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H. Schilling • H.-G. Kimont • Fachärzte für Urologie Siegburg/Köln Therapie der erektilen Dysfunktion mit Alprostadil Zum Thema Die Therapie der erektilen Dysfunktion (ED) mit Prostaglandin E1 (PGE1) als intrakaver- nöse Applikation ist in der täglichen urologi- schen Praxis etabliert. Auch durch die orale Therapieoption mit Sildenafil (Viagra) hat sich an dem bisherigen Behandlungskonzept der intrakavernösen Applikation mit vasoak- tiven Substanzen nichts geändert. Vielmehr rücken die pharmakologischen Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile in den Mittel- punkt des Interesses. Durch eine prospektive multizentrische Therapiebefragung in Form einer Anwendungsbeobachtung (AWB) zu dem Prostaglandin E1 Alprostadil (Caver- ject) lassen sich nun auch klinische Aussa- gen an einem großen Patientenkollektiv darstellen. Physiologie Die intrakavernös eingesetzten PGE1 beeinflußen die zelluläre Adenylzyklase mittels membrangebundener PGE1-Re- zeptoren. Die c-AMP vermittelte freie CA ++ -Ionen Konzentrationserhöhung intrazellulär, und führt zur direkten Re- laxation der glatten Muskulatur im Cor- pus cavernosum. Zusätzlich bewirkt die Hemmung der präsynaptischen Noradrenalinfrei- setzung als adrenerger Transmitter eine Zunahme der Relaxation der glatten Muskulatur im Corpus cavernosum [1]. Durchführung der Therapiebefragung Im Rahmen einer Therapiebefragung (AWB) wurden 3529 Patienten durch 825 Urologen in der niedergelassenen Praxis und den urologischen Kliniken mit dem Prostaglandin E1-Alprostadil (Caverject) behandelt und dokumen- tiert. Innerhalb des Beobachtungszeit- raums (2–4 Monate) wurden die klini- schen Ergebnisse an 3 aufeinander fol- genden Behandlungszeitpunkten doku- mentiert, wobei zum Behandlungszeit- punkt 1 die Testdosis und zum Behandlungszeitpunkt 3 die Therapie- dosis patientenindividuell festgelegt wurde. Der Behandlungserfolg (Response) wurde anhand der Erektionsgrade E0–E5 quantifiziert [2]. Demographische Daten Es wurden bei 3529 Patienten die Be- handlungszeitpunkte 1–3 dokumen- tiert. Das mittlere Alter der Patienten be- trug 56,54 Jahre. Nennungen zu Vorer- 432 Der Urologe [B] 5·99 Urologe [B] 1999 · 39: 432–434 Springer-Verlag 1999 Praxisspiegel/Kasuistik Dr. H. Schilling Wolfsbusch 3, D-53773 Hennef Tabelle 1 Ursachen der erektilen Dysfunktion Ursachen für die erektile Dysfunktion Absolute Häufigkeit n = 3529 Patienten Relative Häufigkeit in % Neurogen 495 14,03 Psychogen 767 21,73 Vaskulär 1285 36,41 Gemischt 1466 41,54 (Mehrfachnennungen möglich)

Therapie der erektilen Dysfunktion mit Alprostadil

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Page 1: Therapie der erektilen Dysfunktion mit Alprostadil

H. Schilling · H.-G. Kimont · Fachärzte für Urologie Siegburg/Köln

Therapie der erektilenDysfunktion mit Alprostadil

Zum Thema

Die Therapie der erektilen Dysfunktion (ED)mit Prostaglandin E1 (PGE1) als intrakaver-nöse Applikation ist in der täglichen urologi-schen Praxis etabliert. Auch durch die oraleTherapieoption mit Sildenafil (Viagra�) hatsich an dem bisherigen Behandlungskonzeptder intrakavernösen Applikation mit vasoak-tiven Substanzen nichts geändert. Vielmehrrücken die pharmakologischen Wirkungs-und Nebenwirkungsprofile in den Mittel-punkt des Interesses. Durch eine prospektivemultizentrische Therapiebefragung in Formeiner Anwendungsbeobachtung (AWB) zudem Prostaglandin E1 Alprostadil (Caver-ject�) lassen sich nun auch klinische Aussa-gen an einem groûen Patientenkollektivdarstellen.

Physiologie

Die intrakavernös eingesetzten PGE1beeinfluûen die zelluläre Adenylzyklasemittels membrangebundener PGE1-Re-zeptoren. Die c-AMP vermittelte freieCA++-Ionen Konzentrationserhöhungintrazellulär, und führt zur direkten Re-laxation der glatten Muskulatur im Cor-pus cavernosum.

Zusätzlich bewirkt die Hemmungder präsynaptischen Noradrenalinfrei-setzung als adrenerger Transmitter eineZunahme der Relaxation der glattenMuskulatur im Corpus cavernosum [1].

Durchführung derTherapiebefragung

Im Rahmen einer Therapiebefragung(AWB) wurden 3529 Patienten durch825 Urologen in der niedergelassenenPraxis und den urologischen Kliniken

mit dem Prostaglandin E1-Alprostadil(Caverject) behandelt und dokumen-tiert.

Innerhalb des Beobachtungszeit-raums (2±4 Monate) wurden die klini-schen Ergebnisse an 3 aufeinander fol-genden Behandlungszeitpunkten doku-mentiert, wobei zum Behandlungszeit-punkt 1 die Testdosis und zumBehandlungszeitpunkt 3 die Therapie-dosis patientenindividuell festgelegtwurde.

Der Behandlungserfolg (Response)wurde anhand der ErektionsgradeE0±E5 quantifiziert [2].

Demographische Daten

Es wurden bei 3529 Patienten die Be-handlungszeitpunkte 1±3 dokumen-tiert.

Das mittlere Alter der Patienten be-trug 56,54 Jahre. Nennungen zu Vorer-

432 Der Urologe [B] 5´99

Urologe [B]1999 ´ 39: 432±434 � Springer-Verlag 1999 Praxisspiegel/Kasuistik

Dr. H. SchillingWolfsbusch 3, D-53773 Hennef

Tabelle 1Ursachen der erektilen Dysfunktion

Ursachen für dieerektile Dysfunktion

Absolute Häufigkeitn = 3529 Patienten

Relative Häufigkeitin %

Neurogen 495 14,03Psychogen 767 21,73Vaskulär 1285 36,41Gemischt 1466 41,54

(Mehrfachnennungen möglich)

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krankungen, Operationen oder relevan-ten Medikamenteneinnahmen gab es in53,33 % der behandelten Fälle.

Ergebnisse

Als Ursache der erektilen Dysfunktionkonnte in 14,03 % eine neurogene, in21,73 % eine psychogene, in 36,41 % einevaskuläre und in 41,54 % eine multifak-torielle Genese festgestellt werden (Ta-belle 1).

Dosierung von Alprostadil(Caverject�)

Die patientenindividuelle mittlere in-trakavernöse Dosierungen (Tabelle 2)zum jeweiligen Behandlungszeit-punkt 1±3, lag zwischen 9,82 mg und13,8 mg Alprostadil (Caverject�).

Der Median betrug 10 mg Alprosta-dil (Caverject�).

Erektionsgrade der gesamtenBehandlung 1±3

Bei der Untersuchung des Response(Tabelle 3), also der Summe aller doku-mentierten Erektionsgraden E0 bis E5,

ergibt sich eine deutliche Zunahme derErektionsgrade (E4 + E5) von Behand-lung 1 bis zur Behandlung 3 (Abb. 1).

In Behandlung 3 ist dann die pati-entenindividuelle Dosierung von Alpro-stadil (Caverject�) für die Selbstappli-kation (SKAT) festgelegt.

Gesamt Response mit einemErektionsgrad E4/E5

Zum Abschluû der Beobachtungen mitdokumentierten Erektionen Grad E4/E5 betrug der Gesamt-Response86,64 % (Tabelle 4).

Erektionsdauer

Unter intracavernöser Alprostadil (Ca-verject�)-Injektion war eine Verlänge-rung der mittleren Erektionsdauer zuverzeichnen. Die Erektionsdauer betrugzu Beobachtungsbeginn (Behand-lung 1) nach intrakavernöser Applika-tion im Mittel 44,46 min. Zum Abschluûder Beobachtung lag der Mittelwert bei52,12 min.

Nach subjektiver Einschätzung war87,5 % der behandelten Patienten einebefriedigende Sexualität durch dieSKAT Therapie mit Alprostadil (Caver-ject�) möglich.

Nebenwirkungen

Die durch die intrakavernöse Applikati-onsform mit vasoaktiven Substanzenhervorgerufenen typischen Begleiter-scheinungen wie Brennen nach Injek-tion, lokale Hämatom- und Ödembil-

Der Urologe [B] 5´99 433

Tabelle 2Mittlere Dosis in mg und Median der Dosis Alprostadil (Caverject�)

Behandlung mit Caverject� Gültigen = Patienten

Mittlere Dosis[mg]

Median[mg]

Dosis 1 (Behandlung 1) 3514 9,82 10Dosis 2 (Behandlung 2) 3362 12,38 10Dosis 3 (Behandlung 3) 3099 13,80 10

Tabelle 3Dokumentierte Erektionsscore für Behandlung 1±3 (alle Dosierungen)

ErektionsscoreAlle Dosen

Abs.Häufig-keit

Rel.Häufig-keit

Abs.Häufig-keit

Rel.Häufig-keit

Abs.Häufig-keit

Rel.Häufig-keit

Behandlung 1 Behandlung 2 Behandlung 3

Patienten n 3529 3529 3529

E0 239 6,77 151 4,28 98 2,78E1 304 8,61 81 2,30 26 0,74E2 595 16,86 223 6,32 69 1,96E3 732 20,74 526 14,91 217 6,15E4 884 25,05 1210 34,29 1199 33,98E5 728 20,63 1134 32,13 1460 41,37Keine Angabe 47 1,33 204 5,78 460 13,03

Abs. absolute, Rel. relative

Abb. 1 ~ Erektionsscore (gesamt)

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dung waren in 11,3 % als behandlungs-bedürftig genannt worden.

Eine prolongierte Erektion (2±4 hnach Injektion) trat in 1,9 % der Fälleauf. Eine Behandlungsbedürftigkeitwar aufgrund des spontanen Abklingender prolongierten Erektion nicht not-wendig. Der behandlungsbedürftigePriapismus (Erektionsdauer > 4 h) tratlediglich in 0,82 % der Fälle auf.

Im Vergleich hierzu beträgt diePriapismusrate bei intrakavernöser Mo-noapplikation mit Papavarin 10 % [3].

Fazit für die Praxis

Anhand der vorliegenden Daten stellt dieBehandlung der erektilen Dysfunktion mitintracavernöser Alprostadil-Applikation (Ca-verject�) eine nebenwirkungsarme und ef-fektive Diagnostik- und Therapieoption dar.

Sowohl die einfache Steuerbarkeit beider individuellen Dosisfinding, als auch diehohe Erfolgsquote bei der Behandlung dererektilen Dysfunktion läût sich hieraus ablei-ten.

Durch die patientenindividuelle Dosis-anpassung konnte ein Response mit einemErektionsscore von E4±E5 in bis zu 86,64 %der behandelten Patienten zum Abschluû derTherapiebeobachtung nachgewiesen wer-den.

Die geringe Priapismusrate des Alpro-stadil (Caverject�) von 0,82 % der Fälle, bele-gen die Bedeutung in der Diagnostik undTherapie von erektiler Dysfunktion in dertäglichen urologischen Praxis.

Literatur1. Hedlund H, Anderson KE (1985) Contractions

and relaxations induced by some prosta-noids in isolated human penil erectile tis-sue and cavernous artery. J Urol134: 1245±1250

2. Bähren W, Gall H, Scherb W, Holski C, Sparwas-ser C (1990) Der Skat-Test in der Diagnostikder erektilen Dysfunktion. Diagnostik undTherapie der erektilen Dysfunktion mit va-soaktiven Substanzen. De Gruyter, Berlin1990: 32

3. Porst H (1995) Die erektile Dysfunktion ±aktualisierte Diagnostik und Therapie inPraxis und Klinik. H¾B 5: 168±180

434 Der Urologe [B] 5´99

Tabelle 4Gesamtresponse mit Erektionsscore E4/E5 für Behandlung 1±3

ErektionsscoreAlle Dosierungen

Abs.Häufig-keit

Rel.Häufig-keit

Abs.Häufig-keit

Rel.Häufig-keit

Abs.Häufig-keit

Rel.Häufig-keit

Nennungen E0±E5 Behandlung 1 Behandlung 2 Behandlung 3

Patienten (n) 3482 3325 3069

E4 884 25,38 1210 36,39 1199 39,07E5 728 20,90 1134 34,10 1460 47,57Response (E4 + E5) 1612 46,29 % 2344 70,49 % 2659 86,64 %

Abs. absolute, Rel. relative

Fachnachrichten

Erwin Fertig-Preis für Urologische Onkologie

Der Fachbereich Humanmedizin der

Justus-Liebig-Universität Gießen schreibt

den Erwin Fertig-Preis für

Urologische Onkologie 1999 aus.

Der Preis ist mit DM 10.000,-- dotiert.

Der Preis ist für hervorragende wissen-

schaftliche Leistungen auf dem Gebiet der

urologischen Onkologie ausgeschrieben.

Er dient der Förderung von Wissenschaft-

lern, die auf diesem Spezialgebiet der

Medizin besondere Leistungen erbracht

haben, die insbesondere eine Umsetzung

in den klinischen Alltag erwarten lassen.

Für den Preis können Originalarbeiten in

deutscher oder englischer Sprache einge-

reicht werden, die in den Jahren 1998 und

1999 publiziert worden sind oder zur

Publikation angenommen wurden.

Bewerbungsfrist: 1. Dezember 1999

Unterlagen an den Dekan des

Fachbereichs Humanmedizin und

Ärztlichen Direktor des Klinikums der

Justus-Liebig-Universität Gießen:

Herrn Prof. Dr. K. Knorpp

Rudolf-Buchheim-Straße 8

D-35392 Gießen