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Archiv Ohr- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. IIeilk., Bd. 168, S. 215--219 (1955). Aus der Hals-Nasen-OhrenMinik des Stadt. Katharinenhospitals Stuttgart (Direktor: Prof. 1%. I~IRSTEIN). St5rungen dutch AugenlidsehluB bei der Elektro-l~'ystagmographie. Von R. KIRSTEIN und H. NCH~PFEtt. Nit 5 Textabbfldungen. (Eingegangen am 19. Juni 1955.) Durch nystagmographische Untersuchurgen verschiedener Spon~an- nystagmusformen hat I~oss~E~G s festgestellt, dab es nicht gleichgiiltig ist, ob bei der elektrisehen Registrierung 1. die Augen geSffnet sind und fixieren k6nnen oder 2. ob die M6glichkei~ des Fixierens dureh Anwendung der Leueht. brille ausgesehaltet ist, oder Abb. 1. Elektronystagmogramme n~ch I~OSSBE~G. 3. ob die Augen in einem v611ig dunMen Raum geSffnet sind, so dab sie ebenfalls nieht fixieren k6nnen. Die Untersuehungsergebnisse haben augerdem gezeigt, dug I. das spontgr e Nystagmusgesehehen dutch den LidsehluB entschei- dend beeinflugt wird. I-iierbei ist eine Abdunkelun g des Raumes unwiehtig. Bei Patien~en mit Drehschwindel, die unter der Lenehtbrille keinen Spontan- und Lagenystagmns hatten, fand t~OSSBE~G a aueh nystag- mographiseh unter der Leuehtbrille bei ge6ffneten Augen keinen Spontan- nystagmns. Im Dunkelraum bei geSffneten, zusgtzlieh verdeekten Angen traten in der Mehrzahl der F~lle einige Spontanrucke auf, wghrend naeh LidschluB im hellen wie im dunklen Raum ein zum Teil sehr heftiger Spontannys~agmus registrierg wurde (Abb. 1).

Störungen durch Augenlidschluß bei der Elektro-Nystagmographie

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Page 1: Störungen durch Augenlidschluß bei der Elektro-Nystagmographie

Archiv Ohr- usw. Heilk. u. Z. Hals- usw. IIeilk., Bd. 168, S. 215--219 (1955).

Aus der Hals-Nasen-OhrenMinik des Stadt. Katharinenhospitals Stuttgart (Direktor: Prof. 1%. I~IRSTEIN).

St5rungen dutch AugenlidsehluB bei der Elektro-l~'ystagmographie.

Von

R. KIRSTEIN und H. NCH~PFEtt.

Nit 5 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 19. Juni 1955.)

Durch nystagmographische Untersuchurgen verschiedener Spon~an- nystagmusformen hat I~oss~E~G s festgestellt, dab es nicht gleichgiiltig ist, ob bei der elektrisehen Registrierung

1. die Augen geSffnet sind und fixieren k6nnen oder 2. ob die M6glichkei~ des Fixierens dureh Anwendung der Leueht.

brille ausgesehaltet ist, oder

Abb. 1. Elektronystagmogramme n~ch I~OSSBE~G.

3. ob die Augen in einem v611ig dunMen Raum geSffnet sind, so dab sie ebenfalls nieht fixieren k6nnen. Die Untersuehungsergebnisse haben augerdem gezeigt, dug

I. das spontgr e Nystagmusgesehehen dutch den LidsehluB entschei- dend beeinflugt wird. I-iierbei ist eine Abdunkelun g des Raumes unwiehtig.

Bei Patien~en mit Drehschwindel, die unter der Lenehtbrille keinen Spontan- und Lagenystagmns hatten, fand t~OSSBE~G a aueh nystag- mographiseh unter der Leuehtbrille bei ge6ffneten Augen keinen Spontan- nystagmns. Im Dunkelraum bei geSffneten, zusgtzlieh verdeekten Angen t ra ten in der Mehrzahl der F~lle einige Spontanrucke auf, wghrend naeh LidschluB im hellen wie im dunklen Raum ein zum Teil s e h r heftiger Spontannys~agmus registrierg wurde (Abb. 1).

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Diese Beobachtu~gen sind nicht nur fiir die weitere Vestibularis- forschu~g, sondern auch ffir die tagliche Praxis yon Bedeutul]g. Sollten sich die Untersuchungsergebnisse bei der Prfifung einer grSl~eren Patien- tenzahl bestatigen, so ware in Fallen yon Drehschwinde], bei denen aueh unter der Leuchtbrille kein Spontan- und Lagenystagmus fest- ges~e]lt wird, eine nystagmographische Untersuchurg bei geschlossenen Augen erforderlich. Insbesondere mii2te die ohrenarztliche Begutachtung die elektrische Nystagmusregistrierut~g haufiger als bisher heranziehen.

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7 s e c

A b b . 2 . E i c h s t r o m 5 0 / ~ V = 5 m m . C a l o r i s c h e r N y s ~ a g m u s .

Es ist bek~nnt, dal~ alle Methoden zur Nystagmusregistrierung bisher unbefriedigend sind. Das gilt auch fiir die elektrische Aufzeichnur~g yon Avgenbewegu~gen. Ihre Methodik, die noch recht uneinheitlich durch- geffihrt wird, ist in letzter Zeit besonders ausffihrlich yon MITTERMAIEI~, EBEL, K~BL]~ U. BOES~L ~ besehrieben worden. Hinweise zur Vermei- durg yon StSrurgen und Fehlern bei der Registrierurg hat CHRISTIAN 1 gegeben. Ihre Kenntnis ist wichtig, weft ahnlich wie bei der Elektro- encephalographie auch bei der elektrischen Nystagmographie ver- schiedenartige St6rur~gen auftreten und zu falscher Beurteilung der Nystagmuskurve fiihren kSnnen. Das gilt z .B. fiir StSrungen dutch Schluck- und Kaubewegul]gen des Patienten. Unseres Wissens ist es bisher noch nicht bekannt, insbesondere in Reihenuntersuchungen noch nicht gepriift, ob StSrurgen bei der Elektronystagmographie nach Augenlidschluft und bei fiber langere Zeit geschlossen gehaltenen Augen normalerweise beobachtet werden. Die Klarung dieser Frage ist eine wesentliche Voraussetzur~g ffir die weitere Nachprfifung der oben ge- nannten Untersuchu~ gsergebnisse.

Wir haben daher in einer Reihenuntersuchung an 15 normalen Versuchspersonen elektrische Ableiturgen bei geSffneten und bei ge- schlossenen A~gen ~ zunachst ohne Leuehtbrille im hellen Raum - - vereinzelt auch im Dunkelraum, durcbgeffihrt. Die Registrierungen erfolgten unipo]ar mit dem Elektrencephalographen yon SCHWA~ZER, dessen Verstarkurg mit 50ttV = 5 mm so eingestellt war, dab ein calorischer Nystagmus mittlerer Intensitat nystagmographisch eindeutig wiedergegeben wurde (Abb. 2). Die differenten Elektroden lagen beider- seits dicht neben dem aul~eren Augenwinke], die indifferente Elektrode

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befand sich in Stirnmitte. Sehon hier sei darauf hingewiesen, dab eine Verlagerung der differenten Elektroden naeh hinten - - etwa 3 cm yon dem ~uBeren Augenwinkel entfernt in Riehtung auf den vorderen oberen Ohrmusehelansatz - - die welter unten beschriebenen Befunde nicht gndert. Der Elektrodendurehmesser betrug etwa 1 em. Die besonders gute Befestigurg der Elektroden am Patientenkopf erfolgte wie bei der ElektreneephMographie mi~ geloehten Gummibi~ndern. Alle Unter- suehten waren ohrgesund, hatten keine Schwindelerseheinungen und es bestand bei ihnen unter der Leuehtbrille aueh naeh Loekerungsmag- nahmen kein Spontan- und Lagenystagmus. Die Versuehspersonen wurden aufgefordert, w~hrend der elektrisehen Ableiturg zungehst m6gliehst ruhig geradeuus zu sehen ~nd erst auf Kommando die Augen zu schliegen und zwanglos gesehlossen zu hMten. Die Priiflmg erfolgte in einem bequemen Stuhl mit Kopfsttitze im Sitzen.

Bei den elektrisehen I~egistrierungen ergab sieh folgendes: 1. Bei allen 15 Versuehspersonen zeigte die Kurve bei geSffneten

Augen keine reine Nullinie, sondern es wurden mehr oder minder kleine Potentialsehwankungen beobabhtet, die der gleiehzeitig abgeleiteten It irnaktion entspreehen. Auf Abb. 4 erkennt man darfiber hinaus die dutch einen Lidsehlag verursachte Kurvenvergnderung.

2. Bei ~ yon insgesamt 15 Untersuchten war praktisch kein Unter- schied zwisehen den Kurven mit ge/3ffneten Augen gegeniiber denen mit gesehlossenen Augen festzustellen.

3. Die Kurven der iibrigen II Versuehspersonen gnderten sich da- gegen unmittelbar nach dem Augenlidsehlul3 eindentig. Dabei wurden graduell untersehiedliehe Kurvenschwankungen beobaehtet, die man entspreehend unseren Abb. 3--5 in etwa 3 versehiedene Iniensitgtsgrade einteilen kann. Die gegentiber der Ableitung mit geSffneten Augen teil- weise erhebliche Anderung der Kurve (Abb. 5) blieb fiir die Dauer des Augenlidsehlusses praktiseh unvergndert bestehen, aueh wenn z. ]3. 30 see lang registriert wurde. Nur bei einzelnen Untersuchten wurden die KurvenunregelmgBigkeiten w~hrend des l~nger andauernden Lid- schlusses etwas geringer, in anderen Fi~llen nahmen sie zu. Vereinzelte bipolare Ableitungen, Registrierungen im Dunkeln und haufige, zeitlieh unterschiedliehe Wiederholung der Versuehe anderte an den Befunden grundsgtzlich niehts. Soforg naeh dem AugenSffnen konnten die wghrend des Lidsehlusses auftretenden Kurvensehwankungen nieht mehr be- obachtet werden.

Unsere Untersuehungen an ohr- und augengesunden Versuehsper- sonen zeigen, dab bei der elektrisehen Ableitung yon Augenbewegungen allein dureh den Augenlidsehlug Kurvenschwankungen auftreten und so ausgeprggt sein kgnnen, dag die Aufzeiehnung und Beurteilung eines vestibularen Nystagmus sehwierig wird oder nieht mehr mSglieh ist. Auf

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unserer Kurve der Abb. 3 wfirde sich ein oalorischer oder Drehny- stagmus neben den durch Lidschlu8 bewirkten AusschlEgen hSehst- wahrscheinlich noch herausheben und nachweisen ]assen. Die Beurteilung eines etwa bestehenden - - gar feinschlBgigen - - Spontannystagmus w~re aber sehon schwierig. Abb. 4 und 5 lassen erkennen, dab der Lid- sehluB grobe StSrungen verursaehen und so die eigentliehe Nystagmus- aufzeichnung unm5glich machen kann.

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Abb. 3. Oben: Augen ge6ffnet. Unten: Augen geschlossen.

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Abb. 4. Oben: Augen ge6ffne~, Lidschlag im Kurvenbeginn. Unten: Augen geschlossen.

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Abb. 5. Obea: Augen ge5ffnct. Ua ten : Augen geschIossen.

Die nach dem SchlieBen der Augen beobachteten unregelmgBigen Kurvenausschlgge kommen wohl durch feine und feinste Lid- und Bulbus-Bewegnngen zustande. Jedenfalls zeigen Potentialschwankungen der Augen- und Augenlidmuskeln, die etwa naeh s tarkem Zukneifen der Augen auftreten, eine ganz andere Kurvenform.

Wir haben versueht, die nach LidschluB auftretende Kurvenunruhe durch ~mderung der ~e thod ik zu beseitigen. Das gelang aber nur durch t terabsetzen der Verstgrkung am Elektreneephalographen, wobei z. B. 5 0 # V - ~ 1 - - 2 r a m entsprechen mfissen. Bei dieser Verstgrkung ist ein

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cMorischer N y s t a g m u s gerade eben noch e rkennbar . F i i r s icheren Nach- weis eines S p o n t a n n y s t a g m u s , der sieh u n t e r der Leuch tbr i l l e n i e h t e rkennen lieBe, ware die Ve r s t a rkung in den meis ten Fa l l en ungeni igend .

Die M i t t e i l u r g yon ROSSB~Rr a, , ,dag bei Drehsehwinde l ohne Spon- t a n n y s t a g m u s un te r der Leuch tb r i l l e ein solches Spon ta~geschehen naeh LidsehluB m i t Hi l fe der N y s t a g m o g r a p h i e fes tzus te l len ist", m6ehten wi t daher au f G r u n d unserer Unte r suehungsergebn i sse erg~inzen :

Bei der elektrischen Au/zeichnung yon Augenbewegungen nach Lid- schlu[3 muff mit StSrungen gerechnet werden, die zu einer Verwechslung mit Spontannystagmus /iihren lc6nnen.

Literatur. 1 CHRISTIAN, W.: Zschr. Laryng. 88, 29 (1954). - - 2 MITTERMAIER, t:~., B.

EBEL, A. KUBLER U. K. BOESEL: Zsehr. Laryng. 31, 115 (1952). - - a ROSS~E~% G. : Arch. Ohr- usw. tteilk, u. Z. Hals- usw. tIeilk. 165, 417 (1954).

Prof. Dr. R. KmST~IN, Hals-Nasen-Ohrenklinik des St~dt. Katharinenhospital, Stuttgart.