19
TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik I

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Ringvorlesung:

Methoden der empirischen Sozialforschung

Teil: Forschungslogik I

Page 2: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

Bildung … beginnt mit Neugier: Man will erfahren, was es in einem

bestimmten Wirklichkeitsbereich so alles gibt z.B.: Was tun Sozialwissenschaftler eigentlich, wenn sie ‚forschen‘ –

und jenes Wissen erarbeiten, das man im Studium lernt? entsteht durch Suche nach Antworten auf zwei Fragen:

‚Was ist der Fall?‘ etwa: Wie vollzieht sich sozialwissenschaftliche Forschung?

‚Warum ist X der Fall?‘ etwa: Warum vollzieht sich sozialwissenschaftliche Forschung genau nach

diesen – und nach keinen anderen – Regeln?

verlangt Neugier auf die Anworten zu folgenden Fragen: ‚Was genau heißt X?‘ – etwa: Wahrheit, Erkenntnis, Wissenschaft,

Forschung … ‚Woher wissen wir, dass X wirklich so ist?‘ – etwa: dass ausgerechnet

eine Zufallsstichprobe wirklich repräsentativ ist?

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Ziel dieser Vorlesung: grundlegende sozialwissenschaftliche Bildung vermitteln

sicherster Weg zum Scheitern: keine Freude an sozialwissenschaftlicher Bildung haben und keine Neugier auf das Wie-es-gemacht-wird sozialwissenschaftlicher Arbeit hegen.

Page 3: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

Auszüge aus der Modulbeschreibung Das Modul beinhaltet eine grundlegende Einführung in die empirische

Sozialforschung. Vermittelt werden … Grundkenntnisse in der Forschungslogik, in Verfahren der quantitativen und qualitativen Sozialforschung sowie in der Datenanalyse einschließlich der Anwendung von Softwareprogrammen (SPSS).

Lern- und Qualifikationsziel ist die Vermittlung methodischer Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der sozialwissenschaftlichen Datenerhebung und -analyse.

Das Modul besteht aus … der Vorlesung „Einführung in die Methoden der empirischen Sozialwissenschaften I und II“ (je 2

SWS)

der Vorlesung „Statistik für Sozialwissenschaftler I und II“ (je 2 SWS) den die Statistikvorlesungen begleitenden Übungen (je 2 SWS)

Die beiden Vorlesungen und die Übungen erstrecken sich über zwei Semester. Die Modulprüfung besteht aus Klausuren im Umfang von je 90 Minuten im

Anschluss an die Vorlesungen Methoden I und II sowie Statistik I und II. Achtung: Eine ‚5‘ in Statistik kann nur durch mindestens eine ‚3‘ in Statistik, nicht aber durch

eine Note in ‚Methoden‘ ausgeglichen werden!

ergänzend und erfahrungsgemäß extrem hilfreich: Tutorium

Page 4: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

Tutorium Inhalt:

Behebung von Verständnisschwierigkeiten (gerade auch: Statistik!)

Vertiefung / Konkretisierung von Vorlesungsinhalten Vorbereitung auf die Klausur

Tutoren / Tutorien: Mo (3), 11.10 – 12.40, Kristin Neumann Mo (4), 13.00 – 14.30, Alexander Wentland Mo (5), 14.50 – 16.20, Kristin Neumann Mo (6), 16.40 – 18.10, Franziska Pestel Di (6), 16.40 – 18.10, Franziska Pestel Mi (2), 09.20 – 10.50, Richard Heimann, MER/001 Mi (5), 14.50 – 16.20, Martin Rachuj, BEY/068

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

• alle 2 Wochen

• Ort wird noch bekanntgegeben

• ACHTUNG: Einschreibung vom 13. – 18.10.09 über Website des Instituts für Soziologie (Aktuelles)

Diese Tutorien sind speziell auf Politikwissenschaftler zugeschnitten; doch auch Studierende anderer Fachrichtungen sind willkommen!

Page 5: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Aufbau der Vorlesung Zweck und Geschichte der

empirischen Sozialforschung Doppelstunde; Prof. Patzelt

Forschungslogik ca. 7 Doppelstunden; Prof. Patzelt

Quantitative Forschungsmethoden ca. 7 Doppelstunden; Prof. Donsbach &

Hagen

Stichproben, komplexere Ansätze etc. ca. 8 Doppelstunden; Prof. Häder & Co.

Qualitative Forschungsmethoden ca. 7 Doppelstunden; Prof. Lenz

‚Methoden I‘, jeweils im Wintersemester;abgeschlossen mit Klausur (= Prüfung). Termin: 09.02.2009

‚Methoden II; jeweils Sommersemester;abgeschlossen mit Klausur (= Prüfung)

Ringvorlesung des Sozialwissenschaftlichen Methodenzentrums der TU Dresden; Bestandteil des Basismoduls ‚Methoden‘

Gleichzeitig im Winter- und Sommersemester für das Basismodul Methoden zu absolvieren: Vorlesung (samt Übung!) ‚Statistik I‘ und ‚Statistik II‘

Weitere Informationen: Lehrstuhl Prof. Häder, Institut für Soziologie

Info zur Prüfungsanmeldung

Page 6: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Die Prüfungsanmeldung zur Klausur Methoden I erfolgt in online auf der Homepage des Prüfungsamtes der Philosophischen Fakultät, und zwar in folgender Zeit : 1. 11.- 30. 11.; nötig: Matrikelnummer, Prüfungsidentifikationsnummer

Prüfungsanmeldung Alle Module im BA-Studiengang werden – anders als im Magister- oder

Lehramtsstudiengang – durch eine Prüfung abgeschlossen. Im Fall des Methodenmoduls (= Pflichtmodul in den BA-Studiengängen

PoWi, KoWi und Soziologie, desgleichen im Diplomstudiengang Soziologie) besteht die Prüfung aus vier Klausuren: Methoden I und II, Statistik I und II.

Anders als im Magisterstudiengang hat man sich im BA-Studiengang und im Diplomstudiengang Soziologie zu diesen Klausuren zu Beginn des Semesters verbindlich anzumelden. Termin: folgt gleich! Wer sich nicht anmeldet, kann an der Prüfung (= Klausur) nicht

teilnehmen. Wer sich zur Klausur anmeldet, bei der Klausur aber nicht erscheint, ist

bereits zum ersten Mal bei der (Teil-) Prüfung durchgefallen. Eine nicht bestandene oder als nicht bestanden gewertete Klausur kann

binnen eines Jahres wiederholt werden, und zwar ein einziges Mal. Es wird (auch bei Fehlen ‚aus gesundheitlichen Gründen‘) KEINE

‚Nachschreibeklausur‘ angeboten, sondern man schreibt einfach ein Jahr später die nächste reguläre Klausur mit.

Page 7: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Stellenwert der Vorlesung

‚abstraktes, ödes Thema!‘ in Wirklichkeit:

Teil Forschungslogik: Einführung in wissenschaftliches Denken( Humboldt: Persönlichkeitsbildung durch Wissenschaft)

Teil Methoden (Datenerhebung & Statistik): Einführung in konkretes sozialwissenschaftliches Forschen ( Arbeit an der Basis allen sozialwissenschaftlichen Wissens)

‚leider Pflicht – denn sonst ginge ja keiner hin!‘ Tatsache ist:

An der inneren Haltung, die jemand zum Themenbereich ‚Forschungslogik/Methoden‘ mitbringt bzw. entwickelt, lässt sich sehr genau erkennen, welches Verhältnis zu Wissenschaft und Forschung er/sie besitzt und wie gut darum ein wissenschaftliches Studium gelingen wird.

Problem: Eigentlich müsste die Vorlesung durch praktische Übungen ergänzt werden, für die uns aber (mit Ausnahme des Tutoriums für Politikwissenschaftler) das Personal fehlt. ‚Ersatz‘: viele Beispiele

Rat: Der Methodenvorlesung mit großer Wissbegier, Offenheit für Neues und Bereitschaft zum eigenen Nach-Denken anhand von Beispielen folgen!

Page 8: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Folien zur Vorlesung Rufen Sie die Homepage des Lehrstuhls für Politische Systeme und

Systemvergleich auf: http://tu-dresden.de/die_tu_dresden/fakultaeten/philosophische_fakultaet/ifpw/polsys Unter dem Punkt “Lehre / Lehrveranstaltungen” finden Sie alle Foliensätze aus

meinen Vorlesungsteilen zum Herunterladen Achtung: Missverstehen Sie diese Folien nicht als ‚PowerPoint-Präsentationen‘!

Sie sind ‚Vorlesungsmitschriften‘, die für Sie bereits angefertigt wurden! Sie dienen darum einfach nur der ‚Inhaltsangabe‘ und ‚Veranschaulichung‘, sondern

entfalten – gerade auch durch ihre Animation – vollständige Argumentationen und verweisen auf deren Kontexte,

und zwar so, dass jeweils eine einzelne Folie (ggf. in Verbindung mit den ‚hinter ihr stehenden‘ und durch Hyperlinks vernetzten Folien) einen vollständigen Gedankengang durchführt.

Der Preis dafür: viel Text, viele Pfeile – und eine Komplexität, welche immerhin die Untergrenze der Komplexität des jeweils behandelten Themas widerspiegelt!

Verwendung der Folien: herunterladen; die jeweiligen Gedankengänge einprägen durch Nachvollzug des

animierten Folienaufbaus am PC ausdrucken (maximal zwei Folien auf einer Seite!) und Nutzung als tatsächliche

‚Vorlesungsmitschrift‘ ergänzende Notizen auf den Ausdrucken

Alle sind aus dem Internet herunterladbar; Mitschreiben ist unnötig !

Also: Konzentrieren Sie sich bei der Vorlesung aufs Mitdenken !

Literaturhinweise: folgen noch!

Page 9: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Richtiges Studieren vor jeder Vorlesung:

Durcharbeiten der jeweils nächsten rund 35 Folien (am Bildschirm!!) – und zwar so, dass möglichst verstanden wurde, worum es geht

parallel: Lektüre der einschlägigen Kapitel / Passagen in der empfohlenen Literatur sowie in empirischen Studien aus Fachzeitschriften

während jeder Vorlesung: Mitdenken und überprüfen, ob während der Vorbereitung die

Zusammenhänge richtig verstanden wurden bei Verständnisproblemen und sonstigen Klärungswünschen: sich melden

und fragen! hilfreiche Beispiele oder Erläuterungen aus der Vorlesung auf den

entsprechenden Folien notieren nach jeder Vorlesung:

Durchsicht des behandelten Foliensatzes und Einprägen von dessen ‚Lehren‘

Verbindung des neu Gelernten mit dem bisher schon Vermittelten

Zeitansatz für Basismodul Methoden: 10 Credits, wobei 1 Credit = 30 Arbeitsstunden; d.h.: 300 Arbeitsstunden sind zu investieren – davon 150 Stunden im ‚Methodenteil‘!

Page 10: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

Literaturhinweise vorlesungsbegleitender Text:

Werner J. Patzelt, Einführung in die Politikwissenschaft, 6. Aufl. Passau 2007: Kap. 2, S. 67-142: ‚Wissenschaftstheoretische Grundlagen‘ Kap. 3, S. 143-201: ‚Methoden und Formen sozialwissenschaftlicher Forschung‘

zur Vertiefung nach Lust und Laune: Werner J. Patzelt, Sozialwissenschaftliche Forschungslogik, München/Wien 1986 A.F. Chalmers, Wege der Wissenschaft. Einführung in die Wissenschaftstheorie, Berlin /

Heidelberg 2001 Udo Kelle, Empirisch begründete Theoriebildung. Zur Logik und Methodologie interpretativer

Sozialforschung, Weinheim 1994 H. Seiffert, Einführung in die Wissenschaftstheorie,

4 Bde., München 1991 extrem wertvoll, um speziell geisteswissenschaftliches hermeneutisches Forschen an

konkreten, spannend geschilderten Fallbeispielen zu erlernen: Ernst Doblhofer, Die Entzifferung alter Schriften und Sprachen. Stuttgart (Reclam) 2008 5

hier vor allem zu lesen: Kapitel über die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphenschrit sowie der sumerisch-akkadischen Keilschrift

Für das gesamte Methodenmodul: Diekmann, Andreas: Empirische Sozialforschung. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. 19. Auflage.

Reinbek bei Hamburg, 2008. Flick, Uwe: Handbuch Qualitative Sozialforschung Grundlagen, Konzepte,

Methoden und Anwendungen. Weinheim, 1995.

Page 11: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Wofür braucht es‚empirische Sozialforschung‘? Ein produzierendes Unternehmen will wissen, welche Nachfragestruktur es

für ein neu entwickeltes Produkt gibt, um durch geeignete Marketingstrategien auf einen wirtschaftlichen Erfolg hinzuwirken.

Eine private Hörfunk- oder Fernsehstation will wissen, welche Zuhörer sie mit welchen Sendungen zu welchen Zeiten erreicht, um zielgruppengenaue Werbemöglichkeiten zu ermöglichen und so die Chance auf Werbeeinnahmen zu vergrößern.

Eine Partei will wissen, wie populär welche ihrer politischen Positionen sind, um hieraus Folgerungen für ihre Öffentlichkeitsarbeit zu ziehen.

Eine Regierung will wissen, wie die Lebensverhältnisse ausländischer Mitbürger sind, um zielgerichtet darauf hinwirken zu können, dass es nicht zu weiterer Ghettobildung und zur Verfestigung von Parallelgesellschaften kommt.

Ein Sozialwissenschaftler will wissen, wie der Zusammenhang zwischen der Kinderzahl einer Frau, ihrem Bildungsstand, ihrem Beruf, ihrer Partnerbindung und ihrem staatlichen Transfereinkommen ist, um präzise Aussagen im Rahmen von wissenschaftlicher Diskussion und praktischer Politikberatung treffen zu können.

Beispiele aus der Praxis

In allen solchen Fällen werden die meisten lieber zutreffende Informationen (‚Daten‘) als bloß solche Vermutungen haben, die allein auf einem ‚informierten Gefühl‘ beruhen.

… und wann immer das so ist, braucht man ‚empirische Sozialforschung‘ !

Page 12: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Was ist ‚empirische Sozialforschung‘? Forschung = anhand bewährter wissenschaftlicher Regeln etwas

herausfinden Welche Regeln das sind, wird in der Methodenausbildung gelehrt; und

warum es genau diese Regeln sind, erläutert die Ausbildung in Forschungslogik.

empirisch = nicht durch bloßes Spekulieren, sondern durch Betrachtung der Tatsachen etwas herausfinden Auf welche Weise man ‚an die Tatsachen‘ gelangt, und warum das auf

den zweiten Blick durchaus komplizierter ist, als es auf den ersten Blick erscheint, wird im Abschnitt über ‚Forschungslogik‘ gelehrt.

Sozial- = über die soziale (= gesellschaftliche) Wirklichkeit etwas herausfinden, im Unterschied zur auf andere Gegenstandsbereiche abzielenden Naturforschung oder Technikforschung Während die Forschungslogik für alle Wissenschaften die gleiche ist,

unterscheiden sich ziemlich stark jene Methoden, die je nach Gegenstandsbereich beim Forschen anzuwenden sind.

Soziologie, Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft haben die gleichen Methoden – eben jene der ‚empirischen Sozialforschung‘.

Page 13: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Für wen sind Kenntnisse empirischer Sozialforschung nützlich?

für jeden, der …sein Geld mit sozialwissenschaftlicher Forschung –

dem meist lukrativsten Teil sozialwissenschaftlicher Arbeit – verdienen will

in seinem Beruf Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung auswerten, aufbereiten und weiteren Arbeiten zugrunde legen muss

nicht ohne klare Beurteilungskriterien, also ‚aus dem Bauch‘ oder willkürlich, mit öffentlich verfügbaren Daten über soziale Wirklichkeit umgehen will typische pseudo-kluge Entscheidungsregel: ‚Traue nur der

Statistik, die Du selbst gefälscht hast!‘sozialwissenschaftlich gebildet sein will

Page 14: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

einige Begriffe

Methoden = Regeln und Handlungsanweisungen, um Forschungstätigkeiten kompetent zu unternehmen und um zu verlässlichen Ergebnissen zu gelangen.

(Forschungs-) Techniken = konkrete, oft durchaus ‚rezeptartige‘ Ausgestaltung der Methoden (z.B. Techniken des Stichprobenziehens, Interviewens, Interpretierens und Analysierens von Zusammenhängen)

Methodologie = Lehre von den Regeln des Forschens und der Qualität konkreter Methoden und Techniken des Forschens

‚Methoden und Techniken der empirischen Sozialforschung‘ ist gewissermaßen die ‚Aufschrift eines Werkzeugkastens‘.

Das Ausbildungsziel besteht darin,

- den Sinn und die Eigentümlichkeiten der in ihm enthaltenen Werkzeuge gut zu begreifen,- einen Überblick über das verfügbare Instrumentarium zu erhalten, - und wenigstens einige der verfügbaren Werkzeuge kompetent anwenden zu können.

Page 15: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt= Zentrales Verständnishemmnis bis heute! Es abzubauen, ist eine der größten Herausforderungen der Methodenausbildung.

(Vor-) Geschichte der empirischen Sozialforschung I eigentlich immer schon konnten Regierungen Informationen über ihren

Herrschaftsbereich gut brauchen, z.B. über den vorhandenen Besitz der Bevölkerung, die zu erwartenden Steuern und die für den Soldatenberuf verfügbaren jungen Männer Also gab es in Hochkulturen lange schon ‚Volkszählungen‘. Aus der Antike am

bekanntesten: „In jener Zeit erging vom Kaiser Augustus der Befehl, das ganze Reich schätzen zu lassen ...“ (Lukas-Evangelium)

Was noch fehlte: die Entwicklung eines Verständnisses von Wissenschaft, welches auch den Umgang mit Tatsachen und Daten umschloss.

Der Weg zu einem solchen Wissenschaftsverständnis wurde – und im Grunde nur in Europa – eingeschlagen mit der Entstehung empirischer und verallgemeinernder Naturwissenschaften seit der Renaissance.

Seither standen Denkweisen und Verfahrensregeln bereit, die man auch auf soziale Wirklichkeit anwenden konnte, sobald obendrein die Vorstellung aufkam:

Auch gesellschaftliche Sachverhalte sind einer empirischen wissenschaftlichen Analyse zugänglich – und nicht nur theoretischer Reflexion und kunstfertiger Praxis!

allerdings Grenzen bis weit ins 18. Jh.: staatliches Hinwirken auf Geheimhaltung gesellschaftlich und politisch wichtiger

Informationen samt Behinderung entsprechender Forschungsversuche unzulängliche Methodik der Datenerhebung und Datenanalyse

Page 16: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

(Vor-) Geschichte der empirischen Sozialforschung II 17. Jh. in England: ‚Politische Arithmetik‘ (z.B. William Petty)

beschreibende Erfassung von Geburts- und Sterbefällen, von Lebenserwartung, Heiratsalter und Selbstmordraten (wichtig u.a. für das Versicherungswesen)

Suche nach Regelmäßigkeiten, etwa zwischen Stadtleben und Gesundheit Suche nach praxisnützlichen Informationen über potentielle Märkte Auf diese Weise: Ursprung moderner quantitativer Analysen

17. Jh. in Deutschland: ‚Universitätsstatistik‘ (z.B. Hermann Conring) Leitgedanke: vergleichende Staatenkunde ( Begriff!) in politisch-praktischer

Absicht zu diesem Zweck Erfassung von besonderen Merkmalen wichtiger ‚Staaten‘ (=

Herrschafts-gebiete), der dortigen Sitten und Lebensgewohnheiten sowie von deren vermutlichen Ursachen wie Klima, Geographie usw.

dabei werden in erster Linie qualitative Beschreibungen und Deutungen angestrebt 18. Jh. europaweit:

mathematische Theorie der Glücksspiele: Ursprünge der schließenden Statistik ‚Moralstatistik‘: Fortführung der ‚Politischen Arithmetik‘ unter Nutzung auch

schließender Statistik 19. Jh. europaweit: Verbindung aller dieser Strömungen …

im Kontext der entstehenden Soziologie ( ‚physique sociale‘) angesichts großen gesellschaftlichen Informationsbedarfs während der

Umwälzungen von Industrieller Revolution, Pauperisierung, Urbanisierung usw: bahnbrechende empirische Erhebungen, in Deutschland etwa des Vereins für Socialpolitik im letzten Vierteljahrhundert des 19. Jahrhunderts

Page 17: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Geschichte der empirischen Sozialforschung III

Institutionalisierung von Einrichtungen für empirische Sozialforschung z.B. Köln 1919, Frankfurt 1924, 1930er Jahre Kreis um Lazarsfeld in Wien;

USA: Chicago School seit 1920er Jahre, Umfrageforschung um Gallup Beschleunigung des methodischen und substantiellen Aufschwungs in den

USA durch gut ausgebildete Emigranten sowie durch große staatliche Forschungsnachfrage (= Finanzierung) im Dienst von Kriegführung und Wiederaufbau / Reeducation

nach Zweitem Weltkrieg: selbsttragender Aufschwung in den USA; weltweite Institutionalisierung nach US-Vorbildern; in Deutschland Gründung neuer Institute wie des Allensbacher Instituts für Demoskopie

seit Beginn des 20. Jh.: wegweisende Neuentwicklungen statistischer Analysemodelle

(Korrelationsrechnung, Signifikanztests …) seit 1970er Jahre: Durchbruch zur leichten Statistikanwendung dank PCs

und dafür geeigneter Softwarepakete

Page 18: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Geschichte der empirischen Sozialforschung IV während und nach der ‚Studentenrevolution‘ (1966 – späte 1970er): empirische

Sozialforschung vielfach bekämpft als … ‚unnütze Wirklichkeitsverdopplung‘ statt wünschenswerte Wirklichkeitsveränderung politisch ‚affirmativ‘ statt revolutionär ‚kritisch‘

seit etwa 1980er Jahren: in allen Sozialwissenschaften (am wenigsten leider in der Politikwissenschaft)

durchgesetzt als ‚harter Kern‘ forscherischer Kompetenz seither: verpflichtende Methodenausbildung, zunehmend samt Statistik

Sonderfall sozialistische Staaten: ‚Wissenschaftliche Weltanschauung des Kommunismus bedarf keiner empirischen

Überprüfung!‘ Ablehnung der empirischen Sozialwissenschaft als ‚bürgerlicher‘ (= notwendiger-

weise fehlleitender) Wissenschaft, zumal sie immer wieder den kommunistischen Ansichten widersprechende Befunde zutage förderte

Geheimhaltung gesellschaftlich wirtschaftlich und politisch wichtiger Informationen – einesteils im ‚Wettbewerb der Systeme‘, andernteils aus Legitimationsgründen

Folge: Unterbindung unabhängiger Forschungsversuche, Gängelung der spärlichen staatlichen Auftragsforschung; zwiespältige Haltung zum schwer bezweifelbaren Nutzen empirischer sozialwissenschaftlicher Forschung im Westen

Unwirksamkeit vieler Methoden (v.a.: Befragungsmethoden) im unfreien Meinungsklima

Page 19: TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt Ringvorlesung: Methoden der empirischen Sozialforschung Teil: Forschungslogik

TU Dresden – Institut für Politikwissenschaft – Prof. Dr. Werner J. Patzelt

Damit sollte klar sein …

wozu empirische Sozialforschung im großen und ganzen dient

was ihr Name bedeutetwoher dieser Forschungszweig

kommtwarum und wie er so bedeutend

geworden ist