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TC1 – Grundlagen der Theoretischen Chemie Irene Burghardt (burghardt@chemie.uni-frankfurt.de) Praktikumsbetreuung: Sarah R¨ omer (roemer@em.uni-frankfurt.de) Simona Scheit ([email protected]) Juanma Ortiz S´ anchez, Mithun Biswas ([email protected],[email protected]) Vorlesung: Di 10h-12h, Fr 9h-10h ¨ Ubungen: Fr 10h-11h Web site: http://www.theochem.uni-frankfurt.de/TC1 1

TC1 – Grundlagen der Theoretischen Chemie

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TC1 – Grundlagen der Theoretischen Chemie

Irene Burghardt ([email protected])

Praktikumsbetreuung:

Sarah Romer ([email protected])

Simona Scheit ([email protected])

Juanma Ortiz Sanchez, Mithun Biswas([email protected],[email protected])

Vorlesung: Di 10h-12h, Fr 9h-10h

Ubungen: Fr 10h-11h

Web site: http://www.theochem.uni-frankfurt.de/TC1 1

Inhalte

1. Grundlagen der Quantentheorie: Wellenfunktion, Operatoren,zeitunabhangige und zeitabhangige Schrodingergleichung, Eigenwerte,Erwartungswerte, Superpositionsprinzip, Messprozess

2. Einfache Eigenwertprobleme: Teilchen im Kasten, harmonischerOszillator, starrer Rotator, Wasserstoffatom

3. Grundlagen der chemischen Bindung: Born-Oppenheimer-Naherung,elektronische Schrodingergleichung, Potentialflachen

4. Zweiatomige Molekule: H+2 -Molekul-Ion, H2-Molekul, LCAO-MO-

Verfahren (Linear Combination of Atomic Orbitals / Molecular Orbitals),Slater-Determinanten, Pauli-Prinzip, Variationstheorem

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5. Molekulsymmetrie: Symmetriepunktgruppen

6. π-Elektronensysteme: Huckel-Verfahren, Aromatizitat, Woodward-Hoffmann-Regeln

7. Elektrische Dipolubergange: zeitabhangige Storungstheorie, Ubergangs-momente und -intensitaten

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Literatur

1. J. Reinhold, Quantentheorie der Molekule – Eine Einfuhrung,3. Auflage, Vieweg + Teubner (2006)

2. P. W. Atkins and R. Friedman, Molecular Quantum Mechanics, 5thEdition, Oxford University Press (2011).

3. W. Kutzelnigg, Einfuhrung in die Theoretische Chemie, Wiley-VCH,Weinheim (2001)

4. A. Szabo and N. S. Ostlund, Modern Quantum Chemistry – Introductionto Advanced Electronic Structure Theory, McGraw-Hill (1989)

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Klassische Mechanik vs. Quantenmechanik

Klassische Mechanik:

• Teilchen sind punktformige Objekte, die durch Ort (x) und Impuls(p) beschrieben werden

• Wellen sind raumlich ausgedehnte Objekte (z.B. Licht- oderWasserwellen)

Quantenmechanik:

• Teilchen sind intrinsisch ausgedehnte (“unscharfe”) Objekte, diedurch eine Wellenfunktion ψ(x) beschrieben werden

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Background – klassische Wellen

• klassische Wellengleichung: φ(x, t) = k2φ′′(x, t)

• ebene Welle:

φ(x, t) = Aei(kx−ωt)

= A (cos(kx− ωt) + i sin(kx− ωt))

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De-Broglie Deutung einer “Elektronenwelle”

φ(x, t) = Aei(kx−ωt) = Aei(2πλ x−ωt) = Aei(

2πph x−ωt)

= Aei(phx−ωt)

• ein Elektron, das durch eine ebene Welle beschrieben wird, hattealso einen wohldefinierten (“scharfen”) Impuls p = h/λ = hk, wobeik = 2π/λ die Wellenzahl ist

• Notiz: pφ = (h/i)(∂φ/∂x)

• allerdings ist das Elektron raumlich maximal delokalisiert (Beispiel derUnscharferelation)

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Wellenpakete

Wellenpakete lassen sich als Uberlagerungen ebener Wellen darstellen:

φ(x, t) =∑k

Ak ei(pkh x−ωkt)

• das Wellenpaket hat wedereinen scharfen Impuls nocheinen scharfen Ort

• allerdings ist es “kompakt”und weniger delokalisiert alseine ebene Welle

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Schrodinger’s Konzept: Wellenfunktion

• vollstandige Information uber den Zustand des quantenmechanischen“Systems” (z.B. Teilchen im Kasten, Atom, Molekul)

• abstrakte (darstellungsfreie) Schreibweise: |Ψ〉 ist ein “Zustandsvektor”,der in einem komplexen Funktionenraum (Hilbertraum) definiert ist

• physikalische Bedeutung: Ψ ist das grundlegende Objekt derSchrodingerschen “Wellenmechanik”. Ψ beschreibt Teilchen, die auchWellencharakter haben (z.B. Elektronen) bzw. Wellen, die auchTeilchencharakter haben (z.B. Licht/Photonen).

• die Wellenfunktion ist normierbar,∫∞−∞ dxΨ∗(x)Ψ(x) = 1; die

Normierung reflektiert, dass das Teilchen sich zu jeder Zeit “irgendwoim Raum” befindet

• das Betragsquadrat der Wellenfunktion |Ψ(x)|2 = Ψ∗(x)Ψ(x) gibt dieAufenthaltswahrscheinlichkeit des Quantenteilchens am Ort x an.

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Operatoren

• dienen dazu, die Eigenschaften des durch ψ beschriebenen Zustands“abzufragen”: Ort, Impuls, Energie, . . .

• der Operator O ist eine Vorschrift (Multiplikation, Differentiation, etc.),die “nach rechts” auf die Wellenfunktion wirkt:

– Ort: xψ(x) = xψ(x)

– Impuls: pψ(x) = (h/i)(dψ(x)/dx)

– kinetische Energie: Tψ(x) = (p2/2m)ψ(x) = (−h2/2m)(d2ψ(x)/dx2)

– potentielle Energie: V (x)ψ(x) = V (x)ψ(x)

z.B. V (x) = 1/2kx2 (harmonisches Potential), V (x) = q1q2/x(Coulombpotential)

– Gesamtenergie: Hψ(x) = (T + V )ψ(x) (Hamilton-Operator)

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Eigenfunktionen

• Eine Funktion ψ ist Eigenfunktion eines Operators O, wenn sie folgenderEigenwertgleichung genugt:

Oψ = ωψ

wobei ω eine Zahl ist, die als Eigenwert bezeichnet wird. (Im Fallehermitischer Operatoren sind die Eigenwerte reell.)

Beispiele:

(a) eax ist Eigenfunktion des Differentialoperators d/dx, da(d/dx)eax = a eax.

(b) eax2

ist keine Eigenfunktion des Operators d/dx, da

(d/dx)eax2

= 2a(xeax2) – i.e., eine Zahl mit einer anderen Funktion

multipliziert.11

Physikalische Bedeutung der Eigenwerte

die Eigenwerte sind messbar: wenn z.B. Impuls oder Energie durch einegeeignete Messapparatur gemessen werden, und das System sich ineinem Eigenzustand ψn befindet, wird der dazugehorige Eigenwertωn gemessen.

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Erwartungswerte

wenn sich das System nicht in einem Eigenzustand befindet, konnen wirnur “Erwartungswerte” = Mittelwerte bestimmen:

〈O〉 =

∫dxψ∗Oψ∫dxψ∗ψ

• wenn ψ = ψn Eigenfunktion des Operators O mit Eigenwert ωn ist,erhalten wir: 〈O〉 = ωn

• wenn ψ keine Eigenfunktion des Operators O ist, ergibt eine Entwicklungin Eigenfunktionen {ψn(x)}:

ψ(x) =∑n

cnψn(x)

〈O〉 =∑n

c∗ncnωn ≡∑n

Pn ωn

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Wellenfunktionen & Wahrscheinlichkeiten

Pn = Wahrscheinlichkeit, mit der der Eigenwert ωn gemessen wird

|ψ〉 = c1|0〉+ c2|1〉P1 = c∗1c1, P2 = c∗2c2

• eine einzelne Messung liefert den zu |0〉 oder |1〉 gehorigen Eigenwert

• bei wiederholten Messungen werden die Eigenwerte mit den jeweiligenWahrscheinlichkeiten P1 vs. P2 gemessen

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Entartung

Oψ = ωψ

• Gehoren zu einem Eigenwert mehrere, etwa k, verschiedeneEigenfunktionen, so spricht man von k-facher Entartung

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Energie-Eigenwerte/Eigenfunktionen

• Losungen der Schrodingergleichung:

Hψn = Enψn

• En = {E1, . . . EN} sind die erlaubten (i. Allg. diskreten) Energien desbetrachteten Systems

• ψn = {ψ1, . . . , ψN} sind die Energie-Eigenfunktionen

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Quantenwellen: Teilchen im Kasten

• z.B. Elektron in Potentialkasten: Modell fur π-Elektronen in konjugiertenMolekulen, Elektronen in Quantum Dots (z.B., Silizium-QD’s im 1-5nm-Bereich)

• Schrodingergleichung: −(h2/2m)d2ψ(x)/dx2 − Eψ(x) = 0

• diskrete Losungen wg. Randbedingungen: kn = 2πn/λ, En = h2k2n/2m

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2-atomiges Molekul ∼ harmonischer Oszillator

• H = −h2

2m

∂2

∂x2+

1

2kx2 k = mω2

• Eigenfunktionen & Eigenwerte:

ϕn(x) = NnHn(y)exp(−y2/2) ; y = (mω/h)1/2x ; Nn = (1/2nn!π1/2)1/2

En = hω(n+ 1/2)18

Franck-Condon Absorptionsspektrum

• Diskrete Ubergange• Schwingungsniveaus verschiedener elektronischer Zustande 19

Atome: quantisierte Elektronen

• zwei Quantenzahlen: Hauptquantenzahl + Drehimpulsquantenzahl20

Atomspektren

Wasserstoffartige Atome:

Energie:

En = −meZ

2e4

2h2

1

n2

Eigenfunktionen:

ψnlm(r, θ, φ) = Rnl(r)Ylm(θ, φ)

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Molekule = wechselwirkende Atome

• bindende und nicht-bindende Kombinationen von Atomorbitalen

• Beachtung der Gesamtsymmetrie der Wellenfunktion (antisymmetrisch)

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Losungen fur einige einfache Systeme

System zeitunabhangigeSG (H Ew.-Gl.)

Randbedingung(en) Eigenwerte Eigenfunktionen

freies Teilchenim Kasten

p2

2mΨ = EΨ 0 ≤ x ≤ a En = n2 π2h2

2ma2 Ψn(x) =q

2a sin

`nπax

´

freies Teilchenauf Kreis

l2z2IΨ = EΨ Ψ(φ) = Ψ(φ+ 2π) Em = m2h2

2I Ψm(φ) =q

12πe

imφ

freies Teilchenauf Kugel

l2

2IΨ = EΨ Ψ(θ, φ) = Ψ(θ, φ+ 2π)Ψ(θ, φ) = Ψ(θ + 2π, φ)

El = h2

2I l(l + 1) Ylm(θ, φ) = Θlm(θ)Φm(φ)Θ = assoziiertes Legendre Polyn.

harmonischerOszillator

„p2

2m + 12kx

Ψ

= EΨ

En = hω“n+ 1

2

”ϕn(x) = NnHn(y) exp

−y

2

2

!y =

qmωhx

H = Hermite Polynom

p = hi∂∂x lz = h

i∂∂φ l2 = 1

sin θ∂∂θ sin θ ∂∂θ + 1

sin2 θ

∂2

∂θ2

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Explizite Losung: Quantenwellen imKastenpotential

• Schrodingergleichung: −(h2/2m)d2ψ(x)/dx2 − Eψ(x) = 0

• diskrete Losungen wg. Randbedingungen: kn = 2πn/λ, En = h2k2n/2m

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Eigenwerte & Eigenfunktionen

Eigenwerte: En = h2k2n

2m = n2 π2h2

2ma2

Eigenfunktionen: ψn(x) =(

2a

)1/2sin knx

Beispiel: Elektron in 0.39 nm Potentialkasten

• Quantisierung ist Resultat der Randbedingungen

• direkte Analogie zum klassischen Fall der schwingenden Saite!

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Teilchen im Kasten: Ort und Impuls

• Ort: |ψn(x)|2 gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass sich das Teilchenin der nten Eigenfunktion am Ort x befindet (i.e., das Teilchen istintrinsisch delokalisiert)

• Impuls: pn = h/λn = hkn (de Broglie). Wir konnten daher erwarten,dass das Teilchen im nten Eigenzustand einen Impuls hat, derproportional zur Wellenzahl kn ist.

Allerdings stellen die Eigenfunktionen eine Kombination zweierebener Wellen dar:

ψ(x) = N sinkx = (N/2i)(eikx − e−ikx)

die ihrerseits keine EF des Impulsoperators ist:

pψ(x) = (h

i)d

dxψ(x) = (N/2i)(hkeikx+hke−ikx) = (N/i) hk coskx

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Eigenwerte (Forts.)

– zum Vergleich: ψ(x) = N sinkx = (N/2i)(eikx − e−ikx) ist keine EFdes Impulsoperators:

pψ(x) = (h

i)d

dxψ(x) = (N/2i)(hkeikx+hke−ikx) = (N/i) hk coskx

– dagegen ist ψ(x) = N sinkx EF des Operators der kinetischen Energie:

p2

2mψ(x) =

N

4mi

d2

dx2(eikx − e−ikx) =

N

4mh2k2(eikx − e−ikx) =

h2k2

2mNsinkx

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Impulserwartungswert: Teilchen im Kasten

Beispiel: Wie bereits gezeigt, ist ψ(x) = N sinkx = N/2i(eikx − e−ikx)keine EF des Impulsoperators. Was ist der Impuls-Erwartungswert?

• Wir benutzen, dass ψ(x) bereits als Uberlagerung der Impuls-Eigenfunktionen ψ±k (x) = e±ikx vorliegt:

ψ(x) = N/2i(ψ+k − ψ

−k )

• die Wahrscheinlichkeiten ergeben sich daher als P+ = P− = N2/4

• die Impulseigenwerte, die zu den Funktionen ψ±k (x) gehoren, sind ±hk

• daher lautet der Erwartungswert:

〈ψ|p|ψ〉〈ψ|ψ〉

=N2

4(hk − hk) = 0 im Mittel verschwindet der Impuls!

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