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Deutsche Zeitschriftf. Nervenheflkunde,Bd. 169, S. 322--326 (1952). Aus der Neurochir~a~gischenUniversit~ts-Klinik KSln-Lindenbu~g (Prof. Dr. W, T S ~ s ) und aus dem Max Plaack-Institut fiir Hirnforschung, Abteitungfiir Tumorforschung und experimentellePathologie, KSln-Lindenburg (Prof. Dr. W. T 6 ~ s ) . Sul[0namidkonzentration im Liquor eerebrospinalis mit entziindlicher Reaktion im Liquorraum nach Hirnoperationen. Von WILHELM DItlESEN. (Eingeqan~en am 16. September 1952.) In der umfangreichen Literi~tur fiber die Pharmakodynamik der Sul- fonamide finden sich an vielen Stellen dutch quantitative Analyse ge- w0nnene Angaben fiber den l~bertrit~ von Sulfonamiden aus dem Blur in den Liquor cerebrospinalis. Das Verh~ltnis yon Liquor- zu Blutkon- zentration, ausgedriickt als Dezimalbruch im sogenarmten Verteilungs- quotienten ist eine f'tir die modernen Sulfonamide yon allen Untor- suchern recht gleichmKBig gefundene GrS]~e, die fiir Sulfapyrimidine zwischen 0,2---0,5 schwankend, angegeben wird (E~o~m). Dieses Er- gobnis ist in Anbetracht des wesentlich hSheren Verteilungsquotienten ftir die KSrpergewebe hie ~ls befriedigend betrachtet worden. Der Grund ffir das geringe PermeieruDgsvermSgen der Sulfonamide wird allgemein in den Eigenschaften der sogenannten Blut-Liquor- schranke gesehen, die in normalem Zustand weder freies Sulfonamid, noch die als Vehikel dienen4en Albumine des Blutplasmas in nennens- wertem Ausma$ passieren l~iSt. Genau so weit verbreitet wie die Kenntnis des kteinen Vert~ilungs- quotienten zwischen gesundem Liquor und Blur ist die tdberzeugung, dai~ bei entztindlichen Vorg/~ngen an den Hirnh~uten die Blut-Liquor- schranke mehr Sulfonamid durchlassen k6nne. Diese ~berzeugung stfitzt sich weniger attf quantitative Untersuchungen an Kranken, als auf die Heilnngsergebnisse meningitischer Erkranknngen unter Sul- fonamidtherapie. ]~ber die Sulfonamidkonzentr&tionen im Liquor yon Meningitiskran- ken fehlen Reihenuntersuchungen vSlIig, einige F~illo wurden yon EaaE~, KAS~RA und TAI~UMI sowie yon WILD U. D~I~S~ untersucht.

Sulfonamidkonzentration im Liquor cerebrospinalis mit entzündlicher Reaktion im Liquorraum nach Hirnoperationen

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Deutsche Zeitschrift f. Nervenheflkunde, Bd. 169, S. 322--326 (1952).

Aus der Neurochir~a~gischen Universit~ts-Klinik KSln-Lindenbu~g (Prof. Dr. W, TS~s)

und aus dem Max Plaack-Institut fiir Hirnforschung, Abteitung fiir Tumorforschung und experimentelle Pathologie, KSln-Lindenburg

(Prof. Dr. W. T6~s) .

Sul[0namidkonzentration im Liquor eerebrospinalis mit entziindlicher Reaktion im Liquorraum

nach Hirnoperationen. Von

WILHELM DItlESEN.

(Eingeqan~en am 16. September 1952.)

In der umfangreichen Literi~tur fiber die Pharmakodynamik der Sul- fonamide finden sich an vielen Stellen dutch quantitative Analyse ge- w0nnene Angaben fiber den l~bertrit~ von Sulfonamiden aus dem Blur in den Liquor cerebrospinalis. Das Verh~ltnis yon Liquor- zu Blutkon- zentration, ausgedriickt als Dezimalbruch im sogenarmten Verteilungs- quotienten ist eine f'tir die modernen Sulfonamide yon allen Untor- suchern recht gleichmKBig gefundene GrS]~e, die fiir Sulfapyrimidine zwischen 0,2---0,5 schwankend, angegeben wird (E~o~m). Dieses Er- gobnis ist in Anbetracht des wesentlich hSheren Verteilungsquotienten ftir die KSrpergewebe hie ~ls befriedigend betrachtet worden.

Der Grund ffir das geringe PermeieruDgsvermSgen der Sulfonamide wird allgemein in den Eigenschaften der sogenannten Blut-Liquor- schranke gesehen, die in normalem Zustand weder freies Sulfonamid, noch die als Vehikel dienen4en Albumine des Blutplasmas in nennens- wertem Ausma$ passieren l~iSt.

Genau so weit verbreitet wie die Kenntnis des kteinen Vert~ilungs- quotienten zwischen gesundem Liquor und Blur ist die tdberzeugung, dai~ bei entztindlichen Vorg/~ngen an den Hirnh~uten die Blut-Liquor- schranke mehr Sulfonamid durchlassen k6nne. Diese ~berzeugung stfitzt sich weniger attf quantitative Untersuchungen an Kranken, als auf die Heilnngsergebnisse meningitischer Erkranknngen unter Sul- fonamidtherapie.

]~ber die Sulfonamidkonzentr&tionen im Liquor yon Meningitiskran- ken fehlen Reihenuntersuchungen vSlIig, einige F~illo wurden yon EaaE~, KAS~RA und TAI~UMI sowie yon WILD U. D~I~S~ untersucht.

Sulfonamidkonzentration im Liquor cerebrospinalis nach Hirnoperationen. 323

Dabei wurden einzelne Werte gefunden, die hSher waren als die bei ge- sunden Menschen ermittelten. So land sich zum Beispiel bei den gemein- sam mit Herrn WILD untersuchten Patienten ein Verteilungsquotient yon 0,9, allerdings bei Verwendung von Sulfanilamiclo-monomethyl- pyrmidin (Debenal-M). Jedoch sind diese wenigen Hinweise auf eine

mSgliche erh5hte Durchliissigkeit bei entzfindeten Meningen statistisch nicht haltbar.

Die vorliegende Arbeit sell einen Beitrag liefern, unsere Auffassung fiber die Durchl~ssigkeit der Blut-Liquorschranke fiir Sulfonamide unter krankhaften Bedingungen durch exakte Untersuchungen stfitzen zu kSnnen.

Wir untersuchten bei 50 K_ranken die Sulfonamidkonzentrationen im Blut und Liquor nach der Methode yon DRUa~Y u. (~STERF:ELD und bestimmten gleichzeitig die Zellzahl und das GesamteiweiB im Liquor, wobei auch die Reaktionen nach PANDY und NONNE-APELT angestellt wurden. Es handelt sich um Patienten, die nach einer Schadelhirn- operation eine entzfindliche Reaktion der Hirnh~iute durchmachten. Diese Erkrankung ist keine ochre Meningitis insofern, als sie nicht auf einer bakteriellen Infektion beruht - - Abstriche und Kulturen sind grunds~tzlich negativ - - auch fehlt ihr gewShnlich die Steigerung der Pulsfrequenz. Ihre subjektiven Symptome sind Kopfschmerz his zur Benommenheit, Nackensteifigkeit sowie ischialgiforme Schmerzen als Ausdruck der Wurzelreizung; objektiv besteht Fieber, im Blutbild Leukocytose, die BlutkSrperchensenkungsgeschwindigkeit ist beschleu- nigt. Bei Untersuchung des Liquors ist an allen Entnahmestellen (Ven- trikel, grol~e Zisterne und Lumbalsack) der Druck erhSht. In den ersten Tagen nach der Operation ist die Fliissigkeit blutig, sparer xantho- chrom und enthiilt meist wenige hundert his zu 2000 Leukocyten. Die Eiweil~reaktionen nach PANDY und NONCE sind mehr oder weniger stark positiv, quantitativ finden sich nach Kafka his zu 200 rag-~o Ei- weil~. Dieses Krankheitsbild, in der Neurochirurgie gewShnlich als post- operative ,,meningeale Reaktion" (TSNNIS) bezeichnet, gehSrt symp~o- matisch am ehesten in die Gruppe der aseptisehen Meningitiden.

Theoretisch bediirfen diese Erkrankungen keiner Chemotherapie. Dennoch pflegen wir besonders schwere F~lle und solche mit Infektions- gefahrdung (Operabionen yon FremdkSrpern, Verle~zungen, Abscessen, Liquoffisteln u. ~.) prophylaktisch mit bakteriostatischen oder anti- biotischen Stoffen zu behandeln. Von den Sulfonamidpri~paraten bevor- zugen wir dabei das Aristamid. Als Sulfapyrimidininderivat weist es rticht nur den dieser Gruppe eigenen hohen bakteriostatischen Effekt auf (EIsENMANN, HAUCH, LUDWIG U. M1JHLENS), sondern es ha t aueh die Eigenschaft, mit geringer Dosierung hohe und lang anhaltende Blur-

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spiegel zu erzeugen, was, wie bereits in den obengenannten VerSffent- lichungen (WILD U. DRIESEN) beschrieben und best~tigt, eine laufende Verabreichung des Medikaments w~hrend der Nachtstunden iiberflfissig macht.

Ganz allgemein sch~tzen wit an den Sulfonamiden auch sehr den bekannten antipyretischen Effekt (KNoPP~RS), der weitere Gaben anderer Medikamente erfibrigt.

Das Praparat Aristamid im besonderen zeichnete sich durch eine sehr gute Vertr~glichkeit aus, wir haben bei keinem unserer Patienten ernstliche Nebenerscheinungen beobachtet. Besonders angenehm war far uns die Anwendungsform des Pr~ipaxates als Aristamid-Saft. Er wurde von den Kranken, die willig schluckten, lieber genommen als Tabletten und konnte denen, die wegen neurologischer und psychischer Ausfallserscheinungen nicht selbsK4ndig schluckten, durch die dann ohnehin notwendige Schlundsonde eingegeben werden.

Zur Ermittlung der Sulfonamidkonzentrationen im Blur und Liquor wurden die erforderlichen Mengen aus der Armvene bzw. dureh Lumbal- punktion gewonnen und die Analyse im hi~molysierten Vollblut, im Liquor grunds~tzlich nach Abzentrifugieren von Zellbestandteilen angestellt. Diese letztgenannte MaBnahme erscheint uns wichtig, da der Sulfona- midgehalt von weiBen oder roten BlutkSrperchen das Ergebnis der Liquoranalyse verf~lschen warde. Wir glauben, daB ein Unterlassen des Zentrffugierens mSglicherweise verantwortlich ist ffir die oben angege- benen hSheren Verteilungsquotienten zwischen Liquor und Blur Menin- gititiskranker, deren Liquor bekanntlich sehr erhebliche Zellbei- mengungen enthalten kann.

Die folgende Tabelle zeigt die Untersuchungsergebnisse an 33 Kran- ken, bei denen der Liquor nur so geringe Blutbeimengungen aufwies, dab eine exakte Zghlung der Leukocyten und Bestimmung des Eiweil3- gehaltes mSglich war.

Wir finden also einen Verteilungsquotienten, der, zwischen 0,1 und 0,5 schwankend, nicht fiber die bei normalen oder anderen Erkran- kungen gefundenen Werte hinaus geht und der vSllig unabh~ngig ist von der Zellzahl oder dem Eiweil~gehalt, welche gleichzeitig im Liquor ge- funden wurden.

ES zeigt sich also, dab zumindest bei den abakteriellen entzfindlichen Reaktionen der I~iirnh~ute die D~urchiiissigkeit der Blut-Liquorschranke far Sulfonamide nicht erhSht ist. Vielmehr sprechen auch diese Ergeb- nisse dafar, dab sicb bei Sulfonamiden zwischen den Blur- und Liquor- konzentrationen ein Gleichgewicht einstellt, das unabhiingig von der ttShe des Blutspiegels ist, wie es bereits in einer frfiheren VerSffent- lichung fiber tierexperinmntelle Untersuchungen (DRIES~.~) festgestellt wurde.

Sulfonamidkonzentration im Liquor cerebrospinalis nach Hirnoperationen. 325

TabeUe 1.

Kafka Pandy Nonne Zellen Verteilungs- 8ulfonamidgehalt quotient Liquor Blut

rag-% re.g-% mg-%

1. 24,0 - - - - 2. 24,0 - - - - 3. 26,4 + + 4. 36,0 opal opal 5. 40,8 opal opal 6. 42,8 -4- + 7. 48,0 opal opal 8. 50,5 + + 9. 52,8 + + + +

l O. 60,0 opal opal 11. 62,0 + + + + 12. 72,0 _t_ + + + 13. 72,0 + -- + + 14. 76,2 + + + + + + 15. 76,8 + + + + + + 16. 76,8 + + + + + + 17. 84,0 + + + + + + 18. 84,0 + + + + + + 19. 96,0 + + - - + + + 20. 98,4 + + + + + + 21. 117,6 + + + + + + 22. 120,0 + + + + + + 23. 126,5 ÷ + + + z_ + 24. 144,0 + + + + 25. 144,0 + + + + 26. 146,4 + + + + + + 27. 163,2 + + ÷ + + + 28. 175,2 + + + + + + 29. 210,0 + + - - + + + 30. 252,0 + + + + + + 31. 336,0 ÷ + + + + + 32. 388,1 + + + + + + 33. 388,0 + + + + + +

1/3 10/3 3/3 4/3 5/3

96,3 5/3 2/3

92/3 14t3 68 t3 68/3

224/3 688/3 8213 8613

306/3 100/3 108/3 210/3 83/3

102/3 222/3 263/3 113/3 110/3 140/3 272/3 430/3 466/3 370/3 180/3 420/3

0,11 1,94 17,0 0,8 8,35 10,4 0,09 2,78 29,5 0,22 1,33 14,9 0,4 1,39 3,48 0,26 3,05 11,6 0,13 1,11 8,66 0,3 4,16 13,9 0,23 1,67 7,3 0,31 1,66 5,2 0,29 2,78 9,4 0,8 11,9 14,9 0,22 1,66 7,65 0,1 1,39 14,2 0,23 3,33 13,9 0,48 3,05 6,26 0,12 2,22 18,0 0,23 1,39 5,9 0,48 4,16 8,66 0,36 2,5 6,93 0,24 4,16 17,3 0,23 1,39 5,9 0,16 3,05 18,3 0,18 1,1 5,9 0,26 1,67 6,26 0,14 1,94 13,5 0,17 1,39 8,0 0,11 0,83 7,3 0,28 1,39 4,85 0,16 2,78 17,3 0,31 3,33 10,7 0,26 5,55 20,8 0,48 3,04 4,26

Die Frage, ob bei baktoriellen Infektionen der Hirnh~ute andere Ver- h/~ltnisse eintreten, muB often bleiben, bis eine ausleichende Zahl yon Untersuchungen infizierter Liquores vorliegt, die nach sorgf~ltigem Ab- zentrifugieren ihrer Zellbestandteile gewonnen wurden.

Zusammen/assung. 1. Die MSglichkeit einer Permeabiliti~tssteigerung der Blut-Liquor-

schranke fiir Su]fonamide bei entziindlichen Erkrankungen der Hirn- hi~ute wird er5rtert.

2. Das Krankheitsbild der meningealen Reaktion, einer aseptischen Meningitis, nach Hirnoperationen wird skizziert und seine Eignung als Testobjekt fiir das obige Problem herausgestellt.

326 WILHELM DRIESEN: Sulfonamidkonzentration im Liquor cerebrospinalis.

3. ]~ber den the rapeu t i schen Effekt des Ar i s t smidsa f t e s bei den men ingea len Reak t i onen wird ber ichte t .

4. Kurze Schi lderung der Su l fonamidbes t immung im , ,zellfreien" Liquor und tabe l la r i sche Dars te l lung der Ergebnisse.

5. Es wird gezeigt, d a b der Ver te i lungsquot ien t fiir Ar i s t amid zwi- schen Liquor cerebrospinal is und Blur unabh~ngig is t yore Eiweil3gehalt des Liquors .

Li tera tur .

DRIESEN, W. : Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 2087 2/3 (1948), Diisseldorfer Tagungsberichte. - - DRU:EY, J., u . ~ ) S T E R H E L D : Helvet. chim. Acta 257 753 (1942). - - EGGER, P. : Verteilung der Sulfonamide im Organismus. Basel: Schwabe 1946. - - E I S E ~ A ~ , R.: Med. Mschr. 9, 630 (1951). - - I-IAucH, H. J., L. LUDWIG, u. K. MiiHLE~S: Z. inn. Med. 5, 199 (1950). - - I~SH~RA, U. TARUMI: Zit. n. EGGER. - -

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Dr. W. DRIESEN, (22C) KSln-Lindenthal, Lindenburg, Neurochirurgische Universitits-Klinik