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zentrationsgradienten uber der Sehzellmembran hinrei- chend klein geworden sind. Daher sollte bei hoher einge- strahlter Beleuchtungsintensitdt der t;,,%-Wert kleiner sein als bei niedriger. Der gefundene tsoy0-Wert in der D-Serie ist signifikant kleiner als der in der A'-Serie. Dieses Ergebnis der Versuche spricht klar gegen den EPM als Ursache des Rezeptorpotentials. Diskussion Es ware zu erwarten, daB der Erregbarkeitsverlust der Retina bei Vergiftung mit Ouabain rascher eintritt als bei Vergiftung mit Dinitrophenol. Ouabain sollte die Pumpe blockieren, sobald es sie erreicht hat. Es scheint sehr wahrscheinlich, daB Ouabain an der AuBenseite der Zell- membran wirkt, DNP hingegen mu13 wahrscheinlich die Zellmembran permeiren und intrazellular wirken. Man wiirde deshalb erwarten, daB, falls beide Pharmaka mit der gleichen Geschwindigkeit wirken, die t:,%-Zeit in den Ouabain-Versuchen kiirzer ist als in den entsprechenden Dinitrophenol-Versuchen. Dies ist eindeutig nicht der Fall. Der tCo%-Wert der F-Serie mit DNP ist sogar kleiner (nicht signifikant ; p = 0,07) als der Wert der A'-Serie mit Ouabain. Die beiden D-Werte sind fast gleich. Dies be- ruht vermutlich auf der vorubergehenden Zunahme der Erregbarkeit nach Ouabain-Vergiftung. Zusammenfassend machen die Versuche folgendes wahr- scheinlich : 1. Die Reserven der untersuchten Photo- rezeptorzellen an energiereichem Phosphat fur die Auf- rechterhaltung des aktiven Ionentransports sind gering. 2. Der Erregbarkeitsverlust nach Vergiftung der Retina rnit Ouabain erfolgt deshalb so langsam, weil die Ionengra- dienten uber der Zellmembran und damit das Ruhepoten- tial allmahlich abnehmen, wenn die Pumpe blockiert wird. Das untersuchte Rezeptorpotential beruht also auf einem conductance increase mechanism (CIM) und nicht auf einem electrogenic pump mechanism (EPM). Dies gilt vermutlich allgemein fur die Sehzellen wirbelloser Tiere. Andere hier nicht geschilderte Versuche [lo - 121 zeigen jedoch, daB das Ruhepotential der Sehzelle einiger wirbel- loser Tiere eine Komponente besitzt, die auf einer elektro- genen Ionenpumpe beruht . Eingegangen am 23. November 1971 [B 33521 [l] M. G. F. Fuortes, J. Physiol. 148, 14 [1959]. [2] T. G. Smith, W. K. Stell, J. E. Brown, Science [Washington] 131 T. G. Smith, W. K. Stell, J. E. Brown, J. A. Freeman, G. C. [4] D. 0. Carpenter, B. 0. Alving, J. gen. Physiol. 52, 1 [1968]. [5] H. Stiewe, Z. vergl. Physiol. 47, 457 [1964]. [6] H . Stiewe, Chr. Wirth, Z. Naturforsch. 26b, 457 [1971]. [7] H. Stieve, H. Bollmann-Pischer, B. Braun, Z. Naturforsch., [S] W. A. Hagins, R. D. Penn, S. Yoshikami, Riophys. J . 10, [9] 1. M. Glynn, Pharmacol. Rev. 16, 381 [1964]. 162, 454 [1968]. Murray, Science [Washington] 162, 456 [1968]. irn Druck (1971). 380 [1970]. [lo] H. Mack Brown, S. Hagiwara, H. Koike, R. W. Meech, [ll] R. Millecchia, Thesis, Rockefeller University, New York 1969. [12] H. Stiewe, Cold Spring Harbor Symp. Quant. Biol. 30, 451 Federat. Proc. 30, 1, 69 [1971]. [1965]. W i rt sch af t I ich es aus der chemischen Technik Tendenzen im Stromverbrauch der Chemischen lndustrie in der Bundesrepublik Deutschland* Rudolf Schulten und Burckhard Bergmann** Die grol3e Bedeutung der Chemischen Industrie als industrieller Stromverbraucher lieB es interessant erscheinen, die EinfluBgroBen auf die gegenlaufige Entwicklung von Produktion und spezifischem Stromverbrauch, gekennzeichnet durch hohe Wachstumsraten im Bereich der Produktion und unterproportional steigenden Stromverbrauch, zu untersuchen. Auf der Grundlage einer detaillierten technisch- wirtschaftlichen Analyse der Entwicklung des zur Herstellung von Chlor, Calcium- carbid, Phosphor, Synthese-Ammoniak, Acetylen und Olefinen im Zeitraum 1954 bis 1969 benotigten Stromverbrauchs wurde die Entwicklung des produktbezogenen Stromverbrauchs fur die 70er Jahre prognostiziert. Auf diese Ergebnisse aufbauend wurde mittels zweier sich in ihren Verursachungsfaktoren unterscheidender Prognose- Modelle der zukunftige Gesamt-Stromverbrauch der Chemischen Industrie in der BRD abgeschatzt. Vom gesamten Stromaufkommen (Bruttostromerzeugung zuziiglich Einfuhrsaldo) der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1970 in Hohe von 256,7 TWh beanspruchte die Industrie mit 132,5 TWh 51,6%. Am Stromverbrauch der Industrie wiederum partizipierte die Chemische Industrie mit 35,l TWh oder 26,5% des industriellen Stromver- brauchs und rangierte damit an erster Stelle unter den industriellen Stromverbrauchern, mit weitem Abstand gefolgt von der eisenschaffenden Industrie rnit 17,7 TWh. * Vortrag auf der Tagung der GDCh-Fachgruppe ,,Angewandte ** Prof. Dr. R. Schulten und Dr. B. Bergmann, Kernforschungs- Elektrochemie", 13. bis 15. Oktober 1971 in Jiilich. anlage Jiilich GmbH, Jiilich. 238 Chernie-Ing.-Techn. 44. Jehrg. 1972 / Nr. 4

Tendenzen im Stromverbrauch der Chemischen Industrie in der Bundesrepublik Deutschland

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zentrationsgradienten uber der Sehzellmembran hinrei- chend klein geworden sind. Daher sollte bei hoher einge- strahlter Beleuchtungsintensitdt der t;,,%-Wert kleiner sein als bei niedriger. Der gefundene tsoy0-Wert in der D-Serie ist signifikant kleiner als der in der A'-Serie. Dieses Ergebnis der Versuche spricht klar gegen den EPM als Ursache des Rezeptorpotentials.

Diskussion

Es ware zu erwarten, daB der Erregbarkeitsverlust der Retina bei Vergiftung mit Ouabain rascher eintritt als bei Vergiftung mit Dinitrophenol. Ouabain sollte die Pumpe blockieren, sobald es sie erreicht hat. Es scheint sehr wahrscheinlich, daB Ouabain an der AuBenseite der Zell- membran wirkt, DNP hingegen mu13 wahrscheinlich die Zellmembran permeiren und intrazellular wirken. Man wiirde deshalb erwarten, daB, falls beide Pharmaka mit der gleichen Geschwindigkeit wirken, die t:,%-Zeit in den Ouabain-Versuchen kiirzer ist als in den entsprechenden Dinitrophenol-Versuchen. Dies ist eindeutig nicht der Fall. Der tCo%-Wert der F-Serie mit DNP ist sogar kleiner (nicht signifikant ; p = 0,07) als der Wert der A'-Serie mit Ouabain. Die beiden D-Werte sind fast gleich. Dies be- ruht vermutlich auf der vorubergehenden Zunahme der Erregbarkeit nach Ouabain-Vergiftung.

Zusammenfassend machen die Versuche folgendes wahr- scheinlich : 1. Die Reserven der untersuchten Photo- rezeptorzellen an energiereichem Phosphat fur die Auf-

rechterhaltung des aktiven Ionentransports sind gering. 2. Der Erregbarkeitsverlust nach Vergiftung der Retina rnit Ouabain erfolgt deshalb so langsam, weil die Ionengra- dienten uber der Zellmembran und damit das Ruhepoten- tial allmahlich abnehmen, wenn die Pumpe blockiert wird.

Das untersuchte Rezeptorpotential beruht also auf einem conductance increase mechanism (CIM) und nicht auf einem electrogenic pump mechanism (EPM). Dies gilt vermutlich allgemein fur die Sehzellen wirbelloser Tiere. Andere hier nicht geschilderte Versuche [lo - 121 zeigen jedoch, daB das Ruhepotential der Sehzelle einiger wirbel- loser Tiere eine Komponente besitzt, die auf einer elektro- genen Ionenpumpe beruht .

Eingegangen am 23. November 1971 [B 33521

[l] M . G. F . Fuortes, J. Physiol. 148, 14 [1959]. [2] T. G. Smith, W . K. Stell, J . E . Brown, Science [Washington]

131 T. G. Smith, W . K . Stell, J . E. Brown, J . A . Freeman, G. C.

[4] D. 0. Carpenter, B. 0. Alving, J. gen. Physiol. 52, 1 [1968]. [5] H . Stiewe, Z. vergl. Physiol. 47, 457 [1964]. [6] H . Stiewe, Chr. Wirth, Z. Naturforsch. 26b , 457 [1971]. [7] H . Stieve, H . Bollmann-Pischer, B. Braun, Z. Naturforsch.,

[S] W . A . Hagins, R. D. Penn, S. Yoshikami, Riophys. J . 10,

[9] 1. M . Glynn, Pharmacol. Rev. 16, 381 [1964].

162, 454 [1968].

Murray, Science [Washington] 162, 456 [1968].

irn Druck (1971).

380 [1970].

[lo] H . Mack Brown, S . Hagiwara, H . Koike, R. W . Meech,

[l l] R. Millecchia, Thesis, Rockefeller University, New York 1969. [12] H. Stiewe, Cold Spring Harbor Symp. Quant. Biol. 30, 451

Federat. Proc. 30, 1, 69 [1971].

[1965].

W i rt sch af t I ich es aus der chemischen Technik

Tendenzen im Stromverbrauch der Chemischen lndustrie in der Bundesrepublik Deutschland*

Rudolf Schulten und Burckhard Bergmann**

Die grol3e Bedeutung der Chemischen Industrie als industrieller Stromverbraucher lieB es interessant erscheinen, die EinfluBgroBen auf die gegenlaufige Entwicklung von Produktion und spezifischem Stromverbrauch, gekennzeichnet durch hohe Wachstumsraten im Bereich der Produktion und unterproportional steigenden Stromverbrauch, zu untersuchen. Auf der Grundlage einer detaillierten technisch- wirtschaftlichen Analyse der Entwicklung des zur Herstellung von Chlor, Calcium- carbid, Phosphor, Synthese-Ammoniak, Acetylen und Olefinen im Zeitraum 1954 bis 1969 benotigten Stromverbrauchs wurde die Entwicklung des produktbezogenen Stromverbrauchs fur die 70er Jahre prognostiziert. Auf diese Ergebnisse aufbauend wurde mittels zweier sich in ihren Verursachungsfaktoren unterscheidender Prognose- Modelle der zukunftige Gesamt-Stromverbrauch der Chemischen Industrie in der BRD abgeschatzt.

Vom gesamten Stromaufkommen (Bruttostromerzeugung zuziiglich Einfuhrsaldo) der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1970 in Hohe von 256,7 TWh beanspruchte die Industrie mit 132,5 TWh 51,6%. Am Stromverbrauch der Industrie wiederum partizipierte die Chemische Industrie mit 35,l TWh oder 26,5% des industriellen Stromver- brauchs und rangierte damit an erster Stelle unter den

industriellen Stromverbrauchern, mit weitem Abstand gefolgt von der eisenschaffenden Industrie rnit 17,7 TWh.

* Vortrag auf der Tagung der GDCh-Fachgruppe ,,Angewandte

** Prof. Dr. R. Schulten und Dr. B. Bergmann, Kernforschungs-

Elektrochemie", 13. bis 15. Oktober 1971 in Jiilich.

anlage Jiilich GmbH, Jiilich.

238 Chernie-Ing.-Techn. 44. Jehrg. 1972 / Nr. 4

Entwicklung von Umsatz und Index der industriellen Nettoproduktion weisen die Chemische Industrie trotz konjunkturbedingter Retardation als Wachstumsindustrie aus. Wenngleich 1970 die Steigerung gegeniiber dem Vor- jahr nur 5,9% betrug, hat sich der Index der industriellen Nettoproduktion in den letzten sieben Jahren mehr als verdoppelt. Hinter dieser Entwicklung blieb die Zu- nahme des Umsatzes, bedingt durch Erlos-EinbuSen be- sonders bei Dungemitteln und Kunststoffen, merklich zuriick. Indiziert man Umsatz und Stromverbrauch der Chemischen Industrie bzw. der Gesamtindustrie bezogen auf das Jahr 1962, wird das unterproportionale Wachs- tum des Stromverbrauchs im Bereich der Chemischen Industrie wie auch der Gesamtindustrie deutlich (Tab. 1). So gilt hier die aus der offentlichen Elektrizitatswirtschaft bekannte Faustregel, daB sich der Stromverbrauch alle zehn Jahre verdoppelt, nicht: 1970 lag der Stromver- brauch der Chemischen Industrie nur 74% iiber dem von 1960.

index'' der industriei'en Nettoproduktion

Tabelle 1. Produktion, Umsatz und Bruttostromverbrauch in der Industrie der BRD.

Veronderung 1969 1970 1969/:970 [ a / i . ;

Chem I n d Geromt-lnd Chem I n d Gesomt-lnd Chem I n d Gesomt-lnd

217,5 1L7.9 23C.L '56.5 + 5 3 + 5 , 8

obsolut

Index'] Umscll 21 [Mio OM]

3 , obsolut

Sliomuerbrourh !GWbl index ' l

1 6 692 170 537 1 9 869 528 868 +6,6 +12,L 181,7 159.7 197.0 173.5

33 1 1 8 125 ''69 35 107 132 5L5 +5,3 +5,q 1 5 2 7 1 1 8 2 1 6 0 3 1 5 6 9

spezit Strom IGWhiEinh

Prod i n d P l l

obsolut I I I I I I 153 8 8 6 9 2 152.4 899.2

-0.9 I 70.2 I 102.9 I 69.6 I 106.5 verbrouch

21 noch betei l igten lndustr iegruppen '1 noch houplbetei l igten lndustriegruppen

+3,5

Die stetige Abnahme des spezifischen Stromverbrauchs der Chemischen Industrie (Tab. I), d. h. des Quotienten aus Bruttostromverbrauch und Index der industriellen Nettoproduktion, ist im wesentlichen auf vier EinfluS- grol3en zuriickzufiihren : 1. Der Wirkungsgrad von Ver- fahren zur stromintensiven Herstellung chemischer Pro- dukte wurde verbessert ; 2 . stromintensive Herstellungs- verfahren wurden durch weniger stromintensive ersetzt ; 3. stromintensive bzw. elektrochemische Herstellungs- verfahren wurden durch rein chemische Prozesse abge- lost ; 4. der Absatz stromintensiv erzeugter Produkte blieb hinter der Gesamtentwicklung zuriick.

1969 Gesomtproduktion [ t ] 1 573 L3L abgesetzte Produkt ion [ t ] 207 017 Weiterverorbeitunq [ t l 1 3 6 6 L17

Prognosemodelle

1970 1 726 L O 3

260 L l L 1 165 989

Die groBe Bedeutung der Chemischen Industrie als industrieller Stromverbraucher lieB es interessant er- scheinen, die EinfluSgroBen auf die gegenlaufige Ent- wicklung von Produktion und spezifischem Stromver- brauch, gekennzeichnet durch hohe Wachstumsraten im Bereich der Produktion und unterproportional steigenden Stromverbrauch, fur den Zeitraum von 1954 bis 1969 zu analysieren und darauf eine Prognose fur den Stromver- brauch der Chemischen Industrie in den 70er Jahren aufzubauen.

Der Studie [I] wurden zwei Prognosemodelle mit niedri- gem Aggregationsgrad zugrundegelegt, urn Strukturein- fliisse bei Herstellung und Verbrauch stromintensiv er- zeugter Produkte erkennen zu lassen. Reide Modelle sind durch eine Separierung des Stromverbrauchs von strom- intensiv erzeugten Primarchemikalien gekennzeichnet und unterscheiden sich durch den Verursachungsfaktor (Produktionsindex bzw. Umsatz) des Rest-Stromver- brauchs.

Chlor, Calciumcarbid, Phosphor, Synthese-Ammoniak, Petroacetylen und Olefine, die zu Anfang des Analyse- zeitraums (1954) stromintensiv erzeugt wurden und mit Ausnahme der Olefine durch hohe Produktions- zahlen elektrizitatswirtschaftlich wichtig waren, wurden technisch-wirtschaftlichen Einzelenqu6ten unterzogen, uber deren Ergebnisse im folgenden kurz berichtet wird.

Chlor

Wahrend noch vor dem 2. Weltkrieg die Schwefelsaure- Herstellung als Gradmesser der Leistungsfahigkeit der Chemischen Industrie eines Landes angesehen wurde, ist es nunmehr die Chlor-Produktion. 1969 erreichte die Welt-Chlorproduktion 20 Mi0 t , was einem Verbrauch von etwa 54 kg pro Kopf entspricht. In Tab. 2 ist die Chlor-Bilanz der BRD fur die Jahre 1969 und 1970 zu- sammengestellt. Der Produktionszuwachs 69/70 lag mit 9,7 O/O in der GroBenordnung der durchschnittlichen Ent- wicklung der letzten 10 Jahre (+ lO,l%/a). An der ge- ringeren Steigerungsrate (8,O %) fur die Binnenmarkt- versorgung ist eine zunehmende Anpassung der inlandi- schen Produktionskapazitaten an die Bedarfsentwicklung zu entnehmen, die, bedingt durch eine allgemeine Baisse in der Chemischen Industrie, im Jahre 1971 sogar zu unausgelasteten Kapazitaten in der BRD gefiihrt hat. Die Tatsache, daS der Verbrauch in der BRD mit etwa 28 kg pro Kopf wesentlich unter dem in den USA von etwa 43 kg pro Kopf liegt, verdeutlicht das Potential dieses Marktes fur die 70er Jahre, wo ein durchschnitt- liches Verbrauchswachstum von 7 bis 9% erwartet wird.

In der BRD wird Primar-Chlor praktisch ausschlieSlich elektrolytisch und hier wiederum iiberwiegend, und zwar zu etwa 89%, nach dem Amalgam-Verfahren hergestellt. Bei einer Produktion von 1,726 Mi0 t im Jahre 1970 und einem spezifischen Stromverbrauch von 3 730 kWh/tC12 (Tab. 3) war die Produktion an Primar-Chlor mit 6,4 TWh der groBte Stromverbraucher fur einen einzelnen Produk- tionsschritt in der gesamten Industrie.

Veronderung 196911970

+ 9.7 + 2 5 , 8

+ 7.3 Antei i der Wei te rvuorbe i tun on der Gesamtprodukt ionP/3 I 86.8 I 8L,'31 Export [ t l 1 7L1 1 17! i: 1 +752,1 Binnenmorktversorqunq [ t I 1 7 5 5 7 8 L 1 8 9 5 510 +8.0 I m p o r t I t ] 183091 - L,2

" - Stromverbrouch fur die E l e k t r o l y s e l 3 7 3 0 k W h / t C l ~ ~ [ T W h l I 5,9 I 6.11 +9,7

Chemie-Ing.-Techn. 44. Jahrg. 1972 I N T . 4 239

Tabelle 3. Repriisentative KenngroDen der Elektrolysen.

Zel len - s p a n n u n g l l Strornstarke bzw -d i ch ie

1 Ch io ro l ka l i - 1 Soizsoure- Chlorat- Elektrolvse Elekt ro l vse I E lek t ro l yse

4 2 7 v 2,ll v 21 3.6 v

1 0 k A i r n 2 1 2 k A 1,55kA/m2

spez Gleich- strornverbrouch’ l Gleichr ichter - w r I i i 4 p

3/,20kWh/tC12 1 6 L O k W h l t C i ~ ~ 6400 kWh/ lNaC103

100 k W h / i C12 3 5 kWh/tC12 1500 k W h i t N a C i 0 3 ~

spez Stromverbrouch der Nebenbetr iebe

Gesomt - strornverbrauch 1 3 7 3 0 k W h / l C 1 2 3 ’ I 1710 k W h / t C 1 2 ” ( ~ 1 3 0 k W h / t N o C l O ~

,30 kWh,t c12 3 5 k W h / t C I , 250 kWh/tNaClO3

11 ohne Sch ienenver lus te 21 m i ! Sch ienenver lus ten 31 i nc l 8 O k W h l t C 1 2 Schienenvenver lusien

sper bleichstromvdrbrouch P O kA /mZ ,

Bei der substituierenden Chlorierung organischer Ver- bindungen entsteht in erheblichen Mengen Chlorwasser- stoff, fur den keine ausreichenden Absatzmoglichkeiten bestehen. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren mehrere Verfahren zur direkten Verwendung von Salz- saure - z. B. bei der Oxychlorierung - sowie zur Spal- tung von Salzsaure zu Wasserstoff und Sekundar-Chlor entwickelt ; zu den letztgenannten Verfahren gehort die Salzsaure-Elektrolyse. Die derzeitige Kapazitat zur Er- zeugung von Sekundar-Chlor durch Salzsaure-Elektrolyse betragt in der BRD etwa 130000 t Cl,/a. Exportauftrage in Hohe von 150000 t Cl,/a verdeutlichen die Zukunfts- aussichten dieses Stromverbrauchers.

Die Entwicklung des spezifischen Stromverbrauchs von Amalgam-Zellen (Abb. 1) im Analyse-Zeitraum ist ge- kennzeichnet l. durch Verringerung von Spannungsver- lusten durch kleinere Zellenabstande und verbesserte Anodenfuhrung, 2. Erhohung der spezifischen Belastung zur Minderung der Investitionskosten und infolge sin- kender Strompreise und 3. Erhohung der Gleichrichter- wirkungsgrade durch Ubergang auf Silicium-Gleichrichter und groBere Zellensale.

Ausschlaggebend waren die Verbesserungen des Gleich- richterwirkungsgrades. Fur den Prognosezeitraum wurde davon ausgegangen, daB fur Neuanlagen vor allem Amalgam-Zellen verwendet werden und die durch den obergang auf dimensionsstabile Anoden mogliche Reduk- tion des spezifischen Stromverbrauchs durch eine hohere Belastung kompensiert wird.

kW h i t , l o 0 L C I?

Unter Zugrundelegung einer Prognose fur die Primar- Chlorproduktion mit Steigerungsraten von 8,5 bis 7,O0h/a ergibt sich ein zugeordneter Stromverbrauch von mehr als 13 TWh im Jahr 1980, was nahezu dem derzeitigen Strombedarf des Landes Hessen entspricht.

Calciumcarbid

Calciumcarbid wird in der BRD ausschliel3lich elektro- thermisch in Lichtbogen-Reduktionsofen hergestelIt. Der Absatz von Carbid zur Herstellung von Kalkstickstoff- Dungemitteln sowie fur Acetylen wird infolge mangelnder Konkurrenzfahigkeit gegeniiber anderen Dungemitteln bzw. Petro-Acetylen und Athylen im Prognosezeitraum wesentlich geringer werden. Bei einem spezifischen Strom- verbrauch von ca. 3200 kWh/t Handelscarbid (davon ca. 250 kWh/t fur Nebenbetriebe wie Moller-Aufbereitung etc.) wird nach unseren Schatzungen der Gesamtstrom- verbrauch zur Calciumcarbid-Herstellung im Jahr 1980 nur noch ein Drittel des Hochstwertes von 4TWh im Jahre 1960 betragen.

Phosphor

Es kann als gesichert gelten, daB die Kapazitaten zur elektrothermischen Phosphor-Erzeugung in der BRD nicht ausgebaut werden. Die derzeitige Produktion in Knapsack von schatzungsweise 80000 bis 90000 t P/a bedingt bei einem spezifischen Stromverbrauch von ca. 14000 kWhjt P (davon ca. 1100 kWh/t fur Nebenbetriebe wie Rohstoffaufarbeitung etc.) einen Gesamtstromver- brauch von etwa 1,2TWh und wird zukunftig je nach Umfang der Produktionsverlagerung sowie Festlegung von Absatzbeschrankungen in der Waschmittelindustrie bis 1980 stagnieren oder abfallen.

Petro-Acetylen

Obwohl Petro-Acetylen mit dem Carbid-Acetylen infolge gunstigerer Herstellungskosten praktisch nicht mehr konkurrieren muB, ist eine Marktausbreitung durch die Konkurrenz des Bthylens insbesondere bei der Vinyl- chlorid-, Vinylacetat- und Acetaldehyd-Herstellung be- grenzt (Abb. 2 ) . Etwa 80% des Stromverbrauchs zur Herstellung von Petro-Acetylen (Abb. 3) entfallen auf die

1 1965 1970 1 9 7 5 1980

l o h r rsnTlTl

Abb. 2. Acetylen-Produktion fur die organische Synthese.

240 Chemie-Ing.-Teehn. 44. J a k g . 1972 I Nr. 4

A u s g o n g s s t o f f

A c r y l n i t r i l

I I I I I ” 19k5 1960 1 9 6 5 1970 1975 1980

Produkt Unlernehmen Kapozitol [ t i n ] I n b e t r i e b n o h m e

A d i p i n s o u r e d i n i t r i l M o n s o n t o 20000 1965 Monson to 20000 1969

A s o h i 30 000 1971

rm Jahr

Abb. 3. Stromverbrauch zur Erzeugung von Acetylen (ohne Car- bid-Acetylen). 1) Inklusive Roh-Athylen-Aufarbeitung.

A l k y l m o g n e s i u m - halogenide

Tabelle 4. Petro-Acetylen-Anlagen in der BRD.

1 I I spez I I

T e l r o o l k y l b l e i N o l c o 18 0 0 0 1961

Unternehmen 1 Veriohren I Rohstofi 1 Strornverbr I

Deulsche Mnro lhon Peiroleum G m b H

Chemische Roi l iner ie- .

Hocbst AG

Wul i f -Prozef l Le ich lbenzin co 1.L E O O O O 1968

1 2 , L O ” I 130 000 I 1910

3.3 2’ 1 60 000 I 1966

3.9 I 31, 000 I 1960

i n t i Strornverbrauch zur Auiorbei iung des Roh-Athylens zl i n c l 0.1 k W h / N m 3 l u r die Souersto l i -Erzeugung

bei den Chemischen Werken Huls installierten Licht- bogen, die bei einem spezifischen Stromverbrauch (einschl. Nebenbetriebe) von 12400 kWh/t C2H2 im Jahr 1970 etwa 1,27TWh verbrauchten. Tab. 4 zeigt die Kapazi- taten und spezifischen Stromverbrauche der in der BRD installierten Petro-Acetylen- Anlagen.

Synthese-Ammoniak, Olefine

Wahrend zur Herstellung von Synthese-Ammoniak noch zu Anfang der 60er Jahre weit mehr als 2 TWh/a ver- braucht wurden, reduzierte sich durch nbergang zu dampfintegrierten und stromautarken Anlagen mit Dampfturbinenantrieb fur Pumpen und Kompressoren der spezifische Stromverbrauch moderner Synthese- ammoniak-Anlagen auf einen Restwert von 0 bis 100 kWh/t NH3. Eine vergleichbare technologische Ent- wicklung haben die Olefin-Cracker durchlaufen (Abb. 4), so daB trotz hoher Produktionszahlen die Herstellung

J a h r

Abb. 4. dthylen-Produlction und Stromverbrauch zur Erzeugung von Olefinen.

von Synthese-Ammoniak und Olefinen keinen wesent- lichen EinfluB mehr auf den Stromverbrauch der Chemi- schen Industrie haben wird.

Organische Elektrolyse

Spatestens seit Inbetriebnahme der groBtechnischen Elektrolysen zur Herstellung organischer Verbindungen (Tab. 5 ) wird diesem Verfahrenszweig weltweites Interesse entgegengebracht. Mehrere organische Elektrolysen sind im Stadium der halbtechnischen Erprobung, jedoch er- reicht keine die GroRenordnung der in Tab. 5 aufgefiihr- ten Anlagen.

Trotz der in den vielfaltigen Anwendungsmoglichkeiten liegenden bedeutenden Zukunft der Elektrolyse orga- nischer Verbindungen werden diese Verfahren infolge des beschrankten Absatzbereiches ihrer Produkte in den 70er Jahren zu keinem bedeutenden Stromverbraucher (2 1 TWh/a) in der Chemischen Industrie der BRD auf- riicken, was an folgendem Beispiel verdeutlicht sei: Eine Umstellung der gesamten derzeitigen Produktion syn- thetischer Faden auf Basis Nylon 6,6 wiirde bei ausschlieB- licher Herstellung des Nylon 6,6 aus elektrolytisch er- zeugtem Adipinsauredinitril nur einen Stromverbrauch von 0,5 TWh/a bedingen.

Nukleare Brennstoffkreislauf-lndustrie

Statistisch ist der Stromverbrauch der einzelnen Schritte des nuklearen Brennstoffkreislaufs unter der Chemischen Industrie zu subsummieren. Redeutende Stromverbraucher sind hier nur die zur Isotopentrennung notwendigen Kompressoren bzw. Geblase. Ent- bzw. weiterentwickelt werden derzeit drei Anreicherungstechnologien, von denen das Trenndiisenverfahren mit ca. 5000 kWhjkg TAE (mit Helium als Zusatzgas) den hochsten und das Zentrifugenverfahren mit ca. 250 kWh/kg TAE den niedrigsten Stromverbrauch hat, wahrend der einzige, bisher groBtechnisch angewandte ProzeB, das Diffusions- verfahren, mit etwa 2500 kWh/kg TAE dazwischen liegt. Bei einem Trennarbeitsbedarf der BRD von 3 Mio kg TAE im Jahr 1980 ergibt sich je nach benutztem Verfahren ein Stromverbrauch von 0,75 bis 15,O TWh/a. Bis 1980 wird die Trennarbeit praktisch ausschlieBlich in den Anlagen der USA, der UdSSR sowie GroBbritanniens, Frankreichs und der Niederlande durchgefuhrt werden. Danach konnte jedoch ein Teil des Bedarfs (1985 etwa 5,5 Mio kg TAE) durch in der BRD zu installierende Trennarbeits- kapazitaten gedeckt werden, was einen wesentlichen Ein- fluB auf den Stromverbrauch der Chemischen Industrie haben wiirde.

Chernie-Ing.-Techn. 44. Jahrg. 1972 Nr. 4 241

Kernenergiestrom als Absatzstimulans fur stromintensiv erzeugte chemische Produkte?

i lek l ro lherrn i rche Phosphor- Herrlel lung Worrerslol l-Elektrolyre i lektrasynlhese von Adip inrouredin i l r i l

Im Jahr 1980 wird der Strombedarf der BRD zu knapp 30% auf Basis Kernenergie gedeckt werden. Bei steigen- dem Anteil des Strombezugs aus dem offentlichen Netz sowie moglichem Bau von Kernkraftwerken durch groBe Chemiekonzerne kann im Verlauf der 70er Jahre die stromintensive Produktion von Primiirchemikalien zu- nehmend auf Basis preisgunstigen Stroms aus Kernkraft- werken erfolgen. Aus Abb. 5, in der mit Preisstand Ok- tober 1971 die Stromerzeugungskosten verschiedener

llloo k ~ h / l 1600 OM/ I 99 OMll P 6 " I . 5,OkWhlNrn'H~ 2 8 P l l N r n 3 H 2 5 1 3 , 5 P I l N m 3 H ~ 1 3 " L

3000KWni t A O N 2500OMi l AON Z l O M l i AON 1"i.

I

K c o i

3000 LOO0 5000 6000 7000h/o 8000 EEE Vallostbenutzungsstunden

Abb. 5. Stromerzeugungskosten fur Grund- und Mittellastkraft- werlie.

Kraftwerkskonzepte als Funktion der Vollastbenutzungs- stundenzahl aufgetragen sind, ist zu entnehmen, daB bei den in der Chemie iiblichen hohen Benutzungsstunden- zahlen groBe Leichtwasserreaktor(LWR)-Kraftwerke ge- genuber mit Schwerol gefeuerten konventionellen Kraft- werken einen Stromkostenvorteil von etwa 0,7 Pf/kWh bieten. Die sich aus einer entsprechenden Verringerung des Strompreises ergebenden Minderungen der Produkt- herstellungskosten sind fur verschiedene stromintensive Verfahren in Tab. 6 zusammengestellt. Die Konkurrenz- situation der Chloralkali-Elektrolyse gegeniiber chemi- schen Verfahren wird durch eine Strompreis-Verringerung nicht beeinfluat, da die NaC1-Elektrolyse bereits unter heutigen Randbedingungen signifikant kostengunstiger

Tabelle 6. EinfluB des Strompreises auf die Herstellungskosten.

Verfohren

Chlorolkol i - Eleklrolyse Solzsoure-Elektrolyre Chloro i - Eleklrolyse Elek l ro lhermirche Colcium- corbid-Heistel luno

spezi l ischer Stromverbrouch' l

3730kWhl iCl2 I710 k W h i l C i 2 8190 kWhltNoC103

3200 kWh1tCoCz

e inrch l len l lch Gleichrichlerverlusle und Slromverbrouch der Nebenbelriebe 21 unier Zugrundelegung eines Slrornpreises yon L P l l k W h 31 be! Strornpreisreduktion von C 7 P i i k W h

ohneBewertung der eingeselr len HCI 51 ohne Gutrchri l l l u r Souerstoff

ist. Niedrigere Strompreise werden hier ebenso wie bei den anderen anorganischen Elektrolysen die Auslegung der Anlagen in Richtung auf eine hohere Stromdichte- belastung beeinflussen. Die Reduktion der Chlor-Her- stellungskosten um etwa 7 O% kann als kein wesentliches Absatzstimulans angesehen werden. Demgegenuber ver- bessern gunstigere Strompreise die Konkurrenzsituation der Salzsaure-Elektrolyse gegenuber dem Shell-Deacon- und Kellog-Chlor-ProzeB merklich. Eine Verringerung der Herstellungskosten um ca. 6% eroffnet dem elektro- thermisch erzeugten Calciumcarbid und Phosphor keine neuen Absatzbereiche, wahrend die Wasserstoff-Elektro- lyse trotz einer 13proz. Kosten-Verminderung weiterhin nicht konkurrenzfahig gegenuber den petrochemischen Verfahren (Steam-Reforming, partielle Oxidation) bleibt. SchlieBlich sind keine neuen Verfahren abzusehen, die erst durch billigeren Strom aus Kernkraftwerken kon- kurrenzfiihig werden. Dies gilt auch fur die Elektrolyse organischer Verbindungen, deren Wirtschaftlichkeit vor- nehmlich durch die Kosten der Ausgangsstoffe bestimmt wird.

Produktbezogener Stromverbrauch

In Abb. 6 ist die Entwicklung des auf die Herstellung von Chlor, Calciumcarbid, Phosphor, Synthese-Ammo- niak, Petro-Acetylen und Olefinen entfallenden Strom- verbrauchs, im folgenden als produktbezogener Strom- verbrauch bezeichnet, fur den Analyse- und Prognose- Zeitraum zusammengefal3t; dabei wurde nur die Olefin- Eigenerzeugung der Chemischen Industrie berucksichtigt, die sich aus der Gesamt-Produktion durch Abzug der von

I 1965 1970 1975 1980

1 8 3 m l a h r

Abb. 6. Stromverbrauch (Clz, CaCz, P, NH3, CzHz, CnHzn).

Abb. 7. Produktionsindices der Chemischen Industrie.

- Index der ind. Nettoproduktion der Chemischen Industrie, Index der Produktion von Clz + CaCz + P + CzHz +

NH3 + CzH4, - - - Index der Produktion von Clz + CaCz + P + CzHz.

-.-.-

242 Ghemie-Ing.-Techn. 44. Jolwg. 1972 / NT. 4

den Raffinerien der Mineralolindustrie bezogenen Mengen ergibt. Aus Abb. 6 ist ersichtlich, daB der produktbe- zogene Stromverbrauch von 13,7 TWh im Jahr 1970 nur um 32% auf 18,l TWh im Jahr 1980 steigen wird. Dieses verhaltnismal3ig langsame Wachstum beruht zunachst darauf, daB die Produktion der ausgewahlten, strom- intensiv erzeugten Grundstoffe langsamer als die Gesamt- produktion der Chemischen Industrie steigt. Die ausge- zogene Kurve in Abb. 7 gibt die Entwicklung des Index der Nettoproduktion der Chemischen Industrie wieder. Die Werte fur den Prognosezeitraum wurden vom Deut- schen Institut fiir Wirtschaftsforschung, Berlin, unter Verwendung eines Prognosemodells mit multipler Regres- sion und exogenen Variablen fur den Energieverbrauch der Industrie erarbeitet [2]. Die gestrichelte Kurve zeigt die Entwicklung des Produktionsindex der ausgewahlten Primarchemikalien Chlor, Calciumcarbid, Phosphor, Syn- these-Ammoniak, Petro-Acetylen und Athylen, der dem- nach 1980 nur gut halb so groB sein wird wie der Index der Nettoproduktion der Chemischen Industrie. Ein weiterer Grund fur das langsame Wachstum des produkt- bezogenen Stromverbrauchs in Vergangenheit und Zu- kunft ist der starke Abfall des spezifischen Stromver- brauchs der Summe der untersuchten Primarchemikalien. Diese Entwicklung wird durch die Abnahme des spezi- fischen Stromverbrauchs von Athylen und Synthese- Ammoniak verursacht, wahrend der spezifische Strom- verbrauch von Chlor + Calciumcarbid + Phosphor + Petro-Acetylen nahezu konstant bleibt.

ollgerneiner Worrne- verbrouch der l ndus t r i e

die Werte mit Basis 1962 = 100, so wird der Stromver- brauch der Chemischen Industrie bis 1980 auf das 2,9- fache anwachsen, wahrend sich die Produktion mehr als versechsfacht. Stellt man dieses Ergebnis in Relation zu Prognosen [3] uber die Entwicklung des Stromverbrauchs der Gesamt-Industrie, so wird der Anteil der Chemischen Industrie von 26,5% im Jahr 1970 auf etwa 32% im Jahr 1980 ansteigen. Im Vergleich zur Eutwiclrlung des ge- samten Stromverbrauchs in der BRD wird demgegenuber der Anteil der Chemischen Industrie von derzeit knapp 14% im Verlauf der 70er Jahre konstant bleiben.

Die mittels eines zweiten Prognosemodells, das den Um- satz der Chemischen Industrie als Verursachungsfaktor fur die Entwicklung des Rest-Stromverbrauchs benutzt, gewonnenen Ergebnisse sind praktisch deckungsgleich mit den zuvor beschriebenen.

2300Nm3H2+C0 55 80000 CHIOH tCH3OH

I l m l C H ~ 80.106tSKElo CHI 5 M c o l Reoktorworrne 32.8 L7 500

Nukleare Prozeflwarme

Spitzenstrom

,ndus,r,edompf

Den gedampften Erwartungen bezuglich der Entwicklung des Stromverbrauchs und damit des Einsatzes von Kern- kraftwerken zur Elektrizitatserzeugung in der Chemischen Industrie der BRD steht ein groBes Potential fiir den Einsatz nuklearer ProzeBwarme gegenuber. In Tab. 7 ist das Potential der nuklearen Prozeljwarme umrissen, wie es sich nach unserer Auffassung fur das Jahr 2000 dar- stellen wird. Wahrend der in der letzten Zeile der Tab. 7 aufgefuhrte Bedarf an Industriedampf noch uberwiegend durch die bereits in den Markt eingefuhrten LWR-Kraft- werke bereitgestellt werden kann, findet bei den ubrigen

2300Nm3Hz+C0 2 7 6 Loooo t C H l O H

10' 10.10"tSI/(Elo

15 21800 200 t o 5 ; hbk leo re 750Mcoi Oomptlo Worme ! O m ? {

Tabelle 7. Das Potential der ProzeBwiirme.

rn Johr

Abb. 8. Stromverbrauch der Chemischen Industrie (produktions- bezogeiies Prognose-Modell).

Multipliziert man die durch Zeitreihenextrapolation fiir den Prognosezeitraum gewonnenen Werte des spezifischen Rest-Stromverbrauchsl' mit dem vom Deutschen Institut fur Wirtschaftsforschung vorausgeschatzten Index der Nettoproduktion der Chemischen Industrie, so erhalt man die in Abb. 8 dargestellte Vorausschau der Entwicklung des Rest-Stromverbrauchs. Addition des produktbe- zogenen Stromverbrauchs liefert den zukunftigen Gesamt- Stromverbrauch der Chemischen Industrie der BRD, der demnach 1975 46 TWh und 1980 63 TWh betragen wird. Der auf die Produktion von Chlor, Calciumcarbid, Phos- phor, Synthese-Ammoniak, Petro- Acetylen und Olefinen entfallende Anteil wird dabei von knapp 40% im Jahre 1970 auf 29% im Jahre 1980 abfallen. Somit wird der Stromverbrauch der 70er Jahre wesentlich unter der Produktionsentwicklung zuruckbleiben. Indiziert man

1) Rest-Stromverbrauch = Gesamt-Stromverbrauch - produkt- bezogener Stromverbrauch.

Aufbessern des CIH- Yerholtnisses Yon I 50.106 t i 0 1 H7 1 30DNm3H2 I 3 I 1350 P"hnl.n I Aohol

Chemie-Ing.-Teehn, 44. Jahrg. 1972 N r . 4 243

Prozessen die Warmebereitstellung bei einem Tempera- turniveau von 850 bis 1200 OC statt, was nur noch mit Hochteniperaturreaktoren erreichbar ist. Von den einzel- nen Anwendungsbereichen fallt ein Teil ( Bthylen, Am- moniak, Methanol fur Chemie) ganz in den Bereich Che- mie, ein weiterer Teil nur partiell (Industriedampf, War- meverbrauch der Industrie). Zusammenfassend kann man sagen, daB von dem Gesamt-Potential von 280000 bis 350000 MWth 40000 bis 50000 MWth zumindest auf den Bereich der Chemischen Industrie entfallen, was einer elektrischen Leistung von 16000 bis 20000 MWe ent- spricht. Das Gesamt-Potential stellt eine Bquivalente

elektrische Leistung von 110000 bis 140000 MWe dar und liegt somit in der GroBenordnung der installierten Kernenergieleistung zur Stromerzeugung von 160 000 bis 190000 MWe im Jahre 2000.

Eingegangen am 23. November 1971 [B 33511

Literatur

[l] B. Bergmann, Bericht der Kernforschungsanlage Julich,

[2] U . Dolinski, C. A. Westmeier, Brennstoff-Wiirme-Kraft 22,

[3] C. W . Ebel, Sonderheft, Nr. 82 (1968) des Deutschen Instituts

Nr. 714.

Nr. 1, S. 1 [1970].

fur Wirtschaftsforschung, Berlin.

Versam m I u ng s beric h t e CHEMIE INGENIEUR TECHNIK

Hochtemperaturbestandige Kunstharze

179. Dechema-Kolloquium am 7. Oktober 1971 in Frankfurt/M.

Polyhydantoine als neue Substanzklasse fur Kunststoffe und Lacke mit erhohter Temperaturbestandigkeit

Dr. R. Merten, Farbenfabriken Buyer AG, LeverkusenlRh.

Die steigenden Anforderungen, speziell der Elektroisolier- stoff-Industrie, bedingen die Entwicklung von Materialien mit hoher Temperaturbestandigkeit, wobei hierunter speziell eine Anhebung des Erweichungsbereiches und Erhalt der elastischen und elektrischen Eigenschaften bei langerer Temperaturbeanspruchung verstanden werden . Die organischen Polymeren mit erhohter Temperaturbe- standigkeit basieren im allgemeinen auf Aromaten oder rnit Aromaten annellierten heterocyclischen Ringsystemen mit aromatischem Charakter, wobei neben direkten Bindungen zwischen diesen Aromaten generell nur ,,nicht spaltbare" Bindeglieder (0, SO2, CO) in Frage kommen. Polyhydan- toine weisen jedoch trotz des ,,nicht-aromatischen" Charak- ters fur die Struktur

eine unerwartet hohe Temperaturbestandigkeit auf. Diese Temperaturbestandigkeit ist offensichtlich nur den Polyhy- dantoinen und den ahnlich aufgebauten Polyparabansauren zu eigen. Ahnliche Ringsysteme entsprechen nicht den tech- nischen Anforderungen.

Synthesemoglichkeiten fur Polyhydantoine sowie fur geeig- nete Ausgangsverbindungen werden diskutiert [ 11.

Polymer'e auf Basis von Polyhydantoinen konnen zur Her- stellung von Elektroisolierlacken mit hohem Erweichungsbe- reich nnd ausgezeichnetem Hitzeschock bei einfacher Ver- arbeitbarkeit eirigebrannt werden. Lineare Typen werden

[I] Siehe auch Angew. Chem. 10, 339 [1971]. [a] Siehe auch Farbe u. Lack 75, 1157/60 [1969].

uber Methylenchlorid-Losungen zu Folien verschiedenster Dicke verarbeitet, deren elektrische und mechanische Eigen- schaften bis uber 250°C weitgehend konstant sind und die eine Dauertemperaturbestandigkeit von knapp 180 "C auf- weisen [2].

Unter Druck konnen bei Temperaturen uber 350 "C Spritz- guljartikel und PreBkorper mit hoher Zahigkeit, Harte und Elastizitat sowie einer Temperaturbestandigkeit bis uber 200 "C gewonnen werden.

Polybenzoxazindione, eine Klasse hochtemperaturbestandiger Polymerer

Dr. L. Bottenbruch, Parbenfabriken Bayer AG, Werk Uerdingen

1,3-Benzoxazin-2,4-dione haben folgende Struktur :

a:j:i R = H, Alkyl, Aryl usw.

I I Poly-1,3-benzoxazin-2,4-dione weisen analog z. B. die fol- gende Struktur auf:

L I" Sie lassen sich aus Dihydroxyaryldicarbonsauren rnit Di- aminen nach verschiedenen Verfahren herstellen.

Uberraschend einfach lassen sich einheitliche hochmolekulare und vollstandig cyclisierte Polymere herstellen, wenn man Dihydroxyaryldicarbonsaurediphenylester mit Diisocyana- ten in Dimethylsulfoxid unter Verwendung tert. Amine als Katalysatoren umsetzt. Erwarmt man eine Losung von iiquimolaren Mengen des Diesters und des Diisocyanats in Dimethylsulfoxid nach Zusatz von wenig tert. Amin auf etwa 90 "C, tritt eine schnelle Reaktion ein, erkenntlich an einer starken Zunahme der Viskositat der Reaktionslosung. Unter Abspaltung von Phenol wird quantitativ das Poly- benzoxazindion gebildet, das sich z. B. durch Fallung aus der Reaktionslosung isolieren laBt.

Aus geeigneten Ausgangsmaterialien werden Polybenzoxa- zindione erhalten, die sich in technischen Losungsmitteln, wie in Dimethylformamid, Dimethylacetamid, N-Methyl-

244 Chemie-Ing.-Techn. 4 4 . Jahrg. 1972 Nr . 4