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LENTOS Kunstmuseum Linz LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1 Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at DVR-Nummer 0002852 Presseunterlage STERNE Kosmische Kunst von 1900 bis heute 29. September 2017 bis 14. Jänner 2018 GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz: Doris Lang-Mayerhofer, Kulturreferentin der Stadt Linz Hemma Schmutz, Direktorin der Museen der Stadt Linz Elisabeth Nowak-Thaller, Sammlungsleiterin LENTOS Kunstmuseum Linz und Kuratorin Sabine Fellner, Kuratorin

STERNE Kosmische Kunst von 1900 bis heute...3 Allgemeine Daten Ausstellungstitel STERNE Kosmische Kunst von 1900 bis heute Ausstellungsdauer 29. September 2017 bis 14. Jänner 2018

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LENTOS Kunstmuseum Linz

LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1

Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at

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Presseunterlage

STERNE

Kosmische Kunst von 1900 bis heute

29. September 2017 bis 14. Jänner 2018

GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz:

Doris Lang-Mayerhofer, Kulturreferentin der Stadt Linz

Hemma Schmutz, Direktorin der Museen der Stadt Linz

Elisabeth Nowak-Thaller, Sammlungsleiterin LENTOS Kunstmuseum Linz und Kuratorin

Sabine Fellner, Kuratorin

2

Inhalt

Allgemeine Daten 3

Statement Sponsor: Raffeisenlandesbank Oberösterreich 5

Kurzbeschreibung der Ausstellung 6

Ausstellungsplan 7

Katalogtext: „Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute“ 8

Kunstvermittlungsprogramm und Veranstaltungen 17

Saalheft 22

Pressebilder 42

3

Allgemeine Daten

Ausstellungstitel STERNE

Kosmische Kunst von 1900 bis heute

Ausstellungsdauer 29. September 2017 bis 14. Jänner 2018

Eröffnung Donnerstag, 28. September, 19 Uhr

Pressekonferenz Donnerstag, 28. September, 10.00 Uhr

Ausstellungsort LENTOS Kunstmuseum Linz, Obergeschoss, Großer Saal

Kuratorinnen Sabine Fellner, Elisabeth Nowak-Thaller

Exponate Die Ausstellung zeigt rund 130 Werke darunter Gemälde, Fotografien,

Skulpturen, Objekte, Grafiken, Filme und Videoinstallationen von 91

KünstlerInnen aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Die Schau ist in sieben

Kapitel: Prolog, Lichtsmog, Bedrohung, Erhabenheit, Romantik, Leitstern

und Kosmologie unterteilt.

Sponsor Die Ausstellung wird unterstützt von

Publikation Zur Ausstellung erscheint im Verlag für moderne Kunst das Buch Sterne.

Kosmische Kunst von 1900 bis heute mit einem Vorwort von Hemma

Schmutz und Textbeiträgen von Sabine Fellner, Thomas Macho, Elisabeth

Nowak-Thaller, Ute Streitt und Margit Zuckriegl in deutscher Sprache, 192

Seiten, Preis € 29

Saalheft Unseren Besucher*Innen steht ein Saalheft mit Texten zu ausgewählten

Werken in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung. Die Einleitung

und Kapiteltexte werden auch in Leicht Lesen angeboten.

Kontakt Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600;

[email protected], www.lentos.at

Ausstellungsarchitektur Silvia Merlo

4

Öffnungszeiten Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen

Geschlossen: 24.12., 25.12.2017

Geöffnet: 26.10., 1.11., 8.12., 26.12.2017 bis 18 Uhr

31.12.2017 bis 16 Uhr

Eintritt € 8, ermäßigt € 6 / € 4,50

Pressekontakt Clarissa Ujvari, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected]

5

Statement Sponsor: Raffeisenlandesbank Oberösterreich

„Mit dem Kunstmuseum Lentos bietet Linz einen modernen Raum für Kunst

und Kultur. Die Raiffeisenlandesbank OÖ will mithelfen, die gute Position

von Linz als moderne Wirtschafts- und Kulturstadt nachhaltig zu festigen

und ist deshalb auch den heimischen Kulturstätten ein verlässlicher und

starker Partner. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Unterstützung. Wir

wollen auch dazu beitragen, die positive Wechselwirkung von Kultur und

Wirtschaft in unserer Region weiter zu stärken."

Dr. Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ

6

Kurzbeschreibung der Ausstellung STERNE

Die unendlichen Weiten des Nachthimmels vor Augen, die schimmernden Sterne zum Greifen nah! Es gibt

sie nicht mehr, die dunkle Nacht, das elektrische Licht hat sie erobert. Gebäude, Plätze und Straßenzüge

sind nachts hell erleuchtet. Die Lichter der Großstädte haben den Sternenhimmel verdrängt, nur mehr

ansatzweise lässt er sich wahrnehmen. Lichtsmog entzieht inzwischen einem Drittel der Weltbevölkerung

den Anblick der Milchstraße, von Sternschnuppen und leuchtenden Kometen.

Die vielfältige und medienübergreifende Ausstellung gibt Einblicke in das Verhältnis des Menschen zum

bestirnten Himmel, der Gegenstand der Forschung, der Romantik, der Schicksalsdeutung jedoch auch von

Bedrohungsszenarien ist. Träumerisch, humorvoll, poetisch, aber auch ironisch loten die KünstlerInnen des

20. und 21. Jahrhunderts die Beziehung des Menschen zur Unendlichkeit des Sternenhimmels aus und

setzen sich mit dem Funkeln der Sterne und dessen gegenwärtigem Verlust auseinander.

KünstlerInnen:

Mohammed Qasim Ashfaq | Robert A. Barrows | Herbert Bayer | Albert Birkle | Hans Bischoffshausen |

Julia Bornefeld | Klemens Brosch | Carmen Brucic | Angela Bulloch | Alexander Calder | Vija Celmins |

Thierry Cohen | Adriana Czernin | Jason Dodge | Max Ernst | Thomas Feuerstein | Hans Franta | Philippe

Gerlach | Rudolf Goessl | Katharina Gruzei | Roy Wallace Hankey | Peter Hauenschild | Karl Hauk | Artur

Hecke | Theodor von Hörmann | Markus Anton Huber | Barbara Anna Husar | Sabine Jelinek | Birgit

Jürgenssen | Johanna Kandl | Alex Katz | Anton Kehrer | Herwig Kempinger | Hubert Kiecol | Anselm Kiefer

Imi Knoebel | Gerhard Knogler | Moussa Kone | Alicja Kwade | Katharina Lackner | Arkadij Wassiljewitsch

Lobanoff | Robert Longo | Frans Masereel | Michaela Math | Ralo Mayer | Ferdinand Melichar | Erich

Meyer | Hans Op de Beeck | Meret Oppenheim | Emil Orlik | Trevor Paglen | Micha Payer/Martin Gabriel |

Herbert Ploberger | Hans Pollack | Teresa Präauer | Uta Prantl-Peyrer | Wendelin Pressl | Florian Raditsch

Arnulf Rainer | Gerhard Richter | Ugo Rondinone | Thomas Ruff | Gerhard Rühm | Aura Satz | Robert

Schaberl | Peter Schamoni | Roman Scheidl | Eva Schlegel/Barbara Imhof/Damjan Minovski | Arnold

Schönberg | Th. Schwan | Franz Sedlacek | Katharina Sieverding | Fritz Simak | Nicole Six & Paul Petritsch |

Kiki Smith | Curt Stenvert | Jens Sundheim | Mathias Swoboda | Volker Tannert | Grazia Toderi | Iv Toshain

Johannes Vogl | Manfred Wakolbinger | Alfons Walde | Birgitta Weimer | Nives Widauer | Bernd Zimmer

7

Ausstellungsplan

8

Katalogtext: „Sterne – Kosmische Kunst von 1900 bis heute"

Ein Text von Kuratorin Sabine Fellner

*„Künstler sind die Ökologen des Unheimlichen, die Hauszweifler, die Anderswohnenden. Ihr Wohnen unter

den Dingen bedeutet Mitarbeit mit den aufscheinenden Formen – mögen diese aus der Natur, der Kultur

oder aus dem Kosmos der wissenschaftlichen Zeichen und Modelle stammen.“1

Peter Sloterdijk*

Warum beschäftigt sich eine Ausstellung mit den Sternen? Sind sie ein gesellschaftspolitisch relevantes

Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen sollten? Finden sie tatsächlich ihren Niederschlag in der Kunst

oder wären sie nicht viel eher ein Thema für eine naturwissenschaftliche Untersuchung?

Fragen und Zweifel, die sich bei näherer Betrachtung als unbegründet herausstellen, denn die Sterne – oder

präziser gesagt ihr zunehmendes Verschwinden vom Nachthimmel – sind sehr wohl ein Thema, das uns in

unserem Menschsein unmittelbar betrifft. Denn es gibt sie nicht mehr, die dunkle Nacht; das Licht hat sie

erobert, Gebäude, Plätze und Straßenzüge sind hell erleuchtet.2 Die Lichter der Großstädte haben den

Sternenhimmel verdrängt. Nur mehr ansatzweise lässt er sich wahrnehmen, die Lichtverschmutzung

entzieht inzwischen einem Drittel der Weltbevölkerung den Anblick von Milchstraße, Sternschnuppen und

leuchtenden Kometen. Der gestirnte Nachthimmel war seit Urzeiten Bezugssystem für Zeit und Raum, und

die Ehrfurcht vor der Erhabenheit seines Anblicks ließ den Menschen nicht nur sein Schicksal direkt mit der

Konstellation der Gestirne verknüpfen, sondern war stets Anstoß für kreatives Schaffen.

Astronomen waren die Ersten, deren Arbeit durch die Aufhellung des Nachthimmels beeinträchtigt wurde:

Sie waren und sind gezwungen, immer entlegenere Gebiete aufzusuchen, um Sterne und Galaxien

beobachten zu können.3 Doch der zunehmende Lichtsmog beeinflusst inzwischen auch massiv das Leben

von Mensch und Tier. Seit Millionen von Jahren unterlag das Leben dem Wechsel von Tag und Nacht, dem

Rhythmus der Erdrotation. Arbeit und Ruhephasen waren vom Auf- und Untergang eines lichtspendenden

Sterns, der Sonne, bestimmt, nun hat künstliches Licht die Verschiebung und Ausdehnung des Tages

ermöglicht. Die innere Uhr des Menschen ist aus dem Takt geraten und neue Disziplinen wie die

Chronobiologie beginnen, sich mit den Auswirkungen des Verlustes der Dunkelheit auf den menschlichen

Organismus zu beschäftigen. Das allgegenwärtige Kunstlicht irritiert aber auch nachtaktive Insekten und

Vögel. Zugvögel, die Nachts mithilfe der Sterne wandern und tagsüber ruhen, werden durch den

1 Peter Sloterdijk, *Versuch über das Leben der Künstler. Text für Sigmar Polke*, in: *Sigmar Polke*, Ausst.-

Kat., Stedelijk Museum Amsterdam, Amsterdam 1992, zit. n. petersloterdijk.net/1992/03/versuch-ueber-das-leben-der-kuenstler (abgerufen am 9.6.2017). 2 Vergleiche hierzu den Aufsatz „Lichtverschmutzung. Ein neues Umweltproblem“ von Ute Streitt, S. 25 im

Katalog *Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz 3 Ebd.

9

erleuchteten Nachthimmel von ihren Flugbahnen abgelenkt und prallen gegen Hochhäuser, Lampen und

Brücken.4

Mitteleuropa ist neben dem Osten der USA und den Metropolen in Asien ein Zentrum der weltweiten

Lichtverschmutzung. Inzwischen kämpfen WissenschaftlerInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen

und NaturschützerInnen für eine Eindämmung der Lichtflut.

Lange Zeit nahm man an, Sterne seien unveränderlich; erst seit circa 400 Jahren wissen wir um ihre

Wandelbarkeit. Sterne sind kein fest am Himmel stehendes Licht, sondern sich verändernde, wachsende,

schrumpfende, aber auch explodierende Sonnen. Es gibt junge, nur ein paar Millionen Jahre alte Sterne und

alte, deren Leuchten 100 Milliarden Jahre dauern wird. Ihr Licht ist oft Jahre bis Jahrhunderte unterwegs,

bis es von uns gesehen werden kann. Das Licht unserer Sonne hingegen, sie gehört übrigens zu den kleinen

Exemplaren, ist nur acht Minuten unterwegs, bis es die Erde erreicht. Erheben wir den Blick zum

Sternenhimmel, blicken wir in die Vergangenheit, denn so manches Funkeln ist die Botschaft eines bereits

erloschenen Sterns.

„Blicke oft zu den Sternen empor – als wandelst du mit ihnen. Solche Gedanken reinigen die Seele von dem

Schmutz des Erdenlebens“,5 so der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel, dessen Rat die Frage

aufwirft, was wir verlieren, wenn uns der Anblick des Sternenhimmels verloren geht. Eine

Orientierungshilfe, einen Blick in die Unendlichkeit, einen Sehnsuchtsort?

Der bestirnte Himmel hat Poeten, Astrologen, Philosophen, Wissenschaftler verschiedenster Fachbereiche,

aber auch Künstler seit jeher beschäftigt. Dabei bedeutet die künstlerische Auseinandersetzung mit den

Sternen keineswegs nur die deskriptive Abbildung des Sternenhimmels. Die Zugänge zeitgenössischer

Positionen sind oft assoziativ, wie etwa bei *Ephemere* von Julia Bornefeld, einem aus Tausenden Ein-

Cent-Münzen zusammengesetzten Luster, einem Sternenregen gleich, oder sie sind konzeptuell-poetisch

wie bei Jason Dodge, der Decken weben lässt in den Farben des Nachthimmels, oder aber, wie bei Hubert

Kiecol in seiner Arbeit *Himmel*, zeichenhaft reduziert auf minimalistische Strahlenbündel.

Die künstlerische Beschäftigung mit den Sternen bietet unterschiedlichste Einblicke in das Verhältnis des

Menschen zum bestirnten Himmel. Sechs Themenbereiche illustrieren, wie KünstlerInnen des 20. und

21. Jahrhunderts die Beziehung des Menschen zur Unendlichkeit des Sternenhimmels kritisch, träumerisch,

humorvoll, poetisch, aber auch ironisch ausloten.

Verlust

Das Dunkel, das seit jeher als Sinnbild des Bösen und der Bedrohung galt, schien zu Beginn des

20. Jahrhunderts zunehmend durch überall und unbegrenzt einsetzbares künstliches Licht gebannt.

Inzwischen überstrahlt die Beleuchtung der Metropolen zunehmend den Sternenhimmel, und von der

4 Thomas Posch, Anja Freyhoff, Thomas Uhlmann (Hg),* Das Ende der Nacht. Die globale

Lichtverschmutzung und ihre Folgen*, Weinheim 2010, S. 83ff. 5 Zit. n. www.zeno.org/Philosophie/M/Mark+Aurel/Meditationen/Siebentes+Buch (abgerufen am 11.6.2017).

10

Europäischen Union unterstützte Projekte wie *Die helle Not*6 oder die 1988 ins Leben gerufene Dark Sky

Association7, die für den sorgsamen Umgang mit Licht plädieren, reagieren auf dieses Phänomen.

Tatsächlich sieht man in einer Großstadt bei klarem Himmel nur mehr ungefähr 100 Sterne, an einem

entlegenen Ort ohne Lichtsmog circa 3000.8

Die künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Nacht zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind geprägt von

der Faszination des flirrenden Lebens in mondänen Bars und auf den belebten Straßen der erleuchteten

Großstädte, wie sie etwa Albert Birkle in *Am Kurfürstendamm* und in *Straßenszene am Abend* oder

Clemens Brosch in *Nächtliche Großstadtstraße mit Bogenlampen* schildern. Die Segnungen der

Elektrifizierung finden wir auch in Hans Op de Beecks Animationsfilm *Night Time*, der auf einer Serie von

Schwarz-Weiß-Aquarellen basiert. Doch der Künstler führt die Nacht in all ihren Facetten vor: Städte im

Glanz ihrer Beleuchtung, Räume im Kerzenlicht, Sternenhimmel über unberührter Natur, Traumgebilde und

Traumgeschichten sind Teil seiner filmischen Erzählung über die Nacht.

Dunkle Dörfer und Städte, die wir so heute kaum mehr finden, führen uns Alfons Waldes *Stadt im

Tauschnee (Kitzbühel)* oder Arnold Schönbergs *Nachtstück [II]* vor Augen, Arbeiten, die uns den Zauber

stiller, kontemplativer Betrachtungen der nächtlichen Dunkelheit zeigen.

Diese Stille dunkler Städte ist auch der Ausgangspunkt für die Fotografien von Thierry Cohen. Er taucht in

*Darkened Cities* Metropolen in totale Dunkelheit, sie erscheinen seltsam tot und verlassen. Über ihnen

spannt er funkelnde Sternenhimmel auf. Es entstehen Bilder, deren Faszination man sich nicht entziehen

kann, bekannt und dennoch fremd – und dann begreifen wir, dass wir diese Sternenhimmel in unseren

Städten nicht mehr kennen. Cohen suggeriert die Unendlichkeit des Sternenfirmaments über Städten, die

in dieser Form nicht existiert. Tatsächlich findet er die fantastischen Himmel nur, indem er – immer dem

Breitengrad der fotografierten Städte folgend – zu den entlegensten Orten der Welt reist. Mit dieser

Verfremdung und der damit ausgelösten Irritation führt er uns schlagartig vor Augen, welche Tragweite

unser Verlust des bestirnten Firmaments hat.

Der Entzauberung der von Sternen erleuchteten Nacht durch allgegenwärtiges Licht setzt Grazia Toderi ihre

Arbeit *Orbite Rosse*, die 2009 auf der 53. Biennale di Venezia zu sehen war, entgegen. Sie verknüpft das

Leuchten der Städte mit dem Leuchten der Sterne, verbindet das Licht des Himmels mit dem der Erde. In

ihrer riesigen Videodoppelprojektion verschwimmt die Trennungslinie, die der Horizont sonst bietet; die

BetrachterInnen tauchen in ein unendliches spektakuläres Lichtmeer ein, dessen Quellen nicht klar

auszumachen sind. Leuchten hier Sterne, Raketen oder die Lichterflut des urbanen Raums? Der

wummernde Ton macht zweifelsfrei klar, dass der visuelle Strudel das Abbild einer Großstadt sein muss.

6 www.hellenot.org.

7 www.darksky.org.

8 Posch, Freyhoff, Uhlmann 2010, S. 41.

11

Bedrohung

Zuweilen sind wir mit Boten aus dem Universum ziemlich unmittelbar konfrontiert, wenn Kometen an der

Erde vorbeirasen und Meteoriten direkt auf der Erdoberfläche einschlagen. Doch was genau sind eigentlich

Meteoriten? Sehr prosaisch handelt es sich um Sand, Staub, kieselsteingroße Partikel oder größere Teile,

die zwischen den Planeten ihre Bahnen ziehen und Tag für Tag zumeist unbemerkt in die Erdatmosphäre

eindringen. Manche nehmen wir als Sternschnuppe wahr, als Meteor, wenn sie mit einer Geschwindigkeit

von ein paar Zehntausend Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre eintreten, kurz aufglühen und

verdampfen. Dieses Lichtereignis hat den Volksmund veranlasst, zu behaupten, man dürfe sich etwas

wünschen, wenn eine Sternschnuppe über den Himmel huscht.

Große Stücke können die Reise durch die dichte Erdatmosphäre überstehen und fallen dann als Meteoriten

zu Boden. Diese Abgesandten aus der Unendlichkeit des Weltalls werden in irdischen Labors analysiert und

erlauben Rückschlüsse auf das Alter unseres Sonnensystems und der Erde. Kometen, Himmelskörper, die

aus Gas und kleineren Eis- und Gesteinsbrocken bestehen, bilden, wenn sie nahe an die Sonne kommen,

einen leuchtenden Schweif.

Im Jahr 1832 war die Ankunft von zwei Kometen vorhergesagt worden, eine Prognose, die größte

Beunruhigung auslöste und Nestroy in *Der böse Geist Lumpazivagabundus* zu einem seiner berühmtesten

Couplets inspirierte:

„Es is kein’ Ordnung mehr jetzt in die Stern’,

D’ Kometen müßten sonst verboten wer’n;

Ein Komet reist ohne Unterlaß

Um am Firmament und hat kein’ Paß,

Und jetzt richt’ a so a Vagabund

Uns die Welt bei Butz und Stingel z’grund;

Aber lass’n ma das, wie’s oben steht,

Auch unt’ sieht man, dass ’s auf ’n Ruin losgeht …“9

Gleichsam wie die Illustration eines gigantischen Kometen erscheint Johanna Kandls großformatiges

Diptychon *Die eine und die andere Seite*, das – leuchtende Farben und düstere Dunkelheit

kombinierend – Anziehungskraft und Schrecken dieser Bedrohung in der Balance hält.

Bei allem Unbehagen, das die unmittelbare Konfrontation mit der Materialität des Alls durch Meteoriten

bereiten mag, löst sie doch gleichzeitig Faszination aus. Den Meteoriten wohnt seit jeher Magie und

Geheimnis inne, eingefangen und gebannt in Nives Widauers *MeteoRita*, einer archaischen Göttin, die

einen bedrohlichen Meteoriten wie eine Krone mächtig und stolz auf dem Kopf trägt. Barbara Anna Husar

9 Johann Nestroy, *Der böse Geist Lumpazivagabundus*, Wien 1833, zit. n. www.nestroy.at/nestroy-

stuecke/18_lumpazi/lumpazivagabundus.pdf, S. 83 (abgerufen am 9.6.2017).

12

errichtet eine *Meteoritenfalle*, zusammengesetzt aus Fritteusen, um diese Boten aus dem Universum

einzufangen.

Iv Toshains Liebe zum Kosmos kommt aus ihrer Beschäftigung mit Physik. Ihr mächtiger, silbern glänzender

Morgenstern, der bestückt ist mit bedrohlichen Dornen, verkörpert unberechenbare Gefahr, visualisiert

Bedrohung, spielt mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs Morgenstern, der auf der einen Seite für das hellste

vor Sonnenaufgang hervortretende Gestirn steht, auf der anderen Seite für eine martialische

mittelalterliche Schlagwaffe. „Nomos Basileus“ steht in Leuchtschrift auf der Stahlkugel: „Das Gesetz ist

König“ oder, umgekehrt gelesen, „Der König ist das Gesetz“.

Auch Mohammed Qasim Ashfaqs *Fallings Stars II*, messerscharfen, glänzend schwarzen gefallenen

Sternen möchte man nicht zu nahe kommen. Er selbst sieht in seinen metallischen Sternen die Zeit

angehalten: “Yes, but even with the *Falling Stars*, I see them as sort of light frozen in time. I just see them

as captured in that moment when they fell to earth.”10

Unsichtbare Bedrohungen, die auf den ersten Blick sternengleich den Himmel schmücken, decken die

Astrofotografien von Trevor Paglen auf, wie *KEYHOLE 12-3 (IMPROVED CRYSTAL) Optical Reconnaissance

Satellite Near Scorpio (USA 129)*. Sie machen Raumflugkörper vor einem Hintergrund von Sternen und

Sternennebeln sichtbar und zeigen deutlich die verborgene Gefährdung durch Satelliten, Raketen und

Überwachungsstationen auf. Paglens Ziel ist es, „eine neue Art des Sehens zu schaffen“, das dasjenige, was

eigentlich verborgen bleiben soll, sichtbar macht.

Erhabenheit

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter

und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das

moralische Gesetz in mir“, heißt es in der *Kritik der praktischen Vernunft* von Immanuel Kant11 – der

Sternenhimmel als Symbol für die unbegreifliche Ordnung der Natur und der kategorische Imperativ als

inneres Gesetz, das die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens regelt. Ein Künstler, der dezidiert in

mehreren Arbeiten zwischen 1995 und 2000 auf Kant Bezug nimmt, ist Anselm Kiefer. 1997 entstand der

riesige Holzschnitt, der Kiefer selbst in der yogischen Ruhehaltung Shavasana unter einem bestirnten

Nachthimmel zeigt, mit dem er in unmittelbare Verbindung zu treten scheint.

Die Erhabenheit des unendlichen Sternenhimmels löst Bewunderung und Ehrfurcht aus. Die künstlerischen

Zugänge, die sich vielfältiger Medien bedienen, erkunden diese Ehrfurcht, wie etwa Ugo Rondinone in

*VIERUNDZWANZIGSTERMAIZWEITAUSENDUNDZWÖLF* oder Rudolf Goessl in *Nordlicht*, schwelgen in

Utopien, wie Bernd Zimmer in *The Wild*, unterziehen sie einer kritischen Betrachtung, distanzieren sich

10

„Maryam Eisler Meets Mohammed Qasim Ashfaq“, in: *Harper’s Bazaar Arabia*, 25.10.2015, online

verfügbar unter www.harpersbazaararabia.com/content/449-the-tates-maryam-eisler-meets-artist-

mohammed-qasim-ashfaq (abgerufen am 9.6.2017).

13

aber auch mit Witz und Ironie, so etwa Thomas Feuerstein in *Angeldust*. In den Sternenhimmel,

Sternbildern gleich, schreibt er die chemischen Formeln von psychotropen Substanzen ein, die somit einen

Trip zu den Sternen suggerieren. Herwig Kempinger wiederum zaubert mittels Waschmittelschaum die

Illusion eines bestirnten Nachthimmels.

Kunst tritt aber auch in direkten Dialog mit der Wissenschaft, etwa bei Angela Bulloch. Sie erlaubt uns in

*Night Sky: Aquarius Pegasus. 12* – basierend auf einer Raumfahrtsimulationssoftware namens Celestia,

die in Planetarien verwendet wird – von einem fiktiven Standpunkt außerhalb unserer Erde aus einen Blick

in die Sterne. Das sich ständig verändernde Funkeln der Sterne beruht auf Algorithmen und Befehlen, die

die Künstlerin programmiert hat. Einen ganzen Raum tauchen Birgitta Weimers Installationen aus der Serie

Messier in ein funkelndes Lichtereignis. Sie bestehen aus kapselförmigen, am Boden liegenden Objekten,

die einen grandiosen Sternenhimmel an die umliegenden Wände projizieren. Diese Gebilde entsprechen

den vom französischen Astrologen Charles Messier im 18. Jahrhundert erstmals katalogisierten

Himmelsobjekten.

Vija Celmins holt uns in ihren Zeichnungen und Druckgrafiken sprichwörtlich die Sterne vom Himmel: „Ich

verorte ihn [den Nachthimmel] und mache ihn damit zu etwas Besonderem. Damit schauen Sie also mir zu

als jemandem, der ein Bild von etwas macht. Es sind übergeordnete Dinge, die ich auf eine kleine Fläche

bringe und damit zu etwas sehr Physischem mache.“12

Manfred Wakolbinger findet verborgene Universen auf unserem Planeten, er entführt uns in *Galaxies 4*

in einen Kosmos, der von leuchtenden, fremdartigen Gebilden belebt ist, sichtbar gemacht in der

Dunkelheit des Meeres von Sulawesi.

Romantik

*Under the Stars (View)* von Alex Katz fängt mit im Wasser reflektierendem Sternenlicht den Prototyp

romantischer Vorstellungen ein. Der schwarze, von funkelnden Sternen erleuchtete Nachthimmel löst seit

jeher Emotionen, Sehnsüchte und romantisch-träumerische Assoziationen aus, visualisiert in Sternguckern

wie Artur Heckes *Sternseher* oder in Träumern wie in Frans Masereels *Griff nach den Sternen*, in

romantischen Visionen wie in Katharina Lackners poetischer Installation *Von Heldentum und Abenteuern*

und in Verknüpfungen von Planeten und Gestirnen mit unserer unmittelbaren Lebenswelt wie in Nives

Widauers *Constellations II*.13

11

Immanuel Kant, *Kritik der praktischen Vernunft* (1788), zit. n. gutenberg.spiegel.de/buch/kritik-der-praktischen-vernunft-3512/34 (abgerufen am 9.6.2017). 12

Johanna Hofleitner, „Vija Celmins: ,Was ist los mit der Menschheit?‘“, in: *Die Presse*, 18.11.2015, online

verfügbar unter diepresse.com/home/kultur/kunst/4869172/Vija-Celmins_Was-ist-los-mit-der-Menschheit

(abgerufen am 8.6.2017).

13 Vgl. hierzu den Aufsatz von Elisabeth Nowak Thaller, „Wir werden lichte Sterne sein …“, S. 95 im Katalog

*Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz

14

Orientierung

Ursprünglich wurden die Planeten und Fixsterne als göttliche Wesen angesehen, deren gewaltige Macht

das Leben der Menschen bestimmte.14 Der Stern als Orientierungshilfe spielt im Christentum eine

entscheidende Rolle, war es doch ein Schweifstern, der die Weisen aus dem Morgenland zu Jesus leitete.

Franz Sedlaceks *Die heiligen 3 Könige* und Hans Pollacks *Dreikönigstag* sind nur zwei Beispiele für ein

Bildthema, das in der christlichen Kunst in mannigfaltiger Ausführung zu finden ist. In der Seefahrt dienen

bestimmte besonders helle Navigationssterne seit Jahrhunderten der Orientierung; Emil Orliks *Nächtliche

Fahrt im Mittelmeer* liefert uns dafür eine atmosphärische Illustration.15

Wenn Sonne, Mond und Planeten über den Himmel ziehen, halten sie sich in einem schmalen

Himmelsstreifen, der Ekliptik, auf. Innerhalb dieses Streifens, auch Zodiak oder Tierkreis genannt, befinden

sich die Sternbilder. Die Astrologie beruht auf der Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen den

Positionen und Bewegungen von Planeten und Sternen und irdischen Ereignissen, vor allem dem Leben der

Menschen, gibt. „Einen großartigen Beweis von der erbärmlichen Subjektivität der Menschen, infolge

welcher sie alles auf sich beziehen und von jedem Gedanken sogleich in gerader Linie auf sich zurückgehen,

liefert die Astrologie, welche den Gang der großen Weltkörper auf das armselige Ich bezieht, wie auch die

Kometen am Himmel in Verbindung bringt mit den irdischen Händeln und Lumpereien. Dies aber ist zu

allem und schon in den ältesten Zeiten geschehen“,16 kommentierte Arthur Schopenhauer diese Form

menschlicher Selbstüberschätzung sarkastisch.

Franz Sedlacek treibt in seinem *Der Jongleur*, einem Artisten, der Planeten geschickt in der Balance hält,

die Allmachtsvorstellungen des Menschen auf die Spitze, und Imi Knoebel dreht den Spieß um und

beeinflusst seinerseits die Konstellation der Sterne, indem er in *Sternenhimmel für Lola* in jedes

Kalenderblatt eines Sternenatlasses einen zusätzlichen, ganz persönlichen Stern für seine Enkeltochter Lola

einfügt.

Aber auch der mit Symbolik aufgeladene Stern als Zeichen bestimmt die künstlerische Auseinandersetzung,

wie Adriana Czernin eindrucksvoll in großem Format visualisiert. Sie nähert sich dem Stern in seiner

Symbolik und Bedeutung in der islamischen Kunst und zeigt gemeinsame Wurzeln des Morgen- und

Abendlandes auf: „Der Islam hat seine heute ihm zugeschriebenen Ornamente ja nicht erfunden, sondern

sie in den verschiedenen Ländern übernommen und weiterentwickelt.“17

14

Vgl. hierzu den Aufsatz von Thomas Macho, „Sterne-Zeichnen“, S. 139 im Katalog *Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz 15

Vgl. hierzu den Aufsatz von Margit Zuckriegl, „Sterne. Himmelsbilder in der Kunstgeschichte“, S. 71 *Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz 16

Arthur Schopenhauer, *Aphorismen zur Lebensweisheit*, Kapitel 7, 26, online verfügbar unter gutenberg.spiegel.de/buch/aphorismen-4996/7 (abgerufen am 20.6.2017). 17

Almuth Spiegler, „Adriana Czernin: Die Schatten der Sterne“, in: *Die Presse*, 24.12.2009, online verfügbar unter diepresse.com/home/kultur/kunst/529765/Adriana-Czernin_Die-Schatten-der-Sterne (abgerufen am 20.6.2017).

15

Kosmologie

Die Vermessung und Erfassung des Universums, seiner Planeten und Sterne beschäftigen die Menschheit

seit jeher. *Der Eroberung des Weltraumes muß die Bewältigung des inneren Menschen entsprechen!*

heißt eine Arbeit von Curt Stenvert, die in prächtigen Farben vor goldenem Hintergrund die Umlaufbahnen

von spielzeuggleichen Raketen nachstellt.

Weit realistischer konfrontieren uns zwei Arbeiten mit dem Weltraum, die wissenschaftliches Foto- und

Filmmaterial direkt einbeziehen. Eva Schlegel entwickelte gemeinsam mit dem Architekten Damjan

Minovski und der Weltraumarchitektin und -forscherin Barbara Imhof mit *See the invisible* eine

begehbare Rauminstallation, die uns einen Flug durch den Weltraum ermöglicht. Die Konzeptkünstlerin

Alicja Kwade holt uns das Universum in unsere Handfläche: Sie baut mit *Medium Median* eine

Installation, ein Mobile aus 24 Mobiltelefonen, mit deren Apps man die Sterne am Himmel bestimmen

kann. Über GPS kommen via Satellit die entsprechenden Informationen an und wir werden somit zum

Mittelpunkt des Universums, unmittelbar konfrontiert mit der Unendlichkeit.

Direkt mit Linz verknüpft ist das Wirken des Astronomen, Astrologen, Naturphilosophen und

Mathematikers Johannes Kepler, der sich von 1621 bis 1626 hier aufhielt. Seine Entdeckung der heute so

genannten keplerschen Gesetze, die die Gesetzmäßigkeiten festlegten, nach denen sich die Planeten um

die Sonne bewegen, und somit des heliozentrischen Weltbildes brachten ihn – er war auch protestantischer

Theologe – in Konflikt mit der katholischen und der protestantischen Kirche. Das Künstlerduo Six/Petritsch

nimmt in seiner mehrere Räume übergreifenden interaktiven Installation direkt Bezug auf Johannes Keplers

Erkenntnisse.

Kritisch setzt sich Max Ernst mit dem Wissenschaftsbetrieb auseinander. Er schrieb am Drehbuch für den

Kurzdokumentarfilm *Maximiliana – Max Ernst – Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie* von Peter

Schamoni aus dem Jahr 1967 mit und fungierte auch als Sprecher in diesem Film. Erzählt wird die

Geschichte des Amateurastronomen Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821–1889), der, weil er kein

Diplom besaß, trotz seiner Entdeckungen und Forschungen zeitlebens von der Wissenschaft ignoriert

wurde. Ihm widmete Max Ernst sein grafisches Buch mit dem Titel *Maximiliana* – diesen Namen hatte

Tempel dem ersten von ihm entdeckten Planeten gegeben.

Aura Satz untersucht in ihrer Arbeit *Her Luminous Distance* kritisch Rollenzuweisungen und

Geschlechterpositionen in der astronomischen Forschung. Ausgehend von der Forschungsarbeit der tauben

Astronomin Henrietta Swan Leavitt (1868–1921), wird die Geschichte einer Gruppe wenig bekannter

Frauen in Harvard in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit gerückt: „Human Computers“ genannt, leisteten

sie einen entscheidenden Beitrag zu astronomischen Erkenntnissen. Sie wurden zu geringem Lohn

eingestellt, um Basisforschungsarbeit zu leisten, wie beispielsweise die Helligkeit von Sternen zu messen

und zu katalogisieren. Henrietta Swan Leavitt gelang es nicht nur, Tausende von variablen Sternen zu

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entdecken, sie entwickelte auch eine neue Methode, die Entfernung der Sterne zu bestimmen, die

letztendlich die Erkenntnisse Edwin Hubbles ermöglichte.

Nicht nur die Vielfalt der künstlerischen Untersuchungen lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung, die

die Erfahrbarkeit des Sternenhimmels für den Menschen hat. 2007 wurde in La Palma auf der *Starlight

Conference* mit der *Starlight Declaration* unter anderem von der UNESCO und der International

Astronomical Union festgelegt, dass der Sternenhimmel ein Kulturgut ist und alle Menschen ein Recht auf

seinen Anblick haben.18

18

“Aware that a view of the starlight has been and is an inspiration for all humankind, that its observation has represented an essential element in the development of all cultures and civilizations, and that throughout history, the contemplation of the firmament has sustained many of the scientific and technical developments that define progress […]”, zit. n. starlight2007.net/pdf/proceedings/Declaration.pdf (abgerufen am 11.6.2017).

17

Kunstvermittlungsprogramm und Veranstaltungen

VERANSTALTUNGEN

LANGE NACHT DER MUSEEN

Samstag 7. Oktober, 18 – 1 Uhr

Programm:

ZUKUNFT IN DEN STERNEN, AB 20 UHR

Mithilfe einer selbst konstruierten Zukunftsmaschine blicken die beiden Linzer Künstler Clemens Bauder

und Gregor Graf in die Sterne und geleiten Sie ins Universum der Vorahnungen …

VOM ZAUBER DER STERNE, 20–22 UHR

Astrofotograf Dietmar Hager zeigt Ihnen in himmlischen Kurzvorträgen die Faszination des Sternenhimmels,

die Folgen des Lichts auf der Erde und was sich über uns alles bewegt. Sternenvorträge je 20 Minuten

FÜHRUNGEN DURCH DIE AUSSTELLUNG STERNE, 19, 20, 21, 22, 23 UHR

Dauer 30 Minuten, begrenzte TeilnehmerInnenzahl, Karten sind 15 Min. vor der Führung an der Kasse

erhältlich, letzte Führung 23 Uhr

Kosten: Ticket Lange Nacht der Museen

AUSFLUG ZUM KOMETOR – HEBENSTREIT HIMMELSKÖRPER PROJEKTE

Freitag 20. Oktober, 15–19 Uhr

Freitag 15. Dezember, 15–19 Uhr

Ausflug nach Peuerbach mit Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller

Das KünstlerInnenpaar Manfred und Billa Hebenstreit begleitet durch ihre begehbare Skulptur. Kosten: € 28

(inkl. Führung, Eintritt, Busfahrt Linz – Peuerbach und retour)

Abfahrtsort: LENTOS Kunstmuseum, Anmeldung: [email protected], T 0732 7070 3601, bis spätestens

eine Woche vor gewünschtem Termin. Begrenzte TeilnehmerInnen

18

KUNST CAMPUS LENTOS

Donnerstag 12. Oktober, 18 − 23 Uhr

Kunst, Dialog und bester Sound, Open Doors für alle Linzer Studierenden, Lehrenden, sowie Uni-, PH- und

FH-MitarbeiterInnen, Eintritt frei

Programm:

SPHÄRISCHE KLÄNGE, 18−23 UHR

mit DJini Godez und DJ Andrix

STERNENWEIT, 18.45−19.15 UHR

Stationentheater der HBLA Lentia in der Ausstellung Sterne

DAS UNIVERSUM IN 3D STEREO. EINE REISE DURCHS ALL, 19−19.45 UHR

Vortrag im Deep Space im AEC mit Dietmar Hager Treffpunkt: 18.45 Uhr im LENTOS Foyer oder 19 Uhr vor

Ort

KLÄNGE DER STERNE, 19.30–20.15 UHR

Studentinnen der Anton Bruckner Privatuniversität besingen und bespielen die Sterne mit Werken von

Mozart bis Debussy

DER ZAUBER DER STERNE, 20.15−20.45 UHR

Vortrag im LENTOS Auditorium mit Dietmar Hager

LOS TALENTOS, AB 21 UHR

Die Los TaLENTOS geben Auskunft über ihre Lieblingswerke.

In Kooperation mit der Bruckner Privatuniversität Linz

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FÜHRUNGEN

ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN MIT KUNSTVERMITTLER/IN

Jeden Dienstag und Sonntag, 16 Uhr (Ab 28. September)

Führungen durch die Ausstellung Sterne. Dauer 1 Stunde, € 3 zuzüglich Eintritt. Keine Anmeldung

erforderlich. Die TeilnehmerInnenzahl ist begrenzt.

SeniorInnen empfehlen wir die Führungen am vergünstigten SeniorInnentag (jeden Dienstag)

KURATORINNENFÜHRUNG

Donnerstag 5. Oktober, 19 Uhr

mit Sabine Fellner und Elisabeth Nowak-Thaller

Anmeldung erbeten

FÜR GEHÖRLOSE

Samstag, 4. November, 16 Uhr

Samstag, 2. Dezember, 16 Uhr

Mit Gebärdensprachdolmetscherin

Eintritt und Führung für Gehörlose frei

FÜHRUNG FÜR GEHÖRLOSE SENIOR/INNEN

Freitag 29. September, 10 Uhr

mit Gebärdensprachedolmetscherin

Eintritt und Führung anlässlich des Tags der Sprachen für Gehörlose frei

BLITZLICHTFÜHRUNG AUF ENGLISCH

Jeden ersten Samstag im Monat, 16 Uhr

mit Native Speaker, Dauer 30 Minuten, Führungskarte € 2, Eintritt frei

GRUPPENFÜHRUNGEN

Dauer 1 Stunde, max. 25 TeilnehmerInnen, gegen Voranmeldung

Erwachsene | € 65 zzgl. Eintritt

Studierende | € 45 zzgl. ermäßigter Eintritt

Migrantische Einrichtungen | € 45, Eintritt frei

Menschen mit Beeinträchtigungen | € 3 pro Person, inkl. Eintritt (Mindestteilnehmerzahl 10)

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KINDER UND FAMILIE

RABENBABY-TOUR

Dienstag, 10. Oktober, 10.30 Uhr

Mama, Daddy, Baby. Cool! Ein entspannter Rundgang durch die Ausstellung. Kinderwagenmitnahme

möglich, Babytrage/Tragetuch bevorzugt, Fläschchen ausdrücklich erlaubt.

Dauer ca. 1 Stunde, Kosten: nur Museumseintritt, Anmeldung erforderlich.

LENTOS ATELIER

Termine: 7.10., 28.10, 2.12., 16.12., 21.10., 25.11., 9.12., 23.12.2017

Während der Schulzeit samstags 10–12 Uhr, in den Ferien mittwochs 15–17 Uhr. Für Kinder zwischen 6 und

13 Jahren. Dem experimentellen Teil geht immer ein Gespräch in der Ausstellung voraus. € 5 (für Eintritt,

Material & KunstvermittlerIn). Aufgrund der begrenzten TeilnehmerInnenzahl (maximal 15 Kinder) steht

nur bei rechtzeitiger Anmeldung ein Platz zur Verfügung.

LOS LENTONIÑOS

Termine: 21.10., 28.10.2017

Ein monatlich wechselndes Programm im Museum, speziell für 4–5 jährige Kinder

Jeden zweiten Samstag im Monat von 15–16.30 Uhr

Für Kindergartengruppen ist das Programm zu gewünschten Terminen buchbar.

Dauer 1,5 Stunden, € 4 pro Kind

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SCHULE & MUSEUM

SCHÜLER/INNENFÜHRUNGEN

Eintritt frei für SchülerInnen im Klassenverband, maximal 15 TeilnehmerInnen

alle Altersstufen, Dauer 1 Stunde, € 3 pro SchülerIn

WORKSHOPS

Dauer 1 Stunden, € 5 pro TeilnehmerIn, maximal 15 TeilnehmerInnen, Eintritt frei im Klassenverband.

❐Das ist doch sternenklar

VS/Hort/ASO

❐Hol mir die Sterne vom Himmel

Unterstufe/Oberstufe

ANMELDUNG

Teleservice Center der Stadt Linz an unter T 0732.7070

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Saalheft

PROLOG

Der bestirnte Himmel hat Poet*innen, Astrolog*innen, Philosoph*innen und

Wissenschaftler*innen seit jeher beschäftigt; die künstlerische Auseinandersetzung mit den

Sternen ist vielfältig − deskriptiv, assoziativ, konzeptuell-poetisch und zeichenhaft minimalistisch.

Julia Bornefeld

* 1963 in Kiel, Deutschland

Ephemere, 2016

Courtesy Galerie Elisabeth und Klaus Thoman Innsbruck / Wien

1-Cent-Münzen, LED; 310 x 200 x 200 cm

Bei diesem aus Tausenden Ein-Cent-Münzen zusammengesetzten glitzernden Luster regnet es

Sterne vom Himmel. Das glanzvolle Lichtobjekt, das an einen luxuriösen Kronluster aus

vergangenen Zeiten erinnert, erfüllt viele Funktionen. Es ist zugleich Lampe, Lichtskulptur und

konsumkritisches Schmuck- bzw. Wertobjekt. Die erst beim genauen Hinsehen erkennbaren,

mühsam durchbohrten und aufgefädelten Kupfermünzen machen uns die Vergänglichkeit von

Werten bewusst, bedeutet das Wort „ephemer“ doch flüchtig oder vorübergehend.

Ephemere verweist auch auf das Sterntaler-Märchen der Gebrüder Grimm, in dem ein frommes

Mädchen sein letztes Hemd einem armen Erdenbürger schenkt: „Und wie es so stand und gar

nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; (…) Da

sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.“

Schade nur dass die europäischen Banken planen, die „wertlosen“ Ein- und Zwei-Cent-Münzen

bald abzuschaffen!

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Jason Dodge

* 1969 in Newton, Pennsylvania, USA

In Alytus, Lithuania, Janina Krulikauskiene wove silk

into linen the color of a snowy night and city lights and

the distance from the earth to above the weather.

Kunsthalle Bielefeld

„In den Dingen steckt bereits alles“, sagt Jason Dodge. Der Künstler beschäftigte sich eingehend

mit Heideggers „Ding an sich“ und amerikanischer Poesie, wie z. B. jener von William Carlos

Williams. Der Künstler, dessen Werke bereits 2013 im LENTOS in einer Ausstellung präsentiert

wurden, kombiniert scheinbar alltägliche Gegenstände mit einem poetischen Titel. Diese sind

einem vielleicht so geläufig, dass man ihre Anwesenheit nicht bemerkt und wenn, vielleicht für

nicht bemerkenswert hält. Dodges ausgewählte Dinge, wie hier diese gefaltete Decke, benötigen

etwas Aufmerksamkeit, damit – angeregt durch den lyrischen Titel – etwas im Kopf der

Betrachter*innen in Gang kommt: In Alytus, Litauen, verwob Janina Krulikauskiene Seide in Leinen

mit der Farbe einer verschneiten Nacht und den Lichtern der Stadt und der Distanz von der Erde bis

über das Wetter. Der Titel erzählt von einer bestimmten Tätigkeit und Situation. Er wirkt wie eine

rätselhafte Notiz, von der ausgehend sich eine märchenhafte Geschichte entwickeln kann. Ein

Entstehungsjahr wird bewusst nicht angegeben, das von uns Betrachter*innen erschaffene Werk

ist dadurch zeitlos.

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LICHTSMOG

Das Dunkel, das seit jeher als Sinnbild des Bösen und der Bedrohung galt, wurde durch künstliches

Licht gebannt. Inzwischen überstrahlt die Beleuchtung der Städte den Sternenhimmel und entzieht

uns den Anblick der Milchstraße, von Sternschnuppen und Kometen.

Thierry Cohen

* 1963 in Paris, Frankreich

Shanghai, Paris, Sao Paulo, 2011/2012

Aus der Serie Darkened Cities

Archiv-Pigmentdruck auf Dibond; 100,5 x 151 cm bzw. 151 x 100,5 cm

Courtesy of the artist, Danzinger Gallery, New York und Esther Woerdehoff Gallery Paris

Die Stille dunkler Städte ist Ausgangspunkt für die Fotografien Cohens. Er taucht in der Serie

Darkened Cities Metropolen in totale Dunkelheit. Sie erscheinen seltsam tot und verlassen. Über

ihnen spannt er funkelnde Sternenhimmel auf. Es entstehen Bilder, deren Faszination man sich

nicht entziehen kann, bekannt und dennoch fremd. Aber dann begreifen wir, dass wir diese

Sternenhimmel in unseren Städten nicht mehr kennen. Cohen suggeriert die Unendlichkeit des

Sternenfirmaments über drei ausgewählten Städten, die nicht existiert. Denn er findet die

fantastischen Himmel nur, indem er – immer dem angegebenen Breitengrad der fotografierten

Städte folgend – zu den entlegensten Orten der Welt reist. Er führt uns schlagartig vor Augen,

welche Tragweite der Verlust des bestirnten Firmaments für uns hat.

Grazia Toderi

* 1963 in Padua, Italien

Orbite Rosse (Red Orbits) [Rote Umlaufbahnen], 2009

Zwei Videoprojektionen in Farbe mit Ton (Loop), Edition 3/5

Collection Füsün & Faruk Eczacibasi, Istanbul

Die Künstlerin verknüpft das Leuchten der Städte mit dem der Sterne, das Licht des Himmels mit

dem der Erde. In ihrer riesigen Videodoppelprojektion verschwimmt die Trennlinie, die der

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Horizont sonst bietet. Die Betrachter*innen tauchen in ein unendliches spektakuläres, rötliches

Lichtermeer ein, dessen

Quellen nicht klar auszumachen sind. Leuchten hier Sterne, Raketen oder die Lichterflut des

urbanen Raums? Der wummernde Ton macht zweifelsfrei klar, dass der visuelle Strudel das Abbild

einer Großstadt sein muss. Italo Calvinos Buch Die unsichtbaren Städte, aber auch Jacopo de

Barbaris fantastische Landkarte von Venedig, die um 1500 entstand, beeinflussten Toderi. 2009

auf der 53. Biennale von Venedig gezeigt, macht die Künstlerin mit Orbite Rosse auf die

Problematik weltweiter Lichtverschmutzung, auf die Entzauberung der von Sternen erleuchteten

Nacht durch allgegenwärtiges Licht, aufmerksam.

BEDROHUNG

Zuweilen sind wir mit Boten aus dem Universum unmittelbar konfrontiert, wenn Kometen an der

Erde vorbeirasen und Meteoriten direkt auf der Erdoberfläche einschlagen.

Barbara Anna Husar

* 1975 in Feldkirch, Österreich

Die Meteoritenfalle, 2011

Fritteusen(körbe), Drahtseil, Karabiner; Durchmesser 120 cm, Höhe 50 cm

Courtesy Galerie Maximilian Hutz, Lustenau

Das wilde Drahtgebilde entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ansammlung gebrauchter

Fritteusenkörbe. Liest man dazu den Titel Die Meteoritenfalle entfaltet sich die nicht ganz ernst

gemeinte Absicht der Künstlerin: die Festkörper aus dem Weltall zu fangen. Die Installation zierte

für einen begrenzten Zeitraum die Fassade des ORF-Landesstudios Vorarlberg. Die gebrauchten

Fritteusen stammen von freiwilligen Spender*innen. Im Gegenzug gab es für eine Fritteuse ein

Zertifikat mit eigenem „Draht zum All“. Das Landesstudio denkt Husar als Raumschiff – aufgrund

der Form des Gebäudes sicher nicht ganz abwegig – die Meteoritenfalle auch als Fangarm für

Informationen aus dem All.

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Iv Toshain

*1980 in Sofia, Bulgarien

Nomos Basileus, 2015

Edelstahl, Aluminium, Neonleuchten; Durchmesser: 250 cm

Shooting Star – Kate Moss, 2016

Guerilla-BesucherInnen-Interaktion, Krieau, Trabrennbahn

Holz, Farbe, Druck; 42,5 x 30 x 13 cm

Leihgabe der Künstlerin

Ein überdimensionaler Morgenstern, das Symbol für Venus, Abendstern und Luzifer, springt sofort

bedrohlich ins Auge. Die von 21 Stacheln durchbohrte Weltkugel trägt die Neonleuchtschrift

„NOMOS BASILEUS“ (griechisch das Gesetz ist der König) oder − umkreist man die Kugel von der

anderen Seite − BASILEUS NOMOS (griechisch: der König ist das Gesetz). Toshain bezieht sich auf

einen Text des Dichters Pindar (518–446 v. Chr.) über die Taten des Herkules. Das Werk verweist

auf Recht und Gewalt sowie auf die historische und gegenwärtige kriegerische

Auseinandersetzung. Nicht weniger bedrohlich und emotional eindringlich ist die zweite

ausgestellte Arbeit Toshains. Das schöne Gesicht des Models Kate Moss wird von Wurfsternen

durchbohrt und dadurch regelrecht zerfetzt. Der Titel Shooting Star ist absichtlich zweideutig

gewählt.

Die Künstlerin spielt mit der glatten Makellosigkeit des Stars; durch die Verletzung des Abbilds

wird die unantastbare Prominente menschlich und verletzlich.

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Nives Widauer

* 1965 in Basel, Schweiz

MeteoRita, 2013

Leihgabe der Künstlerin

Holzskulptur, Meteorit, Spiegel; Höhe: 29 cm, Durchmesser: 18 cm

Zum Glück ist dieser Dame kein Meteorit auf den Kopf gefallen. Fast wirkt es so, als gehöre er als

passgenaue Kopfbedeckung schon immer zu dieser Frauenfigur aus der Südsee, welche Widauer

bei ihren Reisen durch die Welt entdeckt hat.

Ein Meteorit wird dann gefährlich, wenn er in unser Gravitationsfeld gelangt. Davon erscheint

MeteoRita unberührt. Die leichte Holzfigur steht aufrecht, obwohl sie schweres Gestein auf dem

Kopf trägt. Ihre gerade Achse wird durch den Spiegel, auf dem sie steht, noch betont.

Vor vielen Jahren hat die Künstlerin im Naturhistorischen Museum in Wien ein Aha-Erlebnis:

Angesichts der dort ausgestellten gefallenen Meteoriten kommt ihr die Idee, Forscher*innen

einzuladen, um gemeinsam ein Buch über die Steine aus dem Weltall herauszugeben. Zu dieser

Zeit unterschreibt Widauer E-Mails gerne aus Spaß mit MeteoRita.

Die Überwindung der Schwerkraft und die Weltraumforschung beschäftigen die Künstlerin schon

sehr lange. Davon zeugen auch die Constellations II im Kapitel „Romantik“: In Spitzendeckchen

breitet sich hier der Kosmos von innen nach außen aus.

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ERHABENHEIT

Die Erhabenheit des unendlichen Sternenhimmels löst Bewunderung und Ehrfurcht aus. Die

künstlerischen Zugänge erkunden diese Ehrfurcht, schwelgen in Utopien, unterziehen sie einer

kritischen Betrachtung, distanzieren sich mit Witz und Ironie, treten aber auch in direkten Dialog

mit der Wissenschaft.

Thomas Feuerstein

* 1968 in Innsbruck, Österreich

Angeldust [Engelsstaub], 2003

Leuchtkasten, 136, 3 x 136 x 12 cm, Edition 3/3

Stiftung MUSEION, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Bozen

Sehen wir Sternbilder? Helle Sterne, die in Gruppen am Himmelszelt zusammengefasst werden?

Andromeda, den großen Bären, Phönix, Orion oder Kassiopeia? Sternbilder lassen sich bis in frühe

Kulturen zurückverfolgen. Sie dienten der Orientierung und waren hilfreich für die Seefahrt. Doch

Fentanyl, Procain, Desipramin, Morphin oder Haloperidol sind sicher keine Sternbilder. Es sind

Narkose- oder Schmerzmittel, die zur Schmerztherapie, bei Depressionen oder Schizophrenie

eingesetzt werden. LSD und Heroin werden hingegen als Rauschgifte eingestuft. Angeldust –

Engelsstaub – Phencyclidin, so der Titel des Werks, wurde seit 1926 als Betäubungsmittel in der

Tiermedizin verwendet, gilt aber auch als Droge. 1979 löste Angeldust einen Amoklauf einer

Schülerin in San Diego aus. Der Künstler stellt die chemische Verbindung, die Formel dieser

Substanzen, auf schwarzem Grund mit weißen Punkten dar. Die Reise zu den Sternen beginnt mit

bewusstseinserweiternden Substanzen.

Anselm Kiefer

* 1945 in Donaueschingen, Deutschland

Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir, 1997

Holzschnitt, Emulsion, Acryl und Schellack auf Papier; Collage auf Leinwand; 268 x 398 x 6 cm

Courtesy Albertina, Wien, Inv.-Nr. DG2016/19

Groß, schwarz und mit einem Zitat von Kant betitelt ist diese Holzschnitt- Collage. Ihre Form

erinnert an einen Flügelaltar mit Predella (ital. Stufe). Ob Kiefer hier berühmte Predellen

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(Grünewald, Die Grablegung Christi oder Dix, Der Krieg) im Sinn hatte? In der Predella vor uns ist

ein liegender Mann – der Künstler selbst − dargestellt, der sich in einem Zustand der Wandlung

befindet. Über ihm funkeln die Sterne. Seit seinem Umzug nach Südfrankreich orientiert sich

Kiefer thematisch neu: Ihn interessieren Themen, die um die Verknüpfung von Mikrokosmos und

Makrokosmos kreisen, von Quantenphysik über Buddhismus, jüdische Mystik bis hin zur

Philosophie Robert Fludds. „Wenn wir in uns hineinschauen, sehen wir einen Kosmos, der im

Kleinen genauso groß ist wie der Kosmos im Weltall“, erläutert Kiefer in einem Video anlässlich der

Ausstellung Die Holzschnitte 2016 in der Albertina. Kiefer belebt die traditionelle Technik des

Holzschnitts neu. Arbeiten wie diese Collage aus händisch gedruckten Holzschnitten sollen alle

Sinne ansprechen.

Gerhard Richter

* 1932 in Dresden, Deutschland

Sternbild, 1969

Öl auf Leinwand, 92 x 92 cm

Museum Frieder Burda, Baden-Baden

Richter, der 1951 an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste sein Studium begann, ist Maler.

Sternbild entsteht 1969 und damit acht Jahre nachdem er über Westberlin aus der DDR flüchtet. Er

malt es in einer Zeit, in welcher der Malerei Bürgerlichkeit vorgeworfen und sie in künstlerischen

Kreisen totgesagt wird. Stattdessen beschäftigen Minimal-, Land- und Conceptual Art die

Kunstwelt. Aus diesem Zeitgeist heraus geht Richter auf Distanz zu seinen Motiven und

hinterfragt, ob Bildern überhaupt ein Erkenntniswert zugestanden werden kann. Er malt zunächst

nach fotografischen Vorlagen, z. B. aus Illustrierten. Oder er zeichnet Sterne, indem er sie aus

astronomischen Atlanten durchpaust. In Sternbild, das in der Werkphase seiner Grauen Bilder

entsteht, malt er, was man sich nicht einmal vorstellen kann: die unendliche Weite des

Sternenhimmels. Oder ist es doch nur weiße Farbe, die in nasse schwarze Farbe getupft wurde?

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Ugo Rondinone

* 1964 in Brunnen, Schweiz

VIERUNDZWANZIGSTERMAIZWEITAUSENDUNDZWÖLF, 2012

Acryl auf Leinwand; 300 x 230 cm

Courtesy Krobath, Wien

Eines der wichtigsten Themen von Rondinone ist die Zeit. Wenn der Künstler einem seiner Werke

ein Datum als Titel gibt, dann ist das für ihn wie ein persönlicher Tagebucheintrag. Die Einteilung

in Tage, Monate und Jahre gibt dem Künstler ein Gefühl von Orientierung. Jede/r wird mit einem

bestimmten Datum seine eigene Erfahrung verbinden. Fakt ist, das am 24.5.2012 erstmals der

private Raumtransporter Dragon einen Versorgungsflug zur Internationalen Raumstation ISS

unternimmt. Ob Rondinone in diesem Zusammenhang an jenem Tag seinen Blick in den

nächtlichen Himmel richtete, wissen wir nicht. Es gibt viele Werkkomplexe von ihm, die ein Datum

als Titel haben, darunter Bilder von Wolken, Fenstern, Landschaften, Kreisen oder Streifen.

Rondinone schätzt besonders die Langsamkeit. Entsprechend entschleunigen seine Werke,

ermöglichen Versenkung und geben Raum für eigene Gedanken oder Erinnerungen.

Thomas Ruff

* 1958 in Zell am Harmersbach, Deutschland

STE 2.14 (23h26m -60°C), 1992

Chromogener Abzug; 260 x 188 cm

Edition 1/2

Courtesy Galerie Rüdiger Schöttle, München

Schon früh interessiert sich Ruff für Astronomie: Mit 14 Jahren kauft er sich sein erstes Teleskop.

1978 bewirbt er sich für die Fotoklasse Bernd Becher in Düsseldorf. Seitdem ist er der Meinung,

dass die Fotografie die Realität nicht abbilden kann. Die Wiedergabe der Wirklichkeit ist demnach

ein Resultat der Entscheidung des Fotografen. Durch großformatige Porträts der 1980er-

Generation wird Ruff zum Shooting Star der Fotoszene. Ebenfalls großformatig und damit in der

Tradition des Tafelbilds stehend ist STE 2.14 (23h26m -60°C), das zur Werkserie Sterne gehört, an

der Ruff von 1989 bis 1992 arbeitet. 606 Negative aus dem Archiv des European Southern

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Observatory (ESO), die mit einem Teleskop in den chilenischen Anden aufgenommen wurden,

dienten ihm als Ausgangsmaterial. Er wählte bestimmte Bildausschnitte und vergrößerte sie. Ein

Firmament wie dieses ist selbst bei einem Blick durch ein Teleskop für das menschliche Auge nicht

zu sehen. Auch in Bezug auf den Sternenhimmel muss eine Darstellung der Wirklichkeit durch

Fotografie eine Illusion bleiben.

Birgitta Weimer

* 1956 in Gemünden, Deutschland

Messier 7, 13 und 38, 2012/2013

GFK, Mattlack, Lichttechnik: Halogen-Metalldampflampe; Durchmesser: 90 cm, Höhe 45 cm

Privatsammlung, Köln

Weimers Installation aus der Messier-Serie taucht den Raum in funkelndes Licht. Sie besteht aus

drei kapselförmigen Objekten am Boden, die einen grandiosen Sternenhimmel an die umliegenden

Wände projiziert. Diese Gebilde entsprechen den Himmelsobjekten, die der französische Astrologe

Charles Messier (1730−1817) erstmals katalogisierte. Messier war ein „Kometenjäger“. Er

entdeckte 20 Kometen und listete über 100 Galaxien, Sternhaufen und-nebel auf. Am 16.

November 1974 versuchen die Astrophysiker Frank Drake und Carl Sagan im Rahmen des

Forschungsprojektes SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) im Arecibo-Observatorium in

Puerto Rico mittels Radiosignal eine Botschaft an Außerirdische zu senden. Der Kugelsternhaufen

Messier 13 wurde als chancenreichster Kandidat für außerirdische Intelligenz ausgewählt, weil

viele Sterne auf engem Raum versammelt sind. Wenn eine Antwort aus dem Weltall kommt,

würde diese nach ca. 45.600 Jahren auf der Erde eintreffen. Seitdem warten die

Erdbewohner*innen auf eine Reaktion. Aliens, bitte melden!

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ROMANTIK

Sternenglitzernde Nachthimmel, Sternseher*innen, Traumdeuter*innen und die Geburt eines

Sterns lösen Sehnsüchte, Emotionen und romantische Bilder aus.

Klemens Brosch

* 1894 in Linz; † 1926 in Linz, Österreich

Milchstraße, um 1916

Feder in Tusche, Deckfarbe; 30, 5 x 27 cm

Privatbesitz, Linz

Brosch, ein von nächtlichen Visionen und Alpträumen geplagtes Zeichengenie, versucht, das

Unmögliche auf Papier festzuhalten: die Darstellung der Milchstraße. Dem morphium- und

kokainsüchtigen, überwiegend in Linz schaffenden Grafiker wurde kürzlich eine große Ausstellung

im NORDICO Stadtmuseum und der Landesgalerie in seiner Geburtsstadt gewidmet. Brosch

zeichnet mit Feder in Tusche in kleinstem Format Tausende von winzigen Sternen, vermutlich mit

Hilfe einer Lupe. Am rechten unteren Bildrand entdeckt man eine Überraschung: Die Pflanze wird

zum pflanzenähnlichen Gnom, der sich dem Universum, dem bestirnten Himmel nähert und sein

Inseldasein sogar genießt. In der Fantasie des Künstlers ist das Weltall, wie auch sein Gemälde

Sternwarte zeigt, von ebenso seltsamen wie geschäftigen Aliens bevölkert.

Katharina Lackner

* 1981 in Kirchdorf, Österreich

Von Heldentum und Abenteuern, 2010

Videoinstallation, Bleistiftzeichnung, Projektor und Farbe, Ton, Lautsprecher; 112 x 100 cm

NORDICO Stadtmuseum Linz

In ihrer Videoinstallation setzt sich Lackner mit der Untersuchung von Bewegung im Universum

auseinander. Eine Reise voller Sehnsucht und heldenhafter Geschichten wird in poetischen Bildern

erzählt. In einer Überlagerung von Videos, die auf eine Zeichnung projiziert werden, treffen

klischeehafte und romantische Vorstellungen aufeinander. Durch Überblendungen erscheinen,

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wie in einem Fernrohr herangezoomt, ein alter Segelmaster, dazu Meeresrauschen, ein

Doppeldecker und die Erdkugel. Der Globus mit geografischen Koordinaten wird durch

scheibenförmige, an Planeten erinnernde Projektionen verdoppelt. Bildteile verschwinden in der

Dunkelheit, andere wiederum tauchen wie eine Fata Morgana auf. Glitzernde Sterne breiten sich

schließlich zu einem Sternenregen aus, der über die Zeichnung herabrieselt. Lackners poetische

Installation erinnert an das Sterntalermärchen, in dem das fromme Mädchen sein letztes Hemd

verschenkt und vom Himmel reich belohnt wird.

Roman Scheidl

* 1949 in Leopoldsdorf, Österreich

Geburt eines Sterns (Naissance d’une étoile), 1987

Öl auf Leinwand; 120 x 90 cm

Leihgabe Atelier Sonnenhof, Wien

Mit wilden Pinselstrichen und Rot-Blau-Kontrasten verknüpft der Maler eine Tanzszene mit der

Entstehung eines Sterns. Wenn eine Kernreaktion ausgelöst wird, wird ein neuer Stern geboren,

der in Gas und Staubwolken, sogenannten Nebeln, ruht. Genau diesen Moment zeigt Scheidl. Eine

Explosion hat den nachtblauen Himmel geteilt, ein junger Stern glitzert hervor. Auf der Erde

nimmt eine Tänzerin mit weit ausgestreckten Armen eine extreme Körperhaltung ein. Sucht sie in

einer kühnen Sprungbewegung Schutz vor der roten, glühenden Lava im rettenden Schatten eines

Baumes? Ist der in einen Farbenrausch getauchte Planet dem Untergang geweiht? Wenn die Erde

irgendwann mit all ihren Lebewesen verglüht, entstehen neue Sterne im Weltall: Auf Zerfall folgt

Neubeginn.

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Kiki Smith

* 1954 in Nürnberg, Deutschland

Sky [Himmel], 2012

Jacquard-Tapisserie; 287 x 190,5 cm

Courtesy Pace Gallery, New York

Künstler*innen machen seit jeher Träume erlebbar. Smith lässt einen weiblichen Akt zum Himmel

schweben. Gleich einer Schwimmerin scheint die junge Frau mit emporgestreckten Armen ins

Universum zu fliegen. Nackt und frei, vorbei an mächtigen Gebirgen, großen und kleinen Sternen,

begleitet von Vögeln und Schmetterlingen, lässt sie wie in einem Traum, alle irdischen Güter

zurück. Der Gobelin wurde bei Magnolia Editions in Oakland/USA in Jacquardtechnik in einer

Auflage von zehn Stück produziert. Der französische Weber Jacquard erfand 1805 eine

Webmaschine, die komplizierte Musterungen möglich machte. Smith verknüpft alte

Webtechniken, digitale Technologien und romantische Ideen. Die vielseitige Künstlerin, die mit

Zeichnung, Skulptur, Glasmalerei, Druckgrafik, Fotografie und Tapisserie arbeitet, war mehrfach

mit Arbeiten im LENTOS zu Gast. Besondere Bedeutung kommt immer wieder dem poetischen

Thema „Frau unter Sternen“ zu.

LEITSTERN

Ursprünglich wurden die Planeten und Fixsterne als göttliche Wesen angesehen, deren gewaltige

Macht das Leben der Menschen bestimmte. Der Stern als Orientierungshilfe spielte schon in der

Seefahrt eine entscheidende Rolle, ebenso in Religion und Astrologie.

Adriana Czernin

*1969 in Sofia, Bulgarien

Ohne Titel, 2016

Aquarell, Bleistift, Farbstift auf Papier; 180 x 260 cm

Courtesy Galerie Martin Janda, Wien

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Eine Fläche dekorativ mit geometrischen Mustern auszufüllen ist Teil der bildenden Kunst vieler

Kulturen. Als Ausgangspunkt für ihr Werk hat Adriana Czernin ein Fragment eines islamischen

Ornaments aus der Ibn Tulun-Moschee in Kairo aus dem 13. Jahrhundert benutzt. Das Fragment

befindet sich derzeit im Museum für angewandte Kunst in Wien. Um das verlorengegangene

Muster des Fragments wiederzufinden, verbindet Czernin mit dem Lineal vorhandene Punkte und

Linien. In Serie untersucht sie die geometrische Konstruktion des Musters. Ihre Aufmerksamkeit

gilt dabei sowohl der Strenge des Systems als auch möglichen Asymmetrien, manchmal lässt sie

auch Teile des Musters absichtlich weg. Dadurch entstehen freie Formen, die sie den ornamental

erkennbaren Fragmenten gegenüberstellt. Die Symmetrien werden gebrochen, die Statik in

Dynamik, die Starrheit in Bewegung verwandelt.

Imi Knoebel

* 1940 in Dessau, Deutschland

Sternenhimmel – für Lola, 1970/2006

54 Schwarz-Weiß-Fotografien; je 40 x 30 cm, Gesamtmaße 240 x 270 cm

Privatsammlung, Düsseldorf

1968 erhob der Beuys-Schüler Knoebel einen einfachen Keilrahmen zum Kunstwerk. Mit Kasimir

Malewitschs Werk Schwarzes Quadrat auf weißem Grund war für Knoebel alles in der Kunst gesagt

und getan; und so bediente er sich der Medien Fotografie und Licht für seine Idee einer

entmaterialisierten Malerei. 1970 fügt er 54 Fotografien, die zusammen den Sternenhimmel der

nördlichen und südlichen Hemisphäre zeigen, in einer minimalistischen malerischen Geste jeweils

einen weißen Punkt hinzu. Diesen zu finden ist genauso vergeblich wie die Suche nach der

berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Vier Jahre später, anlässlich der Geburt seiner Tochter, lässt

er diese in Sternenbilder - für Olga Lina genauso unsterblich werden wie Kallisto aus der antiken

Mythologie. Diese wurde von Zeus zusammen mit ihrem Sohn als großer und kleiner Bär ans

Himmelszelt versetzt. Die Sternenbilder - für Lola sind Knoebels Enkeltochter gewidmet. Damit

erzählt das konzeptuelle

Frühwerk Sternenbilder von 1970 in seiner aktuellen Version von 2006 eine poetische und zugleich

sehr persönliche Geschichte.

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Emil Orlik

* 1870 in Prag, heute Tschechien; † 1932 in Berlin, Deutschland

Nächtliche Fahrt im Mittelmeer, Anfang 20. Jahrhundert

Öl auf Leinwand; 70,5 x 50,5 cm

Belvedere, Wien

Orlik, der ab 1905 an der Staatlichen Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums

unterrichtete, war stets ein Künstler auf Reisen. Er war nicht nur in Europa, sondern auch in

Nordafrika, China und Japan unterwegs. Künstlerisch war er äußerst vielseitig: Er beherrschte viele

druckgrafische Techniken und malte. Besonders bekannt wurde er für japanisch inspirierte

Farbholzschnitte. Von diesen und seinen Reisen angeregt wurde das Gemälde Nächtliche Fahrt im

Mittelmeer, bei dem Orlik es uns ermöglicht, die Perspektive des Kapitäns einzunehmen. Die

entspannten Matrosen an Deck scheinen sich ganz auf den Steuermann zu verlassen. Diesem

erleichtert ein heller Navigationsstern in der Ferne die Orientierung.

Teresa Präauer

* 1979 in Linz, Österreich

STARS [STERNE]. Ein Stück für sieben Bildschirme, 2016

Videoinstallation, 7 Monitore

Leihgabe der Künstlerin

Bewegte bewegende Worte sind auf sieben Bildschirmen verteilt. Präauer wurde für ihre

Videoinstallation von geometrischen Rastern des Sternenhimmels auf Deckengewölben in

Kirchenräumen inspiriert. Ihre Worte tauchen in einer eigenen Dynamik auf und verschwinden

wieder, die Betrachter*innen folgen ihnen und werden direkt angesprochen.

Die vielfach ausgezeichnete Literatin und bildende Künstlerin nimmt uns mit zu einer besonderen

Reise zu den Sternen. Wie auch in ihren Romanen Für den Herrscher aus Übersee, Johnny & Jean

oder Oh Schimmi kann der Schreibstil als knapp und präzise charakterisiert werden. Präauer ging

bei STARS von der Sieben und damit der berühmten Miller’schen Zahl aus, die besagt, dass ein

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Mensch nur sieben plus minus zwei Chunks (Informationseinheiten) im Kurzzeitgedächtnis

behalten kann. Ergebnis ist ein poetisches Stück für sieben Bildschirme, das man sich merken wird.

KOSMOLOGIE

Die Vermessung und Erfassung des Universums, seiner Planeten und Sterne beschäftigte die

Menschheit seit jeher. Künstler*innen beziehen wissenschaftliches Foto- und Filmmaterial direkt

in ihre Arbeit ein und setzen sich kritisch mit Rollenzuweisungen und Geschlechterpositionen im

Wissenschaftsbetrieb auseinander.

Max Ernst

* 1891 in Brühl, Deutschland; † 1976 in Paris, Frankreich

Maximiliana ou L’Excercice illégal de l’Astronomie

(Maximiliana oder die illegale Ausübung der Astronomie), 1964

Mappe mit 34 meist farbigen Radierungen, Aquatinta-Radierungen und Reproduktionen der

gezeichneten „Geheimschrift“ von Max Ernst auf Japon ancien, 41 x 61 cm (Doppelseite), Ex. 38/65

Sammlung Würth, Inv.-Nr. 3987

Le Monde des naifs [Die Welt der Naiven], 1965

Öl und Ölkreide auf Leinwand, 116,5 x 89,5 cm

Paris, Centre Pompidou – Musée national d’art moderne – Centre de création Industrielle

Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie, 1967

Ein Film über Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821–1889) mit und für

Max Ernst von Peter Schamoni, 12’

Die Maximiliana, eines der bedeutendsten Künstlerbücher des 20. Jahrhunderts, ist eine

Gemeinschaftsarbeit von Ernst und dem russischen Dichter Illiazd. Rätselhafte Gestalten zwischen

poetischen Texten und geheimen Schriftzeichen – dieses 120 Seiten umfassende Buch wurde

einem deutschen Amateurastronomen gewidmet. Ernst beschäftigt sich mit dem Astronomen

Tempel, dessen Gedicht Der Glöckner den Künstler zu diesem Buch, zu Gemälden und einem Film

mit Peter Schamoni inspirierte. Der Name Maximiliana benennt einen Planeten, den Tempel in

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Venedig entdeckte. Er wollte schon als Kind Sterngucker werden, wurde aber in Deutschland ohne

Studium abgewiesen, ging dann ins Ausland; was Ernst, der ebenfalls auswandern musste, sehr

berührte. Eine Geheimschrift wird in Großbuchstaben mit Kreisen, Rädern, Spiralen oder Nebeln

verknüpft. Tempels Gedicht Der Glöckner ist im Mittelteil wiedergegeben, andere Seiten

kommentieren seine Forschungen. Vogel-Fischwesen oder Fantasiefiguren vollführen

geheimnisvolle Tänze. Die Texte sind Wellen-, Strahlenoder Zick-Zack-Formen gestaltet. Manche

Figuren erinnern an Ägyptische Totenbücher, indianische Kulturen, Geheimzeichen oder

Beschwörungsrituale. Neben Träumen werden die Gestirne, Sonne und Mond, zu

wiederkehrenden Themen. Oft geht es um das Entdecken des Unbewussten. Der Künstler

verwendet das Verfahren der „écriture automatique“ (automatische Schrift), die man im Film

beobachten kann. Buch und Gemälde werden zum Kosmos von tanzenden Sternen. Dazu Ernst:

„Der Glanz der Sterne ist nicht für die Besitzer von Eintrittskarten reserviert!“

Alicja Kwade

* 1979 in Katowice, Polen

Medium Median (Homo-Mensura), 2016

Mixed Media mit 24 iPhones; Durchmesser: 450 cm, Höhe: 375 cm

Courtesy of the artist, Whitechapel Gallery, London, König Galerie, Berlin, kamel mennour, Paris

und 303 Gallery, New York

Der Titel der Mobilé-Installation aus 24 Smartphones klingt wie ein Zauberspruch. „Medium“

stammt von „Mitte“ oder „Mittelpunkt“, „Median“ bedeutet statistischer Mittelwert, „Homo“

heißt Mensch und „Mensura“ Maß. Der berühmte Satz „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ von

Protagoras könnte einem in den Sinn kommen. Gemeint war damit: Der Mensch und sein Maßstab

sind klein, die Realität wird stets vom Menschen gemacht. Davon erzählt Kwades Installation, die

uns in die Mitte des Universums führt. Via GPS halten die iPhones Kontakt zu verschiedenen

Satelliten, die es wiederum der App Sky Guide (einer digitalen Sternenkarte) ermöglichen, die

Position der iPhones zu ermitteln und damit auch die jeweilige Position jedes Telefons zu den

Sternen. Die Originalstimme der Spracherkennungssoftware Siri erzählt uns von der Genesis, der

Schöpfungsgeschichte der Welt in sieben Tagen. Das Universum ist groß, das Bild davon auf der

Erde klein. So klein, dass es auf ein Smartphone-Display passt. Die übermittelten Informationen

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sind von Menschen gemacht. Sie dürften verglichen mit der tatsächlichen Realität des Universums

spärlich ausfallen.

Aura Satz

* 1974 in Barcelona, Spanien

Her Luminous Distance [Ihre leuchtende Distanz], 2014

Installation mit Diaprojektor, Ton

Courtesy of the artist und Fridman Gallery, New York

Sphärische Klänge, blitzende Bilder von Kratern, Sternen und Frauen, ausgelöst von einem

Komparator. Ein ähnliches Gerät mit Diaprojektoren und einer rotierenden Scheibe wurde von

Himmelsforschern benützt, um Unterschiede zwischen zwei Fotografien des Nachthimmels

feststellen zu können. Satz integriert diese Apparatur und verwendet Dias von historischen

Fotoplatten. Diese zeigen Astronominnen, die in Harvard zwischen 1890 und 1920 als

„menschliche Computer“ arbeiteten. Sie mussten die Entfernung der Erde zu unzähligen Sternen

vermessen. Henrietta Swan Leavitt (1868–1921) war eine von ihnen. Die gehörlose Forscherin,

1925 für den Nobelpreis vorgeschlagen, erkannte früh, dass es viele Galaxien gibt. Sie

katalogisierte rund 2400 unbekannte Sterne. 1912 entdeckte sie die Perioden-Leuchtkraft-

Beziehung, eine Methode der Entfernungsmessung von Galaxien. Ein Mondkrater, der Leavitt-

Krater, wurde nach ihr benannt. Das Blinken erinnert an ein Ping-Pong-Spiel aber auch an die

anstrengende Arbeitsroutine dieser Frauen. Die Installation ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte

von vergessenen Astronominnen, die Meilensteine zur Erforschung des Universums leisteten.

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Katharina Sieverding

* 1944 in Prag, Tschechien

Looking at the Sun at Midnight SDO/NASA (Blue)

[Die Sonne um Mitternacht anschauen SDO/NASA (Blau)], 2010–2015

Digitale Filmprojektion für LED-Wand, 233 Min. (Loop); 480 x 480 cm

Standort: Freiraum, LENTOS Fassade

Courtesy of the artist und Galerie Thomas Schulte, Berlin

Gigantisch leuchtet die fesselnde Erscheinung einer blauen Sonne aus dem Inneren des LENTOS in

den Stadtraum auf der Donaupromenade. Die Darstellung auf dem LED-Bildschirm besteht aus

200.000 4K-Satellitendaten aus dem Weltraum. Sieverding animiert daraus einen dynamischen,

fast vierstündigen kontinuierlichen Filmloop der „komplementären Sonne“. Die Aufnahmen

wurden der Künstlerin von der NASA zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe der im Februar 2010

gestarteten Mission „Solar Dynamcis Observatory“ (kurz SDO) ist es gelungen, den Stern im blauen

Farbspektrum der Satellitenbilder zu beobachten. Sieverding verbindet in der Videoinstallation

kosmische Dimensionen mit zeitgenössischer Technologie – ein wiederkehrendes Konzept im

Werk der Künstlerin.

Nicole Six

* 1971 in Vöcklabruck, Österreich

Paul Petritsch

* 1968 in Friesach, Österreich

Das Meer der Stille, 2017

Rauminstallation: Erde und Mond, 2014; Meteorit von Prambachkirchen, 1932,

Oberösterreichisches Landesmuseum, Petrografie; Wandtext aus: Johannes Kepler, Somnium –

Der Traum, 1636; 5 Bilder aus der Serie 24-hours exposure, 2010; Handlungsanweisungen, 2017

Leihgabe der Künstler*innen Six & Petritsch beschäftigen sich hier mit Raum und Zeiterfahrungen.

Das Künstlerduo arbeitet ortsspezifisch und dialogisch. So werden Sammlungsobjekte, wie der

1932 gefundene Meteorit aus Prambachkirchen ebenso integriert wie ein Textzitat von Johannes

Kepler. Dieser schildert seine Vision einer Mondlandung.

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Das Meer der Stille verknüpft die Objekte Mond und Erde mit Kepler, den ersten Mondspuren und

einer Fotoserie. Diese entstand bei einer Weltumrundung, gefahren von den Künstler*innen auf

einer aufgelassenen Rennstrecke nahe dem Nullmeridian. Über der Betonbahn gibt sich der

leuchtende Lichtstreifen als Sonne, als Stern zu erkennen.

Der namensgebende Teil dieser Arbeit bezieht sich auf die Apollo-11-Mission 1969, die erste

Mondlandung. Die bis heute sichtbaren Spuren der Astronauten wurden 1:1 auf die Erde

übertragen. Mithilfe der Anweisungen auf dem Plakat können Sie die Wege der Mondmission

nachgehen.

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Pressebilder

Pressebilder stehen für die Dauer der Ausstellung auch auf www.lentos.at zum Download bereit. Lizenzfreie

Nutzung unter Angabe der Bildcredits nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung.

Angela Bulloch

Night Sky: Aquarius Pegasus. 12, 2012

Courtesy die Künstlerin, Esther Schipper,

Berlin und Simon Lee Gallery

London/Hong Kong

Alicja Kwade

Medium Median (Homo-Mensura), 2016

Courtesy die Künstlerin, Whitechapel

Gallery, London, König Galerie, Berlin,

kamel mennour, Paris und 303 Gallery,

New York

Foto: Roman März

Katharina Sieverding

Looking at the Sun at Midnight SDO/NASA

(Blue), 2010 – 2015

Bildrecht Wien, 2017

© Katharina Sieverding, Foto: © Klaus

Mettig, Bildrecht Wien, 2017

Julia Bornefeld

Ephemere, 2016

Courtesy Galerie Elisabeth und Klaus

Thoman Innsbruck/ Wien,

Bildrecht Wien, 2017

Foto: Lena Kienzer

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Mohammed Qasim Ashfaq

FALLING STARS II, 2014

Courtesy der Künstler und Hannah Barry

Gallery, London; Foto: Damian Griffiths

Gerhard Rühm

Auf zu den Sternen, 2016

Courtesy Privatsammlung, Köln, und

Christine König Galerie, Wien

Foto: Reinhard Haider

Barbara Anna Husar

Die Meteoritenfalle, 2011

Courtesy Galerie Maximilian Hutz

Iv Toshain

NOMOS BASILEUS, 2015

Ausstellungsansicht Winterpalais Prinz

Eugen, Wien

Bildrecht Wien, 2017

© Iv Toshain, Foto: Markus Schieder

Anselm Kiefer

Der gestirnte Himmel über mir und das

moralische Gesetz in mir, 1997 Albertina,

Wien

Adriana Czernin

Untitled, 2016

Courtesy Galerie Martin Janda, Wien

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Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017

Foto: maschekS.

Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017

Foto: maschekS.

Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz,

2017

Foto: maschekS.

Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017

Foto: maschekS.

Max Ernst

Le monde des naïfs, 1965

Bildrecht Wien, 2017; Foto: © Centre

Pompidou

Kiki Smith

Sky, 2011

© Kiki Smith, Courtesy Pace Gallery und

Magnolia Editions Foto: Kerry Ryan

McFate

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Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017

Foto: maschekS.

Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017

Foto: maschekS.

Ausstellungsansicht

LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017

Foto: maschekS.

Elisabeth Nowak-Thaller (Kuratorin),

Sabine Fellner (Kuratorin)

in der Ausstellung Sterne. Kosmische Kunst

von 1900 bis heute

Foto: maschekS.

LENTOS Kunstmuseum Linz, Fassade, 2017

Sicht auf: Katharina Sieverding, Looking at the

Sun at Midnight SDO/NASA, 2010 – 2015

Foto: maschekS.