    170 Vgl. zur Individualisierung auch Mass Custimization, diskutiert in Abschnitt 2.2.4.1.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 131 zurck, um die Erfolgswirkungen einer hybriden Strategie theoretisch begrnden zu knnen. Die Strategietypen Porters determinieren die Parameter der Gewinnfunktion in folgender Weise:

    ( ) ( ) ( )DifferenzierungGewinn Menge Preis Kosten (5)

    ( ) ( ) ( )KostenfhrerschaftGewinn Menge Preis Kosten (6)

    Die generischen Wettbewerbsstrategien setzen demzufolge jeweils unterschiedlich an den Parametern an. Da (simultane) hybride Strategien sowohl Kosten- als auch Differen-zierungsvorteile anstreben, ist zu berprfen, inwieweit bei einem hybriden Strategie-schwerpunkt alle drei Parameter der Gewinnfunktion gleichermaen positiv beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang sind laut Fleck (1995, 99) drei Fragestellungen theo-retisch aufzuarbeiten: - Menge: Welchen Einfluss hat die Differenzierungskomponente in hybriden Strate-

    gien auf die Menge und damit (indirekt) auf die skalenabhngige Kostenposition? Ist Differenzierung naturgem mit einem kleinen Marktanteil verbunden?

    - Kosten: Wie knnen Differenzierungsstrategien so formuliert werden, dass simultan die Kostenposition verbessert wird (direkter Kosteneinfluss)?

    - Preis: Ist fr die hybride Differenzierungsstrategie auch eine Wahlfreiheit hinsicht-lich der Preise gegeben?

    Abbildung 44 veranschaulicht graphisch den von Fleck (1995) entwickelten Bezugsrah-men zur Erklrung (simultaner) hybrider Strategien und stellt eine Modell zur Verfgung um Mengeneffekte, Kosteneffekte und Preiseffekte studieren zu knnen.

    Differenzierung

    Kostenposition

    ?

    Produktions- und Transaktionskosten

    Wirtschaftlichkeits-und Funktionalnutzen

    PreisWettbewerbs-

    vorteileMenge,

    Marktanteil Gewinn

    Kostenstrategien

    Economies of ScaleEconomies of LearningEconomies of Scope

    Differenzierungsstrategien

    InnovationsstrategieVariettsstrategieQualittsstrategie

    Abbildung 44: Bezugsrahmen zur Analyse simultaner hybrider Strategien

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Fleck (1995, 98)]

  • 132 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen Im Rahmen der Diskussion von Kosteneffekten fokussieren Welge/Al-Laham (2008, 543) explizit auf hybride Innovationsstrategien und stellen dabei den Zeitaspekt in den Vordergrund. Sie beschreiben, dass solche Strategien auf der Verknpfung des Konzep-tes der Economies of Speed (Zeitvorteile) mit Economies of Scope (Synergievorteile) und Economies of Quality (Qualittsvorteile) basieren, welche wiederum auf Lerneffek-ten beruhen. Economies of Speed zeigen sich in einer Erhhung der Geschwindigkeit und Frequenz von Entwicklungszyklen171 sowie in organisationalen Lernprozessen, die etwa zu einer Verringerung der F&E-Kosten fhren. Zeitvorteile bestimmen zudem die Opportunittskosten eines verspteten Markteintritts bzw. einer zu niedrigen Innovati-onsrate (First Mover vs. Follower Problematik). Gem Welge/Al-Laham (2008, 543) kann die Erhhung der Differenzierung damit ber das Auftreten von Zeitvorteilen zu einer Kostensenkung fhren.

    3.6.2.10 Produkt und Markt

    3.6.2.10.1 Strategische Storichtung Eine weitere Ausprgung im Konstrukt des Strategieinhaltes betrifft die Wahl von Pro-dukten und Mrkten. Gem Schewe (1998, 36) legt Ansoff (1957, 113ff) den wohl bekanntesten Ansatz zur Systematisierung der sich in diesem Zusammenhang bietenden Alternativen vor (vgl. Abbildung 45), der jedoch z.B. von Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008, 264) dahingehend kritisiert wird, dass er (1) lediglich fr wachsende Branchen konzipiert ist, (2) marktteilnehmerbezogene Aspekte wie etwa Konkurrenzdimensionen nicht explizit bercksichtigt und dass (3) interne Strken und Schwchen bzw. die Kom-petenzen des Unternehmens nicht systematisch bercksichtigt werden. Je nachdem ob es sich um einen fr die Unternehmung neuen oder einen bereits besetz-ten Markt handelt bzw. ob ein neuartiges oder ein bereits gegenwrtig vermarktetes Produkt vorliegt, grenzt Ansoff (1957) vier Produkt/Markt-Strategien voneinander ab: Die Marktdurchdringungsstrategie zielt darauf ab auf bereits besetzten Mrkten,

    bei bereits vorhandenen Produkten, das Marktpotential durch intensive Bearbeitung des Marktes nachhaltig auszuschpfen. Dies ist mglich, indem man Kufer des Konkurrenzproduktes fr sich gewinnt, Nichtverwender anspricht oder die Verkaufs-rate des Produktes bei den eigenen Kunden erhht.

    Die Strategie der Marktentwicklung versucht fr vorhandene Produkte neue Mrkte zu entwickeln. Regionale Ausdehnung oder die Erschlieung von unbearbeiteten Marktsegmenten sind hier die Hauptparameter.

    Die Strategie der Produktentwicklung versteht sich als die Bereitstellung neuartiger Produkte fr bereits vorhandene Mrkte. Die Neuartigkeiten knnen sowohl Innova-tionen sein als auch zustzliche Produktversionen oder Produkterweiterungen.

    171 Exemplarisch nennt Fleck (1995, 138ff) etwa die Kompression der Entwicklungszyklen durch Prozessreorga-

    nisation.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 133 Die Strategie der Diversifikation ist die weiteste Entfernung von den bisher besetz-

    ten Produkt/Markt-Kombinationen (neuartige Produkte, neue Mrkte). Am strksten ist diese Entfernung bei der lateralen Diversifikation. Die horizontale Diversifikation drckt eine sachliche Verwandtschaft zum bisherigen Produktprogramm aus, wh-rend die vertikale Diversifikation auf eine Vertiefung des Produktprogramms abzielt.

    Mrktegegenwrtige neue

    Produkte

    gegenwrtig

    neue

    Markt-durchdringungs

    Strategie

    Markt-entwicklungs

    Strategie

    Produkt-entwicklungs

    Strategie

    Diversi-fikations Strategie

    Abbildung 45: Produkt/Markt-Matrix, respektive alternative Storichtungen zur Erschlieung von Wachstumsquellen

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Ansoff (1965, 109) und Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008, 261)]

    Schewe (1998, 37) folgernd ist mit der Wahl der zu besetzenden Produkt/Markt-Kombination noch keine Entscheidung darber gefallen, wie eine derartige Kombination zu entwickeln ist. Grundstzlich sind dabei zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden: (1) Der eigenstndige Aufbau einer derartigen Kombination oder (2) die Akquisition unter-nehmensfremder Einheiten. Dabei beschrnkt sich die Akquisitionsstrategie nicht nur auf den Fall der Diversifikation. Akquisitorische Aktivitten sind durchaus auch bei den anderen Strategien der Produkt/Markt-Wahl anzutreffen. Folgt man Welge/Al-Laham (1992, 293ff) und Bhner (1993, 225ff), wird, hnlich zur Diskussion der unterschiedlichen Aspekte des Diversifikationsverhaltens, auch der Durchfhrung von Akquisitionsstrategien in der Literatur vielfltige Bedeutung ge-schenkt. Neben den verschiedenen Arten der Unternehmensakquisition gilt etwa fr Bhner (1993, 349ff) die Aufmerksamkeit vor allem den Motiven fr eine Akquisitions-strategie sowie den Bedingungen unter denen eine derartige erfolgsversprechend scheint. Im Kontext von Dynamic Capabilities schreibt Tallmann (2003, 391ff), dass in einer fhigkeitsgetriebenen Welt Fusionen und Akquisitionen (Mergers and Acquisitions) gebruchliche Methoden sind, um in neue Geschftsfelder oder Mrkte zu diversifizie-ren. Den Vorteilen wie etwa die Geschwindigkeit des Wachstums stehen Nachteile wie z.B. die Nicht-Vertrautheit mit Ressourcen, Fhigkeiten und Routinen gegenber. Gem Wollersheim (2010, 2) ist im Zuge der Integration zweier Unternehmen anstelle alter und bekannter Vorgehensweisen der richtige Umgang mit Unsicherheit gefragt. Auf die Fragen wie Organisationen bzw. deren Abteilungen mit Unsicherheit umgehen und ob es Unternehmungen oder Abteilungen gibt, die sich besser auf neue Gelegenheiten einstel-len und diese letztlich leichter bewltigen knnen, kann der Dynamic Capability Ansatz eine Antwort geben.

  • 134 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 3.6.2.10.2 Objekt der Innovationsorientierung Laut Homburg/Krohmer (2006, 521f) ist neben dem bereits diskutierten Innovationsaus-ma (3.6.2.8.2) auch das Objekt der Innovation zu betrachten. Es geht dabei darum, worauf sich die Innovation primr bezieht. Am augenscheinlichsten kann ein Unterneh-men innovativ in Bezug auf Leistungen (Produkte und Services) und die zu bearbeiten-den Marktsegmente sein. Zudem knnen Innovationen jedoch auch im Bereich der Pro-zesse, Geschftsmodelle oder des Marketings liegen.172 Oftmals werden solche Dimensi-onen jedoch nur peripher bercksichtigt, da die genannten Bereiche in einer Unterneh-mung eher untersttzend als leistungserstellend wirken.

    3.6.3 Die Marktperspektive und entsprechende Strategiealternativen Fr Kreilkamp (1987, 47ff) ist eine Betrachtung der kombinierten Dimension Strategie und Marketing vor allem dort essentiell, wo das betreffende Unternehmen eine Markt- und Kundenorientierung als wesentliche Komponente der Fhrungsphilosophie verfolgt. Neben den operativen Aufgaben gestaltet in diesen Fllen das Marketing auch den strate-gisch relevanten Fhrungsprozess mit. Laut Becker (2006, 3f) hat sich die marktorien-tierte Fhrung von Unternehmen den verndernden Unternehmens- und Umweltsituatio-nen permanent anzupassen. Eine solche Unternehmensfhrung lsst sich nur dann konse-quent umsetzen, wenn dem unternehmerischen Handeln ein schlssig abgeleitetes Kon-zept zugrunde gelegt wird. Vor dem Hintergrund komplexer Umweltkonstellationen und ihrer hohen Vernderungsdynamik bzw. dem generellen Verdrngungswettbewerb, treten laut Ansoff (1976) als verstrkende Elemente zum Teil abrupte Konstellationsnderun-gen173 auf , wodurch eine klare Kursbestimmung fr Organisationen berlebensnotwen-dig wird. Wenn Unternehmen auf rauher See bestehen bzw. berleben wollen, so mssen sie laut Becker (2006, 3f) zunchst wissen, wo sie stehen und welche Wunsch-orte (Unternehmensziele) sie erreichen wollen. Erst dann kann eine optimale Route (Strategie) bestimmt und geeignete Befrderungsmittel festgelegt werden. Lehner (1996, 267) bezeichnet in diesem Zusammenhang Strategie als () Instrument fr den Umgang mit Dynamik und Komplexitt in der Umwelt. Folgt man den Ausfhrungen von Becker (2006, 351ff), kann aus einer marktorientierten Perspektive zwischen vier Strategieebenen unterschieden werden: (1) Marktfeldstrate-gien, (2) Marktstimulierungsstrategien, (3) Marktparzellierungsstrategien und (4) Markt-arealstrategien.

    172 Vgl. dazu die Diskussion zur inhaltlichen Dimension der Abgrenzung von Innovationen in Abschnitt

    2.2.1.1.1. 173 Abrupte Vernderungen knnen auch als Diskontinuitten bezeichnet werden. Vgl. zu Diskontinuitten

    die Ausfhrungen im einleitenden Abschnitt 1.1.1 sowie die Ausfhrungen zum Dynamikbegriff in Ab-schnitt 4.2.1.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 135

    Strategie-ebene

    Marktfeld-strategien

    Markt-stimulierungs-

    strategien

    Markt-parzellierungs-

    strategien

    Markt-areal-

    strategien

    Strategiealternativen(strategische Breite)

    Markt-durchdringungs-

    strategie

    Markt-entwicklungs-

    strategie

    Produkt-entwicklungs-

    strategie

    Diversifikations-strategie

    Prferenz-strategie

    Preis-Mengen-strategie

    Massenmarktstrategie Segmentierungsstrategie

    partiale totale partiale

    lokaleStrategie

    regionaleStrategie

    ber-regionaleStrategie

    nationaleStrategie

    multi-nationale Strategie

    inter-nationaleStrategie

    Welt-markt-

    strategie

    totale

    Abbildung 46: Ein marktorientiertes Strategie-Raster mit einem beispielhaftem Strategie-Profil

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Becker (2006, 352ff)]

    Laut dem genannten Autor ist es nur durch eine solche Strukturierung mglich, entspre-chende strategische Optionen hinreichend differenziert darzustellen. Erfolgreiche strate-gische Konzepte von Unternehmen sind selten das Ergebnis der optimalen Strategiewahl auf lediglich einer Ebene, sondern berwiegend Resultat einer konsequenten Bndelung mehrerer strategischer Optionen auf mehreren strategischen Ebenen. Damit ergeben sich gesamtstrategische Handlungsmuster im Sinne der Ableitung unternehmensindividueller Strategieprofile (vgl. Abbildung 46). Die vier strategischen Ebenen werden von Becker (2006, 352) als Grundraster des strategischen Agierens, die 17 strategischen Einzelinitia-tiven als strategische Bauelemente fr die Konstruktion gesamtstrategischer Architektu-ren aufgefasst.

    3.6.4 Dynamic Capabilities Perspektive und die Schulen des strategischen Managements

    Gem Welge/Al-Laham (2008, 25) beantworten Theorien bzw. theoretische Perspekti-ven des strategischen Managements die Frage, auf welche Weise sich die Wissenschaft mit Phnomenen einer strategischen Unternehmungsfhrung auseinandersetzt. Fragen der Strategie einer Unternehmung und Fragen der Formulierung bzw. Umsetzung von Strategien standen seit jeher im Zentrum unterschiedlicher wissenschaftlicher Diszipli-nen. Die theoretische Basis des strategischen Managements kann daher als interdiszipli-nr charakterisiert werden und lehnt sich laut Welge/Al-Laham (2008, 25) an die Pla-nungstheorie, an konomische Wettbewerbstheorien (z.B. Industrial Organization), die Finanzwissenschaften (z.B. Portfolio-Selektionsmodelle), die Organisationstheorie, die Spieltheorie, die Chaos-Theorie, Kriegslehren, Rechtswissenschaften, etc. an, um Erkl-rungsbeitrge fr Phnomene der strategischen Unternehmungsfhrung zu liefern. Mintzberg (1990) greift die Vielfalt auf und gibt eine umfassende Bestandsaufnahme der verschiedenen Strmungen. Fr Welge/Al-Laham (2008, 28) erscheint diese Systematik jedoch weder berschneidungsfrei noch vollstndig, da etwa die Spiel- und die Transak-

  • 136 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen tionskostentheorie von Mintzberg nicht explizit bercksichtigt werden. Angesichts neue-rer Entwicklungen ist zudem die Gewichtung der einzelnen Perspektiven zu hinterfragen. Whrend in den 1990er Jahren Beitrge zu den kognitiven, politischen und kulturellen Schulen an Bedeutung verloren haben, gewinnen gem Welge/Al-Laham (2008, 28) lerntheoretische, ressourcenorientierte und konomische Strmungen zunehmend an Relevanz. Aufbauend auf die oben erwhnte Systematik und mit Bezug auf Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (1998, 369) zeigt Abbildung 47 eine Positionierung ver-schiedener Denkschulen hinsichtlich unternehmensinterner und -externer Variablen.

    rational natural

    com

    preh

    ensi

    ble,

    co

    ntro

    llabl

    eun

    pred

    icta

    ble,

    conf

    usin

    gex

    tern

    al w

    orld

    positioning

    entrepreneurial

    cultural

    environmentalcognitive

    learning

    design

    power(macro)

    power(micro)

    internal processes

    planning

    dynamic capabilities view

    ressource based view

    configuration

    stakeholder analysis

    schools with relevantviews on aspects ofDynamic Capabilities(Arndt 2011)

    Abbildung 47: Mapping the space of strategy formation

    [eigene Darstellung, in Anlehnung an Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (1998, 369)]

    Gem Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (1998, 367) knnen die einzelnen Schulen sowohl unterschiedliche Prozesse, als auch unterschiedliche Teile eines einzelnen Prozesses einer Strategieformation beschreiben. Da die erste Auffassung als Spezialfall der letzte-ren angesehen werden kann, gehen die Autoren grundstzlich davon aus, dass jeder Strategieprozess diverse Aspekte von verschiedenen Schulen mehr oder weniger intensiv kombiniert. In diesem Zusammenhang werden von Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (1998, 370) der Resource Based View und der Dynamic Capabilities View als hybride Perspek-tiven gesehen und sind in Abbildung 47 durch entsprechende Pfade gekennzeichnet. Arndt (2011, 2ff) schreibt zu dieser Thematik, dass vor allem vier der genannten Schu-len174 relevante Perspektiven auf diverse Aspekte von Dynamic Capabilities bieten (vgl. Abbildung 47):

    174 Jede dieser vier Denkhaltungen ist gem Arndt (2011, 3) in die Kategorie der prskriptiven Schulen

    einzuordnen.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 137 Entrepreneurial School

    Entrepreneurship kann gem Arndt (2011, 3) als das Ergreifen von Chancen durch kreatives Kombinieren unterschiedlicher Elemente und gleichzeitiges Durchbrechen von Gewohnheiten und Routinen aufgefasst werden. Dementsprechend liefert diese Schule wesentliche Beitrge zu jeder der drei Kompetenzklassen von Dynamic Capabilities.175 Kritisch wird angemerkt, dass die Forschung hauptschlich Seizing Opportunities und Implementing Strategic Choices untersucht und Sensing Opportunities and Threats bzw. die Generierung neuer Ideen (Shaping Opportunities) vernachlssigt. Learning School

    Dynamic Capabilities werden laut Arndt (2011, 3f) oft mit dieser wissensorientierten Schule assoziiert. Im Detail untersuchen ForscherInnen, wie etwa Pretorius/Steyn (2005), wie Wissen integriert wird bzw. welche Mechanismen die Artikulation, die Kodifizie-rung, das Teilen und die Internalisierung von Wissen untersttzen. Zollo/Winter (2002) gehen sogar so weit, dass sie Dynamic Capabilities als Learning Capabilities charakte-risieren. Kritisch ist dieser Perspektive entgegenzubringen, dass radikale Lernmechanis-men, die bentigt werden wenn sich das Umfeld abrupt ndert, mit diesem Zugang nicht erklrt werden knnen, da sich die Schule auf inkrementelle Verbesserungen fokussiert. Power School

    Gem Arndt (2011, 4) charakterisiert diese Perspektive die Bildung von Strategien im Wesentlichen als Entscheidungsfindungsprozess, der durch Interpretation und Verhand-lung getrieben wird. Aus dieser Perspektive betrachtet vermuten Zahra/Sapienza/Davidsson (2006, 918) Dynamic Capabilities vor allem beim Individu-um. Die Schule nimmt an, dass die Strategie durch einen Prozess gestaltet wird, in wel-chem der strkste Entscheidungstrger seine Ideen erfolgreich durchsetzt. Aus dieser Perspektive widerspiegelt die Ressourcenverteilung eines Unternehmens die Machtver-teilung und weniger die umweltinduzierten Erfordernisse. Unter der Annahme, dass der Prozess der Verhandlungen sehr stark von den vorangegangenen Entscheidungen ab-hngt, ergibt sich insgesamt eine Pfadabhngigkeit. Diese Pfadabhngigkeit ist vor allem darin begrndet, dass die Entscheidungsfindung oftmals die persnlichen Interessen des Managements reflektiert, oder dass die Anforderungen aus der Umwelt permanent gefil-tert wahrgenommen werden. Dies fhrt i.d.R. zu einer Ablehnung von alternativen Inter-pretationen oder Aktionen bzw. zu Widerstand gegen Vernderungen. Environmental School

    Laut Arndt (2011, 4) wird in dieser Schule die gesamte Population an Unternehmungen betrachtet und nicht das einzelne Unternehmen an sich (makrokonomischer Charakter). Die Entwicklung der Gesamtpopulation richtet sich dabei an der Verfgbarkeit von Ressourcen. Vernderungen in der Population insgesamt ereignen sich vor allem durch Selektion. Man meint damit, dass nur solche Unternehmen berleben, die sich den ver-

    175 Angesprochen wird dabei Sensing (and Shaping) Opportunities and Threats, Seizing Opportunities bzw.

    Managing Threats and Reconfiguration. Vgl. zu diesen Kompetenzklassen Abschnitt 4.5.2.

  • 138 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen nderten Umweltbedingungen anpassen knnen. Sind solche Vernderungen nicht (mehr) notwendig, stellen sich Routinen ein, sprich das System wird trge. In diesem Kontext werden von Schreygg/Kliesch-Eberl (2007) Dynamic Capabilities als Mglich-keit interpretiert, dem Druck hin zur Trgheit entgegenzuwirken.

    3.6.5 Reflexion: Strategie und Dynamic Capabilities Aus einer strategischen Perspektive betrachtet ist fr Schewe (1998, 20f) der Erfolg einer Unternehmung nicht daran festzumachen, ob es gelingt einen Konkurrenten am Markt zu besiegen, sondern inwieweit Nachfrage fr die eigenen Leistungen geschaffen werden kann. Dies wird besonders in stark wachsenden, innovativen Mrkten deutlich, wo im Prinzip keine Verdrngung stattfindet. Gem Schewe (1998, 21) wird einer Strategie blicherweise eine langfristige Orientie-rungen zugeschrieben, es werden partiell jedoch auch kurzfristige Aspekte betont, die etwa als Ausgangspunkt fr die Formulierung der langfristigen Absichten gedeutet wer-den knnen. Mintzberg (1979b, 25) spricht in diesem Zusammenhang von der Interpreta-tion der unternehmensrelevanten Umwelt, aus der sich unterschiedliche strategische Ausgangssituationen abzuleiten haben. Dynamic Capabilities sprechen grundstzlich eher kurzfristige Aspekte an, da sie die Dynamik in den Vordergrund stellen, zielen jedoch auf nachhaltige und damit langfristige Wettbewerbsvorteile ab. Laut Andrews (1987, 13f) hat sich im strategischen Management vielfach die Unter-scheidung zwischen Corporate und Business Strategy etabliert. Neben Selektions-vorteilen sind es fr Mller-Stewens/Lechner (2005, 34ff) und Meffert/Burmann/Kirchgeorg (2008, 252ff) vor allem die Strategic Spillovers, die auf Unternehmensebene oft von zentraler Bedeutung sind. Neben der synergetischen Nut-zung von Wettbewerbsvorteilen anderer Geschftseinheiten ist vor allem das Transferie-ren von Potentialen, die sich aus bestimmten einzigartigen Kompetenzen ergeben (Pa-renting Advantage), ein wesentlicher Faktor zur Realisierung von Vorteilen auf dieser Ebene. Im Rahmen der Dynamic Capabilities Theorie wird explizit auf Synergieeffekte und Spillovers, etwa durch Co-Spezialisierungen176 eingegangen. Richtet man den Fokus speziell auf die Gruppe der Innovationsstrategien, so sind fr Mller-Stewens/Lechner (2005, 34) grundstzlich alle Gestaltungsebenen mehr oder weniger stark betroffen bzw. in den Strategieprozess involviert. Auf Ebene der Ge-schftsbereiche sind gem Leitner (2006, 19) neben der strategischen Frage nach der Abstimmung zwischen Technologie- und Produktportfolio sowie der Aufrechterhaltung der Integrationskompetenz, vor dem ressourcenorientierten Hintergrund auch die strate-gischen Alternativen der Exploration und Exploitation (Ambidexterity) zu adressie-ren. Unternehmungen knnen neues Wissen und Technologien im Rahmen eigener F&E-Prozesse und externer Suchprozesse generieren (Exploration), aber auch existierendes Wissen und Kompetenzen durch vielfltige Rekombination und Bndelung nutzen (Ex-

    176 Vgl. zur Co-Spezialisierung die Abschnitte 4.5.2.5.2 (Co-Specialized Assets) und 4.5.2.6.3 (Management

    von Co-Spezialisierungen).

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 139 ploitation). Ambidexterity wird von Volberda/Lewin (2003), Teece (2007b), O'Reilly/Tushman (2008) oder Konlechner/Gttel (2009) explizit in Zusammenhang mit Dynamic Capabilities gebracht. Zu den Ausfhrungen von Schewe (1998, 30f) hinsichtlich der strategischen Verhaltens-weise von Unternehmen gegenber ihrer Umwelt kann ergnzend bzw. vertiefend die Dynamic Capabilities Theorie betrachtet werden.177 Dort wird im Rahmen des analyti-schen Modells der Mikrofundierungen nach Teece (2007b) explizit das gezielte Formen von Chancen (Shaping Opportunities) diskutiert. Gem Homburg/Krohmer (2006, 520f) stellt das Innovationsniveau einer Geschftsein-heit eine zentrale Dimension zur Beschreibung verschiedener Strategietypen dar. Die Typologisierung von Miles/Snow (2003) kann insbesondere zur Charakterisierung des Ausmaes einer Innovationsorientierung herangezogen werden. Speziell die Eigenschaf-ten des Prospectors spielen auch bei den Mikrofundierungen von Dynamic Capabilities nach Teece (2007b) ein wesentliche Rolle. Dieser Typus orientiert sich in Richtung breiter Mrkte und weist eine ausgeprgte Innovationsorientierung auf, welche durch die kontinuierliche, aktive Suche nach neuen Chancen gekennzeichnet ist. Diese aktive Suche wird im Rahmen der Dynamic Capabilities Theorie ausfhrlich diskutiert.178 Laut Porter (1986, 19ff) ist Ziel einer Unternehmung sich Vorteile gegenber den Wett-bewerbern zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, wird eine Wettbewerbsstrategie konzipiert. Die Kosteneffizienz auf der einen Seite und der Differenzierungsgrad auf der anderen Seite bestimmen den relativen strategischen Vorteil gegenber dem Wettbewerb innerhalb einer Branche. Der Differenzierungsgrad gibt an, inwieweit das Leistungsbn-del bzw. der resultierende Nutzen aus der Sicht der Abnehmer als einzigartig empfunden wird. Per Definition differenziert sich ein Unternehmen durch die (nicht imitierbaren) Mikrofundierungen ihrer Dynamic Capabilities zwangsweise von ihren Wettbewerben.179 Welge/Al-Laham (2008, 543) stellen im Kontext von hybriden Innovationsstrategien speziell den zeitlichen Aspekt in den Vordergrund. Economies of Speed zeigen sich in einer Erhhung der Geschwindigkeit und Frequenz von Entwicklungszyklen sowie in organisationalen Lernprozessen, die zu einer Verringerung der F&E-Kosten fhren. Zeitvorteile bestimmen zudem die Opportunittskosten eines verspteten Markteintritts bzw. einer zu niedrigen Innovationsrate. Es ist augenscheinlich, dass Zeit und Dynamik in direktem Zusammenhang stehen, wodurch die Dynamic Capabilities Theorie auch fr hybride Strategien Erklrungsanstze bietet. Eine weitere Ausprgung im Konstrukt des Strategieinhaltes betrifft die Wahl von Pro-dukten und Mrkten. Gem Schewe (1998, 36) legt Ansoff (1957, 113ff) den wohl

    177 Vgl. zur Formung der Umwelt die Kompetenzklasse Sensing (and Shaping) Opportunities and Threats in

    Abschnitt 4.5.2.4. 178 Vgl. zur Suche nach Chancen die Kompetenzklasse Sensing (and Shaping) Opportunities and Threats in

    Abschnitt 4.5.2.4. 179 Vgl. dazu die Argumentation hinsichtlich einer zum Teil undurchsichtigen Gestalt und damit zwangslufig

    unvollstndigen bzw. rudimentren Beschreibung der Mikrofundierungen von Dynamic Capabilities in Ab-schnitt 1.2.5.

  • 140 Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen bekanntesten Ansatz zur Systematisierung der sich in diesem Zusammenhang bietenden Alternativen vor. Ansoff (1957) grenzt vier Produkt/Markt-Strategien voneinander ab. Jene Strategien die auf neue Produkte fuen sind direkt mit Innovation und/oder F&E in Verbindung zu bringen. Schewe (1998, 37) folgernd ist mit der Wahl der zu besetzenden Produkt/Markt-Kombination noch keine Entscheidung darber gefallen, wie eine derartige Kombination zu entwickeln ist. Grundstzlich sind dabei zwei Vorgehensweisen zu unterscheiden: (1) Der eigenstndige Aufbau einer derartigen Kombination oder (2) die Akquisition unter-nehmensfremder Einheiten. Mit Bezug auf Dynamic Capabilities schreibt Tallmann (2003, 391ff), dass in einer fhigkeitsgetriebenen Welt Fusionen und Akquisitionen (Mergers and Acquisitions) gebruchliche Methoden sind, um in neue Geschftsfelder oder Mrkte zu diversifizieren. Gem Wollersheim (2010, 2) ist im Zuge der Integration zweier Unternehmen anstelle alter und bekannter Vorgehensweisen der richtige Umgang mit Unsicherheit gefragt. Auf die Frage wie Organisationen mit Ambiguitten umgehen, knnte der Dynamic Capabilities Ansatz eine Antwort geben. Betrachtet man einzelne Schulen des strategischen Managements, mssen laut Mintzberg/Ahlstrand/Lampel (1998, 370) der Resource Based View und der Dynamic Capabilities View als hybride Perspektiven betrachtet werden. Arndt (2011, 2ff) schreibt zu dieser Thematik, dass vor allem vier Schulen (Entrepreneurial School, Learning School, Power School, Environmental School) relevante Perspektiven auf diverse Aspek-te von Dynamic Capabilities bieten.

    3.7 Organisation: Strukturelle und prozessuale Dimension Die Struktur stellt neben der Strategie und der Kultur eines der drei Ordnungsmoment im Rahmen des oben diskutierten neuen St. Galler Managementmodells180 dar und ist aus dieser Perspektive fr die vorliegende Arbeit181 von groer Relevanz. Zudem spielen Strukturen im Rahmen der Diskussion ber Mikrofundierungen von Dynamic Capabili-ties in mannigfaltiger Weise eine wesentliche Rolle.182 Der folgende Abschnitt grenzt zunchst den Begriff Organisation aus theoretischer Sicht ab (3.7.1). Anschlieend werden ausgewhlte, fr die Studie als relevant erschei-nende Aspekte der Aufbau- bzw. Leitungsorganisation (3.7.2) sowie der Ablauf- bzw. Prozessorganisation (3.7.3) skizziert. Eine abschlieende Reflexion (3.7.4) fasst das Thema mit Fokus auf Dynamic Capabilities zusammen.

    180 Vgl. zum neuen St. Galler Managementmodell Abschnitt 3.4. 181 Vgl. zum fr die Studie reduzierten Managementmodell Abschnitt 3.5. 182 Vgl. zur Diskussion der Strukturen bzw. Dezentralisierung im Rahmen der Dynamic Capabilities Theo-

    rie die Abschnitte 4.5.2.4.4, 4.5.2.5 und 4.5.2.6.2 bzw. 4.5.2.6.3.

  • Neues St. Galler Managementmodell als Bezugsrahmen 141 3.7.1 Begriffliche Abgrenzung

    3.7.1.1 Instrumentelle Sicht Gem Schulte-Zurhausen (1998, 2) betrachtet der institutionelle Begriff Organisationen als soziale Systeme mit einer formalen Struktur. Struktur und Ordnung sind dabei gleich-zusetzen. Bei einer Organisation handelt es sich folglich um eine Ordnung zwischen miteinander in Verbindung stehenden Elementen, wie etwa Aufgaben, Personen, Sach-mittel, Informationen, etc. Diese Ordnung wird durch ein System von Regeln gebildet, die explizit festgelegt wurden oder sich informell gebildet haben. Da diese Regeln die Instrumente sind mit denen die Organisation zu dem wird was sie ist, wird diese Betrach-tung als instrumentell bezeichnet. Diese Vorschriften beziehen sich vor allem auf die Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen (statische Komponente) aber auch auf die Abwicklung der Arbeitsprozesse zur Leistungserstellung und -verwertung (dynamische Komponente). Hierbei sind fr Schulte-Zurhausen (1998, 2) auch der Einsatz von Sach-mittel und der Austausch von Informationen festzulegen. Die Struktur als System formaler, dauerhafter Regeln dient laut Schulte-Zurhausen (1998, 3) zur Ausrichtung des Verhaltens aller Mitglieder einer O