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| HNO 12 · 2003 986 I n der Medizingeschichte wurden detail- lierte Beschreibungen eines durch Strep- tokokken verursachten Weichteilinfektes und über den hemmenden Einfluss des to- pisch eingesetzten Schimmelpilzes Peni- cillium notatum erstmals von Theodor Bill- roth 1870 und 1871 bekannt gemacht. 1924 wurde der Begriff der hämolytischen Strep- tokokkengangrän geprägt, der erstmals eine bakterielle Synergie zwischen Strepto- kokken und Staphylokokken nachwies.Der Begriff der nekrotisierenden Fasziitis (NF) wurde schließlich 1952 von Wilson geprägt, der eine reine,durch Fasziennekrose histo- logisch nachweisbare Streptokokkengan- grän beschreibt [25]. Auch der Begriff des toxischen Schocksyndroms („streptococ- cal toxic shock syndrom“,STSS) wurde 1983 synonym für eine nekrotisierende Weich- teilinfektion eingesetzt [2]. Heute umfasst die Klassifikation der Haut- und Weichteilinfektionen eine große und inhomogene Gruppe, die sich nach unterschiedlichen Kriterien einteilen lässt. Die Einteilung nach Anatomie mit Dar- stellung des betroffenen Niveaus wie Haut, Unterhautfettgewebe,Faszie,Muskulatur, nach Erregern, nach Dringlichkeit der chi- rurgischen Versorgung und nach Ausmaß der Infektion hat sich im Allgemeinen durchgesetzt ([10, 15], Tabelle 1). Für nekrotisierende Weichteilinfektio- nen selbst findet sich häufig eine Klassi- fikation, die sowohl das betroffene Gewe- beniveau als auch das mikrobiologische Erregerspektrum beschreibt (Tabelle 2). In der Literatur wird der Begriff der ne- krotisierenden Fasziitis oft synonym zur Originalien C. Rudack · G. Eikenbusch · W. Stoll · W. Hermann HNO-Klinik, Universitätsklinikum Münster Therapeutisches Management nekrotisierender Weichteil- infektionen des Halses hämolytischen Streptokokkengangrän, progressiven synergistischen bakteriel- len Gangrän und dem nekrotisierenden Erysipel oder der Fournier-Gangrän (ne- krotisierende Fasziitis des männlichen Genitales) gebraucht, beschreibt aber ein Krankheitsbild einer schweren nekroti- sierenden Entzündung der Gewebsfaszi- en, die jede Lokalisation im Körper be- treffen kann [10, 21]. Das Erregerspektrum dieser Erkrankung umfasst nach Unter- suchungen von Giuliano (1977) 75 ver- schiedene Bakterienspezies, die je nach Keimspektrum zur Unterscheidung zwi- schen einer nekrotisierenden Fasziitis Typ 1 bei 80% und einer nekrotisieren- den Fasziitis Typ 2 bei 20% der Erkrank- ten führt. Bei dem Typ 1 handelt es sich um eine anaerobe und aerobe Mischin- fektion, die synergistisch arbeitet, wäh- rend es beim Typ 2 zu einem Infekt mit Gruppe-A-Streptokokken, ggf. mit Sta- HNO 2003 · 51:986–992 DOI 10.1007/s00106-003-0854-6 Online publiziert: 9. Juli 2003 © Springer-Verlag 2003 Redaktion H.P.Zenner,Tübingen Tabelle 1 Einteilung und Diagnosekriterien der nekrotisierenden Weichteilinfektionen Klassifikation der Haut- und Klassifikation der nekrotisierenden Weichteilinfekte, Weichteilinfektion allgemein mod. nach Ahrenholz (1988) Anatomie (Kutis, Subkutis, Faszie, Erreger Gewebeniveau: Streptococcus pyogenes, Clostridium Muskel) perfringens, Streptokokken und Staphylokokken, Mischinfektionen Erreger (Streptokokken, Subkutis/Faszie: β-hämolysierende Gangrän, Mischinfektion) Clostridien-Zellulitis, nekrotisierende Fasziitis Typ 2, nekrotisierende Fasziitis Typ 1, synergistische nekrotisierende Zellulitis Dringlichkeit (der operativen Muskulatur: Streptokokkenmyositis, Versorgung) Clostridien-Myonekrose, Myositis, Non-Clostridien-Myonekrose Ausmaß der Infektion (lokal, systemisch) Klassifikation der Haut- und Weichteilinfektion allgemein nach unterschiedlichen Kriterien wie anatomische Einteilung, Erreger, Dringlichkeit der chirurgischen Versorgung, Ausmaß der Infektion Klassifikation der nekrotisierenden Weichteilinfekte nach Gewebeniveau,Erregerspektrum und Infektpro- gression (mod. nach Ahrenholz, 1988). Das betroffene Gewebeniveau bestimmt das Ausmaß des chirurgischen Débridements, das Erregerspektrum legt die Auswahl der Antibiose fest. Beide Charakteristika zusammen bestimmen die Krankheitsprogression

Therapeutisches Management nekrotisierender Weichteilinfektionen des Halses

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Page 1: Therapeutisches Management nekrotisierender Weichteilinfektionen des Halses

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In der Medizingeschichte wurden detail-lierte Beschreibungen eines durch Strep-tokokken verursachten Weichteilinfektesund über den hemmenden Einfluss des to-pisch eingesetzten Schimmelpilzes Peni-cillium notatum erstmals von Theodor Bill-roth 1870 und 1871 bekannt gemacht. 1924wurde der Begriff der hämolytischen Strep-tokokkengangrän geprägt, der erstmalseine bakterielle Synergie zwischen Strepto-kokken und Staphylokokken nachwies.DerBegriff der nekrotisierenden Fasziitis (NF)wurde schließlich 1952 von Wilson geprägt,der eine reine,durch Fasziennekrose histo-logisch nachweisbare Streptokokkengan-grän beschreibt [25].Auch der Begriff destoxischen Schocksyndroms („streptococ-cal toxic shock syndrom“,STSS) wurde 1983synonym für eine nekrotisierende Weich-teilinfektion eingesetzt [2].

Heute umfasst die Klassifikation derHaut- und Weichteilinfektionen eine großeund inhomogene Gruppe, die sich nachunterschiedlichen Kriterien einteilen lässt.Die Einteilung nach Anatomie mit Dar-stellung des betroffenen Niveaus wie Haut,Unterhautfettgewebe,Faszie,Muskulatur,nach Erregern,nach Dringlichkeit der chi-rurgischen Versorgung und nach Ausmaßder Infektion hat sich im Allgemeinendurchgesetzt ([10, 15], ⊡ Tabelle 1).

Für nekrotisierende Weichteilinfektio-nen selbst findet sich häufig eine Klassi-fikation,die sowohl das betroffene Gewe-beniveau als auch das mikrobiologischeErregerspektrum beschreibt (⊡ Tabelle 2).In der Literatur wird der Begriff der ne-krotisierenden Fasziitis oft synonym zur

Originalien

C. Rudack · G. Eikenbusch · W. Stoll · W. HermannHNO-Klinik, Universitätsklinikum Münster

Therapeutisches Managementnekrotisierender Weichteil-infektionen des Halses

hämolytischen Streptokokkengangrän,progressiven synergistischen bakteriel-len Gangrän und dem nekrotisierendenErysipel oder der Fournier-Gangrän (ne-krotisierende Fasziitis des männlichenGenitales) gebraucht,beschreibt aber einKrankheitsbild einer schweren nekroti-sierenden Entzündung der Gewebsfaszi-en, die jede Lokalisation im Körper be-treffen kann [10,21].Das Erregerspektrumdieser Erkrankung umfasst nach Unter-

suchungen von Giuliano (1977) 75 ver-schiedene Bakterienspezies, die je nachKeimspektrum zur Unterscheidung zwi-schen einer nekrotisierenden FasziitisTyp 1 bei 80% und einer nekrotisieren-den Fasziitis Typ 2 bei 20% der Erkrank-ten führt. Bei dem Typ 1 handelt es sichum eine anaerobe und aerobe Mischin-fektion, die synergistisch arbeitet, wäh-rend es beim Typ 2 zu einem Infekt mitGruppe-A-Streptokokken, ggf. mit Sta-

HNO 2003 · 51:986–992DOI 10.1007/s00106-003-0854-6Online publiziert: 9. Juli 2003© Springer-Verlag 2003

RedaktionH.P. Zenner,Tübingen

Tabelle 1

Einteilung und Diagnosekriterien der nekrotisierenden Weichteilinfektionen

Klassifikation der Haut- und Klassifikation der nekrotisierenden Weichteilinfekte,Weichteilinfektion allgemein mod. nach Ahrenholz (1988)

Anatomie (Kutis, Subkutis, Faszie, Erreger Gewebeniveau: Streptococcus pyogenes, Clostridium

Muskel) perfringens, Streptokokken und

Staphylokokken, Mischinfektionen

Erreger (Streptokokken, Subkutis/Faszie: ββ-hämolysierende Gangrän,

Mischinfektion) Clostridien-Zellulitis, nekrotisierende

Fasziitis Typ 2, nekrotisierende

Fasziitis Typ 1, synergistische

nekrotisierende Zellulitis

Dringlichkeit (der operativen Muskulatur: Streptokokkenmyositis,

Versorgung) Clostridien-Myonekrose, Myositis,

Non-Clostridien-Myonekrose

Ausmaß der Infektion

(lokal, systemisch)

Klassifikation der Haut- und Weichteilinfektion allgemein nach unterschiedlichen Kriterien wie anatomischeEinteilung, Erreger, Dringlichkeit der chirurgischen Versorgung, Ausmaß der InfektionKlassifikation der nekrotisierenden Weichteilinfekte nach Gewebeniveau, Erregerspektrum und Infektpro-gression (mod. nach Ahrenholz, 1988). Das betroffene Gewebeniveau bestimmt das Ausmaß des chirurgischenDébridements, das Erregerspektrum legt die Auswahl der Antibiose fest. Beide Charakteristika zusammenbestimmen die Krankheitsprogression

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Tabelle 2

Erregerspektrum und Diagnosekriterien der NF

Erregerspektrum der NF nach Giuliano (1977)

Typ 1 / Anaerob/aerobe Mischinfektion

Typ 2 / Gruppe-A-Streptokokken

Ggf. St. aureus/St. epidermidis

Diagnosekriterien der NF nach Fisher (1979)

1. Extensive Nekrose der Faszie mit

Ausdehnung auf die angrenzende Haut

2. Mittlere bis schwere Systemintoxikation

mit vermindertem mentalem Status

3. Fehlen einer primären Muskelbeteiligung

4. Fehlen von Clostridien im Wundabstrich

5. Fehlen eines ursächlichen Gefäß-

verschlusses

6. Leukozyteninfiltration, fokale Nekrosen

der Faszie und des umgebenden Gewebes

sowie mikrovaskuläre Thrombosen bei

der histologischen Untersuchung

Diagnosekriterien der NF (Fisher 1979). In allerRegel wird der Nachweis von fünf Kriterien alsbeweisend angesehenDas Erregerspektrum der NF nach Giuliano(1977) beschreibt 2 Typen der NF. Der 1.Typ wirdmikrobiologisch durch eine Mischinfektioncharakterisiert und kommt in 85–90% der Fällevor, während 10–15% der Fälle auf einen Typ 2zurückzuführen sindNF=Nekrotisierende Fasziitis

phylococcus aureus und Staphylococcusepidermidis,kommt ([9],⊡ Tabelle 2).Beidieser Einteilung werden bakterienspezi-elle Virulenzfaktoren (z.B.Staphylokina-se, Exfoliatine, Hämolysine, Koagulase)sowie die rasche Antibiotikaresistenzent-

wicklung als für die Prognose der Erkran-kung ungünstige Faktoren angegeben,dain der Literatur eine Mortalität der Er-krankung von 40–76% [19] angeben wird.Nach Fisher 1979 bestimmen 6 unter-schiedliche Kriterien die Diagnose einerNF,wie in ⊡ Tabelle 2dargestellt ist,wobeidas Vorliegen von 5 Kriterien die Diagno-se der NF ausmacht [8].

Von 2000 bis 2001 behandelten wir 9Patienten mit nekrotisierenden Weichteil-infektionen der Halsfaszienlogen,wovon5 Patienten an einer NF erkrankt warenund 4 Patienten keine NF aufwiesen.An-hand der behandelten Patienten habenwir den Krankheitsverlauf detailliert dar-gestellt und ein therapeutisches Manage-ment zur Behandlung nekrotisierenderWeichteilinfektionen abgeleitet.

Patientengut

9 Patienten (⊡ Tabelle 3) wurden von 2000bis 2001 mit Weichteilinfektionen bis in dietiefen Faszienlogen im Halsbereich zur Be-handlung stationär aufgenommen.4/9 Pa-tienten waren weiblich, 5/9 waren männ-lich,das Durchschnittalter betrug 63 Jahre,41 Jahre für die weiblichen und 72 Jahre fürdie männlichen Patienten. Anamnestischgaben 8/9 Patienten Symptome einer Pha-ryngitis und Tonsillitis an, die allerdingsschmerzhafter geschildert wurden,als diesnormalerweise der Fall ist („pain out ofportion“). 1/9 Patient gab einen Zustandnach lokaler intramuskulärer Infektion an.

Insgesamt waren 4/9 der Patienten bereitsvor mehr als 10 Jahren tonsillektomiertworden.Alle Patienten machten einen ra-santen Krankheitsverlauf bei maximalerBeschwerdesymptomatik von 4 Tagendurch.1/9 Patient wurde mit einem protra-hierten Schocksyndrom mit einem Multi-organversagen aus einer auswärtigen Kli-nik übernommen, nachdem bei dem Ver-such der Anlage eines zentralen Venenka-theters der V.jugularis interna Pus aus derPunktionsstelle austrat.

Als prädisponierende Faktoren der ne-krotisierenden Fasziitis werden vaskuläreErkrankungen,an denen 5/9 der Patientenlitten, diskutiert. Auch Diabetes mellitus,Alkoholismus und Immunsuppressiondurch Kortikosteroide oder nichtsteroida-le Antirheumatika werden als Prädisposi-tionen angegeben. 2/9 Patienten litten anDiabetes mellitus,3/9 an Alkoholismus,und1/9 stand unter der Behandlung mit nicht-steroidalen Antirheumatika.

Klinische Untersuchung

Klinisch imponierten zervikal Rubor,Do-lor, Calor sowie subkutanes Knistern alsZeichen einer Gasentwicklung (⊡ Tabel-le 3).Bei der Eingangsuntersuchung wur-den, sofern möglich, eine Pharyngitis,Tonsillitis sowie eine massive ödematöseSchwellung im Pharynx und Hypopha-rynxbereich lokalisiert.

Bildgebende Diagnostik

Bei der bildgebenden Diagnostik(⊡ Abb. 1, 2) fielen im Computer-Tomo-gramm (CT) hypodense Läsionen mitGasbildung auf,die als abszedierende Ent-zündung gedeutet wurden. 3/9 Patientenzeigten im Röntgen-Thorax-Bild sowie imCT des Thorax Anzeichen einer Media-stinitis bzw.auch eines Mediastinalabzes-ses sowie Pleuraempyeme. Im Kernspin-tomogramm (MRT) des Halses wurde bei2/9 in der T2-Wichtung eine Signalanrei-cherung der Faszien beschrieben.

Ergebnisse

Krankheitsverlauf

Alle Patienten wurden nach der Aufnah-me innerhalb von 12 h einer chirurgisch-

Tabelle 3

Zusammenfassung der Anamnesen und Befunde

Anamnese Befunde„Pain out of portion“ Zervikal: Rubor, Dolor, Calor, subkutane Krepitation

Dysphagie, Dyspnoe Enoral: Pharyngitis,Tonsillitis, maximales Gewebsödem

Rasante Progression Hypopharynx/Larynx: Gewebsödem

Beschwerden seit max. 4 Tagen

Prädisponierende Faktoren VerlaufVaskuläre Erkrankungen (5) Operation innerhalb von 12 Stunden

Diabetes mellitus (3) Art der Operation:

Alkoholismus Panendoskopie (9)

Immunsuppression (1) Tonsillektomie (5)

Malignome (0) Tracheotomie (5)

Ekzematöse Erkrankungen (0) Funktionelle Neck Dissection(9)

Abtragung von Nekrosen (9)

Drainagen mehrfach (9)

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Zusammenfassung · Abstract

HNO 2003 · 51:986–992DOI 10.1007/s00106-003-0854-6© Springer-Verlag 2003

C. Rudack · G. Eikenbusch · W. Stoll · W. Hermann

Therapeutisches Management nekrotisierender Weichteilinfektionen des Halses

functional neck dissection in order minimize thespread of the disease.Eight of our patients re-covered completely, but one died due to toxicshock as consequence of a delayed in therapy.Conclusion. Complete recovery of patients suf-fering from necrotizing fasciitis depends on earlyand aggressive surgical therapy including neckdissection and drainage as well as an interdisci-plinary strategy of conservative therapy.Hyper-baric oxygen should be considered as a treat-ment adjunct in patients with necrotizing fasci-itis if surgery and antibiotic treatment fail.

KeywordsNecrotizing fasciitis · Soft tissue infection · Therapy · Neck dissection

AbstractBackground. Necrotizing neck infections are un-common soft-tissue infections, usually caused byvirulent, toxin producing bacteria.Necrotizingfasciitis represents a special form of necrotizingsoft tissue infection with a mortality rate of up to76% even though aggressive therapy is recom-mended.Patients and methods. In the last 2 years wetreated four patients with severe necrotizingneck infections and five suffering from necrotiz-ing fasciitis.Results. Microbiological analysis revealed mixedinfections with Candida albicans, Streptococcuspyogenes, Fusobacterium, Proprioni bacteria andStaphylococcus.The surgical management wasnot only restricted to drainage, but also included

tioneller Neck Dissection zur Begrenzung derAusbreitung des Prozesses wurde in 8/9 Fälleneine vollständige Heilung erzielt.Ein Patientverstarb an einem septischen Schock, weil dieTherapie zu spät eingeleitet wurde.Schlussfolgerung. Entscheidend ist nach unse-rer Ansicht die frühzeitige und konsequentechirurgische Therapie mit Drainage aller Abszess-höhlen funktioneller Neck Dissection sowie inter-disziplinärem Vorgehen inklusive der resisto-grammgerechten Antibiose und hyperbarerSauerstofftherapie als Ergänzung.

SchlüsselwörterNekrotisierende Fasziitis · Weichteilinfektion ·Therapie · Neck Dissection

ZusammenfassungHintergrund. Bei nekrotisierenden Weichteil-infektionen des Halses geht man ursächlich vontoxinbildenden virulenten Bakterien aus.DieMortalität einer Sonderform, der nekrotisieren-den Fasziitis, wird in der Literatur mit bis zu 76%angegeben.Patienten und Methode. Von 2000 bis 2001wurden 4 Patienten mit schweren nekrotisieren-den Halsweichteilinfektionen und 5 Patientenmit einer nekrotisierenden Fasziitis behandelt.Ergebnisse. Das Keimspektrum reichte vonMischinfektionen mit Candida albicans, Strepto-coccus pyogenes, Fusobacterium, Propionibakte-rien bis hin zu Staphylokokken.Nach frühzeitigeroperativer Intervention mit ausgedehnterDrainage der verschiedenen Halslogen und funk-

Therapeutical management of necrotizing neck infections

therapeutischen Intervention (⊡ Tabelle 4)zugeführt.Zur Operation gehörte eine di-agnostische Panendoskopie bei allen Pa-tienten, wobei sich intraoperativ bei 5/9Patienten eine Hypopharynxperforationzeigte,die ätiologisch nicht zu klären war.Ein Fremdkörper wurde endoskopischausgeschlossen. 5/9 Patienten, die nochnicht tonsillektomiert waren, wurden indiesem Eingriff tonsillektomiert und auf-grund der Schwellung im supraglottischenBereich tracheotomiert.

Während des Halseingriffs wurde nichtnur der Abszess durch eine Abszessinzisi-on gespalten, sondern sowohl Nekrosenals auch Abszesshöhlen im Sinne einerfunktionellen Neck Dissection eröffnetund Abszesslogen v.a.retro-und parapha-ryngeal drainiert. Die Einlage von Drai-nagen beschränkte sich nicht nur auf dieSeiffert-Drainagen; in das Mediastinumwurden ebenfalls Drainagen mit kontinu-ierlichem Sog eingelegt, wie sie zur Drai-nage von abszedierenden Entzündungenim Thoraxbereich und bei Pleuraempye-men verwendet werden.

Mikrobiologie

Bei 7/9 der Patienten lag eine Mischinfek-tion von Anaeroben,Aeroben und Pilzenvor,die einem Typ 1 der nekrotisierendenFasziitis zugeordnet wurde.Folgende Kei-me wurden nachgewiesen: Propionibak-terien,Staphylococcus aureus,hämolysie-rende Streptokokken der Gruppe A, Fu-sobakterium, Peptostreptokokken undCandida albicans. Nur bei 2/9 Patientenwurden allein Streptokokken nachgewie-sen.Alle Patienten erhielten anfangs eineDreifachkombination mit Penicillin,Ami-noglykosiden und Metronidazol. Diesesanfängliche Antibiotikaschema wurdenach den Resistogrammbefunden aufImipinem oder Tarzobac anstatt Penicil-lin und Clindamycin anstelle von Metro-nidazol bei 4/9 Patienten umgesetzt. 3/9Patienten erhielten zusätzlich Amphoteri-cin B bei Candidainfektion.

Histologie der NF

Histologisch war die NF durch eine mas-sive polymorphkernige Infiltration derFaszie gekennzeichnet, die insbesondereperivaskulär lokalisiert war.Ebenfalls zeig-

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ten sich thrombosierte Faszienkapillarenund Kolliquationsnekrosen der Faszie so-wie destruierende Prozesse in Subkutis,Fettgewebe und Muskulatur.

Komplikationen

6/9 der aufgenommenen Patienten littenan einer Mediastinitis. Als Komplikatio-nen entwickelten 3/9 Patienten Pleuraem-pyeme; 1/9 Patient wurde bereits in einemtoxischen,septischen Schocksyndrom mitJugularvenenthrombose,Pneumonie undNierenversagen übernommen. Lediglicheine weitere Patientin wies eine Pneumo-nie und Pleuraergüsse auf.

2/5 Patienten mit NF bedurften zusätz-lich einer Thorakotomie. Die Liegedauerder Patienten betrug im Durchschnitt38 Tage, wovon 7 Tage auf einer Inten-sivstation verbracht wurden.Nur 1/5 Pati-

enten verstarb an den Folgen eines toxi-schen Schocksyndroms.4 Patienten ohneNF bedurften zwar keiner Thorakotomie,jedoch war auch hier ein häufigerer Drai-nagewechsel notwendig, wobei die Zahlder operativen Eingriffe im Durchschnittbei 4 lag.Die Liegedauer betrug im Durch-schnitt 23 Tage,wovon 4 Tage auf einer In-tensivstation verbracht wurden.

Diskussion

Die nekrotisierende Fasziitis stellt eineschwere infektiöse Erkrankung der Hautund Weichteile dar, die sich meist infolgeeiner geringfügigen lokalen Entzündungin die Faszienlogen fortleitet.Zu den überdie gesamte Länge des Halses verlaufen-den Faszienlogen zählen retropharynge-ale,prävertebrale Logen sowie die Gefäß-Nerven-Scheide, in denen sich fast 90%

aller abszedierenden Prozesse abspielen.Auch die Submandibularloge gehört zuden häufigsten Lokalitäten einer absze-dierenden Entzündung [10, 21].

Klassifikation

Modifikation nach AhrenholzDie Klassifikation nekrotisierender Weich-teilinfektionen lässt sich anhand unter-schiedlicher Kriterien einteilen. Hierbeiwird zwischen einer Einteilung nach Ge-webeniveau, nach Erregern, nach Dring-lichkeit der chirurgischen Versorgung undnach Ausmaß der Infektion unterschie-den.Durchgesetzt hat sich die Klassifika-tion der nekrotisierenden Weichteilinfek-te nach Gewebeniveau, Erregerspektrumund Infektprogression, modifiziert nachAhrenholz [2].Das betroffene Niveau be-stimmt das Ausmaß des chirurgischenDébridements,das Erregerspektrum legtdie Auswahl der Antibiose fest.Beide Cha-rakteristika zusammen bestimmen dieKrankheitsprogression.

Im Vordergrund der initialen Keimin-vasion stehen alle offenen Verletzungenmit Kontinuitätsunterbrechung der Haut-barriere.Auch stumpfe Traumen und be-gleitende Bakteriämien, die durch kari-öse Zähne, eitrige Tonsillitiden oder Pe-ritonsillarabszesse entstehen,werden ätio-logisch in Betracht gezogen [11,17,20,26].In unserem Patientengut wurden 9 Patien-ten mit schweren Weichteilinfektionen desHalses behandelt, die sowohl anamnes-tisch identische als auch klinisch einheit-liche Befunde aufwiesen.

Mit Hilfe bildgebender Verfahren wieCT und MRT ergaben sich erste Hinwei-se durch Nachweis von Gasbildung undAusmaß der Infektion.Obwohl die Kern-spintomographie, die höchste Sensitivi-tät für Änderungen im Wassergehalt derGewebe besitzt, im Weichteilbereich diegenaueste anatomische Zuordnung einespathologischen Geschehens zu liefern ver-mag und im T2-gewichteten Bild die ne-krotisierende Fasziitis (NF) durch eineSignalanhebung sichtbar macht, ist derEinsatz der Kernspintomographie zurDiagnosesicherung der NF nicht obligat.Sie ist nur dann angebracht, wenn sie dieZeitdauer der prätherapeutischen Diag-nostik nicht deutlich verlängert,denn diefrühzeitige Indikationsstellung des 1.Ein-

Abb. 1 ▲ Bildgebung: CT Thorax. Beide Bilder dokumentieren den präoperativen Befund eines Thorax-CT mit Kontrastmittel eines an Nekrotisierender Fasziitis (NF) erkrankten Patienten.Der Befund ist durch einen Mediastinalabszess (2) und ein Pleuraempyem (1) gekennzeichnet

Abb. 2 ▲ Bildgebung: CT Hals. Beide Bilder lassen einen ausgedehnten Abszess (1) para-und retropharyngeal erkennen bei intubiertem Zustand des Patienten. Auch eine Gasbildung (2) istim Bereich der linken Halsweichteile zu diagnostizieren

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Originalien

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Tabelle 4

Krankheitsbilder und Dauer der Behandlung der Patienten

NF (n=5) Ohne NF (n=4)

Mediastinitis (5) (1)

Thorakotomie (2) (0)

Anzahl der operativen Eingriffe (6,2) (4)

durchschnittlich

Liegedauer 38 Tage 23 Tage

Intensivstation 7 Tage 4 Tage

Letalität (1) (0)

STSS (1) (0)

Mikrobiologie Typ I (5) nach Giuliano Mischinfektion (2),

Streptococcus pyogenes (2)

NF=Nekrotisierende Fasziitis, STSS=Toxisches SchocksyndromInsgesamt werden 4 Patienten der Diagnose einer nekrotisierenden Weichteilinfektion ohne NF und 5 Patien-ten der Diagnose einer nekrotisierenden Weichteilinfektion mit NF aufgeführt. Besonderheiten des Krankheits-verlaufes werden in der Tabelle dargestellt, wobei die Zahl in Klammern die Anzahl der Patienten wiedergibt.

griffs ist prognostisch für die Patientenentscheidend [10].

Diagnosekriterien der NF nach FisherNach den Diagnosekriterien der NF vonFisher wurden 5/9 Patienten mit dem Voll-bild einer nekrotisierenden Entzündungintraoperativ identifiziert,die v.a. infolgeeiner Infektion des Retro-und Parapha-ragyngealraumes eine Mediastinitis,einenMediastinalabszess und Pleuraempyemeentwickelten. Auffällig war hier die Be-schreibung von Hypopharynxperforatio-nen, die wir als infektbedingtes Ereignisdeuteten. 4/9 Patienten erfüllten nichtstringent die geforderten 5 Kriterien derNF und wurden als nichtnekrotisierendeWeichteilinfektionen diagnostiziert.

Operationsindikation

Die Indikation zur Operation der Weich-teilinfektionen ergab sich bei unseren Pa-tienten aus der klinisch gestellten und derim CT (7/9)/MRT (2/9) erhärteten Ver-dachtsdiagnose. Der operative Eingriffdiente sowohl therapeutischen als auchdiagnostischen Zwecken, da die Diagno-se letztlich nur nach makroskopischer Be-urteilung der lokalen Situation und his-tologisch gesichert werden kann [3, 10].

Die chirurgische Therapie beruht v. a.auf dem konsequenten Débridement dernekrotisierenden Halsweichteile sowie derDrainage des Mediastinums vom Hals aus.

Hierzu haben wir nicht nur die Abszess-entlastung im klassischen Sinne angewen-det,sondern den Hals ausgedehnt eröffnetund die Halsweichteile im Sinne einer se-lektiven funktionellen Neck Dissectionunter Schonung der nervalen Strukturen(N.accessorius,N.vagus und N.hypoglos-sus) ausgeräumt.

Dieses Vorgehen wird auch seitenschirurgischer Interventionen bei einemExtremitätenbefall propagiert, um amÜbergang zum Körperstamm unter kon-sequenter Entfernung von Faszie,Lymph-gefäßen und Lymphknoten ein prognos-tisch ungünstiges Übergreifen auf denStamm zu verhindern [25]. Der Eingriffkann mit einer offenen Wundbehandlungabgeschlossen werden, wobei unsere Pa-tienten Drainagen des Mediastinums auchmit kontinuierlichem Sog erhielten.

Antibiose

Die antibiotische Therapie bei Verdachtauf eine nekrotisierende Weichteilinfek-tion zielt auf die breite Abdeckung vonaeroben grampositiven, gramnegativenund anaeroben Mikroorganismen ab [10].Am besten hierfür geeignet sind Penicil-lin G oder ein ß-Lactamase-stabiles Peni-cillin oder ein Cephalosporin,kombiniertmit einem Aminoglykosid und einem zu-sätzlichen Antibiotikum zur Behandlungder Anaerobierinfektion, Metronidazoloder Clindamycin [1].

Hochdosiertes Penicillin G ist nach wievor die Gundlage der antibiotischen The-rapie schwerer Streptokokkeninfekte,wiewir sie nach der Anamnese von 3 Patien-ten vermutet hatten [24]. Aufgrund derhäufigen Mischinfektionen gilt jedocheine breite Abdeckung aerober gramposi-tiver und gramnegativer Anaerober alsobligat. Hierzu haben wir anstatt des Pe-nicillins ein neueres Cephalosporin oderImipenem (Meropenem) in Kombinati-on mit einem Aminoglykosid und Metro-nidazol oder Clindamycin in einer Drei-erkombination verwendet (4/9 Patienten,[22]).

Clindamycin penetriert gut auch inschlecht perfundierte und übersäuerteGewebe und greift direkt am bakteriellenRibosom an,wodurch die Toxinprodukti-on selbst bei hoher Bakteriendichte undunabhängig vom bakteriellen Heilungs-zyklus wirkungsvoll vermindert wird.DieKombination Clindamycin plus Penicil-lin G deckt praktisch die gefährlichstenErreger nekrotisierender Weichteilinfek-tionen ab,ist wirkungsvoll in der Bekämp-fung des septischen Schocks und wirdauch als Mittel der 1.Wahl favorisiert.An-dere Autoren sind mit der frühzeitigenGabe von Clindamycin unter anderem we-gen der Gefahr der Entwicklung einerpseudomembranösen Kolitis oft zurück-haltend [1, 10].

Wirksamkeitseinschränkungen

Hypoxie und mangelnde DurchblutungMehrere Faktoren schränken jedoch dieWirksamkeit der Antibiotika ein. Daherkann selbst eine frühzeitige resistenzge-rechte und hochdosierte Gabe allein nichtzur Ausheilung einer nekrotisierendenWeichteilinfektion führen. Zum einenwird die lokale Durchblutung des betrof-fenen Gewebes schon früh im Krankheits-verlauf durch Mikrothromben empfind-lich gestört,sodass Antibiotika keinen aus-reichend hohen lokalen Wirkspiegel auf-bauen können. Die Hypoxie im infizier-ten Gewebe beeinträchtigt im Übrigenauch nachhaltig die oxidativen Abwehr-mechanismen der Leukozyten und dieWirksamkeit einiger Antibiotika.

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M-ProteinZum anderen sind diese Erkrankungengerade durch die systemische Über-schwemmung des Körpers mit bakteriel-len Exotoxinen und Enzymen als wich-tigstes pathogenetisches Merkmal cha-rakterisiert.Neben den Virulenzfaktorender Toxine werden bestimmte Oberflä-chenproteine, insbesondere das M-Prote-in, das der Phagozytose durch Abwehr-zellen entgegenwirkt, von einer Vielzahlunterschiedlicher Streptokokkenstämmeexprimiert. Die meisten Stellen, die mitnekrotisierenden Weichteilinfektionen as-soziiert sind,bilden einen Subtyp M I oderM III.

Bakterielle ExotoxineWohl noch entscheidender für die Viru-lenz der Streptokokken sind die zahlrei-chen Exotoxine, die ebenfalls in stamm-spezifischer Weise exprimiert werden.Die-se und weitere Streptokokkenexotoxinewerden zzt. intensiv erforscht, allen ge-meinsam scheint die Wirksamkeit als Su-perantigen zu sein, d. h. sie führen zu ei-ner umfassenden,meist überschießendenImmunantwort im Sinne einer unkontrol-lierten Ausschüttung diverser Zytokine,die nach kurzer Zeit zur Dekompensationdes Gesamtorganismus und zum Folge-bild eines toxischen Schocks führt [4]

Bei 1/9 Patienten war der Übergang vonzunehmenden uncharakteristischen Symp-tomen bis hin zur vollständigen Schock-symptomatik nicht rechtzeitig erkanntworden,sodass der Patient bereits mit pro-trahiertem Schocksyndrom aufgenom-men wurde und die extensive Behandlungdes Halses zu keiner Verbesserung des All-gemeinzustandes führte.

Hyperbare Sauerstofftherapie

In diesem Zusammenhang ist der Einsatzder hyperbaren Sauerstofftherapie (HBO)als adjuvante Therapieform zu diskutie-ren,da sie nachweislich den Sauerstoffge-halt in entzündetem Gewebe erhöht undso eine verbesserte Oxygenierung ischä-mischer Grenzzonen bewirkt. Auch dersauerstoffabhängige Phagozytose- undReparaturmechanismus wird neben ei-ner Ödemreduktion durch die HBO be-günstigt [13, 14]. Für die Behandlung derclostridialen Myonekrose wird die Indi-

kation zur HBO noch vor die operativeIntervention gestellt,während die Indika-tion zur Behandlung der nekrotisieren-den Fasziitis oder der nekrotisierendenWeichteilinfektionen kontrovers disku-tiert wird [7, 12].

Während Studien von Riseman et al.[22] und Brown et al. [6] eine statistischsignifikante Senkung der Letalität in derGruppe der HBO Patienten zeigen, hatShupak [23] keine Veränderung der Leta-lität aufzeigen können. Zudem werdenStudienergebnisse von Brown und Rise-man et al. infolge unterschiedlich zusam-mengesetzter Patientenbehandlungsgrup-pen kontrovers diskutiert, sodass Forde-rungen nach prospektiven Studien diesbe-züglich berechtigt sind.

Hierfür wäre eine kontrollierte rando-misierte Studie, die die Effektivität derHBO bei der Behandlung der NF belegt,zukonzipieren.Da das Erkrankungsbild derNF aber ein seltenes Erkrankungsbild dar-stellt, wird die Durchführung dieser ge-forderten Studie wahrscheinlich nichtpraktikabel werden.Der Einsatz der HBOwird heute als adjuvante Therapie nebenChirurgie und Antibiose in sinnvoller Er-gänzung gewertet, sofern Antibiose undchirurgische Sanierung nicht allein alsausreichend erscheinen und der Aufwanddieser Maßnahme den Patienten nicht zu-sätzlich vital gefährdet.

Aus diesen Gründen war für den an ei-nem STSS leidenden Patienten,eine HBOzwar indiziert, die aber infolge desschlechten Allgemeinzustandes nicht ohneletales Risiko vertretbar gewesen wäre[18].Da die anderen Patienten gut auf diechirurgische und antibiotische Behand-lung ansprachen, was auch insgesamt ander Mortalität der behandelten Fälle zusehen ist (20%), haben wir bei ihnen vonder Durchführung einer HBO abgesehen.

Fazit für die Praxis

Nekrotisierende Weichteilinfektionen stellenein schweres Erkrankungsbild dar, das nachunseren Ergebnissen einer chirurgischen In-tervention innerhalb der ersten 24 h nachAuftreten der Symptome bedarf. Bildgeben-de Verfahren wie CT und MRT des Halses bzw.Thorax geben das Ausmaß der Infektion wie-der, wobei eine Signalanreicherung in der T2-Wichtung der Kernspintomographie auf eine

nekrotisierende Fasziitis (NF) hinweist. DieDiagnose wird letztendlich makroskopischlokal am Gewebe sowie histologisch gestellt,sodass bei klinisch objektivierbarem Verdachtunverzüglich eine operative Intervention zuerfolgen hat. Diese beinhaltet nicht nur dieEntlastung der lokalisierten Abszesse, son-dern auch eine selektive Neck Dissection, umdas Übergreifen des Infektes auf weitereStrukturen zu vermeiden.Auch mehrfache Einlagen von Drainagen mitkontinuierlichem Sog haben sich bewährt.Wichtig ist das interdisziplinäre Vorgehen in-tensivmedizinisch, chirurgisch und mikrobio-logisch. Auch die frühzeitige Gabe von Anti-biotika in einer Dreifachkombination beiunbekannten Erregern ist obligat für die Be-handlung der NF. Eine hyperbare Sauerstoff-therapie kann adjuvant bei nicht clostridialerFasziitis angewendet werden, sofern es beimAllgemeinzustand des Patienten vertretbarist.

Korrespondierender AutorPriv.-Doz. Dr. med. C. Rudack

HNO-Klinik, Universitätsklinikum Münster,Kardinal-von-Galen-Ring 10, 48149 MünsterE-Mail: [email protected]

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