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0esterreichische Botanische Zoitschrift, Gemeinnfitziges Organ tilt Die (~sterrelebisehe ~[~XO lind I~l~O die frei dursh die]:'os~ be- ~~162 Botanik und Botaniker, zo~eawerdensollen, slnd denErs~en jedeaMonats. , b~os bet 4er ]Btedakt|ott hlanmltPr~inumerirt, ft. 6st.aufw.sell)e G~rtner, Oekonomen, Forstmiinner, Aerzte, c,, ~,,.,~, ~..,~e~i~o..~~176176176 ~,, ,~) (10 ~. Mar~.) Im Wege des ganzj~hrlg, oder mi~ Ill alh~ko Taehnlbae Buehhandels fibernimmt Prs h albj i~hrlg. V. glerold'$ 80hn Znaor~te in W~ea, dle g .... Pe~i~zeile "~o. ~ so wle ~lle iihrlge~t 15 kr. 5st. W. ~,,a= ~e Buehhandlungen. XXVi. Jahrgang. ~.~. August 1876. I"N~"IA'r-T: Einfluss des Frostes atff das Chlorophyll. Van Dr. Ha berlandt. -- Dianthus Jaczonls, Van Dr. hscherson. ~ u Yon Dr. Kerner. -- Ueber Pl~a~ze~a der Osterr.- ungar. Flora. Ven Freyn. -- O','ehis 8pitzelii. Van Dr. Halaesy. ~ Algen des Triester (Jolfes. Van Hauck. -- Ueber husseheidung vonWasserdampf. Vort Dr. l~urgerstein.- Pflanzen auf der Welt- ausstellung. Van h n t o i n e . IFortsetzung.) - - Litera~urberichte. - - Correspondenz. Van Cs a t o, Dr. Borbas, Stein, Thiimen, Burbach. -- Bataeischer Tauschverein. --lnserate. Ueber den Einfluzs des Frostes auf die 0hlorophyll- k6rner. Yon G. Haberlandt. Spezielle Untersuchungen tiber die Einwirkung des Frostes auf bestimmte InhaltskOrper der Pflanzenzelle wurden bis jetzt meines Wissens noch nicht angestellt. Man ber~icksichtigte gewi)hnlich bless ganze Pfianzentheile -- ear Allem die BlOtter -- und fasst% als es sieh um eine befriedigende Erkliirung des Erfi'ierens der Pflanze handelte, aus naheliegenden Grtinden bless die Hauptbestandthei]e des Zel|leibes, das Protoplasma, den Ze]lsaft und die Wandung der Zelle in's Auge. Zur Vervollst~ndigung unserer Kenntnisse fiber den Ein- fluss des Frostes auf das Pflanzenleben erschien es mir daher wiin- schenswerth, aucb nach der vorbin angedeuteten Richtung bin einige zusammenh~ngende Beobachtungen zu sammeln. Dass ich hierbei mein Augenmerk vorzugsweise auf die Chlorophyllk0rner riehtete, war wolff selbstverst~indlicb. Die Einwirkung des Frostes our die ffenannten InhaltskOrper der Zelle kann sich in zweierlei Weise bemerkbar mac!yen. Erstens durch die Zerst(~rung oder Um~inderung des gr~nen Farbstoffes Oesterr. botan. Zeitschrift. 8. Heft,. 1$7(5. ~0

Ueber den Einfluss des Frostes auf die Chlorophyllkörner

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0esterreichische

Botanische Zoitschrift, Gemeinnfitziges Organ

tilt

D i e (~sterrelebisehe ~[~XO lind I~l~ O die frei dursh die]:'os~ be- ~~162 Botanik und Botaniker, zo~eawerdensollen, slnd

denErs~en jedeaMonats. , b~os bet 4er ]Btedakt|ott

hlanmltPr~inumerirt, ft. 6st.aufw.sell)e G~rtner, Oekonomen, Forstmiinner, Aerzte, c,, ~,,.,~, ~..,~e~i~o..~~176176176 ~,, ,~) (10 ~. Mar~.) Im Wege des

g a n z j ~ h r l g , oder mi~ I l l alh~ko Taehnlbae Buehhandels fibernimmt P r s

h a l b j i ~h r lg . V. glerold'$ 80hn Z n a o r ~ t e in W~ea,

dle g . . . . Pe~i~zeile " ~ o . ~ so wle ~lle iihrlge~t 15 kr. 5st. W. ~,,a= ~ e Buehhandlungen.

XXVi. J a h r g a n g . ~ . ~ . A u g u s t 1876.

I"N~"IA'r-T: Einfluss des Frostes atff das Chlorophyll. Van Dr. Ha b e r l a n d t . -- Dianthus Jaczonls, Van Dr. h s c h e r s o n . ~ u Yon Dr. Ke rne r . - - Ueber Pl~a~ze~a der Osterr.- ungar. Flora. Ven F r e y n . -- O','ehis 8pitzelii. Van Dr. Ha l ae sy . ~ Algen des Triester (Jolfes. Van Hauck. -- Ueber husseheidung vonWasserdampf. Vort Dr. l ~ u r g e r s t e i n . - Pflanzen auf der Welt- ausstellung. Van h n to ine . IFortsetzung.) - - Litera~urberichte. - - Correspondenz. Van Cs a t o, Dr. Borbas , S t e i n , Thi imen, Burbach. -- Bataeischer Tauschverein. --lnserate.

Ueber den Einfluzs des Frostes auf die 0hlorophyll- k6rner.

Yon G. Haberlandt.

Spezielle Untersuchungen tiber die Einwirkung des Frostes auf bestimmte InhaltskOrper der Pflanzenzelle wurden bis jetzt meines Wissens noch nicht angestellt. Man ber~icksichtigte gewi)hnlich bless ganze Pfianzentheile - - ear Allem die BlOtter - - und fasst% als es sieh um eine befriedigende Erkliirung des Erfi'ierens der Pflanze handelte, aus naheliegenden Grtinden bless die Hauptbestandthei]e des Zel|leibes, das Protoplasma, den Ze]lsaft und die Wandung der Zelle in's Auge. Zur Vervollst~ndigung unserer Kenntnisse fiber den Ein- fluss des Frostes auf das Pflanzenleben erschien es mir daher wiin- schenswerth, aucb nach der vorbin angedeuteten Richtung bin einige zusammenh~ngende Beobachtungen zu sammeln. Dass ich hierbei mein Augenmerk vorzugsweise auf die Chlorophyllk0rner riehtete, war wolff selbstverst~indlicb.

Die Einwirkung des Frostes our die ffenannten InhaltskOrper der Zelle kann sich in zweierlei Weise bemerkbar mac!yen. Erstens durch die Zerst(~rung oder Um~inderung des gr~nen Farbs to f fes

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nnd zweitens dm'ch gewisse molekulare und gestaltliche Ver~nde- rungen seiner p r o t o p l a s m a l i s c h e n Unte r l age . Au~ jenen Vor- g',ingen berubt z. B. das Braunwerden gefrorner BlOtter yon Oxalis acetosella beim Aufthauen +~) and ein Theil der winterlichen Verfar- bungserscheinungen ausdauernder Blfitter; genauere Untersuchungen iiber diesen Gegenstand babe ich an einem anderen Orte mitgetheilt*':'~). Hier m6ge bless jene zweite Reihe yon Erseheinungen besprochen werden, welche im innigsten Zusammenhange stem mit dem eigent- lichen E r f r i e r e n der Blatter.

Vorerst will ich jedoch einiges Wenige aber das Cefrieren organisirter KSrper •berhaupt, sowie tiber gewisse bier in BetracM zu kommende Eigenschaften der Chlorophyllk~rner vorausschieken.

Wahreod man noch his in die Sechziger-Jahre der Eisbildung sis solcher dis Ti~dtung der Pflanzenzelle zusehrieb, und durch die Ausdehnung des gefrierenden Zellsaftes ein Zerreissen und Zer- sprengtwerden ihrer Membranen zu Stande kommen liess, hat be- kanntlich Sachs auf Grund zahlreicher 8eobachtungen ~s*~'~) das Irrige dieser Ansicht dargelegt and eine neue, befriediger~dere Erkl'~rung an ihre Stelle gesetzt. Er wies zu diesem Behufe einerseits auf alas Gefrieren yon SalzlOsunffen, andererseits auf das Verhalten gefrornen Starkekleisters beim Aufthauen bin: ,,For dem Gefrieren eine home- gene Masse, erscheint er naeh dem Aufthauen als ein schwammiges, grobportises Gebilde, aus dessert groben Hohlraumen das auflhauende, Wasser ldar abl'auft." Aehnlich verh~lt sich geronnenes Eiweiss, ahn- lich verhalten sich wohl aucl~ das Protoplasma nnd die Zellwandungen saftiger Gewebe. Ein Theil des imbihirten Wa~sers gefriert and be- wirM dadurch eine Aendernng in der Gruppirung tier Molekale, welche den organisirten K(~rper zusammensetzen. Beim Aufthauen fliesst dann das Wasser ab, die friihere Gleichgewich~slage ist nicht wieder herstellbar. Aus einer gleiclam~ssig homogenen Substanz ist ein ,~wasserarmes Netzwerk ~' geworden. ,Die ZelIwandung widersteht nun nicht raehr dem Druek des Zetlsaftes, sie l~sst denselben selbst bei geringer Pression durchfiltriren.': Die erfrornen Organe werden schlaff, durchscheinend, und ein ganz geringer Drtiek reicht hin, um aus denselben Wasser zu pressen.

�9 ) Vergl. J. Wiesner, die nat~irliehen Einriehtun~ea zum Schutze des Chlorophylls etc. Festschrift der k. k. Zoolog.-Botan. Gesellsch. in Wien, t 8'76, p. 2~. Die Zerst(irung des Chlorophylls ist bier sine Folge der dureh 8i~, Frost- wirkung bedingten DurcbI~ssigkeit "des Protoplasmas ftir die im Zellsafte vor- handenen organischen Sauren. Dieselbe kommt nattirlich dem eigendiehen Proto- plasma wie dem Chlorophyllkorne in gleicher Weise zu, kann "abrigens bless aus ihrer "mrhin erw~ihnten Folge erschlossen werden, Letztere abet f~llt ausser den Bereich dieser Abhandlung.

�9 '~) Vergl. G. Haberlandt, Untersuchungen tiber die Winterf'~irbung ans- dauernder Bl~ttter. Sitzungsberichte der kais. Akademie d. Wissenschaften, t 8"/fi, Aprilfheft.

�9 **) Vergl. Landwirthschaftliche Versucbsstationen ~860. Heft u p. 16"/ ft. -- Sitzungsber. der k. s~chs. Gesel!sch. d. Wissenseh. 1866. -- Handbueh dev Experimentalphysiologie ~868, p. ~6 ft.

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Au~ diese Weise wird also aueh in der chlorophyllfiihrenden Zelle eine gewisse Mongo yon Imbibitionswasser ausgeschioden, wel- ches gemeinschaftlich mit dem infiltrirten Zellsafte die einzelnen Chlo- rophyllkSrner gleichsam umsptilt. Es ktmnen bier domnach unter einer sparer noch zu er~rternden Voraussetzung ganz .~hnliehe Ver~nde- rungen ~'or sich gehen, wie bei den aus ki~nstlich verletzt, en Zellen austretenden Chlorophyllk(~rnern: bald treten zah l r e i c he , k l e ine Vaeuolen auf, welohe schliosslich immer gri~sser werdend, eine voll- st~ndige Desorganisation dos Chlorophyllkorns herbeifahren; bald ist bless eine e i n z i g e seitliche Vacuole bemerkbar, die an Umfang rasch zunehmend, das Chlorophyllkorn zu einer durchsiehtigen Blase umgestaltet, weleher seitlich eine dunkelgrt'me Prot~plasmakappe auf- sitzt. Diese Eigonthtimlichkeit der Chlorophyllk0rner, oder praeiser gesagt, ihres protoplasmatischen Bestandtheiles, kann bei 6efrierver- suchen insofern zu T a u s c h u n g e n Veranlassung geben, als man vielleicht der Frostwirkung zuschreibt, was oine Folge der Pr@a- ration in Wasser war. Sobald aber die zu untersuchenden 0uer- und Flachenschnitte nicht gar zu drmn sind, wenn man stets nur voll- kemmen unverletzte Zellen ber~eksichtigt und sie in allen Fallen mit denjenigen unorfrorner Blatter vergleicht odor n0thigenfalls in eel pr@arirt, so darf man wohl zuvorsiehtlich annehmen, dass in dieser Itinsicbt jede Tauschnng ausgeschlossen sei.

Zur tterstellung konstant niedriger Temperaturen verwendete ich einen zwar einfachen, abet sehr brauchba~:en K~iltemischungs- apparat, dessen Einrichtung mit wenigen Worten beschrieben ist. In ein m~ssig grosses Becherglas yon t5 Ctm. Durchmesser wurde ein ungofabr 3 Ctm. breiter Korkring eingepasst, der wieder znr Auf- nahme eines zweiten kleineren und mit Papier ansgefatterten Becher- glasos bestimmt war. In lotztores brachte man die zum Versuche bestimmten Bl~itter, verschloss es sodann mit einer Korkscheibe~ durch welche ein Weingeistthermometer gesteckt wurde, und f@te nun den Zwischenraum zwischen beiden Gl~isern mit der jeweiligen K~ilte- misehung ":*) aus. Der ganze Apparat wurde schliesslich in ein gr~:,s- seres Gef~ss gebracht und rings mit Strohh~icksel umgeben, so dass nur die ThermometerrOhre daraus hervorragte. Es gelang derart jede beliebige Temperatur yon 0--15 0 C. wahrend der ganzen Versuehs- dauer vollkommen konstant zu erhalten. Letztere betrug jedesmal sechs Slnndon. :Nach Entfernung des kleinen Becherglases aus tier g~ltemischung erfolgte alas Auflhauen der getu BlOtter ziemlieh raseh, l)och vorgingen immerhin 10-- t5 Minuten, big die Weingeis t- s~ule um ebensoviele Theilstriche der Skala gestiegen war. Ein lang- sames Aufthauen l~sst sich bless im K~ltemischungsapparate selbst erzielen, wobei allerdings die Dauer der Frostwirkung in's Unbe- stimmte verl~ngert wird. Bei tier Vergleichnng der Resnltate muss hierauf selbstverst'~ndlich R0eksicht genommen werden. Die naeh-

*) FOr meine Zweeke gen%te zerkleinertes Eis uncl Kochsalz in ver- sehiedenen MischungsverhSl~nissen.

20 es

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folgenden Temperatur~ngaben beziehen sich iibrigens ausscbliesslicb 9uf Versuche, deren Abschlnss in einem r a s c h e n Aufthauen der Bl~itter bestand. Bet l a n g s a m e m Aufthauen war zur Erzielung des- selben Effektes eiue durchschnittlich um 2--4 0 C. wetter gehende Temperaturerniedrigung niithig.

Die Versucbe wurden mit den Bl~ttern folgender Pflanzen durch- geftthrt:

Mnium cuspidatum, Atlium Cepa, Triticum vulgate, Arena sativa, Zea Mats, Viola odorata, Brassica oleraeea, Beta vulgaris, Sempervivum globiferum, Sedum acre, Taraxaeum o~:cinale~ Nicotiana Tabacum, Hedera Helix. Es waren hier demnach mancherlei gegensi~tze im Ban und in der Empfindlicbkeit tier BDtter vertreten.

M~issige Temperaturerniedrigungen yon 0--2 0 C. bewirkten selbst nach raschem Aufthauen noeh keine nennenswerthe ger~inderung in der Constitution des Zellinhaltes, und was uns bier zun~ichst interes- sirt, der Chlorophyltk~rner. Selbst das so empfindliche Btatt des Ta- baks blieb vollkommen turgescent. Die Chlorophyllk(~rner beb.idtel~ ihre wandst~ndige Lave und erschienen bloss schwach kernig. Dutch schwi~chere Frostwirkungen kann eben noch keine d a u e r n d e Sti~- rm~g der gleichgewichtslage zwischen den Molektflen des lmbibitions- wassers und denjenigen der organischen Substanz bewirkt werden.

Von merkbarem Einfiusse auf das Chlorophyllkorn stud erst Temperaturen unter 3 ~ C. und macht sich derselbe in sehr verschie- dener Weise geltend. Am haufigsten tritt g a c u o l e n b i l d u ~ t g auf, welche in ihrem Anfangsstadium den Chlorophyllk0rnern eiu rein- kerniges Aussehen r verleiht: Viola odorata, Taraxacum offieinale, Arena sativa, Allium Cepa u. a. Nach einem Froste yon 6--8 0 C, erscheint dann das Chlorophyllkorn sehr deutlid~ punidirt oder mi~ ether seitlichen Vacuole versehen. Bet Allium Cepa sind nicht selteu zwei gacuolen vorhanden, die sich schliesslich vereinigen und nm~ ein farbloses Bliischen mit grtiuem Protoplasmag~irtel darstellen. Es waren hier t'~berbaupt nile diejenigen Ver~nderungen erkennbar, welche an fret im Wasser befindlicben Chlorophyliki~rnern zu beobachten sind. Das i'abrige Protoplagma dagegen zeigte mit seltenen Ausnahmen gar keine mlkroskopisch wahrnehmbare Vacuolenbildung.

Es fragt sich nun, au[ welehe Weise die durch den Frost be- wirkte En/stehung yon Yacuolen in den Cl,.lorophyllk(~rnern zu er- kliiren set? Es l~sst sieh bier folgende Alternative stellen: Entweder stammt das zur Vacuolenbildung erforderliche Wasser yon aussen, d. h. aus dem die ChlorophyllkSrner umgebenden Protoplasma, oder es tritt das Imbibitionswasser des Chlorophyllkorns selbst zu Vaeuolen zusammen. Die Wahrscheinlichkeit des ersteren Falles wurde bereits oben angedeutet; doch ist derselbe nut unter tier Voraussetzung denk- bar, dass der, Frost die Diffusionseigenscbaflen des Chlorophyllkorns im Gegensatze znm iibrigen Protopiasma ni~h~ beeinftusse, class seine

*) Nicht zu verwechseln mit dem ebenfalls kernigen Aussehen bes~imm[er Part~en des Protoplasmas im normalen Zustande.

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Nolekularslruktur im Wesentlichen unverfindert bleibe. Dor zweifel- los sichergestellte geringere Wassergehalt des Chlorophyllkorns stimmt hiermit vollkommen fiberein. Auch ist die oft bedeutende Volumsver- gri)sserung der Chlorophyllk0rner erfrorner Bl~itter, namentlich beim Auftreten seitlicher Vacuolen, bloss durch die Aufn a hm e yon Wasser dureh Diffusion erldfirbar. Andererseits w~ire es wohl kaum verst~ind- lich, warum sich das Imbibitionswasser des Chlorophyllkorns, nachdem es durch den Frost yon der protoplasmatisehen Unterlage abgeschieden worden, in Vacnolen sammeln und nidbt vielmehr aus der ,por~s" gewordenen Substanz vollst~indig abfliessen sollte.

Ein wesentlich anderes Verhalten, als das so eben geschilderte, zeigten die Cidorophyllk(irner yon Sedum und Sempervivum. Selbst nach Temperaturen yon rain. 8 - - t2 0 C. trat keinerlei Vacuolenbildung auf, und ihre Form blieb auch bei vollst~indiger Contraction des Proto- plasmaschlauehes ganz unver~indert . Nur hie und da verschmolzen zwei benachbarte K0rner zu einem einzigen biscuitf0rmigen Korne. Nicht selten waren sie, so lange tier Protoplasmaschlauch noch intakt blieb~ ringsum von einem Vacuolenkranze umgeben. Es dtirfte bei dem gegenwartigen Stande unserer Kenntnisse fiber die Struktur und die physikalischen Eigenschaften des Protoplasmas ziemlich schwer fallen, das eben besprochene abweichende Verhalten in befriedigen- der Weise zu ertd~iren. Vielleicht hiingt es mit der immergriinen Natur der Blatter zusammen.

Auch die Chlorophyllkr des Maisblattes sind selbst nach starken Fr0sten vacuolenfrei, unterscheiden sich aber yon den frtiher genannten durch die g r o s s e Ver i~nder l ichke i t ihrer Form. Schon nach einer Temperatur yon 4 0 C. erscheinen die fr0her schSn run- den K~ir~er arg verzerrt, in die L~inge gezogen oder dreieckig, ohne dass die Contraction des Protoplasmaschlauches bereits erfolgt w~tre. Nichtsdestoveeniger ist diese Verzerrung der Chlorophyllk~)rner zwei- felsohne eine Folge der geanderten, ungleichen Spannungsverhialtnisse i'm gesammten Proloplasma des Zellleibes. Dass diese Erscheinung mit der Contraction des Protoplasmasehlauches in naherem Zusammen- hange stehe, ist r~brigens nicht so ganz gewiss, als es anfiinglich er- scheinen mag. Ich erinnere nur an das Verhalten tier Chloroph~ll- k0rner yon Sedum und Sempervivum, deren kreisrunder Contour auch nach vollst~,indiger Contraction des Protoplasmaschlauches keine Ver~nderung erMdet.

Nicht selten tritt in Folge der Frostwirkung eine Bal lung der Ch lo r ophy l l k0 rne r ein. So wurde bereits yon i(raus ":~) beobachtet, dass die Chlorophyllk(irner der Coniferennadeln im Winter sich gegen das Innere der Zelle zuriickziehen, sich dort anh'/iufen und derart eine ganz charakteristische Winterstellung einnehmen. Bei Nicotiana, Viola, Taraxacum "und anderen reicht schon eine Temperatur yon

~) O. Kraus, Beobachtungen tiber die winterliche F~rbung immergrtiner Gew~chse. Sitzungsbericht dec phys.-reed. 5ociet.~t zu Erlangen: Botan. Zeitg. !872, p. 558 if., 1874, p. ~06.

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4--6 0 C. hin, um das Zusammentreten yon 3--5 ChlorophyllkSrnern zu einem kleinen Kltimpchen herbeizufahren. Doch findet hierbei kein Verschmelzen derselben start; die Umrisse der an ihren tlertih-- rungsflachen etwas abgeplatteten gOrner sind stets deutlich zu er- kennen. Aucil gem die Ballung keineswegs in allen Zellen vor sich. Wie in anderen Fallen ist wohl auch hier die Ursaehe tier Bewe- gung im Protoplasma zu suchen und nicht etwa in den Chlorophyll- kbrnern selbst.

Auch die yon Frank*) als Apostrophe bezeichnete Se i ten- w a n d s t e l l u n g der Chlorophyllk0rner, im Allgemeinen verursacht dutch ungiinstige ~iussere Umstande, kann in Folge der Frostwirkung zu Stande kommen. Ich beobachtete sie ganz deutlich bloss an 9Injure cuspidatum und Allium Cepa, und zwar erst bei ziemlich tiefen Temperaturen ( t0--12 o C.).

Lasst man die Blatter bei einer Temperatur van 12--I5 ~ C. unter Null gefrieren, so sind die Veranderungen, welche mit den Chlorophyllk6rnern vor sich gehen, zumeist sehon so tiefgreifende, dass man yon einer mehr oder minder vollst~indigen Ze r s tOrung derselben sprechen kann. Gew0hnlich (Allium, Triticum, Arena, Beta etc.) ist dann die Zelle yon einer granen, krfimeligen Masse erfiillt, in weleher nur mehr stellenweise die Contouren einzelner (;hloro- ph~-llk(irner zu sehen sind. Sie erseheinen dann stets bedeutend klei- ner als im normalen Zustande, halbmond- oder S-fOrmig verzerrt, dunkel und gleiehsam wie ausgepresst. Mechanisehe und molekul~ire Aenderungen vereinigten sich, um ihre ZerstC)rung zu vollenden.

Den ChlorophyllkiSrnern gewisser Pflanzen vermag i~brigens selbst die intensivste Frostwirkung, welche bei unserem Klima m6g- lich ist, kaum etwas anzuhahen. Jedes thatsachlich i m m e r g r t i n e Blatt fahrt auch im Winter durchaus unversehrte Chlorophyllk0rner. Es ist diess nach dem Vorausgegangenen eigentlieh selbstverstiind- lich, da derlei Bliitter durch den Frost tiberhaupt keinen Schaden erMden, und die Zerst6rung jener Inhaltsktirper der Zelle ja erst bei viel niedrigeren Temperaturen erfolgt, sis das Erfi'ieren der Blatter.

Nicht alle Chlorophyllktirner ein und desselben Blattes sind dutch den Frost in gleichem Masse zerstiSrbar. Diejenigen z. B, welehe grSssere oder kleinere Starkeeinsehliisse enthalten, zerfallen merkwf~rdig rasch, indem sieh ihre grt'me Umhtillung im farblosen Protoplasma anfliist, und die einzelnen St~irkekOrnehen auseinander- treten. An Veilchenbl~ittern konnte ieh diesen Vorgang sehon naeh einer Temperaturerniedrigung auf 4--60 C. beobachten~ - - Aueh die Chloroph~llkrtrner der v e r s c h i e d e n e u G e w e b s f o r m e n des Blattes zeigen solch ein verschiedenes Verhaiten. Diejenigen des Schwamm- parenchyms sind ausnal~mslos bedeutend resistenter, als die des Palli- sadenparenehyms; noch widerstandsfidfiger sind die Chlorophyllk(~rner der Spalt0ffnungszellen, was namentlieh schon an den sonst so empfind-

*) B. Frank, Ueber die Veranderung der Lage der Chlorophyllk6rner etc. Jahrb. f. wissensch. Botanik, t87~, p. ~16 ft.

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lichen Bl~ittern des Tabaks ersichtlich wird. Die genannten Zellen ent- halten hier selbst nach einer Temperatur yon - - 12 ~ C. durchgehends noch unversehrte Chlorophyllkiirner~ wahrend die Zellen des eigentlichon Mesoph:~lls schon l~ingst mit grfingef~irbten, krtimeligen Protoplasma- massen erftillt sind.

Um zu bestimmen, ob auch das A l t e r der Bl~itter auf die Zersti~rbarkeit des Chlorophyllkorns einen merklichen Einfluss austibe~ liess ich Bl~itter yon Viola odorata in ftinf verschiedenen Entwick- lungsstadien bei einer Temperatur yon - - iO ~ C. gefrieren. Es stellte sich jedoch, was einigermassen iiberraschen muss, durchaus koin Unterschied im Erhaltungszustande der Chlorophyllk0rnor heraus. Sic waren alle, mochten sic dem ~iltesten odor dam jtingsten Blatte ange- hOren~ zwar sehr stark kornig~ im Uebrigen abor unver~indert. Die grosse Empfindlichkeit junger Bl~itter gegentiber der Wirkung des Frostes scheint also bless auf der griSsseren Zartheit ihrer Zellmom- b ran und nicht auch des Protoplasmas zu beruhon. - -

Die Resultate tier vorliegenden Untersuchung lauten domnach in Kiirze zusammengefasst folgendermassen:

1. Die Chloroph~llk0rner erleiden erst bei einer Temperatur ~on rain. 4--6 0 C. eine merkbare Ver~inderung und werden boi i 2 - - t5 o C. vollst~ndig zerst0rt. Ausgenommen sind hiervon die Chloro- ph~-llkSrner immergrtiner Gow~iehse. 2. Der Einfluss des Frostes macht sich bemerkbar: a) durch Vacuolenbildung, b) durch Form- verzerrung, c) durch Ballung der K0rner in gr(issere odor kleinere Kltimpchen, d) durch das Zustandekommen der Seitenwandstellung. 3. Die mit Stiirkeoinschltissen versehenen Chloropbyllkbrner werden leichter zersti~rt, als die stfirkefreien. 4. Die Chlorophyllkiirner dos eallisadenparenchyms sind leichter zerst(irbar als diejenigen des Schwammparench~(ms~ und diese leichter als die der Spalti~ffnungs- zellen. 5. Das Alter der Bliitter tibt auf die Zerst0rbarkeit der Chlo- rophyllkSrnor - - bei Viola odorata wonigs t ens - keinen wahrnehm- baren Einfiuss aus.

D l a n l h u $ J a c z o n i s (deltoicles x superbuO. Ein neuer Nelkenbastart.

Beschrieben yon Dr. P. Ascherson.

Am 2. d. M. machte ich in Begleitung meines verehrten Kol- legen Dr. O. Brefe ld und einer Anzahl Studirender einen Ausfiug nach den Umgebungen des 12 Kilom. siidiistlich yon hier an der Spree gelegenen Stiidtchens K0pnick, wo sich uns der Lehrer G. L e h m a n n yon aloft, ein um die Flora der Provinz bereils durch mehrfache interessante Fnnde verdienter junger Mann, anschloss: Das Ziel un- serer Exkursion war eine r~iumlich ziemlich besch?iinkte trockene