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DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.05885.x Leitlinien 511 JDDG |6 ˙ 2006 (Band 4) Leitlinie Therapie der Psoriasis vulgaris mit Efalizumab Ulrich Mrowietz, Joachim Barth, Wolf-Henning Boehncke, Kristian Reich, Thomas Rosenbach, Volker Streit, Gottfried Wozel Einleitung Der monoklonale Antikörper Efalizu- mab (Raptiva®) ist seit 2004 zur Thera- pie der chronischen Plaque-Typ Psoriasis (Psoriasis vulgaris) in Deutschland zuge- lassen. Efalizumab gehört zur Gruppe der so genannten Biologics, therapeuti- schen Substanzen, die durch biotechno- logische Verfahren hergestellt werden. Efalizumab ist ein humanisierter mono- klonaler Antikörper, der an die CD11a- Untereinheit des Lymphozyten-Funktions- assoziierten Antigens 1 (LFA-1) bindet. LFA-1 wird auf der Oberfläche von Leu- kozyten exprimiert und vermittelt durch Bindung an das Interzelluläre Adhäsions- Molekül 1 (ICAM-1) die Anheftung von Leukozyten an aktivierte Endothelzellen und an Keratinozyten. Zudem spielt die LFA-1/ICAM-1 Bindung auch bei Anti- gen-Präsentation zwischen dendritischen Zellen und T-Zellen als so genanntes ko- stimulatorisches Signal eine Rolle. Efali- zumab vermindert so einerseits die Akti- vierung von T-Zellen und andererseits die Auswanderung aktivierter Leukozyten aus dem Blut in die Haut und weiterhin eine Leukozyten-Keratinozyten Interaktion. Weltweit liegen Erfahrungen bei über 11 000 Patienten mit Psoriasis vor (Stand Mai 2005), die mit Efalizumab teilweise über 3 Jahre lang behandelt wurden. Große, kontrollierte Studien mit Efalizu- mab wurden durchgeführt und veröf- fentlicht. Berichte über die Anwendung von Efalizumab in anderen Indikationen liegen bislang nicht vor. Die Psoriasis- Arthritis scheint auf Efalizumab nicht ausreichend anzusprechen. Die im Folgenden aufgeführten Empfeh- lungen erfassen die wesentlichen Aspekte der Therapie der Psoriasis vulgaris mit Efalizumab. Sie sind nach den aktuellen Erkenntnissen der wissenschaftlichen Li- teratur und der bisherigen therapeuti- schen Erfahrung gestaltet. Indikationen Erfahrungen liegen für Erwachsene ab dem 18. Lebensjahr vor. Eine Therapie der Psoriasis vulgaris mit Efalizumab kann bei Patienten mit mit- telschweren bis schweren Formen der Psoriasis vulgaris erfolgen, wenn zuvor Therapien mit Methotrexat, Fumarsäu- reestern, Ciclosporin oder Photochemo- therapie (PUVA) keinen ausreichenden klinischen Erfolg gezeigt haben, die The- rapie mit diesen Medikamenten wegen Unverträglichkeit zum Therapieabbruch geführt hat oder Kontraindikationen ge- gen diese Medikamente oder Therapie- verfahren bestehen. Nicht mit Efalizumab behandelt werden sollten: Patienten mit bekannter Überemp- findlichkeit gegenüber Efalizumab Patienten mit schweren Infektionen (akut/chronisch), auch lokalisiert (z. B. Abszess) Patienten mit malignen Erkrankun- gen in der Anamnese (Ausnahme: Basalzellkarzinom) Patienten mit Immunschwächen (z. B. Transplantatempfänger unter immunsuppressiver Therapie) Schwangere und/oder stillende Pati- entinnen Keine Erfahrungen liegen vor über: Impfungen. Es wird empfohlen un- ter einer Therapie mit Efalizumab keine Impfungen durchzuführen. Bei notwendigen Impfungen sollte die Efalizumab-Therapie 8 Wo- chen vorher abgesetzt werden und kann 2 Wochen nach der Impfung begonnen oder weitergeführt wer- den. Bei einem geplanten operativen Eingriff sollte die Efalizumab-Therapie min- destens 2 Wochen zuvor ausgesetzt werden. Dosierung Die Efalizumab-Behandlung beginnt mit einer initialen Einzeldosis von 0,7 mg/kg/KG subkutan appliziert. Anschließend werden in wöchentlichen Abständen 1 mg/kg/KG subkutan gege- ben, eine Höchstdosis von 200 mg pro Einzeldosis/Injektion sollte jedoch nicht überschritten werden. Eine Dosisanpassung für ältere Patienten oder bei einer Einschränkung der Nie- renfunktion ist nicht erforderlich. Therapiedauer Die Dauer der Efalizumab-Behandlung richtet sich nach dem klinischen An- sprechen und sollte zunächst 12 Wo- chen betragen. Spricht der Patient auf die Therapie ausreichend an, kann langfristig mit Efalizumab weiter be- handelt werden wobei sich das klini- sche Ansprechen über einen Zeitraum von mehreren Monaten weiter verbes- sern kann. Redaktion Prof. Dr. Hans Christian Korting, München

Therapie der Psoriasis vulgaris mit Efalizumab

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DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.05885.x Leitlinien 511

JDDG | 6˙2006 (Band 4)

Leitlinie

Therapie der Psoriasis vulgaris mit Efalizumab

Ulrich Mrowietz, Joachim Barth, Wolf-Henning Boehncke, Kristian Reich,Thomas Rosenbach,

Volker Streit, Gottfried Wozel

EinleitungDer monoklonale Antikörper Efalizu-mab (Raptiva®) ist seit 2004 zur Thera-pie der chronischen Plaque-Typ Psoriasis(Psoriasis vulgaris) in Deutschland zuge-lassen. Efalizumab gehört zur Gruppeder so genannten Biologics, therapeuti-schen Substanzen, die durch biotechno-logische Verfahren hergestellt werden.Efalizumab ist ein humanisierter mono-klonaler Antikörper, der an die CD11a-Untereinheit des Lymphozyten-Funktions-assoziierten Antigens 1 (LFA-1) bindet.LFA-1 wird auf der Oberfläche von Leu-kozyten exprimiert und vermittelt durchBindung an das Interzelluläre Adhäsions-Molekül 1 (ICAM-1) die Anheftung vonLeukozyten an aktivierte Endothelzellenund an Keratinozyten. Zudem spielt dieLFA-1/ICAM-1 Bindung auch bei Anti-gen-Präsentation zwischen dendritischenZellen und T-Zellen als so genanntes ko-stimulatorisches Signal eine Rolle. Efali-zumab vermindert so einerseits die Akti-vierung von T-Zellen und andererseits dieAuswanderung aktivierter Leukozyten ausdem Blut in die Haut und weiterhin eineLeukozyten-Keratinozyten Interaktion.Weltweit liegen Erfahrungen bei über 11 000 Patienten mit Psoriasis vor (StandMai 2005), die mit Efalizumab teilweiseüber 3 Jahre lang behandelt wurden.Große, kontrollierte Studien mit Efalizu-mab wurden durchgeführt und veröf-fentlicht. Berichte über die Anwendungvon Efalizumab in anderen Indikationenliegen bislang nicht vor. Die Psoriasis-Arthritis scheint auf Efalizumab nichtausreichend anzusprechen.

Die im Folgenden aufgeführten Empfeh-lungen erfassen die wesentlichen Aspekteder Therapie der Psoriasis vulgaris mitEfalizumab. Sie sind nach den aktuellenErkenntnissen der wissenschaftlichen Li-teratur und der bisherigen therapeuti-schen Erfahrung gestaltet.

IndikationenErfahrungen liegen für Erwachsene abdem 18. Lebensjahr vor. Eine Therapie der Psoriasis vulgaris mitEfalizumab kann bei Patienten mit mit-telschweren bis schweren Formen derPsoriasis vulgaris erfolgen, wenn zuvorTherapien mit Methotrexat, Fumarsäu-reestern, Ciclosporin oder Photochemo-therapie (PUVA) keinen ausreichendenklinischen Erfolg gezeigt haben, die The-rapie mit diesen Medikamenten wegenUnverträglichkeit zum Therapieabbruchgeführt hat oder Kontraindikationen ge-gen diese Medikamente oder Therapie-verfahren bestehen.Nicht mit Efalizumab behandelt werdensollten:• Patienten mit bekannter Überemp-

findlichkeit gegenüber Efalizumab • Patienten mit schweren Infektionen

(akut/chronisch), auch lokalisiert (z. B. Abszess)

• Patienten mit malignen Erkrankun-gen in der Anamnese (Ausnahme:Basalzellkarzinom)

• Patienten mit Immunschwächen (z. B. Transplantatempfänger unterimmunsuppressiver Therapie)

• Schwangere und/oder stillende Pati-entinnen

Keine Erfahrungen liegen vor über:• Impfungen. Es wird empfohlen un-

ter einer Therapie mit Efalizumabkeine Impfungen durchzuführen.Bei notwendigen Impfungen solltedie Efalizumab-Therapie 8 Wo-chen vorher abgesetzt werden undkann 2 Wochen nach der Impfungbegonnen oder weitergeführt wer-den.

Bei einem geplanten operativen Eingriffsollte die Efalizumab-Therapie min-destens 2 Wochen zuvor ausgesetztwerden.

DosierungDie Efalizumab-Behandlung beginntmit einer initialen Einzeldosis von 0,7 mg/kg/KG subkutan appliziert.Anschließend werden in wöchentlichenAbständen 1 mg/kg/KG subkutan gege-ben, eine Höchstdosis von 200 mg proEinzeldosis/Injektion sollte jedoch nichtüberschritten werden. Eine Dosisanpassung für ältere Patientenoder bei einer Einschränkung der Nie-renfunktion ist nicht erforderlich.

TherapiedauerDie Dauer der Efalizumab-Behandlungrichtet sich nach dem klinischen An-sprechen und sollte zunächst 12 Wo-chen betragen. Spricht der Patient aufdie Therapie ausreichend an, kannlangfristig mit Efalizumab weiter be-handelt werden wobei sich das klini-sche Ansprechen über einen Zeitraumvon mehreren Monaten weiter verbes-sern kann.

Redaktion

Prof. Dr. Hans Christian Korting,

München

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JDDG | 6˙2006 (Band 4)

TherapieabbruchEin Therapieabbruch muss bei Eintretenvon schwerwiegenden unerwünschtenArzneimittelwirkungen, Neudiagnose ei-nes Malignoms oder bei Eintreten einerSchwangerschaft erfolgen. Bei Anzeicheneiner schweren Infektion (zum BeispielAntibiotika-pflichtig) muss die Efalizu-mab-Therapie abgebrochen oder vorü-bergehend ausgesetzt werden.Die Therapie sollte nach 12 Wochen be-endet werden, wenn kein ausreichenderTherapieerfolg erreicht werden konnte.

WechselwirkungenArzneimittelinteraktionen sind bislangnicht beschrieben worden.Impfungen (siehe „Indikationen“).

Unerwünschten ArzneimittelwirkungenUnter einer Therapie mit Efalizumabsind unerwünschte Arzneimittelwirkun-gen beobachtet worden, bei denen dieFolgenden besonders zu beachten sind: • Reaktionen nach Injektion. Sehr häu-

fig treten nach der Gabe von Efalizu-mab Grippe-artige Symptome wieKopfschmerzen, Fieber, Schüttel-frost, Übelkeit oder Myalgien auf.Diese Symptome werden im Verlaufder Therapie in Inzidenz und Aus-prägung geringer.

• Leuko- und Lymphozytose. Offen-sichtlich wirkt sich die Blockade derAuswanderung von Leukozyten ausden Gefäßen durch Efalizumab inRichtung einer peripheren Leuko-bzw. Lymphozytose aus. Diese istnach Absetzen reversibel.

• Thrombozytopenie. Unter der Thera-pie mit Efalizumab kann es gelegent-lich zu passageren Thrombozytope-nien kommen.

• Anstieg von ALAT und alkalischerPhosphatase. Bei etwa 5 % der mitEfalizumab behandelten Patientenkommt es zu einem Anstieg vonALAT und/oder alkalischer Phos-phatase im Serum. Diese Werte nor-malisieren sich nach Absetzen.

• Antikörper gegen Efalizumab. DasAuftreten von Antikörpern gegen

Efalizumab wurde beschrieben, de-ren Bedeutung ist bisher unklar.

• Verschlechterung der Psoriasis. Eskann unter der Therapie mit Efalizu-mab zur Umwandlung einer Psoria-sis vulgaris in eine pustulöse odererythrodermatische Form kommen.Ferner kann es nach Absetzen vonEfalizumab zu einem verstärktenWiederauftreten der Erkrankung imSinne eines Rebounds kommen.

• Infektionen. Das Risiko schwerer In-fektionen ist unter Efalizumab insge-samt gering jedoch in klinischenStudien gegenüber Plazebo erhöht.

TherapieüberwachungVor einer Therapie mit Efalizumab soll-ten folgende Untersuchungen durchge-führt werden:• Blutbild einschl. Differentialblutbild• Routine-Serum-Parameter (z. B. Nieren-

und Leberwerte)• Urin-Status (Teststreifen)Während einer kontinuierlichen Therapiemit Efalizumab sollten die o. g. Parameterregelmäßig kontrolliert werden. Bis zumVorliegen internationaler Richtliniensollte dies alle 4 Wochen bis zur Woche12 durchgeführt werden. Bei fortgesetzterTherapie wird eine Kontrolle in 3-mona-tigen Abständen empfohlen.Bei Verdacht auf das Vorliegen einer In-fektion sollten Infektions-assozierte Un-tersuchungen (z. B. BSG, CRP, Abstri-che etc.) veranlasst werden.

Kombinationsbehandlungen mitEfalizumab Alle topischen Dermatika können miteiner Efalizumab-Behandlung kombi-niert werden. Über andere Kombinationsbehandlun-gen mit z. B. Fumarsäureestern, Ciclos-porin, Retinoiden oder einer UV-Thera-pie liegen bislang keine Erkenntnisse vor.

Verfahren zur KonsensbildungLeitung und Koordination: Prof. Dr. med. Ulrich MrowietzTeilnehmer: Prof. Dr. med. JoachimBarth, Prof. Dr. med. Wolf-Henning

Boehncke, Prof. Dr. med. KristianReich, Priv. Doz. Dr. med. Thomas Ro-senbach, Dr. med. Volker Streit, Prof.Dr. med. Gottfried WozelVertretene Gesellschaften und Berufs-verbände: Berufsverband der DeutschenDermatologen, Deutsche Dermatologi-sche GesellschaftLeitlinie Stufe: 1Gültigkeit: 30.09.2010ICD-10 Ziffer: L40.0 <<<

KorrespondenzanschriftProf. Dr. med. U. MrowietzUniversitäts-Hauklinik KielSchittenhelmstr. 7D-24105 KielE-Mail: [email protected]

Literatur1 Boehncke WH, Friedrich M, Mrowietz

U et al. Stellenwert von Biologics in der

Psoriasis-Therapie: Ein Konsensus-Pa-

pier der Arbeitsgruppe Psoriasis in der

Arbeitsgemeinschaft Dermatologische

Forschung. JDDG 2003; 1: 620–628.

2 Gottlieb AB, Gordon KB, Lebwohl

MG et al. Extended efalizumab therapy

sustains efficacy without increasing to-

xicity in patients with moderate to se-

vere chronic plaque psoriasis. J Drugs

Dermatol 2004; 3: 614–623.

3 Lebwohl M, Tyring SK, Hamilton TK

et al. A novel targeted T-cell modulator,

efalizumab, for plaque psoriasis. N

Engl J Med 2003; 249: 2004–2013.

4 Menter A, Gordon K, Carey W et al.

Efficacy and safety observed during 24

weeks of efalizumab therapy in patients

with moderate to severe plaque psoria-

sis. Arch Dermatol 2005; 141: 31–38.

5 Sterry W, Barker J, Boehncke WH et al.

Biological therapies in the systemic ma-

nagement of psoriasis : international

consensus conference. Br J Dermatol

2004; 151(Suppl. 69): 3–17.

6 Wozel G (Hrsg.) Biologics in der Der-

matologie. Uni-Med Verlag, Bremen,

2004, S. 100–111.