5
(Aus der Univ.-Kinderklinik zu Berlin.) [~ber den EinfluB bestimmter Kostart im Tierversueh. II. Mitteilung. EinfluB auf das Nierengewebe. Von Dr. W. Bayer, Assisteilt der Klinik. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 24. April 1927.) Ira Beginne der Untersuchungen fiber den Einflul3 saurer Kost im Kaninchenversuch wurden genauere AnMysen in Harn und Blut vorgenommen zur Festlegung der jeweiligen Gr6Be der Stoffwechsel- gndermlg. Bei diesen Untersuchungen fiel bald auf, dab der Harn der sauer ernghrten Kaninehen hgufig spontane gelatin6se Ausftockung zeigte. In diesem Harn fanden sieh reichlieh Eiweig und Nierenform- elemente. Es ergaben sieh nun versehiedene Fragen, zu deren Beant- wortung besondere Versuehsreihen angesetzt wurden. War die Ausseheidung pathologiseher Nierenelemente yon der Nahrungsgnderung abhgngig oder hing sie vielleieht mit den Manipulati- onen bei der Harngewinnung zusammen ? Wie sotehe M6gliehkeit ja besteht, naehdem eine EiweiB- und Zylinderausseheidung naeh lokalem Druck auf die Nierengegend beobaehtet ist. Der Harn wurde gewonnen bei mgnnliehen Kaninehen dutch den Katheter, bei weibliehen teils durch den Katheter, teils dureh Blasenpunktion. Dureh Anstellung gekreuzter Versuehe, d. h. es wurde einmal mit Haferkost und bei der zweiten Reihe mit Grtinfutterkost der Versuch begonnen, lieg sieh bald (tie Abbgngigkeit der pathologisehen Harnbeflmde yon der jeweiligen Kostform erweisen. Nut unter der sauren Ernghrungsart fanden sieh die Vergnderungen, um bald naeh Absetzen des Nahrungsgemisehes auf Grfinfutter wieder zu versehwinden. War somit der Einflug der Kostform festgestellt, so konnte leieht gezeigt werden, dab die Reaktion des Harnes yon aussehlaggebender Bedeutung ist. Bevor auf Einzelheiten in dieser Riehtung eingegangen wird, sei auf eine Erfahrung hingewiesen, deren Niehtbeaehtung zu falschen Sehlfissen fiihren konnte. Wie sehon in der I. Mit.teilung erwghnt, ge-

Über den Einfluß bestimmter Kostart im Tierversuch

  • Upload
    w-bayer

  • View
    212

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über den Einfluß bestimmter Kostart im Tierversuch

(Aus der Univ.-Kinderklinik zu Berlin.)

[~ber den EinfluB bestimmter Kostart im Tierversueh. I I . Mitteilung.

EinfluB auf das Nierengewebe. Von

Dr. W. Bayer, Assisteilt der Klinik.

Mit 2 Tex tabb i ldungen .

(Eingegangen am 24. April 1927.)

Ira Beginne der Untersuchungen fiber den Einflul3 saurer Kost im Kaninchenversuch wurden genauere AnMysen in Harn und Blut vorgenommen zur Festlegung der jeweiligen Gr6Be der Stoffwechsel- gndermlg. Bei diesen Untersuchungen fiel bald auf, dab der Harn der sauer ernghrten Kaninehen hgufig spontane gelatin6se Ausftockung zeigte. In diesem Harn fanden sieh reichlieh Eiweig und Nierenform- elemente. Es ergaben sieh nun versehiedene Fragen, zu deren Beant- wortung besondere Versuehsreihen angesetzt wurden.

War die Ausseheidung pathologiseher Nierenelemente yon der Nahrungsgnderung abhgngig oder hing sie vielleieht mit den Manipulati- onen bei der Harngewinnung zusammen ? Wie sotehe M6gliehkeit ja besteht, naehdem eine EiweiB- und Zylinderausseheidung naeh lokalem Druck auf die Nierengegend beobaehtet ist. Der Harn wurde gewonnen bei mgnnliehen Kaninehen dutch den Katheter , bei weibliehen teils durch den Katheter , teils dureh Blasenpunktion. Dureh Anstellung gekreuzter Versuehe, d. h. es wurde einmal mit Haferkost und bei der zweiten Reihe mit Grtinfutterkost der Versuch begonnen, lieg sieh bald (tie Abbgngigkeit der pathologisehen Harnbeflmde yon der jeweiligen Kostform erweisen. Nut unter der sauren Ernghrungsart fanden sieh die Vergnderungen, um bald naeh Absetzen des Nahrungsgemisehes auf Grfinfutter wieder zu versehwinden. War somit der Einflug der Kostform festgestellt, so konnte leieht gezeigt werden, dab die Reakt ion des Harnes yon aussehlaggebender Bedeutung ist.

Bevor auf Einzelheiten in dieser Riehtung eingegangen wird, sei auf eine Erfahrung hingewiesen, deren Niehtbeaehtung zu falschen Sehlfissen fiihren konnte. Wie sehon in der I. Mit.teilung erwghnt, ge-

Page 2: Über den Einfluß bestimmter Kostart im Tierversuch

W. Bayer: Ober den Eiifflug bestimmter Kostart im Tierversuch. lI. 163

w6hnen sich n ieht alle Tiere gleieh sehnell urn. Die Tiere die die reine Haferkost nu r ungern und inger inger Mengenahmen, zeigten auffallender- weise sehr raseh einen pathologisehen Harnbef lmd. Die Ursaehe hier- ffir war wohl in der geringeren Flfissigkeitszufuhr zu suehen. Denn nicht allein, dab die H a r n m e n g e n betr/~chtlich bei diesen Tieren sanken, bei gleichzeitig fal lenden K6rpergewichten, sondern es zeigten auch die Messungen der Refrakt ionswerte im Blutserum (mit dem Pulffrichsehen Refraktometer ausgeffihrt) betr/ichtliche ErhOhungen der Eiweif]werte. W/~hrend bei den sieh normal ve rha l t enden Tieren die Refraktionswevte zwischen 5,8 und 7,2% sehwankten, stiegen diese Werte bei dert Tieren nfit Gewichtsverlust bis zu 8,5 und 8,8%. Mit anderen Worten , es t r a t en bier Dehydratat ionszust i~nde Bin, die in ihrem Gefolge die Ausscheidung pathologiseher Nierenelemente ha t ten . - - E in Kausa lzusammenhang , wie er in letzter Zeit auch ffir das S/iuglingsalter experimentel l nach- gewiesen wurde.

Bei den Versuchsreihen wurde also durch Ref rak t ionsun te r suehungen im Serum darauf geachtet , dab pathologische K onz e n t r a t i one n durch Wasserverluste vermieden wurden.

Die Befunde yon einigen Versuchen seien in folgender Tabelle an- geffihrt. Die p~-Bes t immungen im Harn wurden mi t der Michaeli- sehen Ind ika torenre ihe ve rgenommen:

Reaktion ~ Sediment Serum- Essigs.- ttarn: Laekmus PH alb. K6rper I Zylind. BlutzelL Epith.

alkal.

sauer

al d.

sa~ ~r

alk~l.

Tier Nr. 18: Grfinfutter

31. X. 1. XL

vom 2. X[. ab Hafer-HCl 4. XI. 6. XI.

10. X[. Grfinfutter

12. XI. 15. XI.

Tier Nr. 15: Grfinfutter

31. X. 1. XI.

ab 2. XI. Hafer -HC1 4. XI. 6. XI. 8. XI.

11. XI. 13. X[.

Oriinfutter 15. XI. 17. XI.

o

6,8 0 6,1 -- 5~4 q-'+

7,6 0 8 , 1 0

o o

6,5 0 6,4 ,~is 4- 5.3 + + 5,7 + ÷

7,8 O0 7,8

0

0

0

o

0

1

i

÷

o

I vereinzelt !

0 ++ _ + +

0 ~- 0 0

0 0 0 0

0 0 0 vereinzelt !

'÷ + +

0 0 I

11"

vereinzelt 0

vereinzelt + +

4- vereinzelt

I vereinzelt 0

1

vereinzelt

÷

+

Page 3: Über den Einfluß bestimmter Kostart im Tierversuch

164 W. Bayer:

Fortsetzung der Tabelle auf S. 163.

Tier Nr. 22: ab 21. XI.

Hafer-HC1 23. XI. 25. XI. 27. XL 30. XI. 2. XII.

ab 3. XII. Grfinfutter

4. XI1. 6. XII. 8. XII.

Reakt ion

Lackmus p E

schwaeh S a i l e r Sa ~r

all d.

7,4 6,2 5,4 5,0 5,2

7,6 8,0 7,8

:Eiweigreaktion Serum- Essigs.-

alb. KSrper

0

+++ + + + +

0 0

Blutzell.

0 ÷

÷ ÷

Sediment

Zylind.

0

+ + + + ÷ +

÷ -4-

vereinzelt

Epi th .

vereinzelt

+

÷ ÷

vereinzelt

DieseUntersuchungen wurdeninsgesamt an acht Tieren vorgenommen. Die Befunde waren im grol~en und ganzen gleichsinnig mit den in der Tabetle mitgeteilten. Das Sediment (siehe Mikrophotogramm) zeigte hyaline und fein- und grobk6rnige Zylinder; an den ausgeschiedenen

Blutzellen fiel auf, dal~ nur selten Erythroeyten naehzu- weisen waren. Die Zellen selbst waren neben weni- gen einkernigen iiberwiegend mehrkernige. W/~hrend der Essigs/~urekSrper bald nach Umsetzen der Kost auftrat, fand sieh das Serumalbumi~ nie unterhalb eines Urin-pH- Wertes yon 6,2. Zu gleicher Zeit mit dem Erseheinen des Albumins fanden sich dann aueh die gekOrnten Zylinder. Die Zylinder traten in weite-

Abb. 1. rem Verlauf gegeniiber den weil3en Zellen zurfick. Die

Zahl der ausgeschiedenen weiBen Blutzellen konnte reeht betr/~ehtliche Grade aufweisen. Das ganze Bild /~nderte sich sofort bei Umsetzen der Nahrung auf alkalienreiche Gemisehe; Eiweil3 und Zylinder verschwan- den prompt, zuletzt die Zellen. Bei Wiederholung des Versuehes an ein und demselben Tier lieB sich der pathologische Harnbefund wieder her- vorrufen.

Es haben sieh also hier bei diesen Versuehen Befunde erheben lassen, wie wir sie sonst gewohnt sind, bei Nephritiden anzutreffen.

Page 4: Über den Einfluß bestimmter Kostart im Tierversuch

Ober den EiniluB bestimmter Kostart im Tierversuch. II. 165

Es war nun yon Interesse, die Nieren solcher Tiere pathologisch- anatomisch zu untersuchen. Das schnelle Verschwinden des pathologi- sehen Sedimentes nach Weglassen der , , N o x e " lieB schon yon vorn- herein darauf schlieBen, dab die Veriinderungen an den Nieren nicht tiefer greifender Art sein konnten. Auf dem HOhepunkt der Erscheinun- gen w/~hrend der Hafer-HCI-Kostperiode wurden zwei Tiere get0tet und die Nieren un- tersucht. Es zeigte sich die Tatsache, dab weder makro- skopisch noch mi- kroskopisch irgend- welche pathologische Vcr/inderungen ge- funden werden konn- ten.

Bei der Erkl~rung dieser Bcfunde mul3 die S/~uerung der Ge- webe ~ls ~uslOsende Ursache in den Vor- dergrund gestellt werden. Durch die Ums~immung eines normalcrweise mehr

alkaliSChorganismusern~hrtenzu mehr ~ ..... ; ~ . . . . * '

saurer Stoffwechscl- i:. . . . . . . ~L : . richtung wird eine ................................ sozusagcn ,,Acidose, : . . . . . . . ~ % " Albuminurie, -Zy - Abb 2. lindrurie und -Pyu- tie" hervorgerufen. Der n/ihere Mechanismus, warum es zu emer Aus- seheidung pathologiseher Nierenelemente kommt, kann ein versehie. dener sein. Einmal kOnn~e dutch die lokale S/iuerung in der Niere eine Vasokonstriktion resul~ieren, die dann, wie yon S t a r r 1 im Tier- experiment gezeigt wurde, zu pathologiseher Absonderung fiihrt. Die Vasokonstriktion in den peripheren Capillaren wurde aueh fiir die Blutdrucksteigerung als hauptverantworflieh angesproehen. Dann abet kann aueh die S/~uerung der Niercnzellen physikaliseh-ehemische Xnde- rungen im Aufbau der Kolloide herbeifiihren, wie sie ffir jede EiweiB-

z Start: Zi~. nach KongreO-Zentralbl. 4 °, 547. 1926.

Page 5: Über den Einfluß bestimmter Kostart im Tierversuch

166 W. Bayer: l~ber den Einflu• bcstimmter Kostart im Tierversuch. II.

ausscheidung im Harn yon Munlc 1 und anderen Ms notwendig ange- sehen werden. DaB bier bei unseren Versuchen Versehiebungen in der Colloidausseheidung vorliegen, l ~ t sieh sehon aus dem eingangs er- w~,hnten Befunde sehliel~en, dab der Ham h~ufig spontan gelatin6s wird.

Gerade in letzter Zeit ist in der Nierenpathologie die Frage erneut aufgetaueht nach der Entstehungsursache yon Ausseheidung patho- logischer Nierenelemente bei den einzelnen Erkrankungen, und man neigt 2, 3, 4 dazu, eine lokMe Nierenacidose Ms Grundlage flit eine Ei- weflL und Ze]lausseheidung anzunehmen. Darum glauben wir, dub unsere Befunde auch ffir die Klinik yon einiger Bedeutung sind.

Zasammenfassung. Unter dem Einflu8 der Hafer-HC1-Kost kommt es beim Kaninehen

zu Ausseheidung yon EiweiB, Zylindern und Leukocyten im Harm An den Nieren zeigen sich in diesem St,~dium keinerlei degenerative oder entzfindliche Verhnderungen.

Diese ,,Aeidose-Albuminurie,-Zylindrurie und -Pyurie" verschwindet sehnell nach Anderung der Kost auf an AlkMien reiehe Gemisehe.

Munk, Benatt, .Floekenhaus: Klin. Woehenschr. 4~ 18. 1925, 2 Sehi//, Bayer: Jahrb. f. Kinderheilk. 108, 157. ]925.

_Freudenberg: Zeitschr. f. Kinderheilk. 1925. 4 Feuehtwanger, Lederer: Jahrb. f. Kindcrheilk. ll2, 7. 1926.