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LESERBRIEF Z Kardiol 88:300–301 (1999) © Steinkopff Verlag 1999 Therapie der dilatativen Kardio- myopathie mit Wachstumshormon Mit Interesse habe ich die ausgewo- gene Übersicht von Herrn Kollege Osterziel und Mitarbeiter (4) über die Bedeutung von Wachstumshormon (GH) und seines Mediators „Insulin- like Growth Factor-1“ (IGF-1) auf das kardiovaskuläre System und insbeson- dere auf das Herz gelesen. Die er- wähnte und 1997 veröffentlichte Über- sichtsarbeit berichtet auch über tier- experimentelle Ergebnisse, während- dem eine in diesem Jahr publizierte Übersicht zum gleichen Thema (2) in viel geringerem Umfange auf Ergeb- nisse aus der GH-Behandlung einer dilatativen Kardiomyopathie beim Tier eingeht. Um eine Verbindung zwischen den beiden Übersichtsarbeiten herzustellen und dem tierexperimentell nicht ge- schulten Kliniker die Versuche am Tier etwas verständlicher zu machen, sei hier kurz auf einige Tiermodelle der dilatativen Kardiomyopathie und auf Ergebnisse aus der Behandlung dersel- ben mit GH (durch rekombinante DNA-Technik hergestelltes humanes Wachstumshormon, r-hGH) respektive IGF-1 eingegangen. Molekulare Krankheitsmodelle: Die Möglichkeit, ein rekombinantes DNA- Fragment in die Keimbahn eines Tieres (beispielsweise einer Maus) einzu- schleusen oder ein endogenes zellulä- res Gen mit hoher Präzision zu ver- ändern oder zu inaktivieren, hat zu so- genannten „transgenen“ und „Knock- out“-Tieren geführt. Diese dienen als wertvolle, präzise definierte und repro- duzierbare Modelle für die Pathoge- nese und Therapie einer Vielzahl medi- zinisch relevanter Krankheiten. Die Transgen- und Knockout-Technologie gehört heute zum Standardrepertoire der molekulargenetischen und biomedizinischen Forschung. Transgene und Knockout-Mäuse: Bei der transgenen Maus wird ein rekombinantes DNA-Fragment, das sogenannte „Transgen“, in das Genom des Tieres eingeschleust. Die Ein- schleusung des Transgens in das Maus- genom erfolgt durch Mikroinjektion in ein befruchtetes Ei vor der ersten Zell- teilung. Diese Ei-Manipulation hat die Entstehung einer bestimmten Krank- heit zur Folge. Im Gegensatz zum Transgen-Ansatz soll beim Knockout ein spezifisches Gen der Maus verän- dert oder inaktiviert werden, was eben- falls zur Entstehung einer Krankheit führen kann. Einige Beispiele von Mausmodellen der dilatativen Kardiomyopathie sind in Tabelle 1 (modifiziert nach 3) aufgeführt. Doxorubicin-induzierte dilatative Kardiomyopathie: Ein weiteres tier- experimentelles Modell der dilatativen Kardiomyopathie ist die Doxorubicin- induzierte Kardiomyopathie. Doxo- rubicin ist ein sogenanntes zytostati- sches Antibiotikum, welches vornehm- lich bei sonst therapieresistenten Leukämien und Lymphomen eingesetzt wird. Die Substanz übt sowohl eine akute als auch eine chronische Kardio- toxizität aus. Bei Ratten mit Doxorubi- cin-bedingter Kardiomyopathie wurde versucht zu zeigen, daß IGF-1 die Funktion von vorgeschädigtem Herz- muskelgewebe verbessern kann, wobei die Ergebnisse nicht eindeutig waren (1). Bei den von Ryoke und Mitarbeiter mit r-hGH behandelten Hamstern mit terminaler dilatativer Kardiomyopathie (Arbeit bisher nur in Abstrakt-Form veröffentlicht) ist nicht erkennbar, um welches tierexperimentelle Modell es sich handelt (5). Zukunft: Die Transgen- und Knock- out-Technologie ist aus der modernen molekulargenetischen und biomedizini- schen Forschung nicht mehr wegzu- denken und liefert heute präzise defi- nierte Krankheitsmodelle für die Untersuchung der molekularen Patho- genese und die Evaluation neuer pharmakologischer und gentherapeuti- scher Strategien. ZFK 423 Dr. med. P. Dreifuss ( ) Bartenheimerstraße 25 CH-4055 Basel Tab. 1 Transgene und Knockout-Modelle der dilatativen Kardiomyopathie bei der Maus (modi- fiziert nach 3; Verwertungsrechte bei Elsevier Science B.V., Amsterdam, Niederlande) Molekulargenetische Manipulation Krankheit Transgene Modelle Epstein-Barr-Virus nukleäres Antigen (EBV nuclear antigen) Dilatative Kardiomyopathie Polyoma Virus großes T-Antigen Kardiomyopathie (Polyoma virus large T-antigen) Myogener Faktor 5 (Myogenic factor 5) Kardiomyopathie α-Untereinheit des stimulierenden G-Proteins Dilatative Kardiomyopathie (cardiac stimulatory G protein α subunit) Nervenwachstumsfaktor (Nerve growth factor) Dilatative Kardiomyopathie Knockout-Modelle Muskelprotein LIM (Muscle LIM protein) Dilatative Kardiomyopathie

Therapie der dilatativen Kardiomyopathie mit Wachstumshormon

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LESERBRIEFZ Kardiol 88:300–301 (1999)© Steinkopff Verlag 1999

Therapie der dilatativen Kardio-myopathie mit Wachstumshormon

Mit Interesse habe ich die ausgewo-gene Übersicht von Herrn KollegeOsterziel und Mitarbeiter (4) über dieBedeutung von Wachstumshormon(GH) und seines Mediators „Insulin-like Growth Factor-1“ (IGF-1) auf daskardiovaskuläre System und insbeson-dere auf das Herz gelesen. Die er-wähnte und 1997 veröffentlichte Über-sichtsarbeit berichtet auch über tier-experimentelle Ergebnisse, während-dem eine in diesem Jahr publizierteÜbersicht zum gleichen Thema (2) inviel geringerem Umfange auf Ergeb-nisse aus der GH-Behandlung einerdilatativen Kardiomyopathie beim Tiereingeht.

Um eine Verbindung zwischen denbeiden Übersichtsarbeiten herzustellenund dem tierexperimentell nicht ge-schulten Kliniker die Versuche am Tieretwas verständlicher zu machen, seihier kurz auf einige Tiermodelle derdilatativen Kardiomyopathie und aufErgebnisse aus der Behandlung dersel-ben mit GH (durch rekombinanteDNA-Technik hergestelltes humanesWachstumshormon, r-hGH) respektiveIGF-1 eingegangen.Molekulare Krankheitsmodelle: DieMöglichkeit, ein rekombinantes DNA-Fragment in die Keimbahn eines Tieres(beispielsweise einer Maus) einzu-schleusen oder ein endogenes zellulä-res Gen mit hoher Präzision zu ver-ändern oder zu inaktivieren, hat zu so-genannten „transgenen“ und „Knock-out“-Tieren geführt. Diese dienen alswertvolle, präzise definierte und repro-duzierbare Modelle für die Pathoge-nese und Therapie einer Vielzahl medi-zinisch relevanter Krankheiten. Die

Transgen- und Knockout-Technologiegehört heute zum Standardrepertoireder molekulargenetischen undbiomedizinischen Forschung.Transgene und Knockout-Mäuse:Bei der transgenen Maus wird einrekombinantes DNA-Fragment, dassogenannte „Transgen“, in das Genomdes Tieres eingeschleust. Die Ein-schleusung des Transgens in das Maus-genom erfolgt durch Mikroinjektion inein befruchtetes Ei vor der ersten Zell-teilung. Diese Ei-Manipulation hat dieEntstehung einer bestimmten Krank-heit zur Folge. Im Gegensatz zumTransgen-Ansatz soll beim Knockoutein spezifisches Gen der Maus verän-dert oder inaktiviert werden, was eben-falls zur Entstehung einer Krankheitführen kann. Einige Beispiele vonMausmodellen der dilatativenKardiomyopathie sind in Tabelle 1(modifiziert nach 3) aufgeführt.Doxorubicin-induzierte dilatativeKardiomyopathie: Ein weiteres tier-experimentelles Modell der dilatativenKardiomyopathie ist die Doxorubicin-induzierte Kardiomyopathie. Doxo-rubicin ist ein sogenanntes zytostati-sches Antibiotikum, welches vornehm-lich bei sonst therapieresistentenLeukämien und Lymphomen eingesetztwird. Die Substanz übt sowohl eine

akute als auch eine chronische Kardio-toxizität aus. Bei Ratten mit Doxorubi-cin-bedingter Kardiomyopathie wurdeversucht zu zeigen, daß IGF-1 dieFunktion von vorgeschädigtem Herz-muskelgewebe verbessern kann, wobeidie Ergebnisse nicht eindeutig waren(1). Bei den von Ryoke und Mitarbeitermit r-hGH behandelten Hamstern mitterminaler dilatativer Kardiomyopathie(Arbeit bisher nur in Abstrakt-Formveröffentlicht) ist nicht erkennbar, umwelches tierexperimentelle Modell essich handelt (5).Zukunft: Die Transgen- und Knock-out-Technologie ist aus der modernenmolekulargenetischen und biomedizini-schen Forschung nicht mehr wegzu-denken und liefert heute präzise defi-nierte Krankheitsmodelle für dieUntersuchung der molekularen Patho-genese und die Evaluation neuerpharmakologischer und gentherapeuti-scher Strategien.

ZF

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23Dr. med. P. Dreifuss (✉)Bartenheimerstraße 25CH-4055 Basel

Tab. 1 Transgene und Knockout-Modelle der dilatativen Kardiomyopathie bei der Maus (modi-fiziert nach 3; Verwertungsrechte bei Elsevier Science B.V., Amsterdam, Niederlande)

Molekulargenetische Manipulation Krankheit

Transgene ModelleEpstein-Barr-Virus nukleäres Antigen (EBV nuclear antigen) Dilatative Kardiomyopathie

Polyoma Virus großes T-Antigen Kardiomyopathie(Polyoma virus large T-antigen)

Myogener Faktor 5 (Myogenic factor 5) Kardiomyopathie

α-Untereinheit des stimulierenden G-Proteins Dilatative Kardiomyopathie(cardiac stimulatory G protein α subunit)

Nervenwachstumsfaktor (Nerve growth factor) Dilatative Kardiomyopathie

Knockout-ModelleMuskelprotein LIM (Muscle LIM protein) Dilatative Kardiomyopathie

301P. DreifussLeserbrief

1. Ambler R, Johnston B, Maxwell L, Gavin J,Gluckman P (1993) Improvement of doxo-rubicin induced cardiomyopathy in ratstreated with insulin-like growth factor I. Car-diovasc Res 27:1368–1373

2. Dreifuss P (1998) Die Therapie der termi-nalen dilatativen Kardiomyopathie mitWachstumshormon. Z Kardiol 87:425–435

3. Hasenfuss G (1998) Animal models of hu-man cardiovascular disease, heart failure andhypertrophy. Cardiovasc Res 39:60–76

4. Osterziel K, Markus U, Willenbrock R,Strohm O, Dietz R (1997) Therapie der dila-tativen Kardiomyopathie mit rekombinan-tem humanem Wachstumshormon. Z Kar-diol 86:803–811

5. Ryoke T, Hongo M, Mao L, Clark R, Ross J(1997) Recombinant human growth hor-mone improves ventricular performance inlate stage hamster cardiomyopathy. Circula-tion 96 (Suppl 1):I-521, Abstrakt 2921

Literatur