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Supertetraedrische Sulfide Supertetraeder in Sulfiden: Materie wider mathematische Reihen? GØrard FØrey* StichwɆrter: Elektrolumineszenz · MikroporɆse Materialien · Nanomaterialien · Sulfide · Supertetraeder Im Anfang war das Spiel: Perforieren dichter Materie Cronstedt [1] konnte sich wohl kaum vorstellen, welche Folgen seine Entde- ckung des natɒrlichen Zeoliths Stilbit haben wɒrde, des ersten von Chemikern gefundenen porɆsen Materials. Auf ei- ner ersten Stufe zumindest resultieren Entdeckungen und Entwicklungen meist aus der Neugier und dem Wunsch nach stetiger Verbesserung – allein um der Herausforderung willen. Die Nach- ahmung natɒrlicher Stoffe begann Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Synthese von Levyn, des ersten synthetischen Homologen des natɒrlichen Zeoliths, [2] das sich aus einer Mischung dichter Phasen (Al 2 O 3 und SiO 2 ) in alkalischem Medium bildet. Dabei wirken Alkali- Ionen und Wasser bei der Bildung der neuen Phase wie ein „Meißel“ (Tem- plat) auf die ursprɒnglich dichten Struk- turen, wobei die PorositȨt der Struktur auf die nachfolgende Eliminierung von Wasser (durch Erhitzen) zurɒckgeht. Das Konzept wurde in der Folge durch Ersetzen der Alkali-Ionen durch orga- nische Molekɒle (hauptsȨchlich quartȨ- re Ammoniumionen und Amingruppen) weiterentwickelt. [3] Der modulare Cha- rakter der LȨnge der Kohlenstoffkette fɒhrte zu einer explosionsartigen Ent- wicklung neuer porɆser FestkɆrper mit immer grɆßeren Porenweiten, wȨhrend das anorganische Gerɒst zumeist weiter- hin aus AlO 4 - und SiO 4 -Tetraedern be- stand. SpȨter, nach Entdeckung der porɆsen Aluminiumphosphate, kamen noch PO 4 -Tetraeder hinzu. [4] Neben der Synthese einer Vielzahl von Varianten wurden auch einige grɆßere Durchbrɒche erzielt, haupt- sȨchlich mithilfe von Oxiden [5] und, in geringerem Ausmaß, mit Oxyfluori- den. [6] Vor allem zu nennen sind der Einbau sechsfach statt vierfach koordi- nierter Kationen in das Gerɒst, [7] die Entdeckung magnetischer porɆser Fest- stoffe, [8] bei denen Aluminium vollstȨn- dig durch Ƞbergangsmetallatome er- setzt ist, und die ersten Untersuchungen zum Bildungsmechanismus dieser Fest- kɆrper. [6c, 9] Ziel solcher Entwicklungen war meist die ErhɆhung der Poren- grɆße [10] und Verbesserung von Anwen- dungsmɆglichkeiten (z. B. Katalyse, Gas-Trennung, Nanoreaktoren), wobei in erster Linie mit den Templateigen- schaften „gespielt“ wurde. Einer der jɒngsten Durchbrɒche, die Entdeckung von porɆsen Sulfiden mit supertetra- edrischem Gerɒst, soll das Thema dieses Highlights sein. PorɆse Sulfide und mathema- tische Reihen Die Materialklasse der FestkɆrper mit offener Gerɒststruktur wird von Oxid- und Oxid-Fluorid-Matrices klar dominiert. Bedard et al. [11] schlugen 1989 die Erweiterung dieser Klasse um Metallsulfidverbindungen vor, die durch Anwendung der gleichen Syntheseprin- zipien, nȨmlich der Perforierung dichter Materie mit organischen Templaten, zugȨnglich sein sollten. Zwei neuere Ƞbersichtsartikel beschreiben die auf diesem Gebiet erzielten Fortschritte bis 1999. [5, 12] Aus Sicht der Kristallchemie bieten Sulfide viele Vorteile: 1) Der gegenɒber Oxid- und Fluoridionen grɆßere Ionen- radius von S 2 begɒnstigt eine tetraedri- sche Koordination der Kationen und ermɆglicht damit einen Zugang zu Sul- fidhomologen der Zeolithe. 2) Aus der hɆheren Polarisierbarkeit von S 2 folgt eine grɆßere FlexibilitȨt der T-S-T-Win- kel zwischen den Tetraedern (109–1618) verglichen mit den Oxiden (140–1458), was zu einer grɆßeren GerɒstflexibilitȨt und einer besseren Passform zur Auf- nahme der Template fɒhrt. Dies hat ɒberraschenderweise zur Folge, dass 3) die ursprɒngliche Anordnung der Tetraeder im dichten Ausgangsmaterial „gespeichert“ bleibt. Im Prinzip entstehen bei der Perfo- ration einer dichten Phase (hier Sphale- rit, Abbildung 1 a–d) mithilfe eines Templats HohlrȨume, die je nach GrɆße und Ladung des Templats von Gruppen von beispielsweise vier (T2), zehn (T3) oder zwanzig (T4) eckenverknɒpften Tetraedern umgeben sind. UnabhȨngig von der Anordnung dieser Supercluster gehorchen die Supertetraeder einigen mathematischen Regeln. Nach O'Keef- fe et al. [13] entspricht die Zahl der Te- traeder („T-Atome“) in einem Tp-Su- pertetraeder der p-ten Tetraederzahl (t p = p(p + 1)(p + 2)/6). Die Zahl unter- scheidbarer Ecken (S-Atome) in einem Supertetraeder ist t p+1 . In einem kon- tinuierlichen Gerɒst ist jede der Ȩußers- ten Ecken eines Supertetraeders Teil eines anderen Supertetraeders, sodass die Gesamtzusammensetzung T x S y mit x = t p und y = t p+1 2 betrȨgt. Folglich ist die Zusammensetzung eines T2-, T3- [*] Prof. G. FȖrey Institut Universitaire de France & Institut Lavoisier UMR CNRS 8637, UVSQ 45, Avenue des Etats-Unis 78035 Versailles Cedex (Frankreich) Fax: (+ 33) 1-3925-4358 E-mail: [email protected] Highlights 2680 # 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200201621 Angew. Chem. 2003, 115, 2680 – 2683

Supertetraeder in Sulfiden: Materie wider mathematische Reihen?

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Supertetraedrische Sulfide

Supertetraeder in Sulfiden: Materie widermathematische Reihen?G�rard F�rey*

Stichw�rter:Elektrolumineszenz · Mikropor�se Materialien ·Nanomaterialien · Sulfide · Supertetraeder

Im Anfang war das Spiel:Perforieren dichter Materie

Cronstedt[1] konnte sich wohl kaumvorstellen, welche Folgen seine Entde-ckung des nat�rlichen Zeoliths Stilbithaben w�rde, des ersten von Chemikerngefundenen por!sen Materials. Auf ei-ner ersten Stufe zumindest resultierenEntdeckungen und Entwicklungenmeist aus der Neugier und dem Wunschnach stetiger Verbesserung – allein umder Herausforderung willen. Die Nach-ahmung nat�rlicher Stoffe begann Mittedes 19. Jahrhunderts mit der Synthesevon Levyn, des ersten synthetischenHomologen des nat�rlichen Zeoliths,[2]

das sich aus einer Mischung dichterPhasen (Al2O3 und SiO2) in alkalischemMedium bildet. Dabei wirken Alkali-Ionen und Wasser bei der Bildung derneuen Phase wie ein „Meißel“ (Tem-plat) auf die urspr�nglich dichten Struk-turen, wobei die Porosit<t der Strukturauf die nachfolgende Eliminierung vonWasser (durch Erhitzen) zur�ckgeht.Das Konzept wurde in der Folge durchErsetzen der Alkali-Ionen durch orga-nische Molek�le (haupts<chlich quart<-re Ammoniumionen undAmingruppen)weiterentwickelt.[3] Der modulare Cha-rakter der L<nge der Kohlenstoffkettef�hrte zu einer explosionsartigen Ent-wicklung neuer por!ser Festk!rper mitimmer gr!ßeren Porenweiten, w<hrend

das anorganische Ger�st zumeist weiter-hin aus AlO4- und SiO4-Tetraedern be-stand. Sp<ter, nach Entdeckung derpor!sen Aluminiumphosphate, kamennoch PO4-Tetraeder hinzu.[4]

Neben der Synthese einer Vielzahlvon Varianten wurden auch einigegr!ßere Durchbr�che erzielt, haupt-s<chlich mithilfe von Oxiden[5] und, ingeringerem Ausmaß, mit Oxyfluori-den.[6] Vor allem zu nennen sind derEinbau sechsfach statt vierfach koordi-nierter Kationen in das Ger�st,[7] dieEntdeckung magnetischer por!ser Fest-stoffe,[8] bei denen Aluminium vollst<n-dig durch Fbergangsmetallatome er-setzt ist, und die ersten Untersuchungenzum Bildungsmechanismus dieser Fest-k!rper.[6c,9] Ziel solcher Entwicklungenwar meist die Erh!hung der Poren-gr!ße[10] und Verbesserung von Anwen-dungsm!glichkeiten (z.B. Katalyse,Gas-Trennung, Nanoreaktoren), wobeiin erster Linie mit den Templateigen-schaften „gespielt“ wurde. Einer derj�ngsten Durchbr�che, die Entdeckungvon por!sen Sulfiden mit supertetra-edrischemGer�st, soll das Thema diesesHighlights sein.

Por�se Sulfide und mathema-tische Reihen

Die Materialklasse der Festk!rpermit offener Ger�ststruktur wird vonOxid- und Oxid-Fluorid-Matrices klardominiert. Bedard et al.[11] schlugen1989 die Erweiterung dieser Klasse umMetallsulfidverbindungen vor, die durchAnwendung der gleichen Syntheseprin-zipien, n<mlich der Perforierung dichterMaterie mit organischen Templaten,zug<nglich sein sollten. Zwei neuere

Fbersichtsartikel beschreiben die aufdiesem Gebiet erzielten Fortschritte bis1999.[5,12]

Aus Sicht der Kristallchemie bietenSulfide viele Vorteile: 1) Der gegen�berOxid- und Fluoridionen gr!ßere Ionen-radius von S2� beg�nstigt eine tetraedri-sche Koordination der Kationen underm!glicht damit einen Zugang zu Sul-fidhomologen der Zeolithe. 2) Aus derh!heren Polarisierbarkeit von S2� folgteine gr!ßere Flexibilit<t der T-S-T-Win-kel zwischen den Tetraedern (109–1618)verglichen mit den Oxiden (140–1458),was zu einer gr!ßeren Ger�stflexibilit<tund einer besseren Passform zur Auf-nahme der Template f�hrt. Dies hat�berraschenderweise zur Folge, dass3) die urspr�ngliche Anordnung derTetraeder im dichten Ausgangsmaterial„gespeichert“ bleibt.

Im Prinzip entstehen bei der Perfo-ration einer dichten Phase (hier Sphale-rit, Abbildung 1a–d) mithilfe einesTemplats Hohlr<ume, die je nach Gr!ßeund Ladung des Templats von Gruppenvon beispielsweise vier (T2), zehn (T3)oder zwanzig (T4) eckenverkn�pftenTetraedern umgeben sind. Unabh<ngigvon der Anordnung dieser Superclustergehorchen die Supertetraeder einigenmathematischen Regeln. Nach O'Keef-fe et al.[13] entspricht die Zahl der Te-traeder („T-Atome“) in einem Tp-Su-pertetraeder der p-ten Tetraederzahl(tp= p(p+ 1)(p+ 2)/6). Die Zahl unter-scheidbarer Ecken (S-Atome) in einemSupertetraeder ist tp+1. In einem kon-tinuierlichen Ger�st ist jede der <ußers-ten Ecken eines Supertetraeders Teileines anderen Supertetraeders, sodassdie Gesamtzusammensetzung TxSy mitx= tp und y= tp+1�2 betr<gt. Folglich istdie Zusammensetzung eines T2-, T3-

[*] Prof. G. F�reyInstitut Universitaire de France &Institut LavoisierUMR CNRS 8637, UVSQ45, Avenue des Etats-Unis78035 Versailles Cedex (Frankreich)Fax: (+33)1-3925-4358E-mail: [email protected]

Highlights

2680 � 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/ange.200201621 Angew. Chem. 2003, 115, 2680 – 2683

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oder T4-Supertetraeders T4S8, T10S18bzw. T20S33.

Die erste T2-Struktur wurde bereits1987[14a] beschrieben, doch setzte daseigentliche Interesse an Supertetra-edern erst nach einer Arbeit von Yaghiet al. ein,[14b] die zeigten, dass deradamantanartige Cluster (NMe4)4Ge4S10mit Manganacetat in Wasser bei Raum-temperatur unter Bildung eines drei-dimensionalen Netzwerkes ((NMe4)2-MnGe4S10) reagiert; einige <hnlicheVerbindungen wurden sp<ter beschrie-ben.[14c–e] Im Anschluss ging es in ersterLinie darum, gr!ßere Supertetraederherzustellen. Dabei musste das Risikoin Kauf genommen werden, dass sich beigr!ßer werdenden Hohlr<umen zweiidentische Subnetzwerke verzahnen,was tats<chlich auch oft beobachtetwurde. Mithilfe einer Inkrementstrate-gie gelang es den Arbeitsgruppen umYaghi und O'Keeffe,[15a,b] drei unver-zahnte Indiumsulfide, ASU-31, -32 und-34, mit T3-Supertetraedern zu isolieren(ASU steht f�r Arizona State Univer-sity); daneben wurden auch verzahnteStrukturen erhalten.[15c] Die dritte In-krementstufe, T4, erreichten k�rzlicherneut O'Keeffe et al.[13] sowie Fenget al.[16] Der isolierte T4-Cluster[M4In16S33]10� enthielt in diesem Fallein zweiwertiges Metall M (M=Mn,Co, Zn, Cd) zusammen mit Indium.Damit sprach nichts dagegen, dass dieSerie auf Grundlage des gleichen ma-

thematischen Musters hin zu T35S54,T56S82 usw. fortgesetzt werden k!nnte.Die Kantenl<nge dieser Supertetraederist dabei gleich dem n-fachen des S-S-Abstandes im einfachen Tetraeder, unddie Gr!ße des Hohlraums erh!ht sichentsprechend.

Die hier diskutier-ten vergr!ßerten Ge-r�ste – k�rzlich kamenauch Netzwerke mitM4+/M3+-Ionen hin-zu[17] – k!nnen auf neu-en Strukturtypen (T4)beruhen,[16] sind aberoft einfache h!hereHomologe bekannterBasisstrukturen („Aris-totypen“) wie Diamant(T3),[15c] Sodalith (T2,T3),[15a] Cristobalit(T2, T3, T4)[13, 14a,15b]

und CrB4 (T2, T3).[15a]

Es sind gute Beispielef�r das Konzept einer„scale chemistry“[18]

(„je gr!ßer die Bau-steine, desto gr!ßerdie Poren“). Zu erw<h-nen ist, dass die h!hereFlexibilit<t der T-S-T-gegen�ber den T-O-T-Winkeln zu kontra-hierten Varianten derSuperger�st-Aristoty-pen f�hrt.[13,15a]

Ein Bruch in der Reihe

Nach T5, dem n<chsten Glied derReihe, wurde lange gesucht. Zwei k�rz-lich erschienene Ver!ffentlichun-gen[19,20] beschreiben diesen Typ, dochdie Ergebnisse markieren einen Bruchin der bisherigen Entwicklung. Die auf-fallende Eigenschaft, die beiden Struk-turen gemeinsam ist, betrifft den T5-Cluster selbst. W<hrend die niedrigerenHomologe dieser Clusterreihe vollst<n-dig sind, fehlt in beiden T5-Strukturenein Kernatom (Abbildung 2a), entspre-chend der Summenformel &1T34S54 (&=

Leerstelle). Mit T5 als dem einzigenClustertyp in der Struktur bildete sichdar�ber hinaus ein zweidimensionalerFestk!rper.[20] Fberraschenderweisebleibt im zweiten Beispiel[19] der 3D-Charakter erhalten, da hier – erstmalsbeobachtet – zwei Arten von Superclus-tern, T3 und T5, vorliegen, die ecken-verkn�pft sind (Abbildung 2b). Dieszeigt deutlich, dass T5 eine Grenze derbegonnenen Entwicklung darstellt, wasgrundlegende Fragen bez�glich der Bil-dung der einfachen Glieder und derGr�nde f�r den Abbruch der Reiheaufwirft.

Abbildung 1. Bauprinzip von Supertetraedern ausgehend von der dichten Sphaleritphase: a) Tet-raeder-Ausschnitt der Sphalerit-Struktur, entsprechend einer Kante aus zehn primitiven Tetrae-dern (blau); b) T2-Supertetraeder mit der gleichen Sphalerit-Topologie (das Supertetraeder(blau) enthDlt vier Metallzentren); c) T3-Supertetraeder nach dem gleichen Prinzip; d) T4-Super-tetraeder.

Abbildung 2. a) Kugel-Stab-Modell des T5-Clusters mit Defekten; die vierSchwefelatome um die Leerstelle sind grGn. b) Geordnete T3- und T5-Su-pertetraeder in der in Lit. [19] beschriebenen Struktur. c) T4,2-Cluster.

AngewandteChemie

2681Angew. Chem. 2003, 115, 2680 – 2683 www.angewandte.de � 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Und nach dem Spiel: Fragen

Die allererste Frage betrifft nat�r-lich den defizit<ren Charakter der T5-Topologie, da beide oben aufgef�hrtenBeispiele die gleichen Charakteristikazeigen. Eine naheliegende Erkl<rungf�r dieses Verhalten gibt es offensicht-lich nicht, einige Vorschl<ge k!nnenaber angeboten werden.

Zun<chst einmal lassen sich einigechemische Argumente heranziehen. Be-trachten wir den Trend hinsichtlich derArt der Kationen, die an der Tn-Reihebeteiligt sind: An T2 ist eine Mischungaus vier- und zweiwertigen Metallionenbeteiligt (Ge4+ und Mn2+, (NMe4)2Mn-Ge4S10),[14b] T3 enth<lt ausschließlichdreiwertige Metallionen (In3+, ASU-32: In10S18(C11H24N2)3(H2O)7),[15] T4zweiwertige (haupts<chlich Cd2+) undIn3+ (CdInS-44: Cd4In16S33(C10H28N4)2.5-(H2O)20),[13] ebenso wie die reineT5-Struktur (Cd6In28S54{(CH3)4N}12-(HSCH2COOH)2)3.5).[20] Die formaleLadung der Cluster folgt der Reihe:[T2]2�, [T3]6�, [T4]10�, [T5]12�. Die ab-nehmende Wertigkeit der eingesetztenMetalle, die zu einem Grenzwert dernegativen Ladung des Clusters f�hrt(bei einer zu hohen negativen Ladungw�rde ein Festk!rper instabil werden),ist letztlich im Einklang mit dem Auf-treten von neutralem CdS mit Sphalerit-Struktur. Ohne den unbesetzten Hohl-raum in T5 w<re die negative Ladung zuklein ([T5]10� oder [T5]9� f�r Besetzungdurch Cd bzw. In). Die Kondensationwird wohl wiederum durch Anpassungder Baugruppen an die Ladungsdichtedes Templats erm!glicht (hier durch dieErzeugung eines Defekts). Das Kristal-lisieren des Festk!rpers wird entwedermit dem Ausgleich der Elektronegativi-t<ten der Gruppen erkl<rt[6c,d] oder mitdem Prinzip der passenden Ladungs-dichte von Wirt- und Gastmolek�l.[21]

Allerdings bietet das zuletzt erw<hntePrinzip keine Erkl<rungshilfe f�r denTrend innerhalb der kompletten Reihe.

Einen interessanten Gang, der be-reits von Feng et al.[19] erw<hnt wurde,nimmt die negative Ladung pro Metall-zentrum innerhalb des Gesamtger�stsdes Clusters: sie nimmt stufenweise vonT2 (�1) �ber T3 (�0.6) und T4 (�0.5)zu T5 (�0.35) ab. Dies k!nnte einwichtiger Hinweis f�r k�nftige Synthe-sen sein.

Neben elektronischen spielen auchchemische Faktoren eine entscheidendeRolle f�r die beobachteten Trends undden Bruch in der Reihe. Ein Blick aufden neuen T3-T5-Feststoff[19] soll diesenPunkt veranschaulichen: Die Synthese-bedingungen f�r diese Clusterverbin-dung sind nahezu identisch mit denenvon ASU-32, das ausschließlich T3-Cluster enth<lt (gleiche Konzentratio-nen, Konzentrationsverh<ltnisse undTemplat). Nur die Temperatur und dieSynthesezeit sind anders (135 8C und5 Tage f�r ASU-32, 190 8C und 16 Tagef�r die T3-T5-Spezies). Dies scheintdarauf hinzudeuten, dass zunehmendeReaktionszeiten und steigende Reak-tionstemperaturen die Bildung gr!ßererCluster beg�nstigen. Dieses interessanteMerkmal wirft die Frage nach demBildungsmechanismus dieser Supertet-raeder auf. Eine sorgf<ltige Erkl<rungerfordert eine gr�ndliche In-situ-Unter-suchung der Abfolge, in der die Phasengebildet werden, wie sie beispielsweiseParise et al.[22] bei Festk!rpern mitGe4S10 als Grundbaustein ausf�hrten.

Ein weiterer Aspekt betrifft dieRolle der Template. Sollte es sich her-ausstellen, dass ihre Gestalt zusammenmit der Flexibilit<t der T-S-T-Winkel dieForm und die Gr!ße der Hohlr<umedirekt beeinflusst, dann w<re die Situa-tion komplizierter als bei den Alumini-um- und Galliumphosphaten.[6c,d] Gibtes eine direkte Beziehung zwischen derLadung der Template und der Gr!ßeder Cluster? Spielen sie eine struktur-bestimmende Rolle, oder sind sie ein-fach nur „Raumausf�ller“? Oder Bei-des? Die Tatsache, dass alle Festk!rperihre Template mit zunehmender Tem-peratur kontinuierlich abgeben, ohnedass je ein dem „leeren“ Festk!rperentsprechendes Plateau beobachtetworden w<re, l<sst diese Frage offen.Es ist bemerkenswert, dass bis zu derj�ngsten Ver!ffentlichung von Fenget al.,[24] in der �ber den por!sen Fest-k!rper UCR20 berichtet wurde, diePorosit<t dieser Verbindungen trotzder großen Abmessungen der K<figekeine Erw<hnung fand.

Offene Fragen

Die Existenz eines defizit<ren T5-Clusters mit einer einzelnen vakanten

Metallstelle kann dazu verleiten, solcheVerbindungen als erstes Glied einerneuen Reihe jenseits der Unterbre-chung zu betrachten, bei der die Zahlder vakanten Metallstellen stetig zu-nimmt. Wie bereits von Feng et al.bemerkt,[19] war es bis vor kurzem vor-stellbar, dass dieses Spiel fortgesetztwerden k!nnte, und so eine ganzeFamilie von „kernlosen“ Nanoclusternzug<nglich w<re, die gr!ßer sind als T5.Die Reihe ginge dann weiter mit einemT6-Cluster mit fehlendem T2-Kern(&4M52X84), einem T7-Cluster mit feh-lendem T3-Kern (&10M74X120), einemT8-Cluster mit fehlendem T4-Kern(&20M100&1X164) usw. Das Ziel w<re dieErzeugung von Clustern mit Poren in-nerhalb der Cluster und Poren zwischenden Clustern. Dies ist zwar eine gl<n-zende Idee, doch entstehen selbst beivier, zehn oder zwanzig vakanten Me-tallpl<tzen keine „echten“ Hohlr<ume,sondern nur Platz zur Aufnahme einesKations. Bei T8 erst tritt auch eineanionische Leerstelle auf, deren Poren-durchmesser der Gr!ße eines Schwefel-atoms entspricht. Konzeptuell war die-ser Ansatz freilich sehr interessant, auchwenn er nicht zu den Dimensionen derk�rzlich von M�ller et al.[23] beschrie-benen Hohlkugeln auf der Basis vonMo-Oxid f�hrt.

Dies alles war solange g�ltig, bisk�rzlich Yaghi und O'Keeffe et al. mitder Entdeckung eines super-supertet-raedrischen Clusters aus 214 Atomenund 80 Tetraedern erneut einen Bruch inder Reihe beschrieben.[24] Die Topologiedieses Clusters gleicht der des T2-Clus-ters (der vier einzelne Tetraeder ent-h<lt), wobei dar�ber hinaus jeder einzel-ne Tetraeder durch einen T4-Supertet-raeder ersetzt ist. Dadurch entsteht einoktaedrischer leerer Hohlraum imZent-rum des Clusters mit einem Volumenvon 1855 T3! Dies erforderte eine ge-<nderte Formel zur Beschreibung derSupertetraeder durch Verwendung vonzwei Parametern, n<mlich p und q. Tp,qbeschreibt somit einen Tq-Supertetrae-der aus Tp-Supertetraedern. Das ersteGlied dieser neuen Reihe (Abbil-dung 2c) ist T4,2.

Zus<tzlich zu den zahlreichen vonOzin[12] vorgeschlagenen Ideen zu bio-logischen Anwendungen liegen weitereEinsatzm!glichkeiten f�r por!se Fest-stoffe auf der Hand. Zuallererst sind es

Highlights

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brauchbare Ionenaustauscher (außer inzwei F<llen[13,24]), die ein- und zweiwer-tige Kationen mit gutem Wirkungsgradbinden k!nnen. Die attraktivste An-wendung jedoch, die diese Festk!rperin die N<he von Nanomaterialien r�ckt,betrifft ihre Halbleitereigenschaften(Bandl�cke 3 eV), die erstmals von Liet al.[20] zur Sprache gebracht wurden.Tats<chlich sind diese Materialien denkolloidalen Nanopartikeln (klassischenQuantenpunkten) in vielfacher Hinsicht�berlegen. Die regelm<ßige Anordnungder Cluster („Dots“) und der Fehlstellen(„Antidots“) im Kristall bringt zahlrei-che Vorteile gegen�ber der Zufallsver-teilung der Kolloide mit sich, besonderswas die Untersuchung kollektiver phy-sikalischer Ph<nomene betrifft, die denWechselwirkungen zwischen einzelnen„Dots“ zugeschrieben werden (Energie-transfer, Excitonenaufspaltung usw.), dader gleichm<ßige Abstand zwischen den„Dots“ zu einer starken Kopplung f�hrt.Nach ersten Messungen von Li et al. istdie Zustandsdichte im oberen Teil desValenzbandes gr!ßer als bei normalenIII-V-Halbleitern und wird durch dieOrbitale der einsamen Elektronenpaareder Schwefelatome dominiert. Diesf�hrt zu einer kleinen Banddispersionmit scharfen Fberg<ngen an der Band-kante – eine n�tzliche Eigenschaft zumEinsatz in Lasern und Solarzellen. Un-geachtet der noch ungel!sten Fragensteht dieser ungew!hnlichen Familie

von Festk!rpern somit eine gl<nzendeZukunft bevor.

[1] A. F. Cronstedt, Akad. Handl. Stock-holm 1756, 17, 120.

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2683Angew. Chem. 2003, 115, 2680 – 2683 www.angewandte.de � 2003 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim