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XXI. Ueber Agrammatismus und die Stiirung der inneren Sprache. (Ein Beitrag zur Klinik der motorischen Aphasie.) Von Karl Heilbronner in Utrecht. Die naehfolgende -- im Wesentliehea schon vor mehreren Jahren niedergesehriebene -- Mittheilung war ursprtinglieh bestimmt, einer grSsseren Abhandlung eingeftigt zu werden, in der ich friihere ErSr- terungen fiber die motorische Aphasie fortzusetzen und zt{ erg~nzen hoffte. Der Absch]uss derselben bat sieh aus ~usseren Grfinden, vor Allem dureh die Nothwendigkeit, neu zugeflossenes Material zu berfieksichtigen, ver- zSgert. Ieh ]asse deshMb hier zun~chst eine Einzelbeobaehtung folgen, die auch ausserhalb dieses Zusammenhanges vielleieht einiges Interesse verdient~ weft sie neuerdings mehr besprochene Erscheinungen unter besonders gfinstigen u eingehend zu verfolgen gestattete. tterrn Prof. Anton in Halle danke ieh aueh an dieser Stelle ffir die Liebenswfirdigkei L mit der er mir die wissensehaftliche u dieser und anderer meiner friiheren Beobaehtungen aus der Hallenser Klinik gestattete. Krankengeschichte. Paul Y., geb. 1883. Dreher; aufgenommen in die psychiatrische Klinik zu Halle am 25. Juni 1902, beobachiet bis September 1903. Anamnese: Keine gereditat. Va~er an tterzsehlag gestorben. ]~[ut~er und 60esehwister gesund; zeitig entwiekelt, in der Schule gu~ gelernt; keine kSrper- lichen Erkrankungen. Am 28. Mai 1901 Stiehverletzung der linken Sehlgfengegend; starker Blut- verlus~ und Bewusstlosigkeit, die angeblich 2 Wochen anhielt; ein u blieb die ganze rechte SeiZe vSllig gclS~hmt; dann stellten sich zuerst Bewegungen des Beines, sparer aueh des Armes wieder ein; doeh blicb eine Schwiiehe zurfiek. Die Sprache habe 4 Woehen ganz gefehl~s; dann habe er wieder an- gefangen zu sprechen; doeh sei eine Erschwcrung der Spraehe zuriiekgeblieben. Xein Erbreehen, kein Schwindel, kcine Kopfsehmerzen.

Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

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Page 1: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

XXI. Ueber Agrammatismus und die Stiirung der

inneren Sprache. (Ein B e i t r a g z u r Kl inik der motorischen Aphasie . )

Von

Karl Heilbronner in Utrecht.

Die naehfolgende - - im Wesentliehea schon vor mehreren Jahren niedergesehriebene - - Mittheilung war ursprtinglieh bestimmt, einer grSsseren Abhandlung eingeftigt zu werden, in der ich friihere ErSr- terungen fiber die motorische Aphasie fortzusetzen und zt{ erg~nzen hoffte. Der Absch]uss derselben bat sieh aus ~usseren Grfinden, vor Allem dureh die Nothwendigkeit, neu zugeflossenes Material zu berfieksichtigen, ver- zSgert. Ieh ]asse deshMb hier zun~chst eine Einzelbeobaehtung folgen, die auch ausserhalb dieses Zusammenhanges vielleieht einiges Interesse verdient~ weft sie neuerdings mehr besprochene Erscheinungen unter besonders gfinstigen u eingehend zu verfolgen gestattete.

tterrn Prof. A n t o n in Halle danke i e h aueh an dieser Stelle ffir die Liebenswfirdigkei L mit der er mir die wissensehaftliche u dieser und anderer meiner friiheren Beobaehtungen aus der Hallenser Klinik gestattete.

Krankengeschich te .

Paul Y., geb. 1883. Dreher; aufgenommen in die psychiatrische Klinik zu Halle am 25. Juni 1902, beobachiet bis September 1903.

Anamnese: Keine gereditat. Va~er an tterzsehlag gestorben. ]~[ut~er und 60esehwister gesund; zeitig entwiekelt, in der Schule gu~ gelernt; keine kSrper- lichen Erkrankungen.

Am 28. Mai 1901 Stiehverletzung der linken Sehlgfengegend; starker Blut- verlus~ und Bewusstlosigkeit, die angeblich 2 Wochen anhielt; ein u blieb die ganze rechte SeiZe vSllig gclS~hmt; dann stellten sich zuerst Bewegungen des Beines, sparer aueh des Armes wieder ein; doeh blicb eine Schwiiehe zurfiek. Die Sprache habe 4 Woehen ganz gefehl~s; dann habe er wieder an- gefangen zu sprechen; doeh sei eine Erschwcrung der Spraehe zuriiekgeblieben. Xein Erbreehen, kein Schwindel, kcine Kopfsehmerzen.

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654 Karl Heilbronner~

S t a t u s : l{it~ierer Erniihrungszustand. Kopf diffus etwas klopfempfind- Iieh, namentlieh aber in der Gegend der Narbe. Von der linken Augenbraue erstreekt sieh sehr~ig naeh hinten oben und aussen eine ca. I0 em lange Narbe. In ihrer vorderen H~ilfte finder sieh ein ungefS~hr 2em langer sehmaler Knoehen- defect, /iber dem die Haat eingezogen ist; keine Hirnpulsation zu fiihien.

Lungen, Herz, Abdomen ohne Befund. Pupillen, Augenbewegungen ohne Befund.

Rechtsseitige Faeialisparese and Zungendeviation. Die Bewegungen der Zunge unbehindert.

Reehtsseitige spastisehe Parese: Im reehten Sehultergelenk kann der Arm - - wenn aueh mit geringer K r a f t - fast bis zur Verticalen gehoben werden, geine Spasmen im Gelenk. [m Ellbogen die Supination - - aetiv und passiv - - besehrSmkt, die iibrigen Bewegungen aetiv und passiv m~glieh. Beu- .gang u n d Streckung im Handgelenk sehr unvollst~indig, deutliehe Spasmen im Gelenk. Fingerbewegungen sehr besehrgnkt, Spreizen fehlt, Handsehluss nar sehr wenig krgftig; Hand~iffnen (naeh Streekung der Finger) nieht ganz aufge- hoben. Sehr intensive Steigerung der Periostreflexe am reehten Arm; Umfang des reehten Armes ca. 1 em geringer als der linken. In der reehten unteren Ex- tremit~it ist wesentlieh die Dorsai/lexion des Fusses beeintriiehtigt; die Beugung im Knie gelingt nieht v~Sllig, alle Bewegungen erfolgen kraftios. Fuss -und Patellarelonus reehts. Der Gang ist typiseh spastiseh-paretiseh. Die Sensibilitiit ist ungestiSrt; aueh das Tastverm~gen und die Wahrnehmung passiver Be- wegungen in den kleinen Gelenken der paretisehen Extremit?iten sind nieht naeh- weislieh geseh~idigt.

Eine wesentliehe Ver~inderung des somatisehen Zustandes ist w~hrend einer 15 monatliehen Beobaehtung in der Klinik nieht eingetreten.

Der Gesiehtsausdruek des Kranken ist lebhaft und intelligent; er ist vgllig orientirt und zeigt lebhaftes Interesse an den Vorg&ngen in seiner Umgebung kennt die Personen derselben mit Namen und weiss d i e s e l b e n - aueh die h~iufig weehselnden l%Iitkranken - - , wie sehon hier bemerkt sei, mit Namen zu nennen, gleiehviel, ob er sie vor sieh sieht oder sonst auf Fragen (Name der Oberw~rter~ der letztangekommenen oder entlassenen Kranken) angeben soil

Er hat sieh, soweit seine Hemiparese dies zaliess, stets eifrig auf der Ab- ~heilung, aueh bei den Feldarbeiten, besehSftigt, geht allein in der Stadt spa- ziren; daneben hat or mit grossem Eifer Sehreibiibungen mit der linken Hand angestellt und es dabei zu einer sehr anerkennenswerthen Fertigkeit gebraeht. Die reehte Hand war aueh zum Sehreiben mit Kreide an der Wandtafel zu un- beholfen, wenn er aueh - - unter theilweiser l~Iitbenutzung der gesammten t~umpf- museulatur - - Buehstaben in t%iesengriSsse mit dem reehten Arm auf den Tiseh zu zeiehuen vermag, wie er aueh, was zur Vervollstiindigung erwghnt sei, Bach- staben, die max seinen rechten Arm passiv in die Luft oder auf den Tiseh sehreiben l~isst, bei gesehlossenen Augen sehr prompt erken~t.

Far seine Spraehst6rung hat er voile Einsieht, den Untersuehungen folgte er stets mit regem [nteresse, ohne siehtlieh zu erm~iden und ohne dass sieh die l%esultate aueh naeh gelegentliehen stundenlangen gntersuehungen merklieh

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verschlechbrt h i t t en ; die immer wieder gcs te l lb Frage, ob er etwa ermtidet

sei, verneinte er stets lachend. Die SpraehstSrung blieb - - ebenso wie die Parese - - w~ihrend der iiber

einjghrigen Beobaeh~ungszeit unvergndert. Die naehstehend reprodueirten Pro-

tokolle enbtammen einer sehr ausgedehnten Un~ersuehungsreihe aus dem August 1902.

I. Sprechf~higkeit. A. Patient sprieh~ im Allgemeinen wenig; yon Gesprichen mit

den Nitkranken seheint er sieh zuriickzuha[ten, da ihm die Sehwierig- keiten, die ibm der sprachliehe Ausdruek bereib~, ioeinlieh Sind. Bei den Untersuchangen besehrinkt er sich auf das Nothwendigste. Die Pro- duction yon Spraehlaubn scheint nur unter Sehwierigkei~en zu geiingen; man beobaehtet, gleichdel wie dieselben provocirt werden (Antworten auf Fragen, Erzihlen, Naehspreehen, Lesen), einc u n g e w S h n l i e h l a n g e L a t e n z z e i t , wihrend deren Pat. ein hiufig geradezu grimassirendes MienenspieI verriith, die Lippen wie lispelnd beweg~c, die Stirn kraus zieht, den Kept iTor- und zurfiek- schiebt, Sehluekbewegungen ausffihrt. Nr e m p f i n d e t d i e B e h i n d e r u n g a l s e i n e m e e h a n i s e h e und hat zu versehiedenen 5falen - - suggestiv in keiner Weise beeinflnsst - - angegeben, es steeke im G a u m e n ; dagegen giebt er ant Befragen ausdriieklieh an, dass er die Zunge so gut wie friiher bewegen kSnne.

3Ale spraehliehen Aeusserungen erfolgen ganz a u s s e r o r d e n t l i e h 1 a n g s a m, auch wenn yon der ve r l ingerbn Latenzzei~ abgesehcn wird; zum NachspreeheD einer 4 stelligen Zahl braueht er 3 - -4 Secunden, die Aufgabe, die Zahlenreihe yon 881--840 aufzusagen, lbst er - - iibrigens fehlerlos - - in 33 Seounden (ein Controllversueh am Gesunden erfordert 8 Secunden); iiberhaupt doeumentiren sieh die erwihnten EigenthLimliehkei~en des Sprechaetes b e i m N a e h s p r e c h e n u n d dem (sonst unbehinderten) l ~ e i h e n s p r e c h e n g e n a u so, wie in d e r S p o n t a n s p r a e h e .

Die Ausspraehe der e i n z e l n e n B u e h s t a b e n is~ nieht nachweislioh gc- sehidigt; insbesondere kommen die Voeale ungestSrt zu Tage, ebenso wie die Spraehe iiberhaupt in tier unverfilsehten F i rbung seines Dialeetes.

Das Gef i ige de r W o r t e selbs~ seheint in d e r S p o n t a n s p r a c h e fast ausnahmslos i n t a c t , d .h . die hSrbaren Laute folgWn in tier riehtigen t~eihen- folge, fremde Buehstaben waren im Allgemeincn ebensowenig eingesehalte~ als zugehgrige feh!bn. Ieh finde bei der Durehsieht der Protokolle nut folgende hierhergeh6rige Fehler:

Bezeiehnung einer Sehildkrgte: tIilsehkrSte ,, eines Ambos : Ambost ,, start Sehnaps: Schnapf / bei den Sa~z- ,, ,, Nittagessen: ~{ittessen ] bildungen s. u. ,, einmal Nigle (Z/igel ? ?) . . . . Sivi~e (s& u

B. Die W o r t f i n d u n g - - zuniichs~ geprfift dureh B e n e n n e n l a s s e n v o n G e g e n s t i n d e n i m geggendorfer'schen Bilderbueh - - ersehein~, wenn iiber-

Archiv f. Psychiatric. Bd. 41. Heft 2. A~

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haupt nur ganz unwesentlieh beeintrgehtigt. Er braueht allerdings lange Zeit. his er die Benennung prodneirt, aber - - soweit ohne fdne l~{essung feststellbar

- - kaum lgnger als der oben erwiihnten Verlgngerung der Latenzzeit en~sprieht. So benennt er correct: Elephant, Sehneemann mit Reisbesen, Flinte, Sehaf, Vogel, gabe, Krebs, Sehildkrbte (allerdings als ItilsehkrSte ausgesproehen, s.o.), kmbos (Ambost, s. o.), Hammer (Vorsehlaghammer), Gemse (Beck oder Ziege), Cylinder, Sehornsteinfeger (Sehornsteinfeger, Leiter und Leine, t}ewieh~e daran), Geigenbogen, Kanone, Geige, Doleh, Shbel, Pferd, Fohlen, Trompete, Sehwengel, Pho~ographiseher Appar~t (Photographenboek)~ Lehnstuhl (Sammtskuht), Stroh- hut, l~Iii~ze, Stiefelette.

We nieht in ( ) anders bemerkt, entsprieht die hier angegebene Be- zeiehnnng der aueh veto Pat. gebrauehten. Zur Priifung sind absiehtlieh nieht gerade nur die Bilder der allergelgufigsten Gegenstgnde benutzt; die feine Differenzirung Pferd-Fohlen, Vorseh laghammer und Aehnliehes, ersehien im VeNleioh zu den gewbhnSchen Ergebnissen bei Aphasisehen ~uffgllend.

Schwierigkeiten ergaben sieh in folgenden P~llen:

Gezeigt: Postwagen mit Postilion. Was fiir ein l~{ann?

Wie heisst tier i~{ann? Was hat er in der Hand? Wie heissen die? Riemen beim Pferde? Ziigel? Sehmet~erlin gnetz ? Wie heisst des Ding? Das Ganze? 6arnwinde ?

Antwort: Pferd and Wagen und ~Iann. Kutseher und Briefkasten, he, Postbo~e,

he, die Post. �9 Poshnann. Eine Peitsehe und die Nigle, ne. giemen. Leine. Ziigel ja. Sehmetterlinge fangt. Gaze (auf des Netz zeigend). Schmetter- fangen. So ne Nasehine, ~vo so G~rn drauf wiekeln.

Aueh in diesen Umsehreibungen doeumentirt er noeh einenrech~ r e i e h e n W o r t s e h ~ t z ; der Verdaeht, dass er des ngehst liegende Wort nieht anwende, weil die Production un/iberwindliehe Sehwierigkeiten mache, Hess sich zuweilen nieht unterdriieken, aber each nicht zur Gewissheit erheben: es gelang nieht, sieh mit ihm dartiber zu verstgndigen, ob er etwa ein zutreffenderes Wort ,,innerlieh" parer habe.

In der S p o n t a n s p r a e h e tritt ein Nangel conereter Worte jedenfalls nieht zu Tage; insbesondere lgsst sieh nieht naehweisen, dass ibm E i g e n - n a m e n fehlten; er weiss nicht nur die Namen der Personen seiner je~zigen Umgebung ( s . oben), sondern aueh Namen yon Personen nnd 0rten, die ibm yon friiher (aueh aus tier Zeit naeh der Verletzung) bekannt sind: den Namen des grankenhauses, in dem er zuerst lag, des Arztes, der ihn behandelt hat: die Bahnstationen auf der Route naeh seinem Heimatsorte u. A., anzugeben. Gelegentlieh produeirt er zur Verdeutliehung seiner Erzghlungen T h i e r l a u t e

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(Miauen der Katze u. ~.), weiss aueh auf Aufforderung die Laute der Fr5sohe, Hunde, Schafe ganz gesehiekt naehzuahmen.

C. [hr vorwiegendes ~usseres Gepr~ige erh~lt seine Spraehe dureh die Art und Weise wie er die Worte aneinanderre(ht:

Als Typus kann die folgende Besehreibung seines Tageslaufes dienen: ,,Erst Morgen, Kaffee trinken, und fegen, ausfegen und Feld gehen,

Mit~ag so'ne Pille, eins, und Feld gehen, und 3/46 zu Hause, he, ringehen (Prey.: hereingehen), Abendbrot essen, 7, Pille, um 3/49, Bette."

Eines gelShmten Mitkranken Tageslauf sehildert er ~hnlieh: ,,Kaffee trinken Morgen, Pille Friihstfiek esse, Mittagbrot, 1 Pille,

Arzenei, drei Kaffee trinke u. s. w." Den Itergang bei seiner Aufnahme sehildert er auf Befragen folgender-

maassen: ,,0berw~rter, ieh, hierher, da, hier, baden". (Was gesehah mit den Saehen?) ,,Oben, Boden". (Nit Deinem Gelde?) ,,Ira Comptoir." (Was gesehieht mit den Briefen?) ,,Nicht zumaehen, die Saehen, ira C0mptoir, und 0berw~irter geben". (Was thut der mit den Briefen?) ,,Der tragen in Comp~oir".

Die Fabel veto Fuehs und den Trauben reprodueirt er in foigender Form: ,,Der Fuehs hatte, ging, Trauben so hoeh, ginge hin, und hoch erste (Prey.: zuerst), Trauhe iste zu sauer". Aufgefordert, ein Gewitter zu besehreiben, pro- dueir~ er das Folgende: ,,Blau, die Wolken sind blau, so'ne I-Iitze, Sehwiile, und Blitz und donnert, t~egen".

Den Verlauf einer eben iiberstandenen Enteritis mit heftigen Diarrhoen sehilder~ er in lapidarer K/irze folgendermaassen: ,,u sieben Mal, gestern 5 la l , heute Knurren in die Caldaunen (=Eingeweide)".

Aueh seine sehriftliehen Elaborate zeigen die gleiehen Eigenthiimliehkeiten. Ende Mgrz 1903 sehildert er sehriftlieh Anlass und Itergang der Verletzung, die seinen Zustand herbeifiihrte in folgender Weise (das Wiedergegebene ist aUS versehiedenen Redaetionen, die er mir vorlegte, zusammengestellt~ es illustrirt aueh die weiter unten noeh zu bespreehenden StSrungen der Schrift):

,,Liess seine Mutter die sehreien ihrem Sohn, der stehen in tier Hausthfire, der sagte, vorrum schreien du. Sehneidewind seine Frau hat gesagte Enten- dieb (zwisehen Liess und S. bestanden S~reitigkeiten wegen einer angeblieh ge- stohlenen Ente; Pat. erhielt yon L. einen Niesserstieh, den dieser aus Raehe dem S. zugedaeht hatte). 2. Pfingsten 1901, 27. MaX, W. Sehneidewind und Paul wir beide well naeh Magdeburg-Sudenburg naeh den Saal 4 Uhr; abens 10 Uhr dann is~ aus; wir'beide gingen naeh Buekat/ mit Zug 111/4 Uhr naeh Dodendorf, ausgestiegen 12 Uhr, wir gingen den Weg naeh Bogendorf, vonhin in den SehlSfer in stieh gekommen habe, fie1 um nach l~rde, der andern Sehneidewind der hat 3 stich in l~fieken und einst ~'inger; dazu komst ein Mann , Pahland, sag~e wet ist das, frag~e Fahland, das bist du. Fahland ging naeh meine Mutter, sagte was haste denn Wilhelm oder Otto soil mal raus- kommen, ieh will noeh was sagen; gleieh mit Wagen helen, gleieh noeh Herrn Doctor, helen, gleieh Nothverband maehen, andern Tag naeh Sudenhurg-Kranken- haus gebraeht. 1. I~iofamiten (ehloroformiert!) 13 Woehen in BeJ;t, Massiren

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and Electerisiren, 1 Jahr in Krankcnhaus. ])er 0rtssehulzer hat gesehrieben naeh Krankenhaus, ieh muss raus.".

D. ])er Versueh, den Kranken aus gegebenen Worten S i t z e b i l d e n zu l a s s e n , fSrdert Folgendes zu Tage:

Gegebene Worte: ttund - - bellen. Nut-. HuM und Bellen! Kind, Mile]a, trinken.

gesultat : Der Hnnd an der Kette sasse und bellt. Der Hund der belle. ])as Kind ist klein und schlafen und

schreit, denn Milch. Es wurden Beispiele zur Erliuterung gegeben, so dass kein Zweifel be-

stehen kann, dass Pat. die Aufgabe verstanden hat; dann fortgefahren: Schnitter, Getreide mihen. Doctor, rauehen Cigarre. Metzger Oehse sehlachten.

W~rter, Kranke, baden. Kuh, Gras fressen.

Das Getreide ist so reif m~ih. Der Doctor erlaube Cigarre. Der Netzger wetz (ist sehr unzufrieden

fiber das Resultat) Der Wirter badet den Kranken. Die Kuh hat Grasen zu fressen.

Die Verlangsamung der Reaction giebt Veran]assung in der Folge die Zcit yon der Beendigung der Stellung der Aufgabe, bis zum Ende der Re- action mit tier Secunden-Uhr zu messen; die Resultate sind in Klammern bei- gesehrieben. Bicker, Brot, backen. ])er das, der BRoker hat das Brot ge-

baeken (4810. Hund, Kind, beisscn. Das Kind das beisst der Hund (11 55~').

Bis zur LSsung der Aufgabe maeht Pat. unausgesetzt Spreehbewegungen, zum Theil in der oben bescbriebenen Weise iibertrieben. ttaus, Naurer, bauen. Fangen, Fischer, Fiseh. Baum bHihcn. Regen fallen. Maus, Speck, fressen. Sonntag, Kirche gchen. Wenn du gehst? Wirter, austbeilen, Mittagessen.

Kinder, Papierdraohen, steigen l~ssen.

~[ann, Sehnapstrinken (sell das Resultat aufsehreiben).

Fischer, Fisch, fangen, Angel (aufge- schrieben, sell das Resultat schreiben).

])as Haus mauert der Maurer (32"). Der die Fische fingt der Mann (58"). Der Baum bliiht. Das, der Regen fi l l t ab. Die Maus hat den Speck gefressen. Sonntag in die Kirehe gehen. Ieh gehe Sonntag ffaeh der Kirehe. Der Wirter bringt das Mitessen und

theilt aus. Die Kinder hatten sich den ])raehen ge-

machtund - - dieKinderDraehen gemaeht und den Draehen hoeh in die Luft. Die Kinder batten den ])rachen in der Luft - - .

Der Mann trink den Sehnappf (s. u.) (1' 4~").

Nach 1/4 Stunde naeh vielfachen Cor- reeturen: Der Fischer, Fiseh der Angel gefangen(sehr unzufrieden)

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Sehreibe- der Fischer fsngt den Fiseh Der Fischer f~ngt tier den Fiseh Angel mit tier Angel. (liest wie ihm diotirt).

Du hast etwas ausgelassen. Corrigirt das Gesehriebene: DcrFiseher fiingt der Fiseh mit den Angel.

E. Pat. sell zu g e s a g t e n Wor t en den A r t i k e l zuse tzen ; er ver- steht die Aufgabc ohne Weiteres und 15st sic riehtig bei folgendcn Worten:

Vogel, Schaf, Blume~ Tinte, Messer, Blitz, Fens~er, Pferd, Scheere, Ring, Nag@ Nadel, Pflanze, Baum, Gans, Auge~ Klingel, tIandsehuh, SehSnheit, Jugcnd, Alter, Lampe, :Treppe, Menseh, Geld, lgark, Thalcr, Spitzc, Tante, Onkel, Wanne, Ofen. Dagegen macht er folgende Fehler:

Den Kreide. Kreide. Stuhl. Cigarre. Kuchcn. Gabel. Klingel. Bank. 51uth.

Fenster.

Pfennig.

Den Stuhl. Der Cigarre. Den Kuchen. Den Gabel. Das Klingel. Der Bank. Die Muth. Die Fcnster. Das Pfennig.

II.

Kakadu. Pantoffelfabrik. Beerdigungsanstal~. Daehpappenfabrik. ElectricitEtsmesscr. Telegraphendrahtfabrik.

Die Aufforderung Vorgesprochenes nachzusprechen ergiebt:

Fahrplanbuch, Wie heissen die Worte vorhcr?

333333. Dasselbe mit lauter Fiinfen.

Mit 7. l~Ii~ 8. Ich kann schwer spreehen. Die Sprache fis mir schwer. Ieh kann alles ganz gut verstehen.

Ist das richtig ? Ieh kann alles ordentlich verstehen.

+ ' ) § + § §

Telegraphenfafrik (auch bei wieder- holfem u nicht corrigirt).

-~-(nach wiederholten Ans~tzen). Electricit~tsfabrik ne - - Pappfabrik

und Elecirieit~tsfabrik. 333033. (Nach wiederholter Erkl~irung der Auf-

gabe ehne Vorsagen) 555555. 777077, ne 77. 888088. Ich kann nicht sprechen.

§ Ich kann aus, ieh kann ausserordent-

lich verstehcn. Ja, dat's falsch. Ich kann ausserorc]entlich verstehen.

1) -~- bezeichnet richtTige, -- ausbleibende Reaction.

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Ist das riehtig? [eh kann alles ordentlieh verstehen. Es heisst Alles. Ieh kann keine langen S~tze maehen.

I~iehtig ? (Aufgabe wiederholt.) Frfiher babe ieh besser spreehenkSnnen. Seit dem St.ieh kann ieh nieh~c mehr so

gut spreehen. Aufgabe wiederholt.

Ist es ganz? Xann ieh nieht mehr so gut spreehen.

Das Nachspreehen einzelner Buehstaben erwiihnten Sehwierigkeiten des Ansatzes ohne

Fremde Silbeneombinaiionen, bis zu 3 Buehstaben, ehemisehe Namen) gelingen nieht

Karl Heilbronner 7

Nein.

Ieh kann aus ordentlieh verstehen. Alles ordentlieh verstehen. Ieh kann - - ieh kann maeh Sitze

maehen. Ne. ieh kann, meine keine Sitze maehen. Friiher, sp - - es, friiher spreehen kSnnen. Well, weile Stich habe ieh.

Seit dem Stieh kann ieh nicht gut spreehen.

Ne. Seit dem Stieh habe, seit dem Stieh

habe ieh nieht mehr.

gelingt, abgesehen "con den sehon Fehler. Silben (Namen der grieehisehen sehleehter als bekannte Worte~).

IIL Das Sprachverstiindniss. :Die Aufgabe, g e n a n n t e G e g e n s ~ i n d e (wieder nieht nur die einfaehsten)

ira B i l d e r b u e h e zu z e i g e n , 15st Pa t . f e h l e r l o s . Aueh e o m p l i e i r t e r e P r a g e n u n d A u f g a b e n v c r s t e h t er ohne S e h w i e r i g k e i t und ohne dass sieh der Untersueher einer besonders vereinfaehten Formulirung zu bedienen braneht (vergl. dazu unten die Fragen bei den Sehreib- and Leseversuchen). E i n i g e S e h w i e r i g k e i t e n bereitet die Yerstindigung erst da, wo auch beim Nicht- Aphasischen seines Bildungsgrades dergleiehen erwartet werden konnte, so z.B. leider bei den Versuehen fiber die Yerhgltnisse der inneren Spraehe yon ihm selbst unmittelbar huskunft zu erhalten. Ueber die Frage, ob er raseher denke als spreehe, ob er die Worte, die erst naeh ZSgern zu Tage kamen, sehon vorher parat babe, war niehts Sieheres zu eruiren. Immerhin war e s - aueh als Beweis des Verstindnisses - - bemerkenswerth, class er bei derartigen Gelegen- heiten wiederholt darauf zurfickkam, dass die Sehwierigkeit im Ganmen ]gge. Die Erschwerung der Verstindigung sehien jedenfalls zum Theil dadureh be- dingt, dass er seinerseits derartige eomplieirtere Vorstellungen in seinen agram- matisehen S~tzen noeh weniger auszudriicken vermoehte, als dies dem Grade seiner logisehen Schulung naeh zu erwarten ,~Tar.

1) Bei mehr als dreisilbigen Combinationen ergeben sieh zahlreiehe tPehler : dieselben waren aber ~'eder der Art noeh der Hiiufigkeit nach versehieden yon denen, d i e - wie ieh gestehe zu meiner U e b e r r a s e h u n g - ein ungebildeter Neurastheniker bei einem Controllversuehe maehte.

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IV. Lesen. Gepriift wurden die B ue h s t ab en des gesehriebenen, namentlich aber des

gedruekten deutsehen Alphabetes. (}ezeigte Buehstaben ]lest er fehlerlos untei Verwendung der im Alphabet gebrguehliehen Bezeiehnungen. Ebenso fehlerlos finder er unter den mit Buehstaben bezeiehneten K~rtehen verlangte, dabei maeht es keinen Untersehied, ob die Buehstaben aufrechtstehend oder umge- kehrt vorgelegt werden; aus dem ganzen Kartenhaufen finder er verlangte un- gefS~hr ebenso raseh heraus, wie der ~Jntersueher.

Z i f f e r n (gedruek~ oder gesehrieben) werden riehtig gelesen, aueh vier- stellige Zahlen noeh ohne Sehwierigkeiten correct. Hier set beil~ufig bemerkt, dass Pat. nieh~ nur Aufgaben aus dem E i n m a l e i n s 15st, sondern aueh Reehen- a u f g a b e n (Aufgaben aus dem grossen Einmaleins (12 • 13 u. A.) und leiehtere angewandte Exempel riehtig bereehnet.

Z u s a m m e n h g n g e n d e s Les en fgllt dem Pat. s u b j e e t i v schwer; er liest Zeitung, aueh mit Verstiindniss, fiir sieh, giebt aber an, dass er i~nger als friiher dazu zu brauehen glaube.

L a a t e s Lesen erfolgt mit den sub I. A, gesehilderten Eigenthiimlieh- keiten; Fehler werden nieht h~ufiger gemaeht als in der Spontanspraehe; die drei ersten Strophen des Miidehens aus der Fremde liest er abgesehen yon 2 Fehlern (,,Hitten" s~att ,Hirten", ,,war ne sie kam" start ,,wohin sie kam") fehlerlos. Eine 53 Silben lange Fabel, die ihm aufgesehrieben vorgelegt wird, liest er in 60 Seeunden fiir sieh dureh and weiss dann deren Inhalt in seiner Weise wiederz~geben. Die Aufgabe zu aufgesehriebenen ein- und zweisilbigen Worten (Kopf, Nase, 0hr, Hand, Fenster, Kreide, Tafel) die zugehSrigen Gegen- st~nde zu zeigen, 15st er so prompt, dass der gersueh, die Zeit mit der Seeunden- uhr zu bestimmen, seheiter~e; zu Zeitmessungen mit complieirteren Methoden war keine Gelegenheit.

V. Schreiben. Pat. benutzt, wie sehon erwghnt, wegen der reehtsseitigen Parese zum

Schreiben die l i n k e Hand. Er hat n ie S p i e g e l s e h r i f t produeirt. Die Gewandtheit der Sehrift hat dureh Uebung erheblieh zugenommen;

atteh die Sehr i f~ Iage (Sehr~gsehrift yon reehts oben naeh links unten) l~sst nieht erke'nnen, dass mit der linken Hand geschrieben ist.

Die F~higkeit, B u e h s t a b e n zu p r o d a e i r e n , war yon Anfang an, so welt vorhanden, dass sieh in dieser Beziehung keine Schwierigkeiten ergaben, um so weniger, als die meisten sub u zu erwiihnenden Versuehe mit Kreide an der Wandtafel gemaeht wurden.

Die B u e h s t a b e n f o r m war --abgesehen yon der zun~ehs~ beobachteten Unseh(inheit in Folge der anfiinglichen Ungesehickliehkeit der B e w e g u n g e n - er- haiten. u Buchstaben wuss~e er zu schreiben; das Abschreiben gelang ohne Schwierigkeiten, nieht meehaniseh abmalend; bet seinen Copiriibungen benutzte er meist Gedruektes als u Ftir seine Leistungen im Spontan-

Page 10: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

6 6 2 Karl Iteilbronner,

sehreiben giebt die sub I. C, wiedergegebene Sehilderung der Verletzung ein Beisp~el.

Ueber die Verh~ltnisse beim Dietatsehreiben siehe sub VI.

VI. Zerlegung der Worte in Buchstaben. Die Aufgabe wurde in ~Tersehiedenen Modifieationen gestellt'; der Kranke halle 1. die Buehstaben, aus denen er das Wor~ zusammengesetzt glaubte, auf-

zusagen, 2. die Buehstaben aus Kirtehen mi~ aufgedruckten einzelnen Buehstaben

auszusuohen und zu ordnen, 9. das Wort an der Wandtafel aufzusehreiben. Die Versuehe wurden zum Theil in Serien naeh je einem der bezeiehneten

drei Modi zum grSsseren aber promiseue vorgenommen; die Resultate zeigten eine weitgehende Uebereinstimmung nieht nut bezfiglieh des Typus, sondern aueh bez/iglieh der Details, sogar bei Wiederholungen an versehiedenen Tagen und naeh lingeren Pausen, wie die naehtolgendea Protokolle zeigen; ~us den- selben wird aueh ersiehtiieh, wie Pat. das, was er gelegt resp. gesehrieben, las; die Daten der Untersuehungen sind vorgesetzt. Jeder einzelne Versueh dauerte unverhiltnissmissig Iange Zeit, die Prist ffir das Auswihlen unter den Kirtehen resp. das Niedersehreiben kam gegeniiber der ffir die Entseheidung fiber das zu suehende resp. zu sehreibende selbst verbrauehten kaum in Be- traeht; eine Versehleehterung der gesuitate gegen das Ende der zum Theil sehr langen Untersuehungsreihen, wurde nieht eonstatirt.

Aufgabe: Wie sehreib~ man: 17. August 1902.

Thier ? Richtig ? u das Vieh auf der Weide

Blitz? Zahnweh ?

Ist einer falseh?

Was ist jetzt falseh? NoehmM !

Fahrplan. Weihnaehten.

Wie heisst das Wort? Riehtig ?

18. August. Weihnaehten. (Finde~ die Fehler nieht.)

Resultat:

Sagt: T, h, i, r, e Ne: eorrigirt T, h, i, e,r, V, i, h, r, - - ,,ne"!), e, r (spricht fiir sich u dann: Vi, ne,

V, i, h, r, ,,ne", e, r. Sagt: B , b , i und 1. und e, b, i, 1, z; Sagt: Z, a, h, n, w, h, r, e, 5a, dat ,,r". (sagt :spontan) Z, a, h, n, w, h, r, Das r. Sagt: Z, a, h, n, w, e, h. Sagt: F, a, h, r~ p, 1, a, n. Sagt: W,h, ne, W, a, ht, W , e , i , h , t . Weihnaehten. W, a, h, n, a, h, t. Ja.

Sagt: W, e, i, t, n, a, h, t.

1) ,he" Provineialismus fiir ,,nein".

Page 11: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

Ueber Agrammatismus und die StSrung der inneren Sprache.

Sehmetterling.

Wie heiss~ alas? Lies genau!

Eismasehine.

Viehfu~ter.

Lies ! Wie heiss~ der erste Buehs~abe? Eft oder vau?

Tierarz~.

Lies ! Eisenerz.

Heisst ? Eisenerz.

Lies ! Eisen.

Eisenerz. Hfihnereiweiss.

Wie heisst das? Heisst ?

Fu~terriibe.

Ist nioht der drittletzte falseh?

Hund ehtitte ?

Flasehensehrank.

Sage das Wor~!

6 6 3

Sagt: S, ch, m, e, ~, l, i, n, g: Legt ' ) : S, e, h, m, e, t, 1, i, n, g.

Sehmetterling. Setzt noeh ein zweites ~ ein. Sagt: E, i, s, s, eh, seh, Eis- E, i, s, m,

a, s, ck, i, n, e. Legt: E, i, s, 1~I, a, (s)-"), h, i, n~ e. Liest spontan: Eismasehine.

Sagt: F, i, r, f, u, L L r : Legt: u e, r, f, u, t, t

Viehfutter. F, (eft). Vau. Sagt: T, ], r, e, r, e, v, e. Leg~: T , i ,

e, r, e, r, z. Tierarz. Sagt: Eisenerz, E, i, s, e, r, s, ne c. Eiserz. Sagt: E, i, s, e, s, e, r, z, Legt: E, i, s,

e, s, e, r, z. Eisenerz. Sagt: E , i , s , e , n . E , i , s , e , n . Legt:

E, i, s, e, n. Legt: E, i, s, e, n, e, r, z. Sagt: H, i, n, h, n, e, s, e, h, w, e, i, s.

Legt: H, i, e, n, s, ch, w, e, i s. l~tigt zwisehen n-s noeh e, r. It~ihnerweiss. Sagt: F , u , t , Le , r , i , e , b , e . Legt:

F, u, t, ~, e, r, R, i, e, b, e . Ersetzt ie, zuerst dureh i , i , dann

spontan dureh ii. Sagt: H, u, n, d, e, h, i, t, t, e. Leg~:

H, u, n, d, e, h, fi, ~, L e. Naehgesprochen. + Sagt: F, l, a, S, eh,

F, 1, a, a, s, eh, a, r, n, ek. ]J~lasehsehrank. Legt: F, 1, a, seh, a, r,

13, e, k.

1) Die Yersuehe wurden stets so vorgenommen, dass Pat. zuersi eine ganze Buehstabenreihe sprach, dann die Hir tehen legte, wobei er eft leise die Bueh- staben vet sieh bin murmelte; dass er sieh d a n n noeh beziiglieh tier ge- s u e h ~ e n Buehstaben vergriffen hi t te , wurde h i e beobaehtet.

2) In () gedruekte Buehstaben sind veto Pat. s p o n t a n noeh nachtriglieh eingeffigt.

Page 12: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

664 Karl Heilbronner,

Itammersehmid.

Wie heisst das Wort?

Ziffern vorgelegt. Lege die jetzige Jahrzahl (die nicht genannt wird).

Lies ! Dein (~eburtsjahr.

Lies ! Warm bist Du aus der Sehule gekommen ? Lege das Jahr.

Naehgesproehen -4-. SaLt: H, a, m, m, i~ S.

Hammersehmid. SaLt: It, a, m, m, s, eh, m, 5, e,d. Legt: H , a , m , m , e , r, s, eh, m, i, e, d.

Legt: 1, 9, 0, 2.

-4- Leg~: 1, 8. 8, 3.

4-

5 Jahr (se. vor 5 J.). 1, 8, 9, 7.

Sehreiben an der Wandtafet.

Sehme~erling. Lies !

Viehfutter. Thierarzt.

Wer is~ das?

Eisenerz. Hiihnereiweiss ?

Lies ! We giebt es das?

Ftasehenschrank.

Sehreibt : Sehmetting. Sehmetterling. Sehreibt: Vierfutter. Sehreibt: Tier Erz. Der Tierarzt, das sind Tiere, Kiihe,

Pferde, Sueht, wie X/ihe krank. Sehreibt: Eissen-Erz. Hiinersehweiss. Hiihneweiss. In der Kiiehe. Flasscharnck.

Die Untersuehung vom 18. August ist liiekenlos und genau in der ur- sprfingliehen Ordnung wiedergegeben. Dauer: /iber 11/2 Stunden.

19. August. Was hast Du gestern gesehrieben? Meinen Namen (den er bei einer andern

Reihe tha~sgehlieh gesehrieben hatte), Hiihnereiweiss, Hiihn erweiss, Eisenerz, Flasehensehrank.

Auf Aufforderung, die Worte, die ihm nieht wiederholt werden, noeh Mal an die Tafel zu sehreiben, sehreibt er:

Flasseharnek. Eisenerz. I~ii(h)nerweiss.

Aufgabe : SehwMbensehwanz.

Wie heisst das WorE~

Was ist das?

SaLt: S, eh, a, l, b, e, n, s, oh, e, ne.

S, eh, h, i, v, h, a, l~ s, e, h, i, v, a,

n, z.

Schwalbensehwanz. Ein Sehmetterling. Legt: S, eh, a, 1,

b~ e~ If: s: eh~ w~ a~ n~ z.

Page 13: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

Ueber hgrammatismus und die Sti~rung der inneren Spraohe. 665

Kohlenkorb.

Pantoffelfabrik.

Lies !

We stimmt es nieht?

Sehreibe an die Tafel! Lies !

$ trumpf band.

S~rickstrumpf.

Lies ! Was'fehlt]?

S~ernsehnfippe. Was ist das?

Lies ! Schreibe Strumpfband ! Schreibe Strickstrumpf!

Lies ! $ehreibe Gurkensalat !

Lies ! Wozu ?

Schnapsflasehe.

Lies ! Murmelthier.

Lies ! Sehlangenmenseh.

Was ist das?

Lies l Was bast Du sehreiben wollen?

Was hast Du Essbares aufgesehrieben? Lege das zusammen! Stimmt es ?

Murmelthier.

Sagt: K, o, h, l, k, r, o, b. Legt: k ,o , h, 1, k, [i, r b.

Naehgesprochen + . Sagt: P, h, n, f, e l , f, a, b, r, i, c. Leg~: P , h , a , 1, o, sz, F, a, b, r, i. e, k.

Pantoffelfabrik. Zeigt auf ,1" und ,,sz" kann trotzdem

nieht corrigiren. Sehreibt: Phaloff FabriL Pantoffelfabrik. Sagt: S, t, u, m, f, b, a, n, d. Legt:

S, t, u, m, f, b, a, nd . Sag~: S, t, i, r, s, t, u, m, f. Legt: S, eh,

1,/i~ r, s, ~, u, m, f. S~riekstrumpf. Se~zt zwisehen ,,r" und ,s" noeh ein

Funken am Himmel. Sag~: S, ~, e, r, n, s, e, h, l, u, m, e, r. Legh S , t , e, r, n, s, c, h, ], u, m, e, r.

St~rnschnuppe.

Sehreibt: Stumfband. Sehreibt: Schl/ir~s~umf. Striekstrumpf. Sehreibt: Giirke-Sallert. 6urkensalat. Essen. Nachsprechen -[- (zeig~ spon~an pan-

tomimisch den Gebrauch). Schreibt: Sehnapf-Flasehe.

Sehnapflasehe. Sehrcibt: Murren-St:ier. Murrentier. Naehspreehen -{-. Ein langer, Uebung maehen. $chreibt:

Langen-Menseh. Langenmenseh. Da muss seh machen. Gurkensalah Leg~: G, r, u, ek, e, S, a, 1, 1, e, r, t. Schreibt spontan: Grueke Sallert. Legt: M, u, r, r, e, t, st, fi, eorrigirt

dann spontan t, i, er.

Page 14: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

666 Karl Heilbronner,

VIL Aufgabe aus vorgelegten Buehstaben Worte zu eombiniren.

Pat. erhglt die Karten mi~ aufgedruekten Buehs~aben ungeordnet vor- geleg~; soweiis gr0sse Buchstaben darunter sind, benutzt er diese fiir den Wort- anfang; im Uebrigen permutirt er, ohne erkennbaren Plan, solange, his ein ihn halbwegs befriedigendes Resuttais zu Tage kommL oder his er naeh vielem Hin and Her an tier LSsung verzweifelt; dass er die ungeordneisen Buchstaben, beret er wenigstens in der Hauptsache geeignete Ordnung herzustellen weiss, rich~ig zu lesen vermoeh~ hgtte, wurde nich~ beobachtet; ausnahmsweise gelingt es ibm, fiber kleine Fehler ,,hinwegzulesen".

Vorgelegt:

W; u, r, In. S, eh, g, n.

KI a, tz, e. Was ist das?

(}~a, DS.

A, U, g, e. Was isis das?

E, s, e, l. Was is~ das? Buehstabire ! Zusammen ? Was ist das? Erneuiser Versueh !

T, J, s, eh. T, i, er.

Erneuter Versueh: Z, i, m, m, e, r. V, i, eh. K, a, l, k

S, t, e, r, n (fr~igt erst, ob die Karte ,n" oder ,,u" heisst).

T , r , a , n , k .

S, eh, r, e, ek. Vertausehe den 3. und 4. Buehs~aben !

L, e, i, e, h, t. Was ist das? c, h wird ersetzt dureh eh! Was is~ das?

H, a, ]s.

Endgfltiges Resultat:

g, u, me, liesis: Nure. S, 5, n, eh, maeh~ vergebIiehe Lese-

versuehe. K, a, e, ~z, liesis Katze. Miau. G, a, n s.

A, e, u, g, liest Auge. So'n Auge. E, e, l, s.

Oeld ? Liesis: E, e, 1, s. Eels. Ein Namen ? E, 1, e, s. T, i, eh, s, lies~: Tiseh. T, e, ri. T, i, e, r (mit Verstgndniss gelesen). Z, i, e, r, m, m, Z, i, m, m, liest S~imme. V, i, eh (gelesen). T, a, l, k; 1, a, t, k (vergebliehe Lest-

versuche) k, a, 1, t. S, ~, e, r, n (Stern in IIimmel).

T, a, nr, k, T, r, a, nk (gelesen-d-, dana Kaffeetrinken).

S, eh, e, r, ek, liest Sehert (?). S, eh, r, e, ek (gelesen mitVerstgndnis). L, e, i, c, h, t, lies~ leiert. Gelern~ hat. Liest: leieht. So'ne Gesehiehte, 'he leiehte. It, a, 1, s. -4- gelesen, deu~et auf seinen

Hals.

Page 15: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

Ueber Agrammatismus und die StSrung der inneren Spraeho. 667

S~ eh, r, 'a, u, b~ e.

Lego das r an die 3. Stelle. Was is~ das?

F1, a, s, eh, e. (}, 1~ a, s.

Neuer Versueh ! gertansehe das letzte und vofletzte.

S, a, u, eh, e, rb, S, eh, a, ub, er,: llest; Schauberk

S, ch, r, a, u, b, e. -~- gelesen. Da is'he I~u~er drin. F, 1, a, s, eh, e (liest +). G, a, ls, ]ies~ Gals. G, 1, sa, liest Elsa. G, 1, as, liest q-.

VIII. Aufgabe, angefangene Worte zu ergiinzen. Es wird Pat. die ers~e Silbe eines Wortes, bzw. der Anfang eines Wortes

vorgesagt, mit dem Auffrag, daraus Worte zu bilden; die Aufgabe wird ohne weitere Erkl~irung begrifien. Pat produeirt ohne grSssere, als die aueh sonst beobaehtete Verlangsamung, die Resultate, wobei er die Worte in tote aussprieht,

Fla-Flasehe. Fcn-Fennig (Prey. fiir Pfennig). Ka-Karl. Hi-Himmel. Wi- Winter. Er-Eriaubnis. Spi-Spiegel. gam-Lampe. Bo-Bohne. Som-Sommer. Sti-Stiefel. Was-Wasser. gir-Kirblich (erklSrt: aufgefegt., mit der Hand, Prey. fiir Kehrieht). Zi-Zicge. E-Esel. ga-Karl. Ku-Xuhe (Prey. fiir I(uh, erkliirt: im Stall). Lei-Leier. Ze-Zehr. Fi-u (erkl~rt: die Leute-Vieh). )aes- ~esser. Ga-Gabel. Sche-Sehere. ttil-(Hilscher, Erklgrung fehlt), Gl~u-Glauben. Hof-(ttofmeister). Glo-Glooben (Prey. Glauben). Wa-Wagen.

Rein symptomatologisch interessirt zun~chst die StSrung, die der Sprache des Kranken ihr i~usseres Gepriige aufdrfickte: der A g r a m m a - t i smus . Das Yerdienst~ auf die Bedeutung dieser Erscheinung als Folge einer Herderkrankung aufmerksam gemacht zu haben, gebfihrt Pick~). Er hat auch darauf hingewiesen~ dass wenigstens die Itoffnung bestehe, die Gesammtsumme der St6rungen~ die als Agrammatismus in die Erscheinung treten, wenn auch bei dem heutigen Stand unserer Localisationslehre nieht a n a t o m i s c h ( doch k l i n i s c h weiter zu differenciren; die Be- zeichnung umfass% was franz6sische Autoren als ,~style n~gre avec les verbes it l'infinitiv" und ,style t616graphique, la phrase 6rant r6duite aux roots essentiels it la comprehension" unterschieden.

Der vorliegende Fall hat trotz der gtinstigen Untersuehungsbedin- gungen eine derartige Differenzirung nieht durehfiihren lassen; iiber- wiegt aueh das Spreehen in Infinitiven, so fiillt doeh an anderen Stellen das Fehlen der kleinen Satzglieder~ wie es dem ,Depesehensr eigen ist, auf. Dagegen ist es vielleicht yon Interesse~ dass die W e f t -

1) A. P i ck , Neue Beitr~ge zur Pathologie der Sprache. Arch. f. Psych. 28, Bd. S. 48 ft. Erweiter~ in: Bei~r~ge zur Pathologic und patholog. Anatomie des Centralnervensystems. Berlin 1898. IX. Ueber Agrammatismus als Folge eerebraler Herderkrankung.

Page 16: Ueber Agrammatismus und die Störung der inneren Sprache

668 Karl Heilbronner,

f o l g e , auf deren St6rung K u s s m a u l 1) bei der Besprechung des yon ihm auch als Akataphasie (S t e in t h a 1) bezeichneten Symptomeneomplexes besonderen Werth legt, wenigstens in der Spontansprache, soweit er- halten ist~ dass trotz der unvollst~indigen grammatikalisehen Ausbildung alas Gesprochene fast ausnahmslos verst~indlich bleibt.

GrSsseres Interesse als diese Differenzirungen, zu deren Weiter- ffihrung der vorliegende Fall keinen Anhalt bet, scheinen mir einige weitere Details zu bieten, die auf die klinische Genese der StSrung Licht zu werfen geeignet sind. Yon der Erfahrung ausgehend~ dass sensorisch Aphasisehe sogar meist eine gewisse Erleichterung des Sprechaetes zeigen2), w~ihrend der motoriseh Aphasisehe~ auch wenn er fiber einen gewissen Wortschatz verffigt, eine geringe spraehliche Initiative zeigt, erw~igt B o n h o e f f e r a) die M6gIichkeit, ,dass es mit dieser Er- schwerung oder Hemmung zusammenh~ingt~ wenn nur die st~irkst be- tonten Worte~ gewissermassen das Skelett des Gedankenganges, die HauptwSrter zum Ausdruck kommen, und alles grammatikalische Bei- werk wegfiillt, ohne dass sie im anatomischen Sinne zu fehlen brauehen". Diese geringe sprachliehe Initiative war auch bei unserem Kranken, wie oben dargestellt, recht auffallend und ich hatte eine einigermassen analoge Auffassung des Agrammatismus~ wie ich sie dann yon Bon- h o e f f e r ausgedrtiekt fand~ gleiehfalls erwogen, ja noch mehr, ich hatte mir die Frage vorgelegt~ ob der Kranke, der ja volle Einsicht in die Schwierigkeiten der sprachlichen Production hatte, nieht direct wi l l - k f i r l i ch jene Reduction auf das Wesentlichste vornahm~ die die An- forderungen an die motorische Leistung auf das ffir das Versffindnis zullissige Minimum herabsetzten. Die unmittelbare klinische Beobachtung sehien mir aber die Unriehtigkeit einer derartigen - - aueh yon Bon- h o e f f e r aus anderen Grfinden weiterhin als unwahrseheinlieh bezeich- neten - - anf~nglichen Annahme zu erweisen.

E r s t e n s sprach dagegen die Beobachtung: dass der A g r a m m a - t i s m u s , wenn auch vielleicht in etwas weniger intensiver Ausbildung, attch in den s e h r i f t l i c h e n P r o d u c t e n zum Ausdruck kam. Diese geringen quantitafiven Differenzen erkl~ren sich einfach daraus, dass der Kranke~ der ja den Fehler sehr wohl selbst bemerkte (was an sieh gerade in tIinblick auf die weiteren Erwagtmgen B o n h o e f f e r ' s er- wlthnenswert seheint)~ dem es aber mehr darauf ankam~ fehlerlose Re-

1) Kussmaul , StSrungen der Sprache. Leipzig 1877. S. 198. 2) Vgl. dazu Pick, Ueber die Bedcu~ung des acustischen Spraetacen~rums

ais Itemmungsorgan des Sprachmechanismus. Wien. klin. Woehenschr. 1899. No. 37. 3) B onhoeffer, Zur Kenntnis der giickbildung motoriseher Aphasien.

Mittheil. a. d. Grenzgebie~cen der l~{edizin u. Chirurgie. 1902. S. 203.

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Ueber Agrammatismus und die StSrung der inneron Sprache. 669

sulfate zu Tage zu f6rdern, als mir Typen agrammatischer Sehreibweise zu liefern, sich nach Answeis der Concepte bemfihte, das Geschriebene allmlihlieh grammatikalisch richtig za gestaIten.

Zwei tens erschien es yon Bedeutung ffir die Auffassnng der StSrmlg~ dass der Patient trotz zweifellosen Verstandnisses ffir die Aufgabe, die er dureh die exacte LOsung in der Mehrzahl der F~lle ja documentirte, in einer Auzahl yon Beispielen sogar in einer so ein- facben grammatikalischen Aufgab% wie sie das Vo r se t ze , des A r t i k e / s darstellt (s. sub.I. E), F e h l e r mach te ; hier kann die Erschwerung der Production kaum in Betracht kommen.

Dr i t t ens und haupts~tchlich aber war mir die Erw~gung mass- gebend, dass dem Kranken die Bi ldung yon S a t z c h e n aus wenigen gegebenen Worten. eine Aufgab% die zu den ersten in der Schule gefibten geh~irt, ganz ungewShniiche Schwierigkeiten machte, w~hrend er viel eher noch im Stande war~ einen - - unter Umst~tnden l~mgeren Satz aus dem betreffenden Vorstellungsgebiete einmal unverlangt zu pro- duciren~ und dass sich im Gegensatz zu dem sonst beobachteten, oben erw~thnten Verhalten - - selbst im Falle des endlichen Gelingefis der Anfgabe, die vorhandene StSrung bei diesen ,,Experimenten" in der ungew6hnlichen Wortstellung ausdrfickte; besonders pregnant waren hier wieder die Resultate der Versuche, die beim Schreiben an der Tafel gewonnen wnrden~ und bei denen der Kranke die MSglichkeit der Correc- tnr der vor dell Augen bleibenden Resultate hatte~ eine M6glichkeit, yon der er auch mit unablassigem Bemfihen, allerdings ohne sonder- /iehes Resultat Gebraneh maehte. Gerade diese Versache bewieseu auch, dass das Verstlindnis fiir die gestellte Aufgabe, an dem man namentlich wegen der gelegentlichen ,,ausweichenden" Resultate zunltchst zweifeln konnte, keineswegs fehlte.

In welcher Weise die Erscheimmg verstiindlich zu machen sein wird, soll spater erSrtert werden; zun~chst m6chte ich nur das eine bemerken, dass ich mit alIer Bestimmtheit in dem nachgewiesenen A g r a m m a t i s m u s d i e F o l g e e r s c h e i n u n g e ine r c e r e b r a l e n Herd- e r k r a n k u n g sehe. Von dieser Voraussetzung sind ja auch die vor- gehenden Erwagungen ausgegangen. Die itlter% spi~ter noch yon Ziehen aufrecht erhaltene Auffassung, dass der Agrammatismus nur auf dem Boden einer allgemeineu intel]ectuellen St6rung auftret% und wenn er sich ira Gefolge einer aphasischen St6rung entwickle, Aus- druck und Folge einer daneben bestehenden Geistesschwitche sei~ darf als dm'ch die Ausffihrungen yon Pick widerlegt gelten (die Frage des agrammatischen Sprechens yon Imbecillen und Kindern geh0rt nicht hierher). Der vorliegende Fail wiird% gleich dem yon B o n h o e f f e r

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670 Karl Heilbronne b

einen weiteren Beweis ffir die Richtigkeit der Pick 'schen Auffassung ergebcn~ wenn es dessert noch bedfirfte; yon einer nennenswerthen In- telligenzschwhche bei dem Kranken kann, wie ~us dem oben Wieder- gegebenen genugsam erhellen dfirfte, nicht die Rede sein; sieht man von den St6rungen beim Schreiben ab~ so bi]det der Agrammatismus neben der oben ausffihrlicher geschilderten rein motor~schen Erschwerung die einzige in die Augen fal]ende Erscheinung.

Die Beobachtung erseheint weiterhin aber brauchbar ffir die Beant~ wortung der weiteren Frag% welche Lfisionen geeignet sind, den Agrammatismus hervorzurufen; ich schicke voraus~ dass ich die An- nahme eines b e s o n d e r e n ,,propositioning centre", wie es B r o a d b e n t vorsehlug, mit P i c k 1) ffir entbehrtich~ zudem unseren Anschauungen tiber die Function cerebrMer ,Centren" nicht entspreehend hMte. Trotz- dem erscheint wenigstens die eine Frage berechtigt, ob die F~higkeit S~tze correct zu bilden~ an die Intaetheit des motorischen oder des sere sorisehen Antheils der sprachlichen Functionen ausschliesslich oder vor- wiegend gekn~ipft ist.

Ich habe frfiher~) im Anschluss an theoretische Ausffihrungen yon Sachs 3) die ttypothese eines Zusammenhanges zwischen Agrammatismus und L~sionen des s e n s o r i s c h e n Sprachcentrums erwogen; die Beob- achtung~ an die sich die damaligen Erw~gungen anschlossen~ war an sich weder in dem einen noch dem anderen Sinne beweisend. Auch P i ck t) schien geneig L besonders L~sionen des sensorischen Centrums ffir die St6rung verantwortlich zu machen. Seitdem haben reich eigene klinische Erfahrungen und das Ergebniss litterarischer Mittheilungen doch zweifel- haft werden lassen, ob diese theoretischen Erw~gungen auch nur ffir eine erhebliche Mehrzahl der F~lle zutreffen. Zun~chst konnte auch ich reich der Erfahrung nicht verschliessen, die aueh andere Autoren registrirt haben~ dass gerade bei sensorisch Aphasischen, die die Er- scheinung doch am ehesten h~tten zeigen mi~ssen, die grammatikalische Ftigung erhalten blieb, soweit die Paraphasie nicht bis zur Unverst~nd- lichkeit ffihrte und damit fiberhaupt ein Urtheil darfiber unmSglich machte; insbesondere habe ieh bei der Beobachtung in Rfickbildung befindlieher sensoriseher Aphasien hie ein agrammatisches Stadium fest- stellen kSnnen~ wie es P i c k - - mit aller Vorsieht allerdings - - als wahrseheinlich flit die Rfickbildungsstadien der Aphasic bezeichnet%

1) 1. c. S, 128. 2) Hei lbronner , Aphasic und Geisteskrankheit. Psych. Abhandlungen.

Hrsg. x~on Wernicke. Heft I. S. 27. 3) 1. o. 40 Sachs, Bau und Th~tigkeit des Grosshirns. Breslau 1893. S. 222ff.

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Ueber Agrammatismus und die StSrung der inneren Sprache. 671

trotzdem ieh gerade diese Stadien zum Theil aus anderen Erw~gungen stets besonders aufmerksam verfolge. Der einzige Fall yon Agram- magsmus, den ieh fiberhaupt in den letzten Jahren noeh zu beobaehteu Gelegenheit hatte, betraf einen Paralytiker, bei dem er s i e h - ffir ganz kurze Zeit - - wShrend der alsbald erfolgten Rfickbildung einer im Anfalle aequirirten motorisehen Aphasie einstellte, v. Monakowl) hat gerade das Erhaltenbleiben der ~tusseren Form der Redo und den Gebraaeb einer geord~eten Satzform als Characteristicum der sensori- schen Aphasic gegenfiber der motorisehen bezeiehnet; die uns hier be- schaftigende St6rung, den Agrammatismus~ erwS.hnt er.dagegen als ein gewShnliches u bei alten motorisch Aphasisehen. Auch Sachs lift fibrigens neuerdings~) das Vorkommen des Agrammatismus im Stadium tier Rtickbildung motoriseher Aphasien anerkannt. Gleich del s Beobachtung Bonhoe f f e r ' s spricht nun ~uch die vmqiegende ffir die MSglichkeit eines Zusammenhanges des Agrammatismus und der motorischen Aphasie, bezw. einer L~sion in der Gegend des motorisehen Sprachccntrums. Ieh sehe geflissentlieh davon ab, fiber den anatomi- schen Sitz der L~tsion im vorliegeuden Falle detaillirte Hypothesen aufzustellen; soviel aber wird man, ohne den Boden gesicherter Er- fahrung zu verlassen, doch auf Grund der (ibrigen k]inischen Er- scheinungen~ wie naeh Massgabe der Art und Stelle der Verletzung behaupten dfirfen, dass die LS.sion in der Umgebung der Broca- sehen Stelle bezw. innerhalb des etwas ausgedehnteren motorischen Centrums im Sinnev. Monakow's loea]isirt sein muss, und dassjeden- falls eine directe Betheiligung des sensorisehen Centrums n ich t in Frage kommt.

Wieder rein symptomatologisch erseheint mir ein Vergleich lehrreieh zwisehen dieser Beobaehtung und einer anderen yon transcorticaler moto- rischer Aphasie, die ich frfiher ausffihrlieh mitgetheiltS): In beiden F~llen keine wesentliche StOrung des Sprachverstandnisses~in beiden Fgllen das Nachspreehen erhalten (wenn auch in dem jetzt mitgetheilten erschwert), dabei die beiden F~tlle Typen der beiden extremen Arten des krankhaft ve|'gnderten Spentansprec'hens, die ieh damals aufgestellt hatte, auf der einen Se~te (in dem frfiher besehriebenen Falle) die ,,gel~tufigen Phrasen mit fehlenden odor sparlichen Worten eoncreten Inhaltes, soweit sie nieht Glieder fester Complexe bilden", auf der anderen Seite (in dem jetzt mitgetheilten) ,,Conereta unverbunden durch die kleinen Satztheile

1) v. ~fonakow, Gehirnpathologic. 2. Aufl. S. 84:3. 2) Sachs, Gehirn and Sprache. Wiesbaden 1905. S, 99. 3) Heilbronner, Ueber die ~ranseorticale motorische Aphasie. Arch. f.

Psych. Bd. 34. H. 2. Beob. I. Archly fgr PsycMatrie. Bd. 41. Heft 2. ~:~

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672 Karl Heilbronner,

neben einander gesteltt". Bezfiglich der Auffassung dieser Differenzen darf ich auf meine damaligen Ausffihrungen fiber das automatische Sprechen verweisen. Die neue Beobachtung scheint mir ffir die Be- rechtigung meiner dama]igen Betrachtungen zu sprechen. Ich babe bet der Besprechung des frfiheren Falles die Vermutbung aufgestel]t, dass er das Maximum der ohne Mitbetheiligung der Broca 'schen Ste]le se]bst erklarbaren StSrung des expressiven Thei]es der Spraehfunction darstelle. Der jetzt beschriebene lehrt~ welch grundlegende Aenderung dieser Theft der Sprachfunction erffthrt~ wenn die Lasionsstelle um ein Ge= ringes wetter nach dem motorischen Centrum zu hinfiberrfiekt, bezw. dieses selbst sch~digt, wie wit im vorliegenden Falle naeh Massgabo der StSrung auf expressivem Gebiete wohl sch]iessen dfirfen.

Die Beobachtung beweist weiter, dass eine L~s ion im m o t o r i - s chen G e b i e t e die W o r t w a h l resp. W o r t f i n d u n g n ich t bee ln- t r~ ,ch t ig t , selbst wenn sie zum Agrammatismus und zu StOrungen der inneren Sprache geftihrt hat. Die Unabh~ngigkeit der Wortfindung yore motorischen Sprachcentrum ist yon v. M onakow stets betont worden; ich musste reich auf Grund der Durchsieht der Litteratur der Ansicht an- scbliessen; sie ist seitdem yon B o n h o e f f e r 1) und yon Quense l 2) accep- tirt worden. Ich babe sie in all dell - - demn~ehst mitzutheilenden - - F~lten best~tigt gefunden, in denen das Mass erhaltener Spreeh- resp. Schreibfahigkeit fiberhaupt eine Controlle ermSglichte; ein Eingehen auf die Frage an dieser Stelle erfibrigt sich.

Dagegen sei auf eine andere Parallele zwischen den] frfiher und dem eben beschriebenen Fa]le hingewiesen; ein Theil des Interesses, das sich mir an den ersteren knfipfte, lag in der Feststellung~ dass eine SprachstSrung mit den griterien der Wernicke 'schen transeortiealen motorischen Aphasie durch eine grob organisehe Lgsion bedingt werden und sieh ihrem Wesen.nach erkennbar lange Zeit erhalten konnte, im Gegensatze zu der Meinung derjenigen Autoren~ die in diesem Symptomen- complex nur ein transitorisches R f i c k b i l d u n g s s t a d i u m sehen wollten. Auch bezfiglich des Agrammatismus im Gefo]ge erworbener Herd- erkranknngen liegt eine analoge Auffassung nahe~ wenn auch einzelne lange beobachtete Falle (Dereum~ Ross)~ die P ick a) eitirt~ und die ausdrfickIichen Angaben yon v. Monakow davor schfitzen k6nnen. Der beschriebene Fall~ in dem der Agrammatismus noch fiber zwei

1903.

1) l. e. S. 217. 2) Quensol, Zur Pathologie der amnestischen Aphasie. Neurol. Centralbl.

No. ~2. 3) l. c. S. 129 u. 13~.

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Jahre nach der Lision fortbesteht und in mehr als einj~,ihriger Beob- achtung keine naehweis]iehe Yeriinderung erfahren hat~ stellt jedenfalls eine zu begriissende Mehrung des diesbezfiglichen Beweismateria|es dar~ um so verwerthbarer~ als es sich um ein jugendliches Individuum han- delt, das nicht verblSdet war (Beweis daffir sehon die MSglichkeit der eingehenden, zum Theil recht complicirten Untersuchungen)~ bei dem also die Bedingungen fiir eine Riickbildung ganz besonders gtinstig gelegen waren. Oass sich aneh im vorliegenden Falte der Symptomeneomplex aus einem schwereren und weitergehenden Bilde heraus entwickelt hatte, indert an dieser Auffassung nichts: selbst wenn man deshalb an der Annahme eines Riickbildungsstadiums, also doch wohl irgead welcher

�9 fanctioneller Erseheinungen im landliiufigen Sinne festhalten wollt% ware die Frage aufzuwerfen~ warum dieses ,,Stadium" eben sich in Permanenz erhilt. Viei nfiher aber scheint mir ffir diesen: wie manche andere F~tlle~ in denen die Rfickbildung plOtzlich und dann meist nach relativ kurzer Zeit Halt machL die andere Auffassung zu liegen, dass alas vorher beobachtete Plus an Erseheinungen Folge yon Fernwirkungen war und dass erst mit dem stabilisirten Zustand die Fo]gen der anatomi- schen Liision rein als Herderscheinungen zu Tage treten. Auf alle F~lle~ und darin seheint mir eben die Bedeutung derartiger Beobachtungen zu liegen, n~Sthigt die Constanz der Symptome zur Annahme einer be- s t i m m t e n a n a t o m i s c h e n Anordnung , von deren Intactheit die un- gestSrte Leistung abh~ingig is L und deren Aufdeekung wenigstens erhofft werden kann~ wenn auch unsere Untersuehungsmethoden dazu noeh nieht ,him'eiehen. Diese Untersuehtmgen werden xueh dar~ber Aufklirung zu versehaffen haben, warum einmal motorische~ ein andermal (vgl. Pick) :sensorische St~Srungen mit Agrammatismus einhergehen: ob hier feinere Differenzen in der Loealisation der Herde massgebend sind oder ob wit aueh hier genStigt sind, auf individuelle Momente (sensorisehe oder motorisehe geranlagung) zu recurriren.

Eingehendere ErSrterung verdienen welter die Resultate der Unter- :suchungen~ die oben sub YI. als Zerlegung des Wortes'in Buehstaben zusammengefasst sind.

Den Vorgang des Buchstabirens und die Bedeutung desselben nament- ]ich ffir den Vorgang des Lesens und Schreibens hat Wern ieke i) in er- :schSpfender Weise t h e o r e t i s c h abgeleitet. Die detaillirte klinische Untersuchung dieses gorganges scheitert allerdings in der grossen Mehr- :zahl der FMle daran, dass er durch eine Reihe anderer St/Srungen corn-

1) Wernicke, Gesammel~e Aufsitze und kritische l~eferate. Berlin 1893. :S. 110.

43*

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67~ Karl I-Ieilbronner~

plicirt wird. Im voriieget~den Falle haben es besonders gfinstige Unter- suehungsbedingungen mSglieh gemaeht~ fast mit der Reinheit eines Experimentes, die Polgen einer - - effenbar nur g e r i n g e n - St6rung der ,,inneren Spraehe" ffir den Vorgang des Buehstabirens ztt untersuehem Wie oben angegeben, war die Versuehsanordnung eine dreifaehe: der Kranke haste

1. die Buehstaben zu sagen~ 2. die Buehstaben aus vorgelegten zu w~hlen (typographisehes

Sehreiben), 3. die Worte aus selbstgesehriebenen Buehstaben zusammenzusetzen. Dutch Versaehe war festgestellt (s. die Protokolle), dass keine der

dazu nOthigen elementaren F~higkeiten (willkiirliehes Ausspreehen ein- zelner Buehstaben, W~hlen unter vorgelegten~ willkiirliehes Schreiben gewollter resp. verlangter Buehstaben) gesehadigt war. Der letzte Zweifel, der etwa in dieser Beziehung noeh bestehen konnt% wurde eben dutch das Resultat der Buehstabirversuehe selbst widerlegt: dureh das in vielen F2llen bis in das Detail fibereinstimmende Resultat der drei Methoden; man wird mit vollem Reehte in dem~ was der Kranke produeirte, eine dureh weitere Complieationen nieht entstellte Wiedergabe dessen sehen dfirfen~ was in ihm als Buehstabenaquivalent des Wortes sieh gebildet hatte. War sehon die Uebereinstimmung der umnittelbaren oder doeh in kurzen Fristen naeh einander produeirten Versuehe ebensn lehrreieh wie iiberrasehend, so war ieh - - wie ieh often gestehe - - geradezu verbltiftt, ganz gleiehen Resultaten sogar an anderen Tagen wieder zu begegnen. Die naheliegende Annahme, dasses sieh einfaeh um Haftenbleiben gehandelt ha b% trotzdem dieses sonst keine Rolle spieltel), kSnnte allenfalls auf die erste Kategorie, auf keinen Fail abet auf die zweite Anwendung finden. Es ergiebt sieh aber aus de," Ueber- stimmung die weitere Folgerung, dass aueh diese elementaren para- phasisehen Produete in viel hSherem Masse, ats dies bei UntersuehmJgen unter ungfinstigeren und mannigfaeher eomplieirten Bedingungen zu Tage zu treten pflegt~ gleieh allem anderen pathologisehen Gesehehen~ gesetz- m~tssig bestimmt sind. Diese Gesetze auf Grand eines Falles, wenn aueh eines besonders gtinstigen, wie des vorliegenden, formuliren zt~ wollen, w~tre natt~rlieh verfehlt. Die Beobaehtung legt mir aber doeh wieder eine Erw~tgung nahe, der ieh sehon frfiher gelegentlieh Ausdruek ge- geben, dass die Feststellung der ,~Para"-Funetion (Paraphasie, Paralexie~

1) Anm.: Ich seho in dieser Seltenhei~ dcr Haftreac~ionen sei~ langem ein ne~terdings aueh ?on anderer Seite gew~irdigtes Charakteristicum der mo- torischen gegeniiber den sensorischen StSrungen.

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Paragraphie) allein noch nieht geniigt, dass vielmehr atteh das ,Para- product", wenn diese Bildung gestattet ist, besondere Aufmerksam- keit verdient. Man hat bei wiederholten Aphasieuntersuehungen, die wohl jeder Erfahrenere bei aller Anpassung an die durch den Einzelfall modifieirte Fragestellung sehon der Vergleiehbarkeit der Resultate wegen naeh einem gewissen generellen und fibereinstimmenden Plane vornimmt, oft genug Gelegenheit~ sieh fiber immer identiseh wiederkehrende Falseh- benennungen, entstellte Worte u. 2. zu wundern; die allerdings unend- lieh miihsamen Detailuntersuehungen naeh dieser Riehtung, far die mir zudem die Anwendung yon guten Phonographen unerl~,tsslieh seheint, wiirden vielleieht bei Aphasisehen ebenso Gesetze nieht nut ffir die A e t i o l o g i e der Paraproduete, sondern aueh fiir ihre Art ergeben~ wie sie Mer inger und Mayer 1) ffir das Verspreehen und Yerlesen des Geistesgesunden (mit wenigen Ausblieken auf das Verhalten bei Kranken) gefunden haben. Untersuehungen an Sehulkindern und an des Sehreibens wieder entwShnten ~lteren~ ungebildeten Personen~ kSnnten Vielleieht erfolgreieh zum Vergleieh herangezogen werden; ffir die hierhergehSrigen paragraphisehen Leistungen Ungebildeter liefern z.B. die Eingaben in Unfallangelegenheiten reeht lehrreiehe Beispiele.

S% wie die Produete sieh fertig darstellen~ unterseheiden sie sieh im vorliegenden Einzelfalle nieht wesentlieh yon den Resultaten, wie sie sieh sonst z. B. bei Sehreibversuehen Aphasiseher zu ergeben pflegen. Die beiden yon Bonhoeffer~) erw~hnten Typen 1. Wortkiirzungen dureh Silbenauslassung, 2. Baehstabenumstellung und Buehstabenaus- lassung lassen sieh aaeh bier erkennen. Die Bedingungen~ unter denen sieh die StOrung geltend maehte, erfordern abet noeh einige Bemer- kungen.

Zun~ehst zeigt die S p o n t a n s p r a e h e des Kranken nut ganz aus- nahmsweise die Paraphasie, die man naeh Massgabe tier aus den Bueh- stabirversuehen ersehlossenen StOrung der inneren Spraehe h~tte er- warten kSnnen. Ieh glaube~ dass hier die Tendenz~ den gewohnten Reihenverband des gel~ufigen Wortes abiaufen zu lassen, die Sehwierig- keiten, die ja erst eine seeund~re Bildung, das ,,Buehstabenwort" betrafen, nieht zur Geltung kommen liess; das Gleiehe wie ftir die Spontan- spraehe gilt aueh fiir das Naehspreehen; bezeiehnender Weise abet nut ftir Worte, aueh reeht lange, nieht $iir S~tze, die immerhin keine gleieh festen Reihen darstellen. Der granke hat gerade aueh die Worte, die er n ieh t b u e h s t a b i r e n k0nnt% f e h l e r l o s n a e h g e s p r o e h e n ,

1) l~Ieringer u. Nayer, Yerspreehen und Verlesen. Stuttgart 1895. ~) 1. e. S. ~19.

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676 Karl Heilbronner,

ja sogar seine entstellten gesehriebenen Producte dann im Sinne der urspr~nglich gestellten Aufgabe riehtig gelesen, w~hrend er andererseits meist nieht im Stande war, was er falseh gelegt hatte, selbst wenn dies an sieh spreehbar war, zusammenh~ngend mi t den Fehlern abzulesen. Zuweilen gelang es ibm dann, bei diesem-Ablesen noch Fehler zu finden, manchmal aueh, sic zu eorrigiren; zuweilen misslang dies, und ganz be- senders eharakteristiseh waren die F~lle, in denen er zwar die falseheu Buehstaben als solehe bezeiehnen konnte, trotzdem abet den daftir zu setzenden riehtigen nieht zu sagen, zu zeigen oder zu sehreiben wusste.

Das fast v/511ige Fehlen der Paraphasie beim Spontan- und beim Naehspreehen konnte um so mehr verwunden~, als eine Ersehwerung des motorischen Spreehaetes unverkennbar war. B o n h o e f f e r , desseu F~ille ein Gemiseh der bier in Frage kommenden StSrungen, Ersehwerung des Ausspreehens und litterale Paraphasie aufwiesen, maeht auf die Beziehungen dieser Erseheinung zu manchen Formen der paralytisehen SpraehstSrung aufmerksam, lm Ansehluss an frfihere einsehlagige Be- merkungen 1) mSehte ich hier noch beiNgen, dass man auch bei Para- lytikem neben den reeht hS~ufigen Misehformen die eine oder andere St6rung, litterale Paraphasie bezw. Silbenstolpem auf der einen, Ersehwerung des Ansatzes ete. auf der anderen Seite, manehmaL einigermaassen rein, namentlieh im Ansehluss an Anf~lle, beobaehteu kann. Es wird noeh zu untersuchen se[n, ob es sigh da um Differenzen in der lntensitat eines beide Male gleieh loealisirten Processes oder um feinere Differenzen in der Loealisation handelt; ffir letztere Annahme sprieht mir das Fehlen einer regelmS.ssigen Aufeinanderfolge der beiden Formen, die man bei rein graduellen Differenzen in den Rfiekbildungs~ stadien erwarten mfisste.

Beim eigentliehen Spontansehreiben trat P a r a g r a p h i c (naeb W e r n i e k e im vorliegenden Falle riehtiger: gesehriebene Paraphasie) zwar erkennbar~ aber doeh weniger als bei den Experimenten zu Tage; das erklSxte sieh zum Theil dadurch, dass ieh absiehtlich zum Theil ,,schwere" Worte ffir die Priifung w~hlte; zum anderen mug ein Factor dazu beigetragen haben, die St6rung deutlieh werden zu lassen, auf den sehr treffend Wern i eke 2) hinweist, wenn er sehreibt: ,,Die Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Einzelaet, welehe bei Wahrnehmung des Defeetes sofort eintreten muss, ist nut geeignet, den Defect zu steigern, wie jeder einsehen wird, der den Versuch gemaeht hat, mit Beachtung tier einzelnen Stufen eine Treppe hinunter zu laufen".

1) Arch. f. Psych. 3~. Bd. S. 393. 2) Wernicke, Ein Fall ~,on isolirter Agraphic. Nona~sschr. f. Psych.

13. Bd. S. 263.

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I)ass das Z a h 1 e n s e h r e i b e n keine Schwierigkeiten m aehte - - auch vierstellige Zahlen setzte der Kranke mit einer gewissen selbstverstand- lichen Leiehtigkeit zusammen~ ganz im Gegensatze zu der Mfih% die er fiir das typographisehe Schreiben yon Worten aufzuwenden hatte - - entsprieht den seit G r a s h e y ' s beKihmter Arbeit gel~iufig gewordenen Differenzen zwischen Ziffern- und Buehstabeneombinationen.

Die ~rirkung der StSrung der inneren Sprache auf das Lesen hat sieh nicht mit gleieher Anschauliehkeit fixiren ]assen; sic seheh~t an sich noeh geringer zu sein als beim Schreiben; es entspr~ehe das wieder der bekanuten~ neuerdings gleichfalls yon Wern ieke 1) betonten Er- fahrung, dass ganz allgemein tier impressive Antheil des Sprachvorgangs weniger leieht gesch~digt wird als der expressive. Das Buchs t aben - l e sen (gleiehviel, wie das Verstandniss doeumentirt werden sell) seheint iiberhaupt nieht gesch~digt; auch ffir das Lesen yon e inze lnen Worteu (siehe sub IV) liisst sich eine grobe Verlangsamung nicht nachweisen; die Geschwindigkeit~ mit tier Patient z u s a m m e n h a n g e n d fiir sich gelesen hat, iibertraf zwar, wie ieh reich durch Buchstabenausz~hlen iiberzeugt habe, mit 0~4" pro Buehstaben ganz erheblieh die yon. G r a s h e y 2) al]erdings a]s Mindestmaass angegeben% yon W e r n i c k e 3) best~ttigte Zeit ffir das Sprechen bezw. Lautiesen des einzelnen Bueh- stabens (0~03") am mehr als das Zehnfaeh% auch hat der granke eine subjective Ersehwerung und Verlangsamung beim Zeitungslesen unzwei- deutig angegeben; es muss aber mit Rticli:sieht auf noch anzustellende Erwagungen die Frage often b]eiben~ wie weit diese Verlangsamung a]lein den Vorga~g dos Lesens an sieh betriff't.

Als den einzig sicheren Ausdruck einer ~:orhandenen Stt)rung des Lesens yon Worten mOehte ieh d eshalb den Ausfall der Versuche sub VII bezeichnen. Die Aufgab% aus einigen wenigen Buchstaben, deren erster noch dazu in den meisten Fgllen als Grossgedruckter ohne Weiteres gegeben ist, Worte zu eombiniren~ ist so einfaeh~ dass sie im Allge- meinen ohne lange Permutation der T~felchen gelSst werdeu wird. Wenn der Kranke in vielen Fgllen damit nicht zu Stande kommt, ia einem Theil nut desshall) die Aufgabe zu 15sen vermag, weil er gerade zufftllig die richtige Reihe legt~ so kann das kaum auders als durch die StSrung tier inneren 8prache und des Buehstabenwortes erklgrt werdem Der Versuch beweist tibrigens aueh, wie sieh gerade in dieser Beziehung Sehreib- nnd Lesest6rung kaum vollstandig trennen lassen.

1) Nona~ssehr. f. Psych. 13. gd. S. 26% 9,) Grashey, Ueber Aphasic und ihre Beziehuugen zur Wahrnehmung.

~kreh. f. Psych: 16. Bd. S. 675. 3) Wernieke, Ges. Abhandlgn. S. 113.

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678 Karl Heilbronner,

In seltenen F'Xllen gelang es dem Kranken tiber Fehler, die er gelegt hatte, hinwegzulesen, immerhin seltener~ als das bei den Ver- suehen sub VI der Fall war; zam Theil war das Resultat jedenfalls desha]b different, weil ja dort das zu bitdende Wort vorher genannt war. Dass in vielen FSllen aueh fiber kleine Fehler n i e h t hinweggelesen werden konnte: mag zum Theil ferner dadureh bedingt worden sein, dass die Anein- anderreihung yon Buehstabenk~irtehen kein dem gewohnten entsprechen- des Bild liefert (vgl. den l?ehler~ der dureh Ersatz yon eh dutch e und h veranlasst wurde). Welehe Bedeutung diesem gewohnten Bilde - - bei alter Anerkennung des buehstabirenden Lesenl ern en s - - zukomm~, erweist am besten tier Versueh, u n t e r statt nebeneinander geordnete gueh- staben zu lesen, ein Versuch: der in der Sehule Dgjgr ine ' s : z. B. bei F. B e r n h e i m 1) bei der Aphasieprfifung Verwendang finder. Dass trotz- dem aueh bei dem Pat. noeh gewisse ,Erkennungspunkte" (gebildet dureh fester geknfipfte Assoeiationen einzelner The i l e)benutzt werden, beweisen gerade die Fehler~ zn denen ihn deren Benutzungverleitet, wenn er z.B. aus Zimm Stimme, aus Glsa Elsa herausliest. Ueber analoge Erseheinungen werde ieh demn~iehst anliisslieh einer Beobaehtung yon Leistungsaphasie zn beriehten haben. Sie lehren eine weitere~ bis jetzt wenig beaehtete Genese der Paraproduete kennen; sie erinnert an die sehwebenden oder vagirenden Spraehbilder von Mer i nge r und Mayer2), die ,dutch eine Aehnlicb- keit des zu spreehenden ComPlexes leieht herangezogen werden kSnnen und dann eine Entgleisung herbeiffihren kOnnen".

Dass die StSrung, mit der ich mieh zuletzt beseh~iftigte, nut das i nne re Geffige der Worte betraf~ nie die Wortwahl~ d. h. das Auf- finden des zumAusdruek einer Vorstellung n6 th igenGesammteomplexes , 1st oben bereits erw~thn~ and sei hier noehmals betont. Die Ergebnisse der u sub VIII erwiesen aber weiter in sehr anspreehender und einfaeher Weise, wie die StSrnng des inneren Geftiges nut das Bucb- s t a b e n w o r t : die spat erworbene Reihe einzelner Buehstaben, nieht den zun~ehst wobl als klangliehen aufzufassenden Gesammteomplex des bekannten Wortes betrifft. Der Kranke, der meist beim Lesen bereits sebeitert, wenn ein Buehstabe falseh in der Reihe steht~ ffir den die ungeordnet neben einandergelegten Buehstaben aueb eines ganz knrzen Wortes keinerlei Sinn ergeben~ finder niebt die geringste Sehwierigkeit~ ein an- gefangenes Wort~ yon dem ibm nut ein v011st5ndig sinn- und inhaltloses Bruehsttiek gesagt wird, zu einem Vollworte zu erg~tnzen; dabei findet, w~e ieh noch naehtr~glieh bemerken will, diese Erg~tnzung fast immer

1) F. Bernheim, De l'aphasie motrice. Th~se de Paris. 1900. 2) 1. e. S. 73.

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zu dem erwarteten Worte statt. Ich kann mir kaum ein Untersuchungs- ergebnis vorstellen~ alas die differente Bedeutung des Gesammtcomplexes, wie w[r ihn zu korea und zu spreehen gewohnt sind, einerseits, der Buchstabenfolge, die wir in der Schule werthen gelernt haben, anderer. seits besser zu illustriren geeignet wS~re.

Die ganzen vorstehenden ErSrterungen sind yon der Annahme aus. geganget b dass bei dem Kranken dasjenige vorliegt~ was man seit langem als StOrung der i nne ren Spraehe zu bezeiehnen gewohnt war; das Vorliegen yon Erscheinungen, die man nnter diese Kategorie zu rechnen, resp. als Ausdruek dieser StOrung zu bezeichnen gewohnt ist~ wird sieh gerade hier nicht abstreiten lassen, wo sie sich reiner und eindeutiger haben verfolgen lassen, .als in anderen F~illen, in denen anderweite schwerere Erscheinungen das Bild zu tr~ben pflegen. Ich glaub% dass auch unter diesem Gesichtspunkte dem besehriebenen Falle einige Bedeutung zukommt.

Die - - wie ohne Weiteres zugegeben werden soll~ theoretich con- struirte -- Annahme yon dem Einfluss des motorisehen Spraehcentrums auf die innere Sprache, hat bekanntlich sehr weir% aber keineswegs ganz allgemeine Anerkennung gefunden. W~ihrend D~j6rine und seine Sehiiler (Thomas und Roux~ F. Bernheim) ihr sehr erhebliehen Werth beimessen~ hat ganz besonders Bastianl)~ dem sich eine Reihe engli- scher Autoren anschliesst, ihre Bereehtigung negirt. Er bestreitet die Beweiskraft der Liehtheim'sehen Probe (Angabe tier Silbenzahl) und bestreitet ganz besonders das seit T rousseau angenommene u der Alexie als Fo!ge einer motorisehen Aphasie. Ftir ihn ist bei einer Combination yon motorischer Aphasie und Alexie, die letztere StOrung nicht Folge einer L~ision der Broea'schen Stell% sondern auf eine gleiehzeitige Sch~idigung des ,visual word centre" zuriiekzuffihren. Fiir den vorliegenden Fall wird sieh eine derartige Sch~digung, die in manehen der yon Bas t ian kritisirten FMle thats~ehlich bestanden haben mag, ohne Zwang nieht annehmen lassen; die StOrungen der inneren Sprache und specie]l des Lesens mfissen also auf die L~sion der motorisehen Componente zarfickgefiihrt werden. Dass diese Sch~i- digung deshaib in a l l en F~llen statthaben mfiss% wird durch diesen einen Fall natiirlich nieht erwiesen~ undes erseheint sehr wohl denkbar. dass gerade in dieser Beziehung die individuell versehiedene relative Selbstst~ndigkeit resp. Uebung der einzelnen Abschnitte der Spraeh- region eine Rolle spielt, eine Annahm% der sieh auch Bas t ian nicht

!) It. Charlton Bastian, A Treatise on Aphasia and other spreech- defects. London 1898. p. 95ff.

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680 Karl Heilbronner 7

ganz versehliesst und die neuerdings auch von B o n h o e f f e r wieder auf- genommen wurde~ um solehe F~tlle~ wie den bekannten Bant i ' schen, dora ieh zwei nahe verwandte zur Seite zu stellen habe~ z~ erklgren. Noeh eine MOglichkeit, die Differenzen in den Angaben der Autoren zu erkliiren, w~tre in Betraeht zu ziehen: man k5mJte sieh sehr wohl erkl/iren~ dass eine St6rung der inneren Sprache zwar das z u s a m m e n - h~ingende L e s e n (aueh sehon das Lesen yon einzelnen Worten) stOrte~ aber die F~thigkeit e i n z e l n e B u c h s t a b e n zu e r k e n n e n : ungeseh/idigt liesse. Das in der Litteratur niedergelegte Material reieht zur Zeit nicht hin: die Frage zu beantworten~ ob eine derartige Differenz, wie sie bei dem 1. Kranken B o n h o e f f e r ' s thatsiiehlich constatirt wurde, bei motoriseh Aphasisehen aueh nur mif, einiger H~tufigkeit vorkommt; dass sie nieht ausnahmslos zutrifft, lehrte reich besonders deutlieh ein motoriseh Aphasiseher~ den ich Jahre lang beobaeht% der zwar Worte~ aber - - soweit sich das naehweiseu liess - - keine einzelnen Buehstaben zu lesen vermoehte; die Entscheidung der Frage - - und so dfirfte sich auch die Sp/irliehkeit des dartiber vorhandenen litterarisehen Materials erklgren -- wird vor Allem dadurch complieirt, dass es beim motorisch Aphasischen viel leichter gelingt, fiber das Lesen yon Worten~ als fiber das Lesen yon Buchstaben A u s k u n f t zu erhalten~ weshalb vielfach nur alas erstere geprfift und bei negativem Ausfall Alexie constatirt worden zu sein seheint. Aueh naeh dieser Richtung bedarf die Symptomatologie noeh der Vervollst~tndigung.

Es liegt nahe, Beziehungen zwisehen den beiden am meisten in die Augen fallenden Symptomen - - dem Agrammatismus und der StOrung der inneren Spraehe - - zu sueben und ihre AbMngigkeit von der SchS~di- gung in der motorisehen Spraehregion unter einem gemeinsamen Ge- siehtspunktzubetraehten. ThatsS~ehlieh hat Bon h oeffer~) (1.e.S. 233) einer derartigen einheitliehen Auffassung den Weg gebahnt, wenn er sagt: der Agrammatismus stelle hinsiehtlieh des Satzbaues eine ithnliehe 8tSrung dar, wie innerhalb des Wortgeftiges die eigenartige Paraphasie und Para- graphie. In unserem Falle hat sieh eine - - wie immer zu bedenken bleibt - - geringe StOrung auf dem motorisehen Gebiete ffir den Satzbaa sehwerwiegender erwiesen als ftir das Wortgeffige. Eine generelle Regel lfisst sieh daraus nieht ableiten; wtirde die tt~iufigkeit der Mittheilungen in der Litteratur ohne Weiteres einen Sehluss auf die tt~tufigkeit der Erseheinungen gestatten, so ware im Gegentheil anzunehmen, dass im Allgemeinen die StOrung der inneren Spraehe, speeiell des Lesens und Sehreibens, tiber den Agrammatismus fiberwiegt; verst~tndlieh ersebeint das in unserem Falle beobaehtete etwas fiberrasehende gerhalten aber,

1) 1. e. S. 223.

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wenn man erw'ggt~ dass Sgtze - - such gelgu~ge Phrasen - - immerhin keine d e r a r t gefesteten spraehlichen und insbesondere motorisehen Complexe darstellen, wie die immer wieder in abso lu t gleieher Form auftretenden Eingelworte. Aus dieser Erw~gung heraus erkl~rt sieh aueh die an sieh gleiehfalls reeht tiberrasehende Thatsaeh% dass der Kranke verh~ltnism~ssig schwierige Hauptworte viel besser naeh - sprieht~ als kurze S~tzehen. Im einen Fall regt der Reiz des Vor- spreehens einen nut wenig in seinem Geffige gestSrten festen Complex auf der motorisehen Seite an, im anderen einen starker geseh~digten labilen Reihenverband. Im Uebrigen h~tte ieh diese - - zur Zeit ja noeh nicht eingehender zu fundirenden- ErwKgungen unterdrfiekt~ wenn mir nieht sehon friiher bei dem mehrerw~hnten Falle transcorticaler motoriseher Aphasie aufgefallen wgre~ dass 7~das Nachsprechen recht langer Worte, das an sieh sehwieriger erseheinen mSeht% sis das kurzer Satzehen: mindestens ebenso gut als dieses gelang ~, NB.! trotzdem dieser Kranken wieder gel~ufige Phrasen fiir die Spontanspr~tche zur Verffigung standen.

Aueh diese Erw~gungen sprechen nieht gerade far die ursprfinglieh yon Sachs angenommen% aueh yon mir frtiher aceeptirte aussehliess- liehe Bedeutung des sensorisehen Spraeheentrums ffir die rein gramma- tikalischen Bestandtheile der Spraehe; sic nSthigen aber weiter noeh zur Stellungnahme gegenfiber der Frage nach der B e d e u t u n g des m o t o r i s c h e n S p r a e h e e n t r u m s ffir das S p r a e h v e r s t g n d n i s s . Die Dgjgrine'sehe, besonders such yon F. Be rnhe im in seiner aus- ftihrliehen Monographie fiber die motorisehe Aphasic 1) vertretene An- nahm% dass wenigstens die Auffassung yon Sa tzen bei einer Lgsion in der motorischen Spraehgegend ersehwert sei ~ ist neuerdings such yon B o n h o e f f e r aceeptirt und dureh seine Beobac.htungen gestiitzt worden. Unser Fall hat derartige StSrungen, wenigstens soweit alas Verstfmdniss fiir @esproehenes in Betraeht kommt~ nieht mit Sicher- heit erkennen lassen~ ich erinnere dabei noehmal an das sehr gute Verst~ndniss auch aller Zwischenaufgabcn etc. anlftsslteh der Lese-und Sehreibtibungen.' Als mSglieh muss zugelassen werden~ dass die sub- jective Ersehwerung und objective Yerlangsamung beim zusammen- h~ngenden Lesen dutch eine analoge StSrung mit bedingt wurde; da- neben bleibt abet die sehon oben erw~hnte M6gliehkeit~ dass sich gerade beim zusammenh~tngenden Lesen doch aueh Sehwierigkeiten in der Auf- fassung der Biider der einzelnen Worte geltend machen, die sonst nicht in die Erscheinung treten. Ich habe keinen Weg gefunden~ die schwierige Frage in diesem Falle welter zu kl~ren und zweifl% ob wir

I) 1. c. S. 67ff.

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~berhaupt in absehbarer Zeit aaf eine Aufhellung gerade dieser sehr complizirten Verh~tltnisse reehnen dfirfen, besonders mit Rfieksicht auf die individuellen Differenzen die hier eine besondere Rolle spielen dfirften: bei Personen, ffir die neben dem reinen Klang aueh der Rhythmus Nr das Verstandniss der zusammenhangenden Rede yon Be- deutung is% und die dessbalb aueh beim Lesen das Gelesene deutlieh anklingen zu lassen pflegen, erscheint eine Sch~.digung des Verst~tnd- hisses dureh eine Lasion der Broea 'sehen Gegend durehaus plausibel~ w~hrend solche Personen~ ganz besonders Lesegewandt% die yore Rhytb- mus unabh~ngig sind~ in dieser Beziehung dutch eine motorisehe Aphasie kaum gesehadigt werden dtirften.

Gerade auf diesem Gebiete werden aueh die Ergebnisse der experi- mentellen PsychologieS) mit Nutzen heranzuziehen sein. Ganz kurz mSehte ieh darauf hinweisen~ dass mir bier neben dem taehistosko- pisehen Lesen vet Allem aueh gewisse Erseheinungen beim Sehreib- masehinensehreiben und beim Stenographiren Berficksiehtigung za ver- dienenseheinen; dasSchreiben mitderSehreibmaschineliefertabgesehen yore einfaehen Danebentappen noch eine besondere Art auf motoriseher Gewohnheit beruhender Fehler~ die viele Aehnlichkeit mit der littera]en Paraphasie bieten; die Stenographie, die wenigstens bei dem mir allein gel~ufigen G a b e l s b e r g e r ' s e h e n System vielfaeh eomplexe Wortzeiehen benutzt~ ffihrt viel hgufiger zu einer Art verbaler Paragraphie. Aueli die Verh~ltnisse beim Spielen yon Musikinstrumenten nnd ihr Verhglt- hiSS zur N0tensehrift k6nnten manehen Aufseh]uss geben; sie illustriren namentlieh gut die Bedeutung des motorisehen Antheils ffir das Ver- st~ndniss and vet allem fiJr die Zerlegung des Gesammteomplexes (etwa einer Nelodie, die dem Gesammtwortklange entspr~tehe) in seine Theile (Einzelnoten entspreehend den Buehstaben): nur die wenigsten Nensehen sind im Stande, eine unbekannte Melodi% gesehweige denn eom- plieirtere Stfieke so yon den Noten abzulesen~ dass sie diese[be ,hSren"; sehr vielen gelingt das aber~ sobald sie die Noten s t u m m in die Be- wegungen umsetzen~ mit denen sie dieselben auf einem ihnen vertrauten Instrmnent zu spielen hgtten; auf der anderen Seite giebt es sehr wenige Mensehen, die eine gehOrte Melodie direct in Noten niedersehreiben kOnnen, aber reeht viele, die Geh6rtes ohne Weiteres z. B. auf dem Clavier naehspielen kSnnen, und yon da aus - - wenn sie fiber- haupt der Notensehrif~ kundig sind - - zur Niedersehrift gel~ngen. Aueh hier bestehen abet individuelle Versehiedenheiten: der echte

1) Vergl. dazu ~essmer , Zur Psyehologie des Lesens. Leipzig, Engel- mann 1904.

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Musiker componirt und schreibt nieht ,,am Clavier", so wenig als wahrscheinlich die Mehrzahl der Lesegewandten zum u des Gelesenen mehr einer Mitwirkung des Broea'schen Centrums bedarf.

Ich fasse zum Schlusse wieder kurz eilfige Folgerungen zusammen~ zu dene~l die beschriebene Beobachtung und die daran gekniipften Er- w~tgungen zu berechtigen seheinen:

1. Agrammatismus kann als Polgeerscheinung einer an sich nut unerheblichen motorisehen SprachstSrung auf- treten.

2. Der Agrammatismas kann Jahre lang stationlir bleiben~ aueh unter Bedingungen~ die sonst eine Rfiekbildung apha~i- scher Symptome zu begiinstigen pflegen.

3. Agrammatismus bei Aphasisehen ist nicht gebunden an bestehende geistige 8chw~che.

4. DerAgramm~tismus bei motor i scherAphas ie ist nicht sectlnd~re Folge der Ersehwerung des motorischen Sprech- actes, sondern eine primf~re Ausfal lserscheinung.

5. Erheb]iehe Grade des Agrammatismus sind vereinbar mit kaum gesch~digtem~ vie l le icht ganz ungesch~idigtem Ver- stgtndniss der kleinen Satztheile und damit der zusammen- hSngenden Rede.

6. DieFolgen einer l e ich tenmotor i schen StSrung kOnnen fiir den Satzbau sehwerer sein, als ftir das inncre Geftige des \u (Buehstabenwort).

7. Wie beztig]icb des Agrammatismus ist dann auch be- zfig]ich des Wortgef~ges die StOrung auf expressivem Ge- biete (Sehreiben) s tarker als auf recept ivem (Lesen).

8. Die Wortfindung i. e. S. kann t r o t z Agrammatismus und StSrung des Wortgeftiges intact bleiben.

9. Das Auftreten ident iseher Fehler beim Zerlegen der Worte in Buchstaben be i versehiedener Yersuchsanordnung und in zeit l ich getrennten Yersuehen l~isst die t toffnung berecht ig t erscheinen, Gesetzmiissigkeiten a u c h ffir die Art der pathologischen Wortver~inderungen zu eruiren.