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Trauma Berufskrankh 2013 · 15[Suppl 2]:169–173 DOI 10.1007/s10039-013-1941-x Online publiziert: 29. März 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 G. Hanebuth Abteilung für Handchirurgie und wiederherstellende Plastische Chirurgie, BG-Unfallklinik Frankfurt am Main Therapie von Infektionen  an der Hand Entzündungen an der Hand können durch Verletzungen, unzureichende Hy- giene, Superinfektionen, z. B. bei Sklero- dermie, oder Noxen hervorgerufen wer- den. Aufgrund der häufig geringen Aus- prägung und Größe werden sie meist ba- gatellisiert und daher zu spät konsequent behandelt. Einige anatomische Besonderheiten an der Hand ermöglichen eine sehr rasche Ausbreitung einer Entzündung, z. B. die Sehnenscheiden der Beugesehnen oder der Karpalkanal, der wie ein Tunnel den Hohlhandraum mit dem Paronaraum am Unterarm verbindet. Während der Ent- zündungsausbreitung können typische Entzündungszeichen wie Rötung, Schwel- lung und Überwärmung fehlen. Insbesondere auf der Greifseite, auf der sich die meisten Verletzungen ereignen, ist die Haut durch bindegewebige Sep- ten gut fixiert, damit wir sicher zugreifen können. Dies verhindert aber auch, dass es an dieser Lokalisation zu stärkeren ent- zündlichen Schwellungen kommen kann. Daher treten ausgeprägte Schwellungen meist am Handrücken auf, wo die Haut sehr gut verschieblich ist, auch wenn die ursprüngliche Keimeinbringung auf der Beugeseite erfolgte (. Abb. 1). Aufklärung des Patienten Entzündungen an der Hand, die nicht nur isoliert ein Fingerglied betreffen, führen häufig zu bleibenden Funktions- störungen. Eine dauerhafte Gebrauchs- minderung und eine Kälteempfindlich- keit der Hand sind nicht als Risiko oder Komplikation zu sehen – sie sind zu er- warten! Deshalb müssen auch kleinere Entzündungen an den Fingern oder der Hand ernst genommen und konsequent behandelt werden. Zu erwarten ist eben- falls, dass eine einmalige Operation nicht ausreicht. Vielmehr muss der Operateur dem Patienten bereits vor dem ersten Ein- griff mitteilen, dass wahrscheinlich weite- re Eingriffe nötig sein werden. Dann wird der Patient später nicht den Vorwurf er- heben, dass die erste Operation nicht aus- reichend sorgfältig durchgeführt worden sei. Häufig sind Etappenrevisionen erfor- derlich, manchmal auch plastische De- ckungen. Echte Risiken einer Infektion an der Hand sind eine bleibende Minderung der Gebrauchsfähigkeit derselben und der Verlust eines oder mehrerer Finger bis hin zum Verlust der Hand. Diagnose Anamnese: wichtig für Entscheidungsfindung Wichtige Fragen bei der ersten Untersu- chung des Patienten sind: F   Entwickelte sich die Entzündung schleichend, rasant oder erst lang- sam, aber in den letzten Stunden sehr schnell? F   Sind Verletzungen erinnerlich? F   Könnten noch Fremdkörper in der Wunde stecken? F   Hatte der Patient ungeschützten Um- gang mit aggressiven Substanzen? Ebenso wichtig ist auch die Frage nach Begleiterkrankungen. Da sich Entzün- dungen bei Immunsupprimierten und Abwehrgeschwächten schneller ausbrei- ten, ist hier frühzeitig an eine Operation zu denken, während bei systemischen Er- krankungen wie Gicht, Rheuma oder Kol- lagenosen wie Sklerodermie oder Lupus erythematodes eher konservativ vorge- gangen werden kann, es sei denn, es liegt augenscheinlich eine Superinfektion vor. Einen entscheidenden Hinweis liefert die Information über die Schmerzcharakte- ristik: schildert der Patient ein Klopfen und Pochen in der Hand, womöglich mit Störung der Nachtruhe, ergibt sich allein daraus nahezu zwingend eine Operations- indikation [1]. Labor Leukozyten und CRP (C-reaktives Prote- in), ggf. auch Harnsäure, sollten als Aus- gangspunkt für Verlaufsbeurteilungen bestimmt werden. Eine Leukozytose oder CRP-Erhöhung dürfen aber nicht erwar- tet werden, sodass eine Entscheidung für oder gegen eine Operation nicht von La- borwerten abhängig gemacht werden darf. Bildgebung Osteolysen im Röntgenbild treten erst bei weit fortgeschrittenen Entzündungen auf. Nichtsdestotrotz sind bei der Diagnose- stellung auch Röntgenaufnahmen zur Dokumentation einer vorliegenden oder noch nicht ersichtlichen Knochenbeteili- gung durchzuführen. Handverletzungen 169 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2013|

Therapie von Infektionen an der Hand; Treatment of hand infections;

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Page 1: Therapie von Infektionen an der Hand; Treatment of hand infections;

Trauma Berufskrankh 2013 · 15[Suppl 2]:169–173DOI 10.1007/s10039-013-1941-xOnline publiziert: 29. März 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

G. HanebuthAbteilung für Handchirurgie und wiederherstellende Plastische Chirurgie,

BG-Unfallklinik Frankfurt am Main

Therapie von Infektionen an der Hand

Entzündungen an der Hand können durch Verletzungen, unzureichende Hy-giene, Superinfektionen, z. B. bei Sklero-dermie, oder Noxen hervorgerufen wer-den. Aufgrund der häufig geringen Aus-prägung und Größe werden sie meist ba-gatellisiert und daher zu spät konsequent behandelt.

Einige anatomische Besonderheiten an der Hand ermöglichen eine sehr rasche Ausbreitung einer Entzündung, z. B. die Sehnenscheiden der Beugesehnen oder der Karpalkanal, der wie ein Tunnel den Hohlhandraum mit dem Paronaraum am Unterarm verbindet. Während der Ent-zündungsausbreitung können typische Entzündungszeichen wie Rötung, Schwel-lung und Überwärmung fehlen.

Insbesondere auf der Greifseite, auf der sich die meisten Verletzungen ereignen, ist die Haut durch bindegewebige Sep-ten gut fixiert, damit wir sicher zugreifen können. Dies verhindert aber auch, dass es an dieser Lokalisation zu stärkeren ent-zündlichen Schwellungen kommen kann. Daher treten ausgeprägte Schwellungen meist am Handrücken auf, wo die Haut sehr gut verschieblich ist, auch wenn die ursprüngliche Keimeinbringung auf der Beugeseite erfolgte (. Abb. 1).

Aufklärung des Patienten

Entzündungen an der Hand, die nicht nur isoliert ein Fingerglied betreffen, führen häufig zu bleibenden Funktions-störungen. Eine dauerhafte Gebrauchs-minderung und eine Kälteempfindlich-keit der Hand sind nicht als Risiko oder

Komplikation zu sehen – sie sind zu er-warten! Deshalb müssen auch kleinere Entzündungen an den Fingern oder der Hand ernst genommen und konsequent behandelt werden. Zu erwarten ist eben-falls, dass eine einmalige Operation nicht ausreicht. Vielmehr muss der Operateur dem Patienten bereits vor dem ersten Ein-griff mitteilen, dass wahrscheinlich weite-re Eingriffe nötig sein werden. Dann wird der Patient später nicht den Vorwurf er-heben, dass die erste Operation nicht aus-reichend sorgfältig durchgeführt worden sei. Häufig sind Etappenrevisionen erfor-derlich, manchmal auch plastische De-ckungen.

Echte Risiken einer Infektion an der Hand sind eine bleibende Minderung der Gebrauchsfähigkeit derselben und der Verlust eines oder mehrerer Finger bis hin zum Verlust der Hand.

Diagnose

Anamnese: wichtig für Entscheidungsfindung

Wichtige Fragen bei der ersten Untersu-chung des Patienten sind:F  Entwickelte sich die Entzündung

schleichend, rasant oder erst lang-sam, aber in den letzten Stunden sehr schnell?

F  Sind Verletzungen erinnerlich? F  Könnten noch Fremdkörper in der

Wunde stecken? F  Hatte der Patient ungeschützten Um-

gang mit aggressiven Substanzen?

Ebenso wichtig ist auch die Frage nach Begleiterkrankungen. Da sich Entzün-dungen bei Immunsupprimierten und Abwehrgeschwächten schneller ausbrei-ten, ist hier frühzeitig an eine Operation zu denken, während bei systemischen Er-krankungen wie Gicht, Rheuma oder Kol-lagenosen wie Sklerodermie oder Lupus erythematodes eher konservativ vorge-gangen werden kann, es sei denn, es liegt augenscheinlich eine Superinfektion vor. Einen entscheidenden Hinweis liefert die Information über die Schmerzcharakte-ristik: schildert der Patient ein Klopfen und Pochen in der Hand, womöglich mit Störung der Nachtruhe, ergibt sich allein daraus nahezu zwingend eine Operations-indikation [1].

Labor

Leukozyten und CRP (C-reaktives Prote-in), ggf. auch Harnsäure, sollten als Aus-gangspunkt für Verlaufsbeurteilungen bestimmt werden. Eine Leukozytose oder CRP-Erhöhung dürfen aber nicht erwar-tet werden, sodass eine Entscheidung für oder gegen eine Operation nicht von La-borwerten abhängig gemacht werden darf.

Bildgebung

Osteolysen im Röntgenbild treten erst bei weit fortgeschrittenen Entzündungen auf. Nichtsdestotrotz sind bei der Diagnose-stellung auch Röntgenaufnahmen zur Dokumentation einer vorliegenden oder noch nicht ersichtlichen Knochenbeteili-gung durchzuführen.

Handverletzungen

169Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2013  | 

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Beurteilung

Oberflächliche oder tiefe Entzündung

Ob eine Entzündung an der Hand ober-flächlich oder tief ist, kann im Einzelfall sehr schwer zu unterscheiden sein. Ein tiefer Infekt muss kein spektakuläres Er-scheinungsbild aufweisen, wie der in . Abb. 2 dargestellte Fall einer als Paro-nychie (keine Leukozytose, keine CRP-Er-höhung) fehlgedeuteten Entzündung am Daumen zeigt (. Abb. 2a). Trotz mehr-maliger Inzisionen klagte die Patientin rezidivierend über pochende Schmer-zen. Die Reinigung nach Setzen einer Lei-tungsanästhesie demaskierte das wahre Ausmaß der Entzündung. Intraoperativ floss Eiter aus dem Knochen (. Abb. 2b),

was in Anbetracht des Röntgenbildes (. Abb. 2c) auch erwartet werden konn-te. De facto handelte es sich bei der an-geblichen Paronychie um eine Osteomye-litis, die zum Verlust des Daumenend-glieds führte!

Eine harmlos erscheinende eitri-ge Einschmelzung an einem Fingerend-glied kann sich durch die festen Septen bis an den Endgliedknochen ausbreiten [4]. Nach außen ist möglicherweise nur eine Eiterblase zu sehen. Die Entzündung kann aber durch einen Fistelgang den Knochen erreichen und diesen angreifen. Typischerweise klagen die Patienten dann über pochende, klopfende Schmerzen, die sie nachts nicht schlafen lassen. Dringen die Keime ins Gelenk ein, droht bereits nach kurzer Zeit dessen Verlust.

Nicht immer ist der Weg der Keime ins Gelenk offensichtlich. So kann z. B. nach einem Faustschlag durch das Kulissen-phänomen mehrerer Schichten, die sich beim Beugen unterschiedlich weit bewe-gen, die Streckerhaube über dem Grund-gelenk völlig unverletzt erscheinen und dennoch ein Gelenkempyem abdeckeln. Daher muss vor einer Operation auch immer die genaue Stellung der Hand zum Unfallzeitpunkt erfragt und intraoperativ die Hand auch wieder in diese Stellung ge-bracht werden.

Erscheinungsbilder bei streck- vs. beugeseitiger Eintrittspforte

Eitrige Entzündungen am Handrücken gehen häufig mit einer ausgeprägten lo-kalen Reaktion einher. Zum einen kann

Abb. 2 8 a Als Paronychie fehlgedeutete Entzündung des Daumens, b intraoperativer Situs, c Röntgen: Osteolyse des Dau-menendglieds, weitere Erläuterungen s. Text

Abb. 3 8 Bereits am 2. postoperativen Tag verschlossene Wunden in der Hohlhand

Abb. 1 8 Ausgeprägte Schwellung des Handrückens bei beugeseitiger Ein-trittspforte

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Handverletzungen

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das Gewebe hier schwellen, zum ande-ren liegen Sehnenscheiden, durch die sich Keime wie durch einen Tunnel aus-breiten können, nur entlang des Retina-culum extensorum vor. Primär strecksei-tige Entzündungen, z. B. infolge von Ver-letzungen am Handrücken oder Insekten-stichen, zeigen daher meist die typischen Entzündungszeichen Überwärmung, Rö-tung und Schmerz („calor“, „rubor“, „do-lor“).

Auf der Beugeseite hingegen führt das Einbringen schon kleinster Keimmengen in die Sehnenscheiden, etwa durch Stiche an Dornen oder Nägeln, typischerweise zu einer Infektausbreitung ohne Über-wärmung und Rötung, dafür aber mit Schmerzen entlang der Beugesehnen-scheide, entweder auf Druck oder beim Beugen des Fingers gegen Widerstand. Der fortgeleitete Schmerz ist eine dringli-che Operationsindikation! Klopfschmer-zen über dem Karpalkanal oder gar wei-tergeleitet in den Paronaraum sollten im-mer Veranlassung sein, umgehend opera-tiv einzugreifen.

Grundsätze der operativen Behandlung

Grundvoraussetzungen für eine erfolg-reiche Operation von Handphlegmonen sind F  die Verwendung von farblosem Des-

infektionsmittel, F  Blutsperre (nicht Blutleere!) und F  die Benutzung einer Lupenbrille.

Die operative Behandlung besteht immer aus der Exzision von entzündetem Gewe-be. Punktionen oder Inzisionen sind bei Phlegmonen nie ausreichend. Entzün-detes Gewebe muss nicht gespalten, son-dern ausgeschnitten werden. Anschlie-ßend muss die Keimzahl durch ausgiebi-ges Spülen reduziert werden. Dafür kön-nen auch desinfizierende Lösungen ver-wendet werden, wobei manche von ih-nen chondrotoxisch sind und die Mit-tel nie mit Druck in das Gewebe einge-bracht werden dürfen. Auf jeden Fall soll mit Kochsalzlösung klar nachgespült wer-den. Werden Sehnenscheiden gespült, hat dies von proximal nach distal zu erfolgen, nie umgekehrt, um eine unnötige Keim-verschleppung zu vermeiden.

Intraoperativ werden Gewebeproben für bakteriologische Untersuchungen an mehreren Stellen entnommen und erst danach mit einer systemischen Antibiose begonnen. Zunächst werden Antibiotika mit breitem Spektrum und guter Biover-fügbarkeit und Weichgewebepenetration verwendet, z. B. Ampicillin mit Sulbac-tam oder Cefuroxim, ggf. ergänzt durch Metronidazol. Nach Erhalt des Antibio-gramms muss die Antibiose ggf. umge-stellt werden [2].

Die Operationswunden sollten beim Ersteingriff nicht verschlossen werden, ei-nige adaptierende Nähte zur Bedeckung von Sehnen reichen vollkommen aus [5]. Infolge der postoperativen Schwellung der Hand verschließen sich die Wunden oft schneller als gewünscht. Daher sollte primär lieber auf eine Hautnaht verzich-

tet werden. Insbesondere in der Hohl-hand ist die Wundheilung erstaunlich gut und schnell, wie an der in . Abb. 3 ab-gebildeten Hand ersichtlich. Hier zeigte sich bereits am 2. postoperativen Tag ein weitgehender Wundverschluss. Sind die Schmerzen in einem solchen Fall gegen-über dem ersten postoperativen Tag nicht deutlich geringer, müssen spätestens zu diesem Zeitpunkt auch die Nähte wieder entfernt werden. Eine definitive Hautnaht, am besten unter Verwendung eines Zieh-fadens, darf erst bei sicherer Infektbeherr-schung durchgeführt werden.

Biss- und Schusswunden müssen aus-geschnitten und dürfen nicht primär ver-schlossen werden.

Die Verwendung von Spüldrainagen ist nicht notwendig. Zum einen ist das Spülen einer nicht betäubten Hand sehr

Zusammenfassung · Abstract

Trauma Berufskrankh 2013 · 15[Suppl 2]:169–173 DOI 10.1007/s10039-013-1941-x© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

G. Hanebuth

Therapie von Infektionen an der Hand

ZusammenfassungHintergrund. Infektionen an der Hand ent-wickeln sich oft aus Bagatellverletzungen. Die anatomischen Besonderheiten der Hand machen eine schnelle Keimausbreitung oh-ne ausgeprägte Symptome möglich. Daher werden Handphlegmonen häufig zu spät er-kannt und konsequent behandelt. Es dro-hen eine dauerhafte Gebrauchsminderung der Hand und eine Minderung der Erwerbs-fähigkeit.Therapie. Die wichtigsten Kriterien für eine Operationsindikation liefern die Anamnese und die klinische Untersuchung. Grundsät-ze der operativen Behandlung sind das Aus-schneiden von entzündetem Gewebe und

die Keimausschwemmung. Primär sollte kein Wundverschluss durchgeführt werden. Etap-penrevisionen sind die Regel, nicht die Aus-nahme. Um bleibende Bewegungseinschrän-kungen möglichst gering zu halten, müssen bereits am ersten postoperativen Tag Bewe-gungsübungen durchgeführt werden. Sekret aufsaugende Verbände geben ausreichend Stützung. Eine Ruhigstellung mit Schienen ist nicht angezeigt.

SchlüsselwörterHand · Wunden und Verletzungen · Keimausbreitung · Phlegmone · Gebrauchsminderung

Treatment of hand infections

AbstractBackground. Infections of the hand com-monly result from trivial injuries. The anatom-ic characteristics of the hand allow for rapid dissemination of an infection without obvi-ous symptoms. Therefore surgical treatment is often delayed. As a result there is a danger for a long-term disability of the hand and a decreased ability to work. Therapy. The most important criteria con-cerning surgical treatment are clinical find-ings and anamnesis. Surgical treatment in-cludes the excision of infected tissue and

flushing of the area. Wound closure should not be performed during the first opera-tion. Several operations are generally neces-sary. To avoid stiffness, physiotherapy should be started the first day after operation. For splinting, bandages with gauze pads are suf-ficient. Casting is not required.

KeywordsHand · Wounds and injuries · Bacterial infections and mycoses · Phlegmon · Disabilities

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schmerzhaft, zum anderen ist der Effekt sehr gering, da sich schnell Spülstraßen bilden. Hinzu kommt, dass die Beweg-lichkeit der Finger mit eingelegten Drai-nagen nicht geübt werden kann. Wahl-weise können Antibiotikaträger einge-setzt werden, z. B. Septopalketten. Diese haben neben einer lokalen antibiotischen Wirkung auch den Effekt, dass die Wun-den wie durch großlumige Drainagen of-fen gehalten werden. Laschen hingegen haben keine derartige Auswirkung.

Begleitende Übungsbehandlung

Eine Schienung schadet mehr als sie nützt. Die Muskelpumpe am Unterarm darf nicht behindert werden, sonst kommt zur entzündlichen Schwellung noch ein

Lymphödem hinzu und behindert die Beweglichkeit erst recht. Um Funktions-verluste möglichst gering zu halten, muss bereits am ersten Tag mit aktiven und passiven Bewegungsübungen begonnen werden, die der Patient unter Zuhilfe-nahme der gesunden Hand den ganzen Tag selbst durchführen muss. Eine Mo-torschiene kann hilfreich sein, besser ist aber das eigentätige Bewegen. Eine fort-währende Analgesie mit einem Plexuska-theter ist entbehrlich. Sie verhindert das eigentätige Üben und maskiert das Warn-signal Schmerz, das zu einer frühzeitigen Etappenrevision veranlasst.

Entzündungen nach Hochdruckeinspritzungen

Hochdruckeinspritzungen stellen beson-ders schwere Verletzungen da. In den meisten Fällen verbleibt eine rentenbe-rechtigende MdE (Minderung der Er-werbsfähigkeit). Initial zeigen sich ver-gleichsweise harmlos imponierende Wun-den an Fingern oder in der Hohlhand oh-ne Entzündungsreaktion, gelegentlich aber mit anderen Zeichen für die Ein-dringtiefe (. Abb. 4a). Da Farbe mit ent-sprechenden Pistolen mit Drücken weit über 10.000 kPa (100 bar) verarbeitet und dementsprechend auch in die Hand ge-schossen wird, breitet sie sich explosions-artig entlang der gleichen anatomischen Wege wie Keime – entlang von Sehnen-

Abb. 4 8 Hochdruckeinspritzverletzung in die Hohlhand, a präoperativ, Ausbreitung bis mindestens zum Handgelenk, b intraoperativ, Einspritzung bis auf die Unterarmstreckseite

Abb. 5 8 Lokal begrenzter chronischer Infekt nach Papageienbiss, von Eiter bedeckte Schnabelbruchstücke

Abb. 6 8 Chronische Phlegmone bei multipler Sklerose

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Handverletzungen

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scheiden und Septen – aus. Gerade bei Farben und Lacken kommt es frühzeitig zu Entzündungsreaktionen durch die To-xizität der Stoffe, schneller noch als durch die Keime, wohingegen die Reaktionen auf eingespritztes Öl aus geplatzten Hyd-raulikleitungen meist langsamer sind, ab-hängig vom Grad der Ölverschmutzung.

Intraoperativ müssen die Ausbrei-tungswege konsequent verfolgt werden, bis sich kein makroskopisch verschmutz-tes Gewebe mehr findet. Das betrifft in dem in . Abb. 4 gezeigten Beispiel nicht nur die Hohlhand und den Paronaraum, sondern auch die Streckseite von Hand-rücken und Unterarm, wo sich ebenfalls noch verdrecktes oder entzündlich reagie-rendes Gewebe finden kann.

Oft verbleiben nach Hochdruckein-spritzungen Gewebedefekte, die dann im weiteren Verlauf plastisch gedeckt wer-den müssen. Nicht selten werden auch sekundär noch Amputationen erforder-lich. Selbst wenn es zu einem funktionell guten Ausheilungsergebnis kommt, ver-bleiben meist chronische Schmerzen und eine ausgeprägte Kälteempfindlichkeit.

Chronische Entzündungen

Sie sind häufig lokal begrenzt (. Abb. 5). Insbesondere in Kombination mit Ver-letzungen an Pflanzen oder splitternden Stoffen (Holz, Glas), aber auch bei chro-nischen Mikroverletzungen (Haare beim Friseur) in der Anamnese kommen nicht selten verbliebene Fremdkörper zum Vor-schein. Wenn das vollständige Ausschnei-den von entzündetem Gewebe gelingt, ist bei chronischen Entzündungen aus-nahmsweise auch ein direkter Wundver-schluss zulässig, insbesondere, wenn der Abfluss von Sekret über Drainagen oder ausgeschnittene Eintrittspforten möglich ist [3].

Begleiterkrankungen

Eine besondere Bedeutung haben Be-gleiterkrankungen, die die Abwehr-kräfte schwächen können (Alkoholis-mus, Diabetes mellitus usw.) und/oder die Schmerzwahrnehmung unterdrü-cken [Polyneuropathie, multiple Sklero-se (. Abb. 6) usw.]. So können z. B. bei multipler Sklerose bei schon bestehender

Functio laesia Phlegmonen trotz Über-wärmung und Rötung als Hautausschläge fehlinterpretiert und über Wochen frust-ran behandelt werden, bis sich entweder übler Geruch entwickelt oder ein Abszess perforiert.

Intraoperativ findet man bei chroni-schen Entzündungen selten Eiter, insbe-sondere, wenn sie durch Antibiotika län-gere Zeit subklinisch gehalten wurden. Im Zweifelsfall sind mehrfache Débride-ments auch in kurzen Abständen durch-zuführen.

Wenn eine Gelenkkapsel geschwollen ist, sollten das Gelenk eröffnet und der Gelenkknorpel beurteilt werden, auch wenn theoretisch die Gefahr der Keim-verschleppung besteht.

Durch ausgiebiges Spülen eines Ge-lenks kann immer eine drastische Reduk-tion von Keimen erzielt werden, was we-sentlich effektiver ist als jedes Antibioti-kum. Sehen die Knorpelflächen unter Lu-pensicht noch intakt aus, erfolgte die Ope-ration noch rechtzeitig. Sind sie bereits ar-rodiert, sollten den Keimen der Nährbo-den entzogen und die Gelenkflächen ent-knorpelt werden. Die Gefahr einer intra-medullären Ausbreitung der Entzündung ist theoretisch gegeben, kommt aber prak-tisch nicht vor, solange der Knorpel auch wirklich bis zum Erreichen von durchblu-tetem Knochen abgetragen wird. Gegen eine Entzündungsausbreitung im Kno-chen hilft wiederum ein Antibiotikum.

Fazit für die Praxis

Entscheidend für die Diagnose einer Handphlegmone sind die Anamnese und die klinische Untersuchung. Labor-untersuchungen sind nicht ausschlag-gebend. Eine Röntgenaufnahme soll-te immer durchgeführt werden. Klop-fende, pochende Schmerzen, eine ge-störte Nachtruhe oder ein fortgeleiteter Schmerz sind zwingende Operationsin-dikationen. Die klinischen Entzündungs-zeichen korrelieren insbesondere auf der Greifseite häufig nicht mit den intraope-rativen Befunden. Sowohl Arzt als auch Patient neigen zum Bagatellisieren.Elementare Bedingungen für die Opera-tion von Handphlegmonen sind neben der Verwendung von farblosem Desin-

fektionsmittel der Einsatz einer Blutsper-re (nicht! Blutleere) und einer Lupenbrille. Entzündetes Gewebe muss ausgeschnit-ten (exzidiert), nicht eingeschnitten (in-zidiert) werden. Die Einsendung von Ge-webeproben zur Bakteriologie bringt zu-verlässiger einen Keimnachweis als eine Abstrichentnahme. Bei Kapselspannung sollte das Gelenk revidiert werden. Eine mechanische Keimausschwemmung ist effektiver als jedes Antibiotikum. Primär sollten allenfalls einzelne adaptierende Hautnähte zur Bedeckung von Austrock-nung bedrohter Strukturen (Sehnen) durchgeführt werden. Großlumige Drai-nagen oder Antibiotikumketten können zum Offenhalten dienen. Eine Schienung bringt keinen Nutzen. Stützende, sau-gende Verbände reichen aus. Das chirur-gische Vorgehen ist in der Regel mehrzei-tig; darüber sollte der Patient noch vor der ersten Operation aufgeklärt werden. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Ausmaß droht.

Korrespondenzadresse

Dr. G. HanebuthAbteilung für Handchirurgie und wiederherstellende Plastische Chirurgie, BG-Unfallklinik Frankfurt am Main,Friedberger Landstraße 430, 60389 Frankfurt am Maingoetz.hanebuth@ bgu-frankfurt.de

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Literatur

1. Böhler J (1971) Zur Diagnose und Therapie von Weichteilinfektionen an der Hand. Hefte Unfallheilkd 107:221

2. Brodt HR, Smollich M, Stille W (2012) Antibiotika-The-rapie. Klinik und Praxis der antiinfektiösen Behand-lung. Schattauer, Stuttgart New York

3. Patel MR, Malaviya GN (2011) Chronic infections. In: Wolfe SW, Hotchkiss RN, Pederson WC, Kozin SH (Hrsg) Green’s operative hand surgery, 6. Aufl. Elsevier Churchill Livingstone, Philadelphia, S 85–140

4. Rieger H, Brug E, Langer M (1992) Das Panaritium. Die pyogenen Infektionen der Hand – Diagnose, Differen-tialdiagnose und Therapie. Marseille, München

5. Stevanovic MV, Sharpe F (2011) Acute infections. In: Wolfe SW, Hotchkiss RN, Pederson WC, Kozin SH (Hrsg) Green’s operative hand surgery, 6. Aufl. Elsevier Churchill Livingstone, Philadelphia, S 41–84

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