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(Aus der II. Medizinischen Klinik der Charit6 Berlin [Direktor: Prof. G. van Bergmann].) Uber das Verhaltell der Ketonk(irper bei experimenteller Lebersch~idigung. Von Georg Mikulicich und Silvio Markees. Mit 1 Textabbildung. ( Eingegangen am 21. September 1938.) Die Ansichten fiber die Bedeutung des Leberschadens ftir die Keton- k6rperbildnngsfiihigkeit der Leber si]ld bis heute durchaus widerspre- chend. Einerseits wird betlauptet, (ta]~ bei Sehiidigung des Leberp~renehyms erh6hte Ke~onk6rperbildung einsetzt. So finden Toscano 1 und Stroebe ~ unabh~ngig voneinander gesteigerte Ketou- iimie nach experimenteller Phosphorvergiftung beim Hund und Kaninchen. Her- litzka und Oliva a beobachten die h6chsten Werte ffir Ketonk6rper bei den st~rksten Parenehymschi~digungen wie im hepatischen Pri~koma und Koma. Die Autoreu Cannav64, Cannav6, Letterio und Capizzi 5, Dominici und Oliva 6 benutzen sogar das Verhalten der Keton~mie und Ketonurie beim Menscheu als Leberfunktions- prfifung. Die Probe wird tells mit Fettbelastung oder mit oralen Gaben you Fett. s~uren (Stearins~ure) vorgenommen, teils wird das Verhalten der Ketonk6rper nach Hunger oder reiner Fetteiweil~kost untersueht. Die H6he des Ketonk6rper- spiegels gilt dabei als direkter Gradmesser fiir den Leberschaden. Bl6eh v riiumt der ,,hepatischen" Keton~mie, die er haupts~chlich bei diffusen ikterischeu Hepato. pathien finder, eine Sonderstellung ein, da sic durch Insulin und Kohlehydrate schwerer zu beseitigen ist als die diabetische. Andererseits wird die Ansicht vertreten, die Leberschiidiglmg fiihr(. zu verminderter ]~ildungsf~higkeit fiir Ketonk6rper in der Leber. Eine Stiitze fiir diese Auffassung liefern die Experimente von Leite.s und Odino*r s mit Leberbrei yon phosphorvergifteten Kaninchen. Die Ketonbildungsf~higkeit der Leberzellen nahm hierbei mit der Schwere des Vergiftungsschadens deutlich ab. Unter Bedingungen, die normalerweise Ketonk6rpersteigerung zur Folge haben, finder Clerc 9 bei Leberkranken herabgesetzte Ketonk6rperwerte. Bren- tano 1~ nahm beim Menschen wiihrend und nach Lebererkrankungen Belastungen mit Butters~ure vor und wies dabei, namentlich bei schwereren Parenchymsch~idi- gungen, ein deutlieh vermindertes Auftreten yon Ketonk6rpern wi~hrend der Er. krankung nach. Schliel~lich ist noeh eine Gruppe yon Autoren zu nennen, die ge- wissermal~en eine Zwischenstellung einnehmen, indem sie je nuch deln Grad der Leberseh~digung Steigelmng oder Abschw~ichung der Keto- genese feststellen. Nach Zorzoli n ist diese z.B. vermchrt bei ikterischeu Hepatopathien, ver- mindert dagegen bei Cirrhosen und bei Leberinsuffizienz. Unter Anwendung yon Adrenalin beobachten Ghemrdini und Brasi t~ im allgemeineu h6here Ketonk6rper-

Über das Verhalten der Ketonkörper bei experimenteller Leberschädigung

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Page 1: Über das Verhalten der Ketonkörper bei experimenteller Leberschädigung

(Aus der II. Medizinischen Klinik der Charit6 Berlin [Direktor: Prof. G. van Bergmann].)

U b e r d a s V e r h a l t e l l d e r K e t o n k ( i r p e r

b e i e x p e r i m e n t e l l e r L e b e r s c h ~ i d i g u n g .

Von

Georg Mikul ic ich und Si lv io Markees .

Mit 1 Textabbildung.

( Eingegangen am 21. September 1938.)

Die Ansichten fiber die Bedeutung des Leberschadens ftir die Keton- k6rperbildnngsfiihigkeit der Leber si]ld bis heute durchaus widerspre- chend.

Einerseits wird betlauptet , (ta]~ bei Sehiidigung des Leberp~renehyms erh6h te Ke~onk6rperbi ldung einsetzt.

So finden Toscano 1 und Stroebe ~ unabh~ngig voneinander gesteigerte Ketou- iimie nach experimenteller Phosphorvergiftung beim Hund und Kaninchen. Her- l i tzka und Oliva a beobachten die h6chsten Werte ffir Ketonk6rper bei den st~rksten Parenehymschi~digungen wie im hepatischen Pri~koma und Koma. Die Autoreu Cannav64, Cannav6, Letterio und Capizzi 5, Dominic i und Oliva 6 benutzen sogar das Verhalten der Keton~mie und Ketonurie beim Menscheu als Leberfunktions- prfifung. Die Probe wird tells mit Fettbelastung oder mit oralen Gaben you Fett. s~uren (Stearins~ure) vorgenommen, teils wird das Verhalten der Ketonk6rper nach Hunger oder reiner Fetteiweil~kost untersueht. Die H6he des Ketonk6rper- spiegels gilt dabei als direkter Gradmesser fiir den Leberschaden. Bl6eh v riiumt der ,,hepatischen" Keton~mie, die er haupts~chlich bei diffusen ikterischeu Hepato. pathien finder, eine Sonderstellung ein, da sic durch Insulin und Kohlehydrate schwerer zu beseitigen ist als die diabetische.

Andererseits wird die Ansicht vertreten, die Leberschi idiglmg fiihr(. zu v e r m i n d e r t e r ]~ildungsf~higkeit fiir Ketonk6rper in der Leber.

Eine Stiitze fiir diese Auffassung liefern die Experimente von Leite.s und Odino*r s mit Leberbrei yon phosphorvergifteten Kaninchen. Die Ketonbildungsf~higkeit der Leberzellen nahm hierbei mit der Schwere des Vergiftungsschadens deutlich ab. Unter Bedingungen, die normalerweise Ketonk6rpersteigerung zur Folge haben, finder Clerc 9 bei Leberkranken herabgesetzte Ketonk6rperwerte. Bren- tano 1~ nahm beim Menschen wiihrend und nach Lebererkrankungen Belastungen mit Butters~ure vor und wies dabei, namentlich bei schwereren Parenchymsch~idi- gungen, ein deutlieh vermindertes Auftreten yon Ketonk6rpern wi~hrend der Er. krankung nach.

Schliel~lich ist noeh eine Gruppe yon Autoren zu nennen , die ge- wissermal~en eine Zwischenstellung e innehmen, indem sie je nuch deln Grad der Leberseh~digung Steigelmng oder Abschw~ichung der Keto- genese feststellen.

Nach Zorzoli n ist diese z.B. vermchrt bei ikterischeu Hepatopathien, ver- mindert dagegen bei Cirrhosen und bei Leberinsuffizienz. Unter Anwendung yon Adrenalin beobachten Ghemrdin i und Brasi t~ im allgemeineu h6here Ketonk6rper-

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Verhalten der Ketonk6rper. 683

anstiege bei erkrankter als bei gesunder Leber, sie vermissen diese Wirkung jedoch bei sehwersten Leberinsuffizienzgraden.

DaB zwisehen Ketonk6rperproduktion und Blutdurchstr6mung der Leber ein direktes Abh/tngigkeitsverh/iltnis besteht, zeigen die Versuehe Fischlers la am phlorrhizindiabetisehen ttund.

Fischler konnte naeh Anlegung einer Eckschen l~'istel, bei der bekanntlich das gesamte Blut der Vena portae in die Vena cava inf. geleitet wird, wodurch die Leber also aus dem Portalkreislauf ausgeschaltet ist, eine Verminderung der Ke~on- werte im Urin feststellen. LieB er hingegen mittels umgekehrter Eckscher Fistel das gesamte Blur der unteren K6rperh/ilfte (durch Umleitung des Cave inferior- Blutes in die Vena portae und Cava inferior-Unterbindung) die Leber durchstr6men, so erfuhr die Ketonurie eine deutliche Steigerung.

Fischler (1. c.) zieht jedoch aus dieser Beobaehtung nieht den nahe- liegenden SchluB, dab die Ketonk6rperbildung in der Leber eine - - yon der Durehblutungsst/trke abh/tngige - - Normalfmtktion darstellt. Er folgert vielmehr nur f/ir die gesteigerte Ketonk6rperbildung, dab sie der Ausdruek einer Lebersch/tdigung sei. 2Den Beweis daffir sieht er in der steten Koinzidenz yon Ketonurie und Urobilinurie.

Bei diesem Stand der Dinge sehienen uns die im folgenden beschrie- benen Versuehe geeignet, fiber das Problem: Leberschaden lind Keton. k6rperbildung grundlegend Klarheit zu sehaffen. Ihr Prinzip besteht darin, den Einflul~ experimentell erzengter Leberseh/idigungen auf die Ketosis zu untersuehen. Die Ketosis wiederum bildet sich am aus- gepr/tgtesten naeh totaler Entfernung der Bauehspeicheldriise aus. Der Vergleieh des Ketonk6rperverhaltens naeh Pankreasexstirpation beim Tier ohne geseh/tdig~ Leber und in der Versuehskombination mit Leber- seh/idigung versehiedenen Grades muBte eine Antwort fiber den ge- fragten Zusammenhang ergeben.

Nimmt man bei I-[unden die Totalexstirpation des Pankreas vor, so entwiekelt sieh binnen kurzem das Bild des eehten Pankreasdiabetes. W/thrend sieh in der Literatur ausgedehnte Untersuehnngen fiber die J~edingungen des Zuekerstoffweehsels beim pankreaslosen Hund Iinden lassen, sind die Berichte fiber das VerhaIten der Ketonk6rper sp/trlieh und lmeinheitlieh. Allgemein bekannt ist nur die geringe Neigung der Tiere zur Ketonurie und das Ausbleiben eines typisehen Coma diabetieum (Thannhauser 1~, Lichtwitz 15, Geelmuyden'", FisehleraS). Zur unmittel- baren Einsieht in die intermedi/tren Umsatzbedingungen yon Keton- k6rpern eignet sich, wie yon dem einen yon uns bereits frfiher mehrfach auseinandergesetzt wurdelL is, mtr die Yerfolgung des ]~lutketonk6rper- spiegels (Methode s. ebenda). Ffir den Pankreasdiabetes des Hundes fehlen unseres Wissens systematische Untersuchung6n hierfiber voll- st/indig. Wir haben deshalb zun/tchst das Verhalten der Blutketon- k6rper naeh totaler Pankreasexstirpation beim Hund studiert.

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684 Georg Mikulicich und Silvio Markees:

])ie beiden hierzu verwandten Tiere erhielten naeh der Operation gemisehtes Fressen, dem ausreichende Kochsalzmengen zugesetzt wurden (s. die diesbeziiglichen Ausfiihrungen yon Adlersberg und Wachstein19). Ferner warden gr61~ere Mengen Traubenzlwker, im Trinkwasser gel6st, ge- geben sowie zur Resorptionserleichternng der Nahrung :Pankreasfermente in Tabletten, dabei aber kein Insulin. Bei dem einen Tier betrug die Lebensdauer naeh dem Eingriff 8 Tage. Die Werte fiir die Ketonk6rper im Blur - - hier als GesamtketonkSrper best immt und als Acetessigs/iure bereehnet - - stiegen inl ersten Versueh yon 1,0 rag- % vor der Pankreas- exstirpation auf 53,7 mg- % am 7. Tag kontinuierlich an. :Der Tod erfolgte unter den Zeichen allgemeiner Schw/~ehe, ohne Kr/s und Komasym- ptome. ])as zweite Tier zeigte nach der Operation eingrunds/~tzlieh gleiches Verhalten. Bei einer Lebensdauer von nur 5 Tagen naeh dem Eingriff wurde ein Anstieg von 3,74 mg-% GesamtketonkSrper auf 37,18 rag-% beobaeh- tet. Beide Tiere liel~en eine mit der Nitroprussidreaktion qualitativ erfaltbare Acetonurie vermissen. Die einzelnen Daten der ersten zwei Experimente sind in Tabelle 1 zusammengestellt.

Tabellel. Hund I und II. Totale Pankreasexs t i rpa t ion . Gesamtke tonkSrpe r und Zucker im Blut in mg-%.

Bh~t,

T a g Gcsamt - ke tonkSrpc r Z u c k e r

rag- % rag- %

Hund I I vor Pankreasexstirpation . . . 1,0 - - I ~utch Pankreasexstirpation.. . 16,5 --

29,26 53,7

H ~ d I I I vor P~nkreasexstirpation . . . 3,74 94 nach 1)ankreasexstirpation. 22,22 395

23,32 340 34,10 ]83 27,94 458 37,18 264

Nachdem der , ,Normalverlauf" der experimentellen Ketosis beim H und festgelegt war, konnte nunmehr der EinfluB der Leberseh/~dig~mg auf diese gepriift werden. Zu dem Zweek wurden in einem 3. Versuch gleiehzeitig mit der Pankreasexstirpation der Duetus eholedochus und die Arteria hepatica unterbunden. Die Folge war ein neben dem Dia- betes sieh langsam entwickelnder Ikterus. Die alleinige Unterbindung der Art. hepat, stellt einen verh/iltnism/s geringfiigigen Eingriff in die Blutversorgung der Leber dar, der von den Tieren jahrelang tiber- lebt werden kann.

Verfolgt man die Wirkung dieser Nebenoperation auf die keton- ~imische Km've, so ist bereits hier deutlieh, wie die Ketonk6rperwerte unter den bei einfacher Pankreasansschaltung beobachteten bleiben. Sic erreichen nicht die HShe yon 30 mg-%. Auff/illig war, wie ungewShn-

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Vcrhalten dcr KetonkOrper. 685

lieh rasch sich das Tier naeh der Opera t ion erhol te und in weleher aus- gezeiehneten Al lgemeinverfassung es verbl ieb. Die Lebensdaue r naeh dem Eingriff be t rug 2 i Tags. ] )as Tier fraB sehr gut., ver lor aber na tu r - gemfiB stfindig an Gewieht . Die Sti ihle waren massig und aeholiseh. Es is t anzunehmen, dab - - t ro tz Zugabe yon PaI tk reas fe rmenten zum F u t t e r - - infolge der Resorpt ionse insehr / tnkung bei solehen Tieren der H a u p t - an te i l an der Ketogenese endogen, d. h. dureh den inneren A b b a u yon

Tabelle2. H u n d III . T o t a l e x s t i r p a t i o n des P a n k r e a s mi t g l e i c h z e i t i g e r U n t e r b i n d u n g des D u e t u s e h o l e d o e h u s und der A r t e r i a h e p a t i c a .

G e s a m t k e t o n k 6 r p e r und Z u c k e r im Blu r in mg-%.

Blut, 17vin

T a g G c s m n t k c t ( m k i i r p c r Z u c k e r A c c t . Sa<,(.h. rag- % m ~ - % %

I ;J Vor Pankreas- l. 4.4 ( 92 - - - -

exstirpation Pankreasexstirpation und Ligatur des Duetus choledochus

N ach Pan~'eas- exstirpation

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

10. 11. 12. 13. 14. 15. ]6. 17. 18. ]9. 20. 21. 22.

16.72 ~9;14 23,76 22,44

14,96 18,48 14,74 21,56 23,76 29,26 27,5 26,18 24,2 J 20,12 18,26 22,0 23,54 28,6 15,62 ] 3,86

21,78

25,40

13,20

249 302 341 281

252 285 255 326 370 390 344 317 359 331 346 402 394 357

324 324 343

+ (+)

(+)

!

i

I

+ 4,3 6,5 5,2

4,7 0,8 5,o 6,5 4,6 2,3

1,9 3,5 1,3

1,8 -t-

kOrpereigenem F e t t und Eiweil] bedingt ist. DaB jedoeh aueh die exogene Ketogenese bei der Versuehsanordnung n ieh t aufgehoben ist, haben Ke tonk6rpe rans t i ege bewiesen, die sieh z . B . nach Zufuhr yon Sahne oder fe t tem Fle iseh fests tel len lieBen. Tabel le 2 g ib t den Gesamtver lauf des 3. Versuehs in al len E inze lhe i t en wieder. Die s ta rke Glykosur ie und Hyperg lyk / tmie ist das Spiegelbi ld der d iabe t i sehen K o h l e h y d r a t - Stoffweehsels t6nmg.

Der 4. Versueh verfolgte die Absieht , die Ketos i s bei berei ts aus- gepr / ig tem Lebersehaden zu erzeugen. Es walrden d a t u m in einer ers ten Opera t ionss i tzung wiederum Ar t e r i a hepa t i ca und ] )ue tus eholedoehus un t e rbunden und reseziert , 4 Woehen sp/i ter erfolgte dann bei r o l l aus- gebi lde tem to ta l em Verseh luNkte rus mi t Bilirubin/~mie und Bil i rubin- uric die Pankreasexs t i rpa t ion . ])as Tier ve r t rug den zweiten Eingriff

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686 Georg Mikulicich und Silvio Markees :

ganz unerwartet gut, mit insgesamt 23 Tagen erreichte es die 1/hlgste, yon uns nach totaler Pankreasentfernung fiberhaupt beobachtete ~ber . lebensdauer. Es stellteI~ sich in typischer Weise Polyphagie, Poly- dipsie und die entsprechenden Ver/~nderungen im Kohlehydratstoff- wechsel ein. Auch hier wieder, wie fibrigens in dell anderen Versuchen ebenfalls, nut ganz selten eine quahtativ nachweisbare Acetonurie. Die diabetische t)olyurie pflegt in der Regel allm/ihlich abzunehmen. Unter hochgradigster Kachexie bei his zum Ende erhaltener Ansprechbarkeit gehen die Tiere dann zugrunde.

Ein Blick auf die in Tabelle 3 verzeichneten Werte ffir die Blut- GesamtketonkSrper beweist ihr relativ geringes Ansteigen in diesem Yersuch. Mit einem H6ct~stwert yon 21 mg-% liegt das Ketonk6rper- niveau ganz betr/ichtlich unter dem bei Versuch 1 und 2. Es ist ganz offensichtlich, dab die zuvor geschgdigte Leber nicht mehr imstande ist, die normalerweise nach der t)ankreasausschaltung auftretende Hyper-

Tabe l l e3 . H u n d IV. L i g a t u r d e s D u c t u s c h o l e d o c h u s u n d d e r A r t e r i a h e p a t i c a . N ~ c h 4 W o c h e n t o t a l e P a n k r e a s c x s t i r p a t i o n .

G e s a m t k e t o n k O r p e r u n d Z u c k e r i m B l u r i n m g - % .

T (lesamtketonkSrl)er Zueker Saech . Acct. i Millon mg - % mg- %

I (~6 I . - [ . - -

i 3,45

L i g a t u r des

vo,- II s,14 P a n k r e a s - I[ 18 5,50

e x s t i r p a t i o n [I 28". 4,623'74

Nach P~nkreas -

exs t i rpz t i on

1 .

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

[0. II. t2. t3. [4. [5. [6. [7. 18. 19. -)0. 21. 22. 23.

11,22 10,56 14,30 13,20 15,18 16,28 16,94 19,58 20,68 13,86 12,76 14,74 1 8 , 2 6 12 , | 0

9,68 7,48 7,26 7,92 9,46

12,32 14,52 14,74 12,32

D u c t u s chotcdoc, hus u n d der Ar t . h e p a t i c a :

I '~176 I 103 ~

i s3 ] s3 i

P a n k r e a s e x s t i r p a t i o n : l l , 8 8 341 299

327 0,9 4~X) ~- 438

14,96 420 384 15,40 l l , 0 399 377 403 I 1,32 330 302

322 18,70 324 342

364 388

16,06 378 400 355

13,72 380 12,32 368 372

388 38O 340 362

12,98 338 306 318 304 156

. . . . _ _

' - - i

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4,1 . . . . 2,7 --- ( + ) + --- (+~

1 , 8 1,2 1,7 - - 2,1 - - 1,8 - -

2',9 ~

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4,4 - : 4,0 [ - ~ -- 2,6 I - - - § /~ _ ! __ 2,6 j - - - - -7 i --- : ---

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Verhaltcn der KetonkOrper. 607

keton~mie aufzubringen. Die Bildungsst6rung ffir Ketonk6rper tritt , nach dem Gesamtverlauf der Kurve beurteilt, noeh viel deutlicher zu- tage als im letzten Versucb. Der ~e t tabbau fiber die fl-Oxydation in der Leber hat eine entschiedene Beeintr/~ehtigung erfahren, mit anderen Worten: Die Funlction der Ketonk6rperproduktion in der Leber leidet unter der zunehmenden ScMidigung des Organs.

Ein 5. Versuch wurde sehlieBlich in der Weise ausgeffihrt, dab bei der 1. Operation eine Eclcsehe Fistel angelegt wurde. Gleichzeitig mit der :Pank_reasexstirpation, die 51/~ W0ehen sp~iter vorgenommen wurde, erfolgte die Unterbindung des Duetus eholedoehus und eines Astes der Art. hepatica. Die Wirkung dieses zweiten Eingriffs war so heftig, dab ~s zun~chst so aussah, als ginge das Tier unter den Zeichen der totalen Leberausschaltung zugrunde: Es kam zu rapidem Blutzuckerabfall mit hypoglyk/~mischen Kr/~mpfen unter gleichzeitigem Absinken der Blut- Ketonk6rperwerte. Auf Traubenzuekerinjektionen und kleine Insulin- mengen hin erholte sieh der Hund jedoeh alsbald wieder und nunmehr bildete sieh das typisehe Bild des Diabetes heraus. Daneben zunehmen- der Ikterus.

Die Ketonk6rperwerte sind bier mit ihrem maximalen Anstieg auf 14rag-% im Verlauf der insgesamt 19 Tage betragenden ~berlebens- dauer bei weitem die niedrigsten in unseren Versuchen (s. Tabelle 4). Fiir diese Tatsache muB natiirlieh als sehr wesentliehe Ursache die rein meehanisch bedingte Ausschaltnng der Leber aus dem Kreislauf durch (lie Ecksche Fistel in Rechnung gestellt werden. DaB jedoeh die Blur- versorgung der Leber nach ~berwindung der kritisehenlPhase unmittel- bar nach der Operation ausreiehend war, beweist die typische diabe- tisehe Hyperglykamie. Die Voraussetzung fiir einen endogenen Fett- abbau war also gegeben. Wir stehen nieht an, in der Herabsetzung der Ketogenese auch bei dieser Versuehsanordnung den Ausdruck der Schiidi- glmg des Organparenehyms zu erblicken.

Die Lebern s/tmtlicher Versuchstiere wurden histologisch unter- sueht*. Der Grad de r degenerativen Ver/tnderungen entsprach der Schwere des jeweils zugefiigten Insultes. Regelm/tBig waren Ikterus und Leberverfettung nachzuweisen. Die Bindegewebsentwiekhmg war in allen F~llen noch reeht gering.

Fal3t man das Hauptergebnis der bisher in ihren Einzelheiten ge- schilderten Versuche zusammen, so l/~gt sich folgendes herausheben: Der experimentelle Pankreasdiabetes, der durch totale Pankreasexstir- pation erzeugt wird, ffihrt beim Hund nur selten zur Acetonurie, wohl aber zu einer betrfichtliehen Keton/hnie. Die Tiere gehen in wenigen Tagen an allgemeiner Sehw/~ehe, ohne eigentliehe Komasymptome zu- grunde. Bei gleichzeitiger oder voraufgegangener Lebersch~tdigung sinkt

* Ftir die Durchfiihrung dieser Untersuchungen sei tIerrn DI'. H. Helmt~e und Frl. Dr. J. Kriickma~m yore Patholog. ]nstitut der Charit~ auch an dieser Stelk' unser Dank ausgesprochen.

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1388 (1eorg Mikulicich und Silvio Markees:

Tabelle4. H u n d V. E c k s c h e Fi s t e l . Nach 40 Tagen t o t a l e P a n k r e a s - e x s t i r p a t i o n mi t g l e i c h z e i t i g e r L i g a t u r des D u c t u s c h o l e d o c h u s und t i n e s As te s der A r t e r i a h e p a t i c a . G e s a m t k e t o n k S r p e r und Z u c k e r

im B lu t in rag-%.

Blur,

Ta~ (~esalntketonk6rper ~ Zlteker mg- % ] mg- %

1. 4,24 ! lO1 i Ecksche Fistel

Pankreas- 3 i 3,74 ! 102 exstirpation 40. 5,94 ] 88

Pankreasexstirpation und gleiehzeitige Ligatur des Duetus eholedoehus und eines Astes der Arteria hepatica

.Vach Pankreas-

exstirpation

I. 7,04 1,54 1,76

2. 5,50 11,44

3. 11,00 4. 13,42 5. 14,08 6. 12,76 7. 12,10 8. 11,22 9. 9,46

i lO. 12,98 II, 11,00 i2, 12,32 13 ~6,38 14. [~5,72 15, i1,44

5,50 2,20 5,06

7,4s / 4,62 i 6,s2 2,20 1,32 1,54

7,48 5 ,94111,88 8,80 5,50 i 8,58 8 ,36 !8 ,80 !

5,28 16, [7 18

12,32i 13,20!

8,80

4,40

135 52 77

112 305

361 324 329 370 380 364 370 430 378 416 376 376 155 105 48

281 84 39 72 43 45 71

186 222 252 307 363 294 324 324

424 396

416

lO0 97

die Fgh igke i t der Leber zur Ketogenese ab, die K e t o n g m i e e r re ieh t ge- r ingere Wer te , Es bes teh t eine d i rek te Abhgngigke i t yon D a u e r und In t ens i t~ t des Leberschadens einersei ts l ind Grad des F u n k t i o n s v e r - lustes der Leber fiir die f l -Oxydat ion anderersei ts .

U m diese ZusammeI~hgnge noch zu verdeutliche~), sind in der Abb . 1 die e r m i t t e l t e n Ke tonk6rpe rwer t e sgmtl ieher Yersuche in K u r v e n f o r m zusammenges te l l t . Beim Vergleich des Gesamtver laufes der Einzel- ku rven un te re inander e rkennt m a n besonders anschanl ieh, wie die Ketonbi ldungsf i ih igke i t ta ts~chl ich a m s tg rks t en in Versuch 5, also bei dem a m schwersten lebergesehgdigten Tier, ge l i t ten hat , wghrend die gleiehzeit ig mi t der Pank rea sexs t i r pa t i on vorgenommene U n t e r b i n d u n g yon Choledoehus und Ar te r i a hepa t i ca in u 3, dem ger ings ten In su l t unserer Versuchsreihe, den schwgehsten Einf lu$ auf die Ke to - genese ausgefibt ha t . Bei al len Versuehen senkt sich der Ke tonk6rpe r - spiegel sub finem - - woht ein Zeichen des u al ler Leber funk- t ionen i iberhaupt .

Page 8: Über das Verhalten der Ketonkörper bei experimenteller Leberschädigung

Verhalten der Ketonk6rper. 689

Ob die in unseren Experimenten besonders aufffillige 1/mgere Lebens- dauer bei den lebergeseh/idigten Hunden gegenfiber den Tieren mit ein- faeher Pankreasexstirpation ihre Erkl/~rung in der geringeren Ketosis hat, m6ehten wir hier nieht entseheiden. DaB gerade die lebergeseh/i- digten Tiere den Eingriff der Pankreasentfernung gut iiberstanden, die normalen Tiere diesen sehr sehleeht vertrugen und nieht lange am Leben

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zu erhalten waren, war bei unseren Versuehen eine merk- w/irdig h~tufige Beobaehtung.

Das Versuehsergebnis gibt unseres Eraehtens eine ein- deutige Antwort auf (tie ein-

X_§

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Abb, 1.

] [ u n d I und I [ : P a n k r c a s e x s t i r p a t i o n ; I I u n d I l l : P a n k r e a s e x s t i r l ) a t i o n u n d g le ichze i t ig L i g a t u r des D u e t u s eho ledochus u n d der A r t . h e p a t i c a ; 14und I V : L i g a t u r des D u e t u s choledochus u n d de r A r t . hepa t i ca . N a c h 4 ~Vochen P a n k r e a s e x s t i r p a t i o n ; H u n d V: E c k -

sche F is te l ; n a e h 5~/~ XVoehen l ) ank rca sexs t i r l ) a t i on l ind g le ichze i t ige L i g a t u r des Ductu~ eho ledoehus und t ines As tes do t A r t . hepa t i ca .

gangs gestellte Frage naeh dem Zusammenhang yon Leberschaden und Ketonk6rperbildung. Ansgehend yon der feststehenden Tatsaehe, dab die fl-Oxydation eine normale Funktion der Leber darstellt, ist es ohnehin unwahrseheinlich, dab diese Normalfunktion durch SehAdigung des Funktionstr/~gers eine Steigerung erfahren sollte. ])as Gegenteil, die Sehw/~chung, ist weit einleuehtender. Die hier unter den extremen Bedingungen des Tierexperimentes nachgewiesene Ab- nahme der Bildungsf/~higkeit ffir Ketonk6rper bei Lebersch/~digung ist daher unter den entspreehenden Verh~ltnissen aueh flit den Menschen als das wahrscheinlichste zu erwarten. Wenn im Lanfe yon Leber- erkrankungen beim Mensehen bisweilen eine gewisse ErhShung des

Page 9: Über das Verhalten der Ketonkörper bei experimenteller Leberschädigung

690 Georg Mikulicich und Silvio Markees: Verhalteu der Ketonk6rper.

BlutketonkSrperspiegels auf t r i t t , so ist das kein beweiskr~iftiges Gegen- a rgument . Genau so, wie es bei leiehter experimentel ler Leberseh~di- gung zur Hyperglyk~mie k o m m e n k a n n (Sawada~~ die m a n als ein Re izsymptom auffassen mul~, genau so liege sich eine Vermehrung der Ketonk6rper in solehen F~llen als Reizketon~mie erkl~ren. K i ~ h n a u ~1

hat die Vorstellung, dal~ (lie Anh~ufung yon Ke tonk6rpe rn im Blur beim Lebersehaden anf eiu Versagen des KetonkSrperabbaus in der Leber selbst zu beziehen sei. Danach wiirde also durch die ErhShung des KetonkSrperspiegels nieht eine verst~rkte Stoffwechselt~tigkeit, eine Mehrbi ldung yon Ke tonk6rpe rn bewiesen, sondern es l~ge im Gegenteil eine A b b a u h e m m u u g als Zeichen gesehw~chter Stoffwechselleistungeu der Leber vor.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Es sollte der EiDflul~ des Leberschadens auf die Ketogenese geprtift werden. Als beste experimentel le Bedingung erwies sich hierfiir die K o m b i n a t i o n you Ketosis nach Pankreasexs t i rpa t ion u n d mechani- scher Leberschiidigung beim Hund . :Nachdem der iibliche Yerlauf der keton~mischen Kurve nach En t f e rnung des Pankreas festgelegt war, wurden 3 Yersuehe angestel l t : 1. U n t e r b i n d u n g yon I )uc tus chole- dochus und Arter ia hepatica gleichzeitig mi t der Pankreasexs t i rpa t ion . 2. I)erselbe Eingriff, 4 Woehen vor der 1)ankreasexstirpation. 3. An- lage einer E c k s c h e n Fistel. ,Naeh 51/~ Wochen 1)ankreasexstirpation unter gleichzeitiger U n t e r b i n d u n g des Ductus choledochus a n d eines Astes r Arter ia hepatica.

Der Verlauf der keton/imischen K u r v e n dieser Vcrsuche beweist e indeut ig eine Verminderung der Ketogeuese, die der Schwere des Leber- schadens proport ional ist.

l , i t e r a t u r . 1 Toscaz~o, C.: Policlinico, sez. prat. 1982, 323. - - 2 Stroebe, ~ . : Z. klin. Med.

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