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72 Focus Nr. 1 · 2016 { Tangodanza.de} Tango trifft Trance oder Wie Hypnose unser Tanzen verbessern kann von Dr. Christiane Rasmus Im Oktober veranstalteten Monica und Michael Hirsch Reinshagen in ihrem vor zwei Jahren in Dortmund eröffneten Studio TangoGlück zum zweiten Mal einen außer- gewöhnlichen Workshop: Hypnotiseur Joachim Höhn aus dem TangoGlück-Team weihte interessierte Tangueras und Tangue- ros mit unterschiedlich langer Tanzerfahrung in nur vier Stunden in die Kunst ein, sich selbst in Trance zu versetzen und dabei auf ganz neue und erstaunliche Weise Tangotanzen zu lernen. 2 „Setz dich einfach mal ganz entspannt hin und strecke deine Arme aus. Die Handinnen- flächen etwa 20 cm von einander entfernt – ja, genau so – und nun schließe die Augen und stell dir vor, dass in beiden Handflächen starke Magnete befestigt sind, die sich unwi- derstehlich anziehen – ja genau – beobachte einfach, was ganz von selbst geschieht. Und wenn die Hände sich schließlich berühren, können die Arme entspannt nach unten in den Schoß sinken!“ – dabei hilft Joachim Höhn mit rascher Bewegung ein wenig mit. Er legt dann noch kurz die Hände auf die Schultern von Simone, die so mutig war, sich als erste vor aller Augen in die Trance geleiten zu lassen, und suggeriert, sie möge sich immer mehr entspannen, sich tiefer und tiefer in diesen angenehmen Zustand sinken lassen und dem Nacken gestatten, los zu lassen, so dass der Kopf leicht und sanft nach vorne auf die Brust sinken könne. Ein Arm wie ein Stahlträger All das geht spielerisch und rasch genau so vor sich, wie Joachim es mit sanfter Stimme mo- deriert. Simone wirkt entspannt, ein leises Lä- cheln spielt um ihren Mund, sie atmet tief aus. Dann nimmt Joachim ihren rechten Focus Willkommen im ‘Tangoglück’ in Dortmund Fotos: Christiane Rasmus

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72 Focus › Nr. 1 · 2016{Tangodanza.de}

Tango trifft Tranceoder

Wie Hypnose unser Tanzen verbessern kann

von Dr. Christiane Rasmus

Im Oktober veranstalteten Monica und Michael Hirsch Reinshagen in ihrem vor

zwei Jahren in Dortmund eröffneten StudioTangoGlück zum zweiten Mal einen außer-

gewöhnlichen Workshop: HypnotiseurJoachim Höhn aus dem TangoGlück-Team

weihte interessierte Tangueras und Tangue-ros mit unterschiedlich langer Tanzerfahrung

in nur vier Stunden in die Kunst ein, sich selbst in Trance zu versetzen und dabei

auf ganz neue und erstaunliche Weise Tangotanzen zu lernen.

2 „Setz dich einfach mal ganz entspannt hinund strecke deine Arme aus. Die Handinnen-flächen etwa 20 cm von einander entfernt –ja, genau so – und nun schließe die Augenund stell dir vor, dass in beiden Handflächenstarke Magnete befestigt sind, die sich unwi-derstehlich anziehen – ja genau – beobachteeinfach, was ganz von selbst geschieht. Undwenn die Hände sich schließlich berühren,können die Arme entspannt nach unten inden Schoß sinken!“ – dabei hilft JoachimHöhn mit rascher Bewegung ein wenig mit.Er legt dann noch kurz die Hände auf dieSchultern von Simone, die so mutig war, sichals erste vor aller Augen in die Trance geleitenzu lassen, und suggeriert, sie möge sichimmer mehr entspannen, sich tiefer und tieferin diesen angenehmen Zustand sinken lassenund dem Nacken gestatten, los zu lassen, sodass der Kopf leicht und sanft nach vorne aufdie Brust sinken könne.

Ein Arm wie ein Stahlträger

All das geht spielerisch und rasch genau so vorsich, wie Joachim es mit sanfter Stimme mo-deriert. Simone wirkt entspannt, ein leises Lä-cheln spielt um ihren Mund, sie atmet tiefaus. Dann nimmt Joachim ihren rechten

Focus

Willkommen im ‘Tangoglück’ in Dortmund Fotos: Christiane Rasmus

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Oberarm und stützt ein wenig unter demSchulterblatt, suggeriert, Simone möge erle-ben, wie alle Muskeln im Arm sich plötzlichganz von selbst anspannten und der Armgleich einem Stahlträger stabil in der Luftstünde, wobei er selbst mit schneller Bewe-gung ihren Arm in die gewünschte Positionhebt. Nun bittet Joachim Simone, sie mögedoch einmal versuchen, ihren Arm wieder herunter zu nehmen – und das will irgendwienicht gelingen. Verblüfft beobachten die übri-gen 13 Teilnehmer im heimeligen Tanzraumvon TangoGlück, wie Simone eine Bewegungversucht, diese aber stockt, als gebe es eineninneren Widerstand gegen jede bewusste Willensanstrengung. Simones Arm steht un-vermittelt und steif in der Luft. Interessanter-weise wirkt sie dabei aber gar nicht beun-ruhigt, sondern eher erheitert und gelassen.Erst als Joachim die Suggestion gibt, der Armkönne in dem Augenblick herabfallen, in demsie wirklich glaube, in Trance zu sein, sinktder Arm rasch in ihren Schoß zurück. Joachim bittet Simone nun, die Augen zu öffnen und uns zu sagen, wie sie sich fühle –sie sei dabei immer noch in Trance. Das Ge-fühl sei angenehm, nein, sie denke eigentlichnichts – leicht sei es, ihr Arm sei ihr imGrunde egal gewesen ... . Simones Stimmeklingt leise, und sie bildet die Worte vielleichtein wenig langsamer als sonst. Und ihr Blick– der scheint eigenartig verträumt ins Innere oder aber ins Unendliche gerich-tet zu sein. Joachim Höhn, studierterBetriebswirt und Heilprak-tiker für Psychotherapie,schafft es, eine vertrauens-volle und konzentrierte Ar-beitsatmosphäre zu schaffen.Seit acht Jahren praktizierter Hypnosetherapie in ei-gener Praxis. Er ist über eine Ausbildung zum NLP1-Master auf die Hypnose gestoßen und unmittelbarüberzeugt gewesen, hiereinem machtvollen Verfah-ren begegnet zu sein. Seit-her setzt er Hypnoseerfolgreich ein, um Men-schen dabei zu unterstüt-zen, schnell und nachhaltigunbewusst wirksame Mus-ter zu verändern oder aberneue hilfreiche Muster zugenerieren. Und da er vorzwei Jahren dem Tango be-gegnete, rasch zum „Tango-verrückten“ avancierte undoft damit haderte, dass dasErlernen dieses Tanz-Myste-riums so lange dauern sollte,

nicht bemerken, dass wir unbequem gesessenhaben oder schon Stunden aufs Klo müssen.Wenn ein dramatischer Film uns in seineHandlung hinein saugt, dringt das Telefonnicht mehr zu uns durch, und wenn wir seit20 Jahren den selben Weg zur Arbeit fahren,kann es sein, dass wir dabei derart abwesendsind, dass wir plötzlich ganz erstaunt feststel-len, schon angekommen zu sein. All das sindalso Trance-Phänomene, und durch das Ein-leitungsritual bei der Hypnose wird einfachnur gezielt ein solcher Zustand der Fokussie-rung und Öffnung nach Innen bei gleichzeiti-ger körperlicher Entspannung hergestellt.Wir lernen, dass unser bewusstes Denken unsnur auf einen limitierten Bereich unseres Potenzials zugreifen lässt und dass es übereinen kritischen Filter in erster Linie auf be-kannte und bereits konditionierte Programmezugreift, von denen es zahlreiche gebe. Soseien im Grunde nur 5 % unserer täglichenHandlungen und Planungen wirklich bewusst,95 % hingegen liefen automatisiert ab und beriefen sich dabei für uns unmerklich auf irgendwann einmal erlernte Programme –ganz gleich, ob die aktuell eher hilfreich oderblockierend wirkten. Mit Hilfe der Trancenun könne es ganz einfach gelingen, diesenkritischen Filter zwischen Bewusstem undUnbewusstem zu umgehen und direkt auf das Unbewusste und seine ungeahnten Ka-

pazitäten zuzugreifen. Sokönne man leichter fest-stellen, wo ein problemati-sches Programm seinenAusgang nahm und mankönne es dann auch einfachumschreiben. Genial, denn:„Im Restaurant würdet ihrdoch auch nie bestellen,was ihr nicht wollt – warumalso tut ihr das in euremLeben?“, fragt Joachim er-mutigend.

Positive innere Bilder

Wir lernen weiter, dass dasUnbewusste eher in Bildernals in Worten denkt undwirkt und dass es daherdarum gehe, hilfreiche in-nere Bilder zu entwickeln.So lange wir noch das Pro-blembild vor Augen hätten,würde das Unbewusste,ganz gleich wie oft wir bewusst „Nein, nein, nein“denken würden, genau dasleidige Bild zu verwirklichensuchen. Gelinge es aber, zumLösungsbild zu kommen unddieses vier bis sechs Wochen

Joachim Höhn erläutert das Funktionsprinzip Foto: Christiane Rasmus

Von Joachims Stimme sicher in Trance geleitet Fotos: Monica Hirsch Reinshagen

Das Team vom ‘Tangoglück’: Monica Hirsch Reinshagen, Andrea Agethen, Michael Hirsch Reinshagen und Joachim Höhn während der Pause im Innenhof Foto: Christiane Rasmus

kam ihm der Gedanke, den Zustand derTrance für die Beschleunigung und Vereinfa-chung seiner ‚Tangolerngeschichte‘ zu nutzen.

Trance-Phänomene im Alltag

Trance, das ist ein besonderer Bewusstseins-zustand, in den Menschen durch den Vorgangder Hypnose geleitet werden können, den alleaber, und so lernen wir es im vorangestelltenkurzen Theorieblock, ohnehin schon ständigerleben und aus dem Alltag kennen. Das istvielen von uns neu, aber natürlich hat Joa-chim Höhn Recht: Wenn wir ein spannendesBuch lesen, kann es sein, dass wir lange gar

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lang täglich mehrfach für kurze Zeit im Un-bewussten wirken zu lassen, dann strebe dieses Bild in die Verwirklichung. Also: Wegvom „Ich will nicht dick, abhängig, unsichersein!“ hin zum „Ich will schlank, frei undselbstsicher sein!“ – selbstverständlich aufdem passenden inneren Foto. Und genau sofunktioniere das nun auch in Bezug auf den Tango ... .Nachdem erst einmal alle in einer Gruppen-trance die Erfahrung machen konnten, trancefähig zu sein und kurz einmal die Kontrolle über ihren rechten Arm verloren, istdas Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenenUnbewussten schon geweckt. Nun geht es ans Tanzen. Da wir alle sugge-riert bekamen, den Trancezustand jederzeitselbst herstellen und mit Hilfe eines imagi-nierten Dimmers vertiefen zu können, lautetdie Aufforderung nun, wir mögen – sitzendauf unseren Stühlen mit geschlossenen Augen– erst in Trance gehen und dann aufstehenund mit einander tanzen. Die ersten Tango-klänge füllen den Raum. Es ist eigenartig: AlleBewegungen und Berührungen erfolgen sehrsanft, leicht geht die Füh-rung, feinfühlig und un-gewohnt offen für fastunmerkliche Impulse dasFolgen, obgleich die Auf-merksamkeit sehr beimSelbst zu sein scheint. DieAtmosphäre ist entspannt,annehmend, ein wenigverträumt. Fasziniert understaunt begeben wir unsschließlich in die Pause.Das Zeitgefühl ist verändert, die Dauer derKurseinheit nicht mehr einzuschätzen. Erst der liebevoll bereitete kleine Imbiss derGastgeber Monica und Michael Hirsch Reins-hagen im TangoGlück mit einem kurzen Ab-stecher in den lauschigen Garten, über demim Dämmerlicht zwischen den HinterhöfenGebetsfähnchen im Wind flattern, bringt dieErde wieder etwas näher.

Auflösung von Blockaden

Im zweiten Teil dann geht es gezielt um dieAuflösung von Blockaden im Tango. Die Ideeist folgende: Beschreibekurz dein Problem, ge-he in Trance, imaginieredann ein Vorbild, das die Bewegung schön und sicher ausführt, gehenäher heran, stelle dirschließlich vor, du seist

am Körper dieser Person befestigt und führ-test die Bewegung mit ihr aus und imaginiereschließlich, in deren Körper hineinzuschlüp-fen und zu tanzen. Christiane möchte besser dissoziieren könnenund die Hüfte noch beweglicher drehen alsbisher. In der von Joachim angeleiteten Trancegelingt die Verschmelzung mit einer verehrtenTanzlehrerin und sie berichtet später, bereitswährend der Trance Veränderungen in ihrerKörperhaltung verspürt zu haben. So habesich ihre Lendenwirbelsäule aufgerichtet unddas Becken habe seine Position verändert – es

sei mehr Raum im Innerenentstanden und damit auchmehr Beweglichkeit. Christel, die noch nicht langetanzt, berichtet, sie habe un-erklärlicherweise Problememit dem Fußkreuz undwürde gern daran arbeiten. In

Trance zeigt sich plötzlich eine Blockade, diegewünschte Bewegung gemeinsam mit demVorbild auszuführen. Einfach und präzise fragtJoachim nach dem Ursprung dieser Blockade,und plötzlich geht ein leiser Ruck durchChristel: Jetzt habe sie plötzlich verstanden,warum sie bisher Schwierigkeiten hatte. EinSchlaganfall von vor Jahren mit Kraftminde-rung im rechten Bein sei es, der sie beimKreuzen so unsicher gemacht habe. Sie wirktselbst ganz verblüfft über diese plötzliche Er-kenntnis, dabei sichtlich gelöst und wie be-freit. Joachim geleitet sie noch einmal inTrance und suggeriert Sicherheit und Haltdurch die Hand des Tanzpartners am Rücken

und dass es auch sein könne, dass allein dieseErkenntnis die Blockade schon aufgelöst habe.Christel tanzt nach der Trance das Kreuz ein-wandfrei und mehrfach hintereinander ohneNot. Die übrigen Teilnehmer sind berührt undapplaudieren.

Vorher-Nachher-Vergleich

Zuletzt geht es darum, in Trance eine Figurzu vervollkommnen – für die Männer ist das ein zu führender Gewichtswechsel in

Schritt zwei der Base und fürdie Frauen der Vorwärtsocho.Der Vorher-Nachher-Vergleichauf der Tanzfläche macht füralle erfahrbar, wie sich in Trance durch die Imaginationeiner formvollendet ausgeführ-ten Figur in Zeitlupe in frappie-rendem Tempo das Tanzgefühlverändert. So ist Lothar, der erstwenige Monate Tango tanztund das bisher auch nur mit sei-ner Frau tat, nach der Trancetatsächlich sicher in der Achseund lassen sich anmutig Zeit fürdie eigenständig ausgeführte

Drehung auf dem Ballen. Für die detailgenaueAnleitung der Figuren in Trance ist es sicher-lich zukünftig hilfreich, diese zuvor ausge-arbeitet zu haben, so dass rechts und linksnicht durcheinander geraten oder Feinheitennicht unter den Tisch fallen. Aber daran kannJoachim noch feilen, denn weitere Kurse sindgeplant. Im TangoGlück in Dortmund sollenzukünftig alle sechs Monate Einführungs-workshops angeboten werden. Außerdemkonzipiert Joachim für 2016 einen fortlaufen-den Kurs mit sechs bis acht Einheiten zu Basics im Tango, an denen auch erfahreneTänzer immer weiter arbeiten können.

Die Teilnehmer jedenfalls sind alle wieder im Hier und Jetzt, haben kaum gemerkt, wierasch die vier Stunden Kurszeit verflogen sind und äußern sich am Ende durchweg begeistert. Die Trance-Erfahrung habe tief beeindruckt, wirke nachhaltig und macheLust auf mehr.. Z 1

Weitere Infos:

www.tangoglueck.de

1 Das Neuro-Linguistische Programmieren (kurz NLP) ist eine Sammlung von Kommuni-kationstechniken und Methoden zur Verände-rung psychischer Abläufe im Menschen.

Nach der Gruppentrance noch ganz versunken (oben)Arbeit am Fußkreuz der Dame (links)Fotos: Christiane Rasmus

Oase inmitten von Hinterhöfen: der Weg zum ‘Tangoglück’

führt durch einen GartenFotos: Christiane Rasmus