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Toxische Schadigungen von Mensch und Tier durch Insektizide* H. SEEL Wenn wir im Rahmen des ,,Kongresses fur prophylaktische Medizin und Sozial- hygiene" kurz dieses fur die Ernahrung des Menschen aul3erordentlich wichtige Problem behandeln, so mussen wir uns bewul3t sein, daB wir damit lediglich ein Glied einer Kette beruhren, die sich die Unvernunft des sogenannten Kulturmen- schen selbst geschmiedet hat, und daD der Kampf gegen die beschrankte Intelligenz noch schwieriger ist als der Kampf gegen die Dummheit. In dem naturlichen Be- streben, seinen immer enger werdenden Lebensraum im Kampf gegen die Schad- lingsinsekten zu behaupten und zu erweitern, mu13 der Mensch heute zu kurzfristig wirkenden Mitteln greifen, um die stets von neuem drohenden Angriffe der Schad- insekten abzuwehren. Dieser Kampf ist im Hinblick auf die drohende Uberbevol- kerung der Erde verstandlich und lebenswichtig, stellt aber lediglich eine Vertei- digung mit beschrankt tauglichen Mitteln dar ; denn wir durfen nicht vergessen, daB die Unvernunft und das kurzsichtige Gewinnstreben des Menschen durch Anlage von Monokulturen, durch extrem einseitige Boden- und Wasser- nutzung und durch andere unzweckmaliige Methoden (Vorratswirtschaft, Ver- nichtung der naturlichen Feinde der Insekten usw.) das biologische Gleichge- wicht der Natur gestort und damit die Voraussetzung fur das immer haufigere und massiver werdende Auftreten sog. Schadlingskalamitaten selbst geschaffen hat. Diese Storung des biologischen bzw. biozonotischen Gleichge- wichts und damit der Harmonie der Natur hat die Entwicklung der Schadlinge derart gefordert, daB der j ahrliche Ernteverlust durch Schadlinge auf der Erde kaum mehr zu ubersehen ist und in Deutschland derzeit allein auf uber 5 Milliarden DM geschatzt wird (R. DEMOLL~). Nach neueren Schatzungen der UNO werden jahrlich etwa 35 Millionen Tonnen Brotgetreide und Reis durch Schadlinge vernichtet, d. h. eine solche Menge von Nahrungsmitteln, wie sie zur Ernahrung von 150 Millionen Menschen ausreichen wurde. Da nun diese von Menschenhand geschaffenen Veranderungen des Biozons zum Teil irreparabel sind, zum Teil nur durch langfristige MaBnahmen wieder beseitigr werden konnen, bleibt z. Zt. als einziges und gleichzeitig zweischneidiges Schwert im Kampfe gegen die Schadlinge zunachst nur die kurzfristige Maonahme einer * Nach einem Vortrag, gehalten auf dem ,,WeltkongreB fur prophylaktische Medizin und Sozialhygiene" in Bad Aussee (Osterreich) ; September 1959. DEMOLL, R., Bandigt den Menschen. 2. Aufl. Verlag F. Bruckmann, Miinchen 19j4.

Toxische Schädigungen von Mensch und Tier durch Insektizide

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Page 1: Toxische Schädigungen von Mensch und Tier durch Insektizide

Toxische Schadigungen von Mensch und Tier durch Insektizide*

H. SEEL

Wenn wir im Rahmen des ,,Kongresses fur prophylaktische Medizin und Sozial- hygiene" kurz dieses fur die Ernahrung des Menschen aul3erordentlich wichtige Problem behandeln, so mussen wir uns bewul3t sein, daB wir damit lediglich ein Glied einer Kette beruhren, die sich die Unvernunft des sogenannten Kulturmen- schen selbst geschmiedet hat, und daD der Kampf gegen die beschrankte Intelligenz noch schwieriger ist als der Kampf gegen die Dummheit. In dem naturlichen Be- streben, seinen immer enger werdenden Lebensraum im Kampf gegen die Schad- lingsinsekten zu behaupten und zu erweitern, mu13 der Mensch heute zu kurzfristig wirkenden Mitteln greifen, um die stets von neuem drohenden Angriffe der Schad- insekten abzuwehren. Dieser Kampf ist im Hinblick auf die drohende Uberbevol- kerung der Erde verstandlich und lebenswichtig, stellt aber lediglich eine Vertei- digung mit beschrankt tauglichen Mitteln dar ; denn wir durfen nicht vergessen, daB die U n v e r n u n f t u n d d a s ku rzs i ch t ige Gewinns t r eben des Menschen durch Anlage von Monokulturen, durch extrem einseitige Boden- und Wasser- nutzung und durch andere unzweckmaliige Methoden (Vorratswirtschaft, Ver- nichtung der naturlichen Feinde der Insekten usw.) d a s biologische Gleichge- wicht de r N a t u r gestort und damit die Voraussetzung fur das immer haufigere und massiver werdende Auftreten sog. Schadlingskalamitaten selbst geschaffen hat. Diese S t o r u n g des b io logischen bzw. b iozonot i schen Gleichge- wichts u n d d a m i t de r H a r m o n i e de r N a t u r hat die Entwicklung der Schadlinge derart gefordert, daB der j ahrliche Ernteverlust durch Schadlinge auf der Erde kaum mehr zu ubersehen ist und in Deutschland derzeit allein auf uber 5 Milliarden DM geschatzt wird (R. DEMOLL~). Nach neueren Schatzungen der UNO werden jahrlich etwa 35 Millionen Tonnen Brotgetreide und Reis durch Schadlinge vernichtet, d. h. eine solche Menge von Nahrungsmitteln, wie sie zur Ernahrung von 150 Millionen Menschen ausreichen wurde.

Da nun diese von Menschenhand geschaffenen Veranderungen des Biozons zum Teil irreparabel sind, zum Teil nur durch langfristige MaBnahmen wieder beseitigr werden konnen, bleibt z. Zt. als einziges und gleichzeitig zweischneidiges Schwert im Kampfe gegen die Schadlinge zunachst nur die kurzfristige Maonahme einer

* Nach einem Vortrag, gehalten auf dem ,,WeltkongreB fur prophylaktische Medizin und Sozialhygiene" in Bad Aussee (Osterreich) ; September 1959. DEMOLL, R., Bandigt den Menschen. 2. Aufl. Verlag F. Bruckmann, Miinchen 19j4.

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,,symptomatischen Bekampfung" derselben auf chemischem ode r phys ika l i - schem Wege; denn die andere, auf die Dauer sinnvolle Methode der biologischen Bese i t i gung der Schad l inge , d. h. die e r s t r ebenswer t e Wiede rhe r s t e l - l u n g des b io logischen Gle ichgewichts i n d e r N a t u r , nimmt Jahrzehnte in Anspruch. So gleichen unsere gegenwartigen BekampfungsmaBnahmen einer Fahrt zwischen Scylla und Charybdis, weil die chemischen Mittel nicht nur die Schadlinge, sondern auch die Niitzlinge vernichten und gleichzeitig den Menschen unmittelbar und mittelbar treffen.

Da wir uns im Rahmen unseres Themas auf die Gefahren der chemischen Schad- lingsbekampfungsmethoden mit o rgan i s c h en I ns e k t i zi d en beschranken miis- sen, so kann hier nur eine kurze Obersicht iiber deren chemische Natur, ihre toxi- schen Eigenschaften und die evtl. in Frage kommenden therapeutischenMaBnahmen bei Vergiftungen durch diese Insektizide gegeben werden. Die Zahl der von der chemischen Industrie in den Handel gebrachten Insektizide und Larvizide ist heute kaum mehr iibersehbar. Die Verhaltnisse beginnen hier ebenso uniibersichtlich zu werden, wie auf dem Gebiet der , ,Arznei-Spezialitaten", da menschlicher For- schungsgeist und merkantiles Gewinnstreben - in diesem Falle harmonisch - zusammenwirken, die Zahl der Gifte weiterhin zu vermehren.

Betrachten wir die Insektizide bzw. Larvizide zunachst nach chemischen Ge- sichtspunkten, so konnen wir sie in drei groBe Gruppen unterteilen :

I . Die natiirlichen Insektizide pflanzlicher Herkun ft : (Niltotin, Anabasin, Pyrethrumwirkstoffe, Rotenonderivate u. a.).

I I . Die organischen synthetischen Insektizide: a) Das Dichlordiphenyl-trichlormethan - DDT und seine Derivate. b) Die Hexachlorcyclohexan-Gruppe. c) Die organischen Phosphorsaureester (E.-Wirkstoffe; E 605 u. a.). d) Die Systeminsektizide (Gifte, die von den Pflanzen aufgenommen werden

und auf fressende Insekten toxisch wirken, ohne die Pflanzen selbst zu schadigen; organische Schwefel-Phosphor- oder Fluor-Phosphorsaurever- bindungen ; Schradan usw.).

e) Die Insektizide der Diengruppe (Chlordan, Aldrin usw.). f ) Andere organische Insektizide (Phenothiazine, aromatische Nitroverbin-

dungen, Nitrokarbazole usw.). g) Gasformige Schadhgsbekarnpfungsmittel (Aethylenoxyd, Methylbromid,

Cyanverbindungen usw.). h) Eulane (Harnstoffderivate, Mottenmittel).

I I I . Die anorganisckelz Insektizide: a) Arsenikalien (Kupfer-Arsenverbindungen) . b) Fluorhaltige Insektizide (Silikofluorid u. a.).

66'

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Da die Gruppen I und I11 in toxikologischer Hinsicht verhaltnismaflig gut be- kannt sind, konnen wir uns hier auf die Gruppe I1 beschranken, zumal die Mittel dieser Reihe heute praktisch im Vordergrund des Interesses stehen und in ihrer Fulle besonders schwer ubersehbar sind. Die Ubersicht wird aber vom toxikolo- gischen S t a n d p u n k t sofort klarer, da wir die Gruppe I1 in drei Klassen mit spezifischen toxikologischen Eigenschaften unterteilen konnen, narnlich in

I. die chlorierten Kohlenwasserstoffe als spezifische Nervengifte, 2. die organischen Phosphorsaureester als spezifische Fermentgifte (Cholin-

3. die aromatischen Nitroverbindungen als Blztt- und Zellgifte. Diese drei Klassen der organischen, synthetischen Insektizide zeichnen sich

durch besondere charakteristische Wirkungsbilder aus. Die ha logen ie r t en a l i - p h a t i s c h e n oder a r o m a t i s c h e n Koh lenwasse r s to f f e (Gruppe IIa, IIb und IIe) erzeugen im ersten Stadium der Vergiftung K r a m p f z u s t a n d e , im zweiten Stadium Lahmungserscheinungen und fuhren durch Atemlahmung zum Tode. Ihre Toxizitat ist sehr erheblich. AuBerdem sind sie sekundaiie Blutgifte und be- wirken Erythrozyten- und Haimoglobinabbau, Leukozytose, sowie bei subakuter oder chronischer Vergiftung, Leukopenie, Agranulozytose, Seh- und Horstorungen. Auch das haufig als relativ unschadlich bezeichnete DDT ist keineswegs ungiftig. Harmlose Schadlingsbekampfungsmittel gibt es nicht und kann es nicht geben ; es bestehen nur quantitative und qualitative Unterschiede in der Toxizitat, denn die G i f t w i r k u n g i s t l ed ig l ich e in P r o d u k t von K o n z e n t r a t i o n x Zei t (F. FLURY).

Die toxikologisch interessantesten Gifte sind die P h o s p h o r s a u r e es t e r (Gruppe IIc und IId). Sie sind F e r m e n t g i f t e ; d. h. sie phosphorylieren und blockieren dadurch die Cholinesterase, so daB die Inaktivierung des Azetylcholins verhindert wird. Infolgedessen resultiert ein Vergiftungsbild, das einer endogenen Azet yl- cho l inve rg i f tung gleicht, wie wir sie bei der Muskarin- (Fliegenpilz) oder Pilo- karpinvergiftung kennen. Da die Alkylphosphate schon in kleinen Dosen sehr wirksam sind, tritt die Vergiftung rasch ein, beginnend mit Kopfschmerzen, ver- mehrter Driisensekretion, Leibkrampfen, Verlangsamung der Herztatigkeit und Verengung der Pupillen bis zu StecknadelkopfgroBe. Im Endstadium kommt es zu Kontraktionen der glatten Muskulatur sowie zu tonisch-klonischen Krampfzu- standen.

Das einzige bis jetzt wirksame Gegenmittel zur Unterbrechung dieser Azetyl- cholinesterasehemmung ist das Atropin, das bei der akuten Vergiftung moglichst sofort in groBen Dosen und u. U. auch intravenos so lange verabreicht werden mu13, bis Pupillenerweiterung und andere typische Zeichen eines Atropineffektes auf- treten. Unter Umstanden miissen innerhalb von 24 Stunden 50-70 mg Atropin, also die vielfache Menge der normalerweise todlichen Atropindosis verabreicht werden.

esterasehemmer) und

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Neuerdings ist in dem PAM (Pyridyl-aldoxirn-(2)-methyljodid) ein anderer spezi- fisch wirksamer Esteraseaktivator entwickelt worden, der als Antidot bei der- artigen Vergiftungen gelten kann; er besitzt jedoch den Nachteil, da0 er in der Praxis, wo es auf schnellste Hilfe ankommt, meist nicht sofort greifbar ist.

Bei der 3. Klasse (IIf), in der die a r o m a t i s c h e n N i t r o v e r b i n d u n g e n vor- wiegen, handelt es sich im wesentlichen um B l u t - u n d Zellgifte. Diese sind vor allen Dingen bei der aviochemischen Schadlingsbekampfung in Deutschland und in der Sowjet-Union sowie auf dem Balkan in den Kriegs- und Nachkriegsjahren vie1 verwendet und in enormen Mengen verstaiubt bzw. verspriiht worden (Tab. I).

Tabel le I

Jahr

I937 I938 I939 1940

1941

1942

AuDerdem

1943

Forstwirtsch. Landwirtsch. Malaria

Flache in ha

j 000

g 000

I j 000

13 ooo

15 500 500

10 400 150

7 000

I 870

24 800

g 000

I00

Giftmenge Tonnen

Insgesamt : 109 950 ha gegeniiber : 37 ooo ha

Zahl der Flugzeuge

3 8

I 0

I 0

I4 3

2 0

4

I3 4 I

Methode

Staubemethode do. do. do.

do. Spriihmethode Staubemethode Spriihmethode Nebelmethode Staube- und Spriihmethode

Staubemethode Nebelmethode Spriihmethode

1937-1943 (7 J a W 1925-1934 (10 Jahre)

Art der Schadlinge

Forstgchadlinge do. do.

Forst- u. Landwirt- schaftsschadlinge

do.

Medizinische Schadlinge (Anopheleslarvenj

Die akute Vergiftung mit diesen Verbindungen ist schon seit langem bekannt, da bereits vor dem Kriege bei Industriearbeitern, die mit der technischen Herstellung dieser Verbindungen beschaftigt waren, ofters Todesfalle eingetreten sind. Die s u b a k u t e bzw. die ch ron i sche Verg i f tung durch diese Insektizide ist bisher aber wenig beachtet worden. Sie ist besonders im Zusarnmenhang mit der avio- chemischen Schadlingsbekampfungsfrage bei dem taglichen Umgang mit diesen Giften zutage getreten (H. SEEL~).

2 SEEL, H., Kampf dem Hunger. Hippokrates-Verlag Stuttgart 1948; ferner Naunyn-Schmiede- berg's Arch. exp. Pathol. Pharmakol 207, 62 5-654 (1949).

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SEEL

Wahrend die a k u t e Vergiftung hochgradige venose Stauungserscheinungen rnit Lungenodem und mit Hamoglobinbildung, schwere fettige Degeneration der Leber- zellen und hochgradige Leukozytose verursacht, fuhrt die c h ron i sche Vergiftung rnit kleinen Mengen zunachst lediglich zu Temperatursteigerungen, Blutdrucksen- kung, Pulsbeschleunigung, erhohter Atemfrequenz usw., da diese Gifte zunachst als Katalysatoren des Zellstoffwechsels und der Warmeproduktion wirken. Des- halb sind einige dieser Verbindungen (Dinitrophenol und Dinitro-o-kresol) auch in USA therapeutisch in kleinen Dosen als Entfettungsmittel versucht worden. Aber selbst in kleinen, d. h. in therapeutischen Dosen werden bei regelmgoiger Zufuhr Herztatigkeit und Blut durch Abbau der Erythrozyten und des Hamoglobins ge- schadigt. Bei langerer Dauer der Einwirkung tritt auch eine Leukopenie mit relativer Lymphozytose ein. Als d i agnos t i s ches F r u h s y m p t o m bei diesen Vergiftungen ist das Auftreten sog. HEINz-Korperchen im roten Blutbild (granu- lierte Erythrozyten) zu werten ; die Verschiebungen im EiweiBstoffwechsel sind bei der a k u t en Vergiftung in einer erheblichen Erhohung des Rest-N-Spiegels bis zu 150 mg%, bei der ch ron i schen Vergiftung umgekehrt durch eine deutliche Sen- kung desselben (10--20 mg%) erkennbar. Die chronische Vergiftung kann u. U. zu einer akuten gelben Leberatrophie rnit todlichem Verlauf fuhren.

In therapeutischer Hinsicht ist bei diesen Vergiftungen zunachst fur eine weit- gehende Entfernung der Gifte zu sorgen (u. U. Magenspulung, Blutwaschung usw.) Im ubrigen muB in jedem einzelnen Fall eine spezifische Therapie, insbesondere des Blutes, durch Vitamin B,, B, undB,,-Injektionen, Eisen und Folsaure durchgefuhrt werden. Die weitere Therapie richtet sich nach der Entwicklung des toxischen Zu- standsbildes.

Die derzeitigen Methoden der chemischen bzw. aviochemischen Schadlingsbe- kampfung konnen also keineswegs als eine ideale Losung der Schadlingsplage gelten, wie vielfach besonders von den Erzeugern solcher Mittel behauptet wird. Sie bilden heute ein zusatzliches und schwer zu bewaltigendes Problem fur den Arzt, den Biologen und den Lebensmittelchemiker, dies um so mehr, als die Gefahr einer subakuten bzw. chronischen Vergiftung der Menschen rnit solchermal3en bearbeite- ten Lebensmitteln stetig zunimmt. F. EICHHoLTz3 hat vor einigen Jahren, aller- dings unter etwas einseitiger Perspektive, eindrucksvoll auf diese Gefahren hinge- wiesen (s. a. H. sEEL4). Solange aber die Unvernunft der Menschen weiterhin herrscht, wird auch durch die beste Gesetzgebung keine wesentliche Besserung dieser toxischen Gesamtsituation auf den Gebieten der Ernahrung zu erreichen sein. Nur durch eine s innvo l l e u n d r aumgre i f ende Anderung unse re r o rgan i - schen Umwel t konnen die Veranderungen des Holozons, durch die den Schad-

3 EICHHOLTZ, I;. , Die toxische Gesamtsituation auf dem Gebiete der Ernahrung. Springer-

4 SEEL, H., Die Konservierungsmittel der Benzoesaurereihe im Rahmen der ,,toxischen Ge- Verlag Berlin-Gottingen-Heidelberg 1956.

samtsituation" auf dem Ernahrungssektor. Hippokrates 28, H. 7 (1957).

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insekten erst die Moglichkeit zu ihrer rapiden Vermehrung geboten worden ist, wieder beseitigt werden. AUGUST BIER, der nicht nur ein grol3er Chirurg, sondern auch ein vorausschauender Biologe gewesen ist, hat durch seine praktische Arbeit auf seinem Mustergut in Sauen gezeigt, wie die H a r m o n i e de r N a t u r d u r c h Gegensa tze (HERAKLIT) wiederhergestellt werden kann. Was ein einzelner an praktischer Erkenntnis im kleinen bewiesen hat, sollte auch im grol3en durch sinn- volle land- und forstwirtschaftliche Planung moglich sein.

Zusammenfassung

Die einzig sinnvolle Methode der Schadlingsbekampfung stellt die Wiederherstellung des bio- logischen Gleichgewichtes in der Natur dar. Ihre Anwendung konnte aber erst in Jahrzehnten wirksam werden, so daR z. Zt. als einziges Mittel nur die kurzfristige MaRnahme einer ,,sympto- matischen Bekampfung" der Schadinsekten auf chemischem oder physikalischem Wege iibrig- bleibt.

Bei der Besprechung der moglichen toxischen Schadigungen von Mensch und Tier durch In- sektizide werden besonders die organischen synthetischen Mittel beriicksichtigt. Es wird eine kurze ubersicht iiber ihre chemische Natur, ihre toxischen Eigenschaften und die evtl. in Frage kommenden therapeutischen MaDnahmen bei Vergiftungen durch diese Insektizide gegeben.

S u m m a r y

The only significative method to control parasites is the restoration of the biological balance in nature. As its application could not be effective before decades, the only short-term measure "to combat symptomatically" the parasites is to do it by chemical or physical means.

Discussing the possible toxic injuries of men and animals by insecticides the organic synthetic agents are particularly considered. Author gives a short view of their chemical nature, their toxic qualities and the therapeutic measures against contamination by these insectides.

Rksumk

La seule mkthode raisonnke d'une lutte contre les parasites consiste en une reparation de l'bquilibre biologique dans la nature. Mais cette mkthode ne donnerait des rksultats qu'en quel- ques dizaines d'annbes. Comme seul moyen de lutte il ne reste donc qu'un traitement de courte dur6e sous 18 forme d'un cctraitement symptoinatique D des parasites par voie chimique ou par voie physique.

L'auteur discute les intoxications possibles de l'homme et des animaux par les insecticides en mettant l'accent sur les intoxications causkes par des insecticides organiques synthktiques. I1 donne un a p e r p de la nature chimique de ces insecticides, de leurs propriktks toxiques et des mesures thkrapeutiques en cas d'intoxication.

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Professor Dr. Hans SEEL, Berlin-Friedenau, Baumeisterstr. I.

Eingegangen 4 .9 . 1959