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9. APRIL I925 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 4. JAHRGANG. Nr. I5 689 in gutem Zustand aus dem Kxankenhaus entlassen und starb sparer an einer Apoplexie, also nieht ur~misch. Bet Nr. 75 sehen wir die anf~ngliche Erli6hung des RN und + des U sinken, wXhrend das Verh~ltnis niedrig bleibt, n~imlich 62,2 und 6o. Der Zustand dieses Patienten hat sich gebessert, und war im April 1923 noch immer gut. Im Juli 1924 starb er ur~imisch. Bet Nr. IO Iinden wit eine leichte Erh6hung des RN und des U-Wertes, n~imlich bzw. 47,3 und 82 mg ~ mit einer starken Erh6hung der Prozentziffer, nXmlich 8i. Diese Patientin starb 6 Wochen sp~iter ur~imisch in Korea. Bet Nr. 28 ist der RN und I~ e~was erh6ht, n~mlich 49 und 75 mg %; das VerhMtnis liegt nicht vim fiber dem mittleren normalen Weft, n~imlich 71,5 . Dieser Patien• hatte eine Niere und starb im Januar 1922 ur~misch, I~]~ Jahr nach der Analyse. Nr. 52 zeigte eine starke Erh6hung der absoluten Ziffern und der Verh~iltniszahl, n~imlich 84, 5 und starb udimisch. Dasselbe sieht man bet Nr. I, 23, 36 und 92. Es ist beaehtenswert, dab bei den bier untersuchten Patienten mit Schrump/nieren, die eine hohe Prozentzi/Jer t~ben /i~r das UN Verhgiltnis R-~, wdhrend die absoluten Werte ]i~r Reststickstof] und Ureum an/angs nicht oder nicht stark erhdht sind, innerhalb einiger Monate der Tod urdmiscl~ er/olgt. Die Anzahl F~lle ist indessen vim zu gering, um daraus einen SehluB ziehen zu k6nnen. Falls es sich jedoeh als richtig erweisen sollte, dab d~e Pat4enten mit niedrigen absoluten Werten .fi~r Reststiclcsto// und Ureum, aber einer hohe~ Prozentzi//er + UN .fi~r das Verhiiltnis ~ x IOO, innerhalb einiger Monate sterben, wiirde die Bestimmung dieser Verhdltniszahl ein wertvoller Fingerzeig .ii~r die Prognose bei Patienten rait Sehrump/nieren sein kdnnen. Weitere Untersuehung wird dies indessen erst feststellen mtissen. In den anderen VerhMtnissen habe ich keine bestimmten Andeu~ungen ffir das Stellen der Prognose linden k6nnen. Kurze Zusammen/assung der Erqebnlsse dieser Unter- suchung. Bet den bier untersuchten F~llen geben die absoluten Reststiekstoff- und Ureumwerte nicht immer eine gentigende Andeutung, um die n~chste Zukunft yon Kranken mit Sehrumpfnieren prophezeien zu k6nnen. Besonders sieht man. dab zuweilen bet Patienten mit wenig erh6hten Rest- stickstoff- und Ureumwerten die t6dliche Ur~mie nicht lange auf sich warten l~13t. Ausnahmsweise trifft man auch F~lle an ]nit sehr hohen Reststiekstoff- und Ureumziffern, wo der Zustand des Patienten lXngere Zeit gut bleibt. Ferner sieht man bet diesen Kranken, dab der Ureumgehalt eher erh6ht ist als die Reststickstoffziffer. Der absoluten Gr6~3e des Nicht-Ureumstickstoffes darf kein bestimmter prognostischer Wert zuerkannt werden. Aus einem niedrigen Nicht-Ureumstickstoff allein darf man nicht auf eine gtinstige Prognose schlieBen. Der ungtinstige Ablauf kann doch bald erfolgem Ein hoher Nicht-Ureum- stickstoffwert dagegen ergibt meistens eine ernste Prognose. Diese Erscheinung hat indessen relativ wenig Weft, well sie nur selten vorkommt. Die meisten t6dl~chen Ur~mien haben einen normalen Nicht-Ureumstickstoif. Ferner finden wir bet einigen der hier untersuchten F~lle den Indieangehalt erst sp/~ter erh6ht als den Ureumgehalt. Meistens geht die Zunahme des Indicangehaltes hier der Ver- mehrung des Res/cstickstoffes und des Ureums parallel. Da- neben trefien wir jedoch F~lle an, bet denen der Reststiekstoff und das Ureum oder d~s ~Ureum allein erh6ht ist, w~thrend der Indicangehalt normal ist. Die Zunahme des Indican- gehaltes und des Nieht-Ureumstickstoffes verl~iuft bier nicht parallel und es besteht hier aueh kein bestimmtes Verh~ltnis zwischen diesen Ziffern. + Dem VerhiiZtnis UN UreumsticlcSto//, RN- .Reststieksto/] /alls es nach dem Xanthydrolwert /i~r Ureum berechnet wird, muff wahrscheinlich eine gro/3e prognostische Bedeutung zuerlcannt werden /i~r Pa- tienten, welehe Schrump/nierei~ haben. Wean man bei einem Patienten mit Schrump]nieren normale oder nur leicht erhdhte absolute Werte [indet /i~r t~eststlekstoM und Ureum und daneben + UN eine hohe Prozentzi//er /i~r das Verhgiltnis ~ x IOO (i~ber 75), wird man die Prognose wahrscheinlich ungiinstig stellen und den tddlichen Ablaui in einigen Monaten erwarten mi~ssen. L i t e r a t u r: A. *vVEILL,L'azot4mie 1913. 2) La Presse reed. I922, Nr. 94. -- 3) Dtsch. Arch. f. klin. ivied. I22/x23. 1917. -- 4) I-t. STRAUSS, Die Nephritiden 192o. 5) GRUAT & RATIIERY, Compt. rend. des seances de la soc. de biol. 83, 766. 192o. -- 6) CARNOT, GERARD ~ RATH~RY, Comps. rend. des s~ances de la soc. de biol. 84, 83. 1921. -- ~) Compt. rend. des s4ances de la soc. de biol. 84, 23. I92r. -- s) CARNOT, GERARD & MOISSONNIER, Compt. rend. des s4ances de la soc. de biol. 82, 1273. 1919. -- 9) Nederlandsch tijdschr, v..geneesk. I92o, 2. H~it[te, Nr. io. -- ~0) Ann. de l'Inst. Pasteur 3 o. 1916. -- t~) v. BOMMEt V. VIOTEN, Inaug.-Diss. Amsterdam t92o. ~") Ffir n~ihere Beschreibung der verschiedenen Methoden verweise ich nach meiner Dissertation: Over retentie van stikstof houdende producten en hunne onderlinge verhouding in her Bloedserum. Amsterdam 1923. -- l~)Klin. Wo- chenschr. 1922, Nr. 15. ~t) Compt rend. des sdances de la soe. de biol. 83, 723 I92O. -- ~) Compt. rend. des s4ances de la soc. de biol. 83, 766. 192o. -- ~s) Dtsch. Arch f. klin. Med. x23. 0BER DEN ZUSAMMENHANG VON ZIRKULATIONS- STORUNGEN BEI INFEKTIONSKRANKHEITEN MIT DER AGGLUTINATION DER ROTEN BLUT- KORPERCHEN (BESCHLEUNIGTE SENKUNGS-REAKTION). Von Dr. K. v. NEEIRGAAIRD. Aus der MedizinischenK]inik Basel (Dir.: Prof. R. STAEHELIN). In den le~zten Jahren hat die Erscheinung der beschleunig- ten B]utk6rperchensenkung im Citratblut groBes Interesse er- weckt und zahlreiche Publikationen zur Fo]ge gehabt Das Interesse galt meistens der physikalisch-chemischen Erkl~- rung dieses in vitro beobachteten Ph~nomens oder der klini- schen, diagnostischen Bedeutungl). Als gesicherte Erkenntnis kann gelten dab die ]31utk6rperchen- senkung die Folge einer erh6hten Neigung der roten Blutk6rperchen zur Agglutination ist. Wodurch diese erh6hte Agglutination be- wirkt wird, ist trotz sehr interessanter I-Iypothesen immer noch Gegenstand der Forschung. Von FAHRRAEUS ist gezeigt worden, dab die beschleunigte Senkung nicht nur in vitro besteht, sondern auch in vivo die ]Bedingungen daffir vorhanden sind. V~renn ober- fl&chliche Venensti~cke in vertikaler Lage zentral und peripher abgeklemmt wurden, konnte in F~llen mit pathologisch gesteigerter Blutk6rperchensenkung auch im Gef~B die Sedimentierung nach kurzer Zeit beobachtet werden. Von LINZXNMEIER~), NEERGAARD 1) U. a. tat auf die Beziehungen hingewiesen, die zwischen dem Gebiet der BlutkSrperchensenkung und einem anderen Kreis yon Erscheinungen bestehen, der gleich- falls in den letzten Jahren reges Interesse der Klinik erweckte und haupts~ichlich durch O. Mi~LL~R und seine Schikler a) dutch die Capillarmikroskopie gef6rdert wurde. NEXRGAARDhat u. a. betont, dab die eigenartigen Str6mungserscheinungen, welche z. t3. von FINSrZRWALD ~) bet Tuberkulose beobachtet wurden, gleichfalls wle die erh6hte Senkungsgeschwindigkeit auf die verstgrkte Agglu- tination der Erythrocyten zuriickzufiihren ist. LINZENMEIER hat dutch ausgedehnfe Untersuchungen an gyniikologischen FXllen den Parallelismus zwischen Senkungsgeschwindigkeit und capillar- mikroskopischen Erscheinungen bewiesen. Die letzteren teilte er in 4 Gruppen. Zu der ersten rechnete er solche F~ille, bet denen weder viele Sch!ingen mit k6rniger und diskontinuierlicher Str6- mung vorhanden waren, nech die Stasen an den einzelnen Schlingen sich durch L~iIlge oder H~iufigkeit anszeichneten. Die zweite Gruppe enthielt FMle, die entweder reichlich Schlingen mit k6rniger Str6- mung oder mit Stasen yon mittlerem Wert aufwiesen. Zur dritten Gruppe rechnet er F~ille, die entweder reichlich Capillaren mit k6rniger Str6mung und gleichzeitig Schlingen mit Stasen yon mittlerem Weft darbieten, In der vierten Gruppe sind gleichzeitig die verschiedenen St6rungen in starkem l~laBe vorhanden, also sehr viele Schlingen mit Stasen, die lange dauern und sieh rasch Iolgen und stark ausgepr~gte k6rnige Str6mung. Der Vergleich

Über den Zusammenhang von Zirkulationsstörungen bei Infektionskrankheiten mit der Agglutination der Roten blutkörperchen (Beschleunigte Senkungs-Reaktion)

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Page 1: Über den Zusammenhang von Zirkulationsstörungen bei Infektionskrankheiten mit der Agglutination der Roten blutkörperchen (Beschleunigte Senkungs-Reaktion)

9. APRIL I925 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. J A H R G A N G . N r . I5 689

in gutem Zustand aus dem Kxankenhaus entlassen und starb sparer an einer Apoplexie, also nieht ur~misch.

Bet Nr. 75 sehen wir die anf~ngliche Erli6hung des RN und +

des U sinken, wXhrend das Verh~ltnis niedrig bleibt, n~imlich 62,2 und 6o. Der Zustand dieses Patienten hat sich gebessert, und war im April 1923 noch immer gut. Im Juli 1924 starb er ur~imisch.

Bet Nr. IO Iinden wit eine leichte Erh6hung des RN und des

U-Wertes, n~imlich bzw. 47,3 und 82 mg ~ mit einer starken Erh6hung der Prozentziffer, nXmlich 8i. Diese Patientin starb 6 Wochen sp~iter ur~imisch in Korea.

Bet Nr. 28 ist der RN und I~ e~was erh6ht, n~mlich 49 und 75 mg %; das VerhMtnis liegt nicht vim fiber dem mittleren normalen Weft, n~imlich 71,5 . Dieser Patien• hatte eine Niere und starb im Januar 1922 ur~misch, I~]~ Jahr nach der Analyse.

Nr. 52 zeigte eine starke Erh6hung der absoluten Ziffern und der Verh~iltniszahl, n~imlich 84, 5 und starb udimisch.

Dasselbe sieht man bet Nr. I, 23, 36 und 92. Es ist beaehtenswert, dab bei den bier untersuchten Patienten

mit Schrump/nieren, die eine hohe Prozentzi/Jer t~ben /i~r das

UN Verhgiltnis R-~, wdhrend die absoluten Werte ]i~r Reststickstof]

und Ureum an/angs nicht oder nicht stark erhdht sind, innerhalb einiger Monate der Tod urdmiscl~ er/olgt.

Die Anzahl F~lle is t indessen vim zu gering, u m daraus einen SehluB ziehen zu k6nnen. Falls es sich jedoeh als richtig erweisen sollte, dab d~e Pat4enten mit niedrigen absoluten Werten .fi~r Reststiclcsto// und Ureum, aber einer hohe~ Prozentzi//er

+

U N .fi~r das Verhiiltnis ~ x IOO, innerhalb einiger Monate sterben,

wiirde die Bestimmung dieser Verhdltniszahl ein wertvoller Fingerzeig .ii~r die Prognose bei Patienten rait Sehrump/nieren sein kdnnen. Wei te re U n t e r s u e h u n g wird dies indessen ers t fes ts te l len mtissen.

In den ande ren VerhMtnissen habe ich keine b e s t i m m t e n Andeu~ungen ffir das Stel len der Prognose l inden k6nnen.

Kurze Zusammen/assung der Erqebnlsse dieser Unter- suchung. Bet den bier u n t e r s u c h t e n F~llen geben die absolu ten Res ts t ieks tof f - und U r e u m w e r t e n ich t i m m e r eine gent igende Andeu tung , um die n~chs te Zukunf t yon K r a n k e n mi t Seh rumpfn ie ren propheze ien zu k6nnen. Besonders s ieht man. dab zuweilen bet P a t i e n t e n mi t wenig e rh6h ten Res t - s t ickstoff- und U r e u m w e r t e n die t6dl iche Ur~mie n ich t lange auf sich war ten l~13t. Ausnahmsweise t r i f f t m a n auch F~lle an ]nit sehr hohen Res ts t ieks tof f - und Ureumziffern , wo der Zus tand des Pa t i en t en lXngere Zeit gut bleibt . Fe rne r s ieht man bet diesen Kranken , dab der U r e u m g e h a l t eher e rh6h t is t als die Rests t icks toffz i f fer .

Der abso lu ten Gr6~3e des Nich t -Ureums t i cks to f fe s darf kein b e s t i m m t e r p rognos t i scher Wer t zue rkann t werden. Aus e inem niedr igen Nich t -Ureums t i cks to f f allein darf man n ich t auf eine gtinstige Prognose schlieBen. Der ungtinst ige Ablauf kann doch ba ld erfolgem E in hoher N i c h t - U r e u m - s t icks tof fwer t dagegen erg ib t meis tens eine e rns te Prognose. Diese E r sche inung h a t indessen re la t iv wenig Wef t , well sie nur sel ten v o r k o m m t . Die meis ten t6dl~chen Ur~mien haben einen no rma len Nich t -Ureums t i cks to i f .

Fe rne r f inden wir bet einigen der hier un t e r such t en F~lle den Ind ieangeha l t ers t sp/~ter e rh6ht als den Ureumgeha l t . Meis tens geh t die Z u n a h m e des Ind icangeha l t e s hier der Ver- m e h r u n g des Res/cstickstoffes und des U r e u m s parallel . Da- neben t re f ien wir j edoch F~lle an, bet denen der Res t s t i eks to f f und das U r e u m oder d~s ~Ureum allein e r h 6 h t ist, w~thrend der Ind icangeha l t no rma l ist. Die Z u n a h m e des Ind ican- gehal tes und des Nieh t -Ureums t i cks to f fe s verl~iuft bier n ich t paral lel und es be s t eh t hier aueh kein b e s t i m m t e s Verh~ltnis zwischen diesen Ziffern.

+

Dem VerhiiZtnis U N UreumsticlcSto//, R N - .Reststieksto/] /alls es nach dem

Xanthydrolwert /i~r Ureum berechnet wird, muff wahrscheinlich eine gro/3e prognostische Bedeutung zuerlcannt werden /i~r Pa- tienten, welehe Schrump/nierei~ haben. Wean man bei einem

Patienten mit Schrump]nieren normale oder nur leicht erhdhte absolute Werte [indet /i~r t~eststlekstoM und Ureum und daneben

+ U N

eine hohe Prozentzi//er /i~r das Verhgiltnis ~ x IOO (i~ber 75),

wird man die Prognose wahrscheinlich ungiinstig stellen und den tddlichen Ablaui in einigen Monaten erwarten mi~ssen.

L i t e r a t u r: A. *vVEILL, L'azot4mie 1913. 2) La Presse reed. I922, Nr. 94. -- 3) Dtsch. Arch. f. klin. ivied. I22/x23. 1917. -- 4) I-t. STRAUSS, Die Nephritiden 192o. 5) GRUAT & RATIIERY, Compt. rend. des seances de la soc. de biol. 83, 766. 192o. -- 6) CARNOT, GERARD ~ RATH~RY, Comps. rend. des s~ances de la soc. de biol. 84, 83. 1921. -- ~) Compt. rend. des s4ances de la soc. de biol. 84, 23. I92r. -- s) CARNOT, GERARD & MOISSONNIER, Compt. rend. des s4ances de la soc. de biol. 82, 1273. 1919. -- 9) Nederlandsch tijdschr, v..geneesk. I92o, 2. H~it[te, Nr. io. -- ~0) Ann. de l'Inst. Pasteur 3 o. 1916. -- t~) v. BOMMEt V. VIOTEN, Inaug.-Diss. Amsterdam t92o. ~") Ffir n~ihere Beschreibung der verschiedenen Methoden verweise ich nach meiner Dissertation: Over retentie van stikstof houdende producten en hunne onderlinge verhouding in her Bloedserum. Amsterdam 1923. -- l~)Klin. Wo- chenschr. 1922, Nr. 15. ~t) Compt rend. des sdances de la soe. de biol. 83, 723 �9 I92O. -- ~) Compt. rend. des s4ances de la soc. de biol. 83, 766. 192o. -- ~s) Dtsch. Arch f. klin. Med. x23.

0BER DEN ZUSAMMENHANG VON ZIRKULATIONS- STORUNGEN BEI INFEKTIONSKRANKHEITEN MIT

DER AGGLUTINATION DER ROTEN BLUT- KORPERCHEN (BESCHLEUNIGTE

SENKUNGS-REAKTION). Von

Dr. K. v. NEEIRGAAIRD. Aus der Medizinischen K]inik Basel (Dir.: Prof. R. STAEHELIN).

In den le~zten J ah ren h a t die E r sche inung der beschleunig- ten B]u tk6 rpe rchensenkung im Ci t ra tb lu t groBes In te resse er- weckt und zahlreiche Pub l ika t ionen zur Fo]ge g e h a b t Das In teresse gal t meis tens der phys ika l i sch-chemischen Erkl~- rung dieses in vi t ro b e o b a c h t e t e n Ph~nomens oder der klini- schen, d iagnos t i schen Bedeu tung l ) .

Als gesicherte Erkenntnis kann gelten dab die ]31utk6rperchen- senkung die Folge einer erh6hten Neigung der roten Blutk6rperchen zur Agglutination ist. Wodurch diese erh6hte Agglutination be- wirkt wird, ist trotz sehr interessanter I-Iypothesen immer noch Gegenstand der Forschung. Von FAHRRAEUS ist gezeigt worden, dab die beschleunigte Senkung nicht nur in vitro besteht, sondern auch in vivo die ]Bedingungen daffir vorhanden sind. V~renn ober- fl&chliche Venensti~cke in vertikaler Lage zentral und peripher abgeklemmt wurden, konnte in F~llen mit pathologisch gesteigerter Blutk6rperchensenkung auch im Gef~B die Sedimentierung nach kurzer Zeit beobachtet werden.

Von LINZXNMEIER~), NEERGAARD 1) U. a. tat auf die Beziehungen hingewiesen, die zwischen dem Gebiet der BlutkSrperchensenkung und einem anderen Kreis yon Erscheinungen bestehen, der gleich- falls in den letzten Jahren reges Interesse der Klinik erweckte und haupts~ichlich durch O. Mi~LL~R und seine Schikler a) dutch die Capillarmikroskopie gef6rdert wurde. NEXRGAARD hat u. a. betont, dab die eigenartigen Str6mungserscheinungen, welche z. t3. von FINSrZRWALD ~) bet Tuberkulose beobachtet wurden, gleichfalls wle die erh6hte Senkungsgeschwindigkeit auf die verstgrkte Agglu- tination der Erythrocyten zuriickzufiihren ist. LINZENMEIER hat dutch ausgedehnfe Untersuchungen an gyniikologischen FXllen den Parallelismus zwischen Senkungsgeschwindigkeit und capillar- mikroskopischen Erscheinungen bewiesen. Die letzteren teilte er in 4 Gruppen. Zu der ersten rechnete er solche F~ille, bet denen weder viele Sch!ingen mit k6rniger und diskontinuierlicher Str6- mung vorhanden waren, nech die Stasen an den einzelnen Schlingen sich durch L~iIlge oder H~iufigkeit anszeichneten. Die zweite Gruppe enthielt FMle, die entweder reichlich Schlingen mit k6rniger Str6- mung oder mit Stasen yon mittlerem Wert aufwiesen. Zur drit ten Gruppe rechnet er F~ille, die entweder reichlich Capillaren mit k6rniger Str6mung und gleichzeitig Schlingen mit Stasen yon mittlerem Weft darbieten, In der vierten Gruppe sind gleichzeitig die verschiedenen St6rungen in starkem l~laBe vorhanden, also sehr viele Schlingen mit Stasen, die lange dauern und sieh rasch Iolgen und stark ausgepr~gte k6rnige Str6mung. Der Vergleich

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der so eingeteilten capillarmikroskopischen Bilder mit der Senkungs- gesehwindigkeit ergab, dab die Sedimentierung parallel giiig mit den St6rungeu im Capillargebiet. Dagegen land er keinen Zusam- menhang zwischen ]31utdruck and den Capillarerscheiuungen, so dab er die Erkl~irung HINSELMA.NNS, n~mlieh Spasmen der Get, Be des pr~capillaren Gebietes als Ursache ffir die Str6mungsanomalien ablehnt. Eine Verlangsamung der Str6mung ist nur als unter- stiitzeiides Moment aiizuerkeiineii, da bet geringer Str6muiigs- geschwiiidigkeit die roten Blutk6rperchen leichter zusammenballen k6nnen als bet gr6Berer. Immerhiii konnten LINZENMEIER wie auch FAHRIRAEUS die Agglutination der roten Blutk6rpercheu auch t rotz erheblicher Str6muiigsgeschwindigkeit auf t re ten sehen. Zu ~hn- lichen Resul ta ten wie LINZ:EN3,~[EII~R kommeu auch ELSCHNIIK und PLOYIAIqN beim Vergleichen der Str6mungsverh~ltiiisse in den Retiiialgef/~Ben mi t der Senkuiigsgeschwindigkeit. Auch KROGn s) erkl~rt die k6rnige Str6mung dutch die Agglutination der roten Blutk6rpercheu.

Durch intraven6se IIIjektion yon Caseosan gelaiig es LINZEN- ~IEI~ das vorher ilormale capillarmikroskopische Bild and die normale Senkuiigsgeschwindigkeit parallelgeheiid in~pathologischem Sinne zu ver~iidern.

HEnssEI~S) ha t ktirzlich die Beziehuugeii zwischen der er- hShten Agglutination der roten Blutk6rpercheu and einer prak- t isch wichtigen Zirkulationsst6rung, der Vei ien thrombose/ ;znm Gegeustand n~herer Untersuchuiigen gemacht, indem er yon dem Gedanken ausging, dab die st~rkere Neigung der roten Blut- k6rperchen zum Zusammeuballeu auch die Neiguiig zur Thrombose f6rdern werde. Die Ergebnisse scheiueii daffir zu sprechen, dab ein Zusammenhaiig in dem genanuten Sinne vorhanden ist.

N a c h diesen Ergebl i isse i i d t i r f te ke in Zweifel mehr ,~be- s tehen , d a b die e r h6h t e Senkui igsgeschwi l id igke i t oder die i h r e n t s p r e c h e n d e e rhSh te Ne igung zur Agg lu t i i i a t i on de r r o t e n B l u t k 6 r p e r c h e n u n d die Ai iomal i en der S t r6mul ig in den Capil- l a r en z u s a m m e i i h ~ n g e n ui id d a b die v e r s t ~ r k t e A g g l u t i n a t i o n a u c h in v i t ro zur Gel tu l ig k o m m t .

D a m i t i s t die V e r b i ndu i i g zwischen zwei w ich t igen Fo r - s c h u n g s g e b i e t e n herges te l l t , die fits j e t z t me i s t ge t ren i i t von - e inande r b e a r b e i t e t wurden . Diese V e r b i n d u i i g e n sollen a u c h die fo lgenden B e t r a c h t u n g e n st~irken ul id zu wei tere l i ge- mei l i samel i Arbe i te i i anregen . Vor a l l em aber sol len dieselbei i die B e d e u t u n g zeigeii, die diesen Er sche inu l igen ti ir das Ver - stii i idiiis gewisser Z i r k u l a t i o n s s t 6 r u n g e n bet I I I f ek t ionskrank- h e i t e n z u k o m m t .

Dt i r fen wir also als f e s t s t ehend b e t r a c h t e n , d a b die e rh6h t e Ne igung z u m Zusammei iba l l e l i der r o t e n B l u t k6 rpe rche i i a u c h i m k r a n k e n O r g a n i s m u s v o r h a n d e n tat ui id wissen wit, d a b gewisse l ]3eobachtungel i der Cap i l l a rmikroskop ie auf diese Ta t - sache zur i i ckzuf i ih ren siiid, so e r h e b t s ich vo r a l l em die Frage , wie groB s ind d e n n diese zusammei igeba l l t e i i Haufe i i der ro te i i B l u t k 6 r p e r c h e n ? K a i i n i h r D u r c h m e s s e r so groB werden , d a b die Z i r k u l a t i o n ill den Capil larei i d a d u r c h geh i i ider t we rden k a n n ? W e n n es s ich zeigeii smite, d a b die B lu tk6 rpe rche i i - A g g l o m e r a t e gr6Ber werdei i kSiineii als de r du rchsch i i i t t l i che D u r c h m e s s e r der Capi l la ren ist, so muB die Agg lu t i l i a t i on voii grol3er B e d e u t u l l g Iiir die Z i r k u l a t i o n i m O r g a n i s m u s w e r d e n k6i inen, d a doch das ge s am t e B t u t das Capi l l a rgeb ie t pass i e ren mug . Die M6gl ichkei t , d a b h ie r S tau i ingsersche inui ige i i d u t c h m e h r oder weii iger fes t zu sammei igeba l l t e B l u t k 6 r p e r c h e n a u f t r e t e n k6nnen , is~ u m so gr6Ber, als die S t r 6 m u n g s g e s c h w i n - d igke i t i m Cap i l l a rgeb ie t s t a r k v e r l a n g s a m t ist .

Die ers te Auf gabe wi rd d a h e r d a r i n bestehei i , eine Vor- s t e I lung y o n der Gr6Be der Agg lomera t e zu gewinnen . Es wurde v e r s u c h t d i r e k t m ik roskop i sch dieselbe zu messeii . Der G e h a l t der r o t e n ]31utk6rpercheii i m Bl i i t i s t abe r ein so groBer, d a b eine U n t e r s c h e i d u n g der einzel l ien A gg l om era t e i m IInver- d f i n n t e n B l n t schwier ig ist .

Zur Sichtbarmachung der einzeliien Agglomerate wurde daher Ci t ra tblut mi t beschleunigter Seiikungsgeschwindigkeit (77 mm in der Stuude) mit dem eigenen Plasma verdfiiint, and zwar 2-, 4-, 8- und ISfach and die Senkuiigsgeschwindigkeit neben der GI6Be der Agglomerate verfolgt. Da der Versuch in mancherlei Hiiisicht interessant ist, sei er bier angefiihrt. Schon bet der doppelteii Verdfinnung kounte man makroskopisch eine kOrnige ]3eschaffen- heir wahriiehmeu, bet d e r 4fachen abet deutliche groBe Flocken yon durchschiiitt l ich ~[g--I m m Durchmesser. Mikroskoplsch bestauden die einzeluen Flocken aus ku/iueli6rmig aufgerolIten ,,Geldrolleii." Die Gr6Be der einzeluen Flocken schwankte ziemlich

R I F T . 4. J A H R G A N G . Nr. I5 9. APRIL ~925

stark, so dab genaue Angaben nicht gemacht werden k6nnen*). Wir dtirfen auch nicht vergessen, dab dnrch die Verdflnnung die Be- dingungen Iiir die Agglutination Ver~iidert werden and eiii SchluB auI das unverd/iiiute ]31ut nieht ohiie weiteres er laubt ist. Die Kurven zeigen, dab bet nicht zu starker Verdiinnuiig die maximale Senkungsgeschwindigkeit zunimmt, offenbar well die einzelnen Agglomerate gr6ger sind als im unverdflnnten Blur and sich beim Siiikeii gegenseitig weuiger hindern. AuBerdem geht aus den Kurveii hervor, dab die maximale Seiikuiigsgeschwindigkeit bet den Verdfinnungen erst nach geraumer Zeit eintri t t , well es wohl bet dem gr6Beren Abstand der roteii Blutk6rperchen l~iigere Zeit bedarf, bis die optimale Agglutination erreicht ist. Umgekehrt li~Bt sich daraus schlieBen, dab die bet dem jeweiligen Zustand m6gliche maximaIe Agglutination umso rascher eiiitreten wird, je n~her die eiiizelneii Blntk6rpercheu miteii iander in t3ert~hruiig kommen, oder je h6her der Gehalt des Blutes an Ery throcyten ist. Ein ebeiiso aiigestellter Versuch mit normal . ' sediment ierendem Blur ergab im Prinzip das gleiche Resultat , d . h. zunehmende

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Ze,'?/~ M/'nw'en Senkungsgeschwindigkeit bei Verdfinnung mit Plasma.

unverdfinnt . . . . . . . . 4 x verdtirmt . . . . ~ x verdfmnt . . . . . 8 x verdfinnt

(Ordinate=Senkung in Millimetern, Abszisse=Zeit in Minuten).

Senkungsgeschwindigkeit in den Verdfinnungen bet grSBerer Latenz bis zur maximalen Agglutiiiation. Wenn dieser Versueh uns auch keiiie geiifigend geuaue Vorstellung yon der Gr6Be der Agglomerate gibt, so zeigt er doch immerhin, dab die Agglomerate unter ge- wissen Umst~nden ganz bedeutende Dimensionen aniiehmen kSunen.

So versuchten wir nochmals eine Best immung der Gr6Be der Agglomerate im unverd~innten Blur. Am besten lieBen sich die zusammengeball ten roten BlutkSrperchen uoch beobaehteii, wenn ein Tropfen aufgeschfittelten Citratblutes unbedeckt auf einen Objekttr/~ger gebraeht wurde und die Beobachtung naeh einiger Zeit in den Randpar t ien erfolgte. Ganz befriedigende Versuchs- bedinguiigen werden aber auch so IIicht erhalten. Doch genfigt es, um wenigstens einen Einblick in die Verhfdtnisse zu bekommen. Bet einem Pat ienten m i t eiuer Senkungsgeschwindigkeit yon 126 mm in der Stunde wurden so Durchmesser yon 65--9o be iestgestellt. Die Gr6Be der verschiedenen Agglomerate schwankt in demselben Blur nicht unbetr~ehtl ich und neben l~nglichen Formen kommen zackige und runde vor.

So muBte versucht werden, auf einem iiidirekten Wege ein Urteil fiber die Gr6Be der Agglomerate zu gewinnen. Dazu bietet nun die Stokes'sche Formel eine I-tandhabe. Dieselbe formuliert die Beziehung, die zwischen der Senkungsgeschwindigkeit[undAden einzelnen sie bedingenden Paktoren besteht .

2 D - - d v . . . . . g . r 2.

9 Die Gr6Ben sind alle im CGS-System ausgedriickt, und zwar v = Seiikuiigsgeschwindigkeit in em sec- 1; g _ 98I (Dynen) gcm sec- ~, die Erdanziehung; D -~ die Dichte des Blutk6rpercheus; d = die Dichte des Plasmas bezogen auf H~O; ~ = die innere Reibung gemessen in cm -x g see -1 (ftirWasser bet 18 ~ O,OLO55); r = Radius der sinkenden Teilchen in cm.

*) AIs Zeichen der ungleichen GrSBe der Agglomerate ist die obere Grenze der Blut- s/iule bei den Verdfinnungen vie1 unsch~rfez als beim unverdiinntea Blur. Eine analoge Erscheinung beobachteten BERCZELLER u. WAS'IL (Bicchem. Zeitschr. 140, 368, :c92S) bet Kaolinsuspensionen.

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9. A P R I L I925 K L I N I S C H E W O C H E N S C I - I R I F T . 4. J A H R G A N G . N r . 15 69I Si~mtliche Gr6Ben mi t Ausnahme des Radius der Agglomerate

(r) sind bekann t und wir kSnnen die Gleichung nach r aufl6sen. Sie ]autet dann

.N-Z N.g" Der uns interessierende Durchmesser der Agglomerate ist also das Doppelte des so bes t immten Wertes.

Nehmen wit ein Beispiel an nnd setzen die Zahlenwerte der rechten Seite ein, ffir den Fall, dab die Senkungsgeschwindigkeit nach der \u Methode den s tark pathologischen Wert yon IOO mm in der ersten Stunde erreicht hat. Die relative Viscosit~t des Plasmas schwankt nach NAaELI ~) zwischen 1, 7 nnd 2,o, indem die Unterschiede gegent%ber dem Serum unbedeutend sind. Nehmen wit einstweilen als Mit~el 1,85, bezogen auf die Viscosit~t des Wassers = I. Da im absoluten MaBsystem die u des Wassers bet 18 ~ = o,olo55 ist, ergibt sich ~ aus der Multiplikation dieses XYertes mi t 1,85. g = die Erdanziehung ist bekannt und oben angegeben, D = die Dichte der roten Blut- k6rperchen wird von TIG~I~ST~DT ZU 1,o88--1,1o 5 angegeben, im Mittel also ~,o97; d = die Dichte des Plasmas betri~gt nach T I G E R S T E D T , H A M M E R S T E N 1 , o 2 8 im Mittel. H A M M E R S C H L A G

/zit. nach SAHLI) gibt I ,O29--I,o32 an. Xu haben I,O29 eingesetzt. LTnter Beriicksichtigung der erw~hnten MaBeinheiten des

CGS-Systems und der mit t leren Werte der Viscosit&t and Dichte ergibt sich bet ether Senkungsgeschwindigkeit von 1oo m m in der Stunde (nach WESTZRaRE~N) ein Radius der Agglomerate yon 19,1 [*, also ein Durchmesser yon 38,2 ~.

]3ei Senkungsgeschwindigkeiten yon 200 m m in der Stunde, Werte, die unter pathologischen Verh~ltnissen 6fter zur Beobach- tung kommen, betr~gt der Durchmesser 54,1/~. Fiir eine Senkungs- geschwindigkeit yon zo m m in der Stunde, die also einen Wer t an der oberen Grenze des normalen darstellt , ergibt sich ein Durch- messer yon I2,1 f*, bet 5 m m Senkungsgeschwindigkeit ein Durch- messer yon 8,6. Bet normaler Senkungsgeschwindigkeit finder sich bet der Berechnung des Durehmessers der sinkenden Teilchen der Gr6f3enordnung nach eine bemerkenswerte 13bereinstimmung mit dem Durchmesser der einzelnen roten Blutk6rperchen, das einen Durchmesser yon 7--8 ~ und eine Dicke yon etwa 1,6 ~ besitzt bet einem Volumen von o,ooo ooo 072 cbmm. Es ist das eine gute Besti~tigung der berechneten Werte und zeigt deren Berechtigung.

Diese Berechnung setzt jedoch voraus, dab die Agglomerate erstens vollst~ndige IZugelgestalt haben and zweitens die roten Blntk6rperchen so lest zusammengepreBt stud, dab sich kein Plasma mehr dazwischen befindet. Die berechneten Werte gelten also fflr das Kngel~qnivalent . In Wirklichkeit ist, wie schon erw~hnt, die Form eine mehr oder weniger unregelm~Bige, vielleicht sogar l~ngliche nnd zwischen den roten Blutk6rperchen mfissen wit such dann, wenn die Agglutination eine sehr feste ist, immer noch kleine, mi t Plasma geffillte Lt~eken annehmen. Die wirklichen Gr6Ben werden daher aus 2 Grfinden yon den berechneten abweichen, indem einmal die mit Plasma geft~llten Lficken zur Folge haben, dab das spezifische Gewicht der Agglomerate in Wirklichkeit geringer ist Ms vorausgesetzt wurde. Die Teilchen mfissen daher in Wirklichkeit gr6Ber sein, als die /3erechnung ergibt, um die vorausgesetzte Senknngsgeschwindigkeit zu erreichen. Zweitens wird der Durchmesser ein gr6Berer sein wegen der unregelmf~Bigen Gestalt.

Somit ergeben die Berechnungen Minimalwerte und die wirk- l ichen Durehmesser sind sicher gr6Ber.

Eine gute Vorstellung yon der verhi~ltnism~Bigen Gr6Be der Aggiomerate ergibt sich daraus, dal3 bet ether Senknngsgeschwindig- keit yon Ioo mm, also einem Durchmesser der sinkenden Teilchen von38,2/~ dasVolumendieserTei lchennich t weniger a lsca.4ooroten Blutk6rperehen entspricht.

Da ffir den Durch t r i t t dutch die Capillaren die Querschnitts- verh~ltnisse vor allem best immend sind, sind in die Tabelle die aus den Kugel~quivalenten sich ergebenden Querschnitte mi t angeffihrt, die ein sehr instruktives Bild yon dem Anwachsen des Widerstandes geben, der dem Durch t r i t t des Blares dnrch die Capil- laren bei erhShter Senkungsgesehwindigkeit entgegensteht.

Berechneter Entsprech. nuerschni t I Ouerschn. d. S-Gesehw. in Durchmesses Quesschnitt Durchmesser ~. . . . . t ] Agglom.:

mm]Std, des Agglom, d. Agglom. der CapilL tier ~apn* . "n ~ " mlttl. Quer- in p. in ~ i n / z ca. ~ lz schn. d. Cap.

3 5

IO

5o tOO 2O0

6,6 8,6

12,1

27 38,2 54,I

32 58

I15 570

I~5O 2300

7--13

~ J

79 0,4 0,73 1,5 7,2

I5 29

Nachdem wir kennengelernt haben, wie groB ungefAhr die agglu- t inier ten Teilchen sind, fragt es sich, ob ihre Gr6Be ein Hindernis ft~r die Zirkulat ion in den Capillaren abgeben kann. Die n~ehste Frage ist daher die nach dem Durchmesser der Capillaren.

Naeh Tm~RSTEDT (zit. nach O. M/3LLER) s) betr~gt die Weite der menschlichen Capillaren etwa 7--13 /~ mit einem mit t leren Querschnit t yon o,ooo 079 qmm. Nach KROGH entspricht der mit t lere Durchmesser ether Capillare in den Muskeln etwa dem eines roten BtutkSrperchens, w~hrend nach MALL 9) die Capillaren der Darmzot ten 8 # welt sind, im unteren Dri t te l der Zot ten sogar nur 5/*. VIMTRUpX0) land bet den Darmzot ten yon Kaninchen 12/~. Die Weite schwankt selbstverst~ndlich in den verschiedenen Ge- bieten nnd je nach dem t{ontrakt ionszustand nicht unbetr~chtlich. Die angegebenen Zahlen sind als Mittelwerte jedoch ffir unsere Betraehfungen wertvo]l.

Vergleich% ma i l diese Z a h l e n m i t den b e r e c h n e t e n W e r t e n der D u r c h m e s s e r der s i n k e n d e n Tei lchen, so e r g i b t s ich zweifel- los, d a b u n t e r pa tho log i s chen Verh~ l tn i s sen die Agg lomera t e e inen D u r c h m e s s e r e r re ichen , der n i c h t n n b e t r ~ c h t l i c h gr6Ber i s t als der der Capi l la ren a n d de sha lb zu E r s c h w e r u n g e n der Z i r k u l a t i o n f f ihren muB. ] )as t r i t t besonde r s deu t l i ch zu t age b e i m Verg le ich de r Querschn i t t s f l~che de r Agg lomera t e m i t d e m m i t t l e r e n Q u e r s e h n i t t de r Capi l laren. Dieses Verh~ l tn i s i s t in S t a b 6 der Tabel le darges te l l t . Bet e ther Senkungs - geschwind igke i t yon i oo m m in der S t u n d e i s t der Q u e r s c h n i t t de r A g g l o m e r a t e s chon e t w a 15 ma l grSl3er wie der m i t t l e r e Q u e r s c h n i t t der Capi l laren. Es i s t d a m i t auf e i n e m ganz ande- t e n Wege die q u a n t i t a t i v e E r M ~ r u n g ffir die mi% d e m Capil- l a r m i k r 0 s k o p g e m a c h t e n B e o b a c h t u n g e n gegeben. I n der Cap i l l a rmikroskop ie i s t die k6rn ige S t rSmung , in s t~ rke ren F~ l l en das v611ige S tocken der Z i rku l a t i on u n d embol i sche Vor- g~tnge in d e n Capi l laren , wie wir sahen , of t b e o b a e h t e t .

At8 Ergebnis l~flt sich also/eststeUen, daft die Bereehnung des Du~:chmessers der bel besehleunggter Blutlc6rperchensenlcung au/- tretenden Agglomerate Werte ze4gt, die so grofl stud, daft sie die meisten Capillaren nicht passieren k6nnen and daher ]i~r das Verstgndnis des Capillarkreislau]es unter gewissen pathologischen Verh~iknissen von gr6flter Bedeutung sein lc6nnen.

Es e r h e b t s ich n u n abe r eine a n d e r e F rage u n d das i s t die- jenige n a c h der MSgl ichke i t de r A g g l u t i n a t i o n i m Kreis lauf . W e n n wir s u c h schon h e r v o r g e h o b e n h a b e n , d a b n a c h den U n t e r s u c h u n g e n y o n FAHRRAEUS a n d I~INZENMEI]~R die phys i - ka l i s ch -chemischen B e d i n g u n g e n fiir die A g g l u t i n a t i o n s u c h i m O r g a n i s m u s zweifellos v o r h a n d e n stud, so k 6 n n t e doch der E in - w a n d e r h o b e n werden , d a b die gewal t igen W i r b e l b e w e g u n g e n , denel l das B l u r w ~ h r e n d der Sys to le ausgese t z t wird, e t w a e n t s t a n d e n e A g g l o m e r a t e ause inande r re iBen wiirde. M a n k 6 n n - t e we t te r folgern, d a b die r a sche S t r6mul lgsgeschwind igke i t i i n den A r t e r i e n da s Z u s a m m e n b a l l e n ve rh indere . E i n e q u a n t i - t a t i v e E n t s c h e i d u l l g dieser F r a g e k S n n e n e r s t wei tere U n t e r - s u c h u n g e n b r i n g e n a n d es seien h ie r n u r die fo lgenden Ge- s i c h t s p u n k t e ange f i ih r t : Vor a l l em i s t das Z u s a m m e n b a l l e n u n d die E l l t s t ehu l l g yon Capil laremboliei1 a n d S t a s e n capi l lar - m ik roskop i sch o b j e k t i v erwiesen. W e n n die A g g l u t i n a t i o n s u c h wi rk l i ch e i l l e r [ l l ennenswer t en Ze i t zu i h r e r A u s b i l d u n g bedar f , so i s t h ierf t i r die S t r6mungsgeschwi l ld igke i t in den kleinsteI1 A r t e r i e n i m B e g i n n der Capi l l a ren maBgebend .

Die StrSmungsgeschwindigkeit in den Capillaren wird yon O. L~3LLER i s O,I2--0,8 mm, im Mittel mi t o,5 mm in der Sekunde angegeben. Der Druck in den Capillaren betr~gt etwa 33 m m Queeksilber (v. KRIES), bzw. 20--70 mm (zit. nach Mt~I.LER) und sinkt diastolisch auf etwa 5- -6 ram. Nach KI~oeI~ betr&gt der Druck in den Capillaren sogar nur 4,5--7 cm H~O. Die geringe Str6mungsgesehwindigkeit finder ihre Erkl~rung darin, dab der Gesamtquerschni t t atler Capillaren etwa I5O--3oomal grOBer ist, Ms der Querschnit t der Aorta.

Besonders b e t o n e n m S c h t e n w i t jedoch, d a b die B e d i n g u n - gen ffir e ine A g g l u t i n a t i o n i m s t r6me l lden B l u r mater p a t h o - logischen Verh~ l tn i s sen noch wesel l t l ich gf inst iger w e r d e n k6nnen , als es n a c h der schon n o r m a l ger ingen S t r S m u n g s - ge schwind igke i t zu e r w a r t e n ist. B l u t d r u c k s e n k u l l g u n d Vaso- m o t o r e n e r s c h l a f f u n g s ind die F a k t o r e n , die gerade bet schweren I n f e k t i o n s k r a n k h e i t e n m i t h o h e r B l u t k 6 r p e r c h e l l s e n k u n g s - geschwind igke i t z u s a m m e l l w i r k e n ul ld be i der n o e h wesen t l i ch m e h r v e r r i n g e r t e n S t r 6 m u n g s g e s c h w i n d i g k e i t woh l zweifellos die B e d i n g u n g e n zur A g g l u t i n a t i o n b i e t e n u n d d a m i t z u m AuI-

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692 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

treten schwerer Zirkulationsst6rungen ftihren k6nnen. Ver- gegenwSztigen wir uns nur jene desolaten Grippef~lle, die schon friih stark cyanotisch das gi ld schwerster Stase zeigen, • es sich vielfach um junge, kr~ftige Individuen han- delt, deren Herzmuskel an sich seiner Aufgabe noch gu t ge- wachsen w~re. Erinnern wir uns daran, wie wenig in diesen FMlen alle Cardiacs und alle Gef~gmittel wirken. In solchen F~llen diirfte der Agglutination der roten Blutk6rperchen und dem Steckenbleiben der Agglomerate in den Capillaren eine wichtige Rolle zukommen. Einmal wird schon dureh die Agglu- t inat ion die aktive Oberlin.the der roten ]31utk6rperchen und damit die M6glichkeit des Sauerstoffaustausches zwischen Blut- k6rperchen und Gewebe gewaltig verringert und sodann die Ern~hrung des Gewebes durch die Stase noch wei~er verschlech- tert, well in der Zeiteinheit weniger Blur durch die Capillaren passiert, die Erneuernng des ]3lutes also seltener stattfindet. Erreichen die Stasen im Capillargebiet einen gr6geren Urn- fang, wie das capillarmikrosk0piseh bet schweren Infektions- krankheiten j a vielfach beobachtet is t , SO ist Ierner zu beriick- sichtigen, dab dadurch ein nicht unbetr~chtlicher Tell der roten Blutk6rperchen funktionell ausgesehaltet wird. ]3etr~gt doch das Blutvolumen in den Muskelcapillaren nach KROaH ~1) 3,3 (Pferd)bis lO,6 (Hund) Prozent des Muskelvolumens. Der Zirkulationsapparat mug seiner vermehrten Arbeit also mit wesentlich weniger Blur gerecht werden.

Ferner bildet sich ein Circulus vitiosus aus, der darin be- steht, dab es durch die Stasen zu Sauerstoifmangel oder ver- minderter Zufuhr des tonisierenden Hormons der Capillaren (KROGtt) kommt und hierdurch wiederum zu noch st~rkerer Er- weiterung. Stark erweiterte Capillaren lassen das Plasma hin- durchtreten und durch den Plasmaverlust wird die Kreislauf- schw~iche such wieder vermehrt. Der Blutdruck sinkt und die Bedingungen fiir die En%tehnng weiterer Stasen werden giinsti- get. Die massenhafte Ansammlung nicht 0der sehr tr~ge zirku- lierenden Blutes in den erweiterten Capillaren erklArt die starke allgemeine Cyanose trotz an sich vielfach noch muskul~r suffi- zientem Herzmuskel.

i n diesem Zusammenhang set ein solcher Fall einer schwe- ren, schon cyanotisch eingelieferten Grippe bet einer sonst kr~ftigen, jugendlichen Person erw~hnt. Digitalis, Strophan- tin, Campher, Coffein und Adrenalin bat ten keinertei Wirkung. Auch die kontinuierliche Znfuhr yon Adrenalin in Form einer Dauerinfusion hatte die Stase nicht im mindesten beeinflussen k6nnen. D e r Puls war nieht mehr fiihlbar und der Exitus schien in den n~ehsten Minuten zu erwar ten . Durch Ab- klatschen und Frottieren mit feuchten Ttichern wurde eine energische Massage vorgen0mmen, die Zirkulation und der Zustand besserten sich sofort ganz auffallend und die Patiefitin lebte immerhin noch 24 Stunden. Die Wirkung dieser physi- kalischen Therapie im Vergleich mit der medikament6sen ist so auffallend, dab man sich fragt, ob bier nicht neben ether reflek- torisclien Wirkung auf die Zirkulatibn noch meehanische Momente in Frage kommen und zwar in dem Sinne, dag die Stasen' im Capiflargebiet dureh Zerteilung der Agglomerate vortibergehend beseitigt wurden und dutch diesen Vorgang die Besserung mi~ bedingt war. Die reflektorisehe Wirkung ihrerseits besteht, wie wir wissen, teilweise in ether Erweiterung der Capillaren, so dab dann die Agglomerate auch aus diesem Grunde die Capillaren leichter passieren k6nnen.

Um die Bedeutung der Agglutination der roten Blutk6rper- chen fiir die Capillarzirkulation noch mehr zu betonen, set daran erinnert, dab schon unter normalen Verh~ltnissen das Steckenbleiben yon einzelnen roten Blutk6rperchen vorkommt, wie es wohl zuerst y o n HELMHOLTZ am eigenen Auge unter besonderenVersuchsbedingungen beobachtet wurde. K~ooH ~e) stellte test, dab beim ruhenden Muskel die Capillaren so eng stud, dab rote Blutk6rperchen nur langsam durchgehen k6n- hen, indem sie dabei eine lgngliche Wurstform annehmen.

O. MOLLER nnd neuerdings vor Mlem BERCZELLER 12a) be- tonen, dab schon normalerweise die Capillaren so eng stud und die Erythrocyten so grog, dab yon einer homogenen Fltissigkeit in den Capillaren nicht mehr die Rede sein k6nne und nlathe- matische 13erechnungen in diesem Gebiet daher recht wenig

R I F T : 4. J A H R G A N G . Nr. 15 9. A P R I L 1925

nfitzen. Wieviel mehr gilt das erst, wenn Hunderte yon roten Blutk6rperchen zusammengeballt sind.

Hierauf ist bis jetzt bet der Untersuchung der Str6mungs- verh~ltnisse in den Capillaren zu wenig Rficksicht genommen worden. Es ist wohl nicht zul~ssig, yon der Viscosit~it, die wir in gr6geren Capillaren, wenn such vom physikalischen Stand- punkt einwandfrei, bestimmt l~aben -- in denen immerhin noch die einzelnen roten Blutk6rperchen kleine Suspensionen gegeniiber dem Durchmesser der Megcapillare darstellen -- ant Str6mnngsbedingungen in den lebenden, viel engeren Capillaren unter den genannten pathologischen Bedingungen zu schliegen. Die ]gilder, welche KROGH 13) mit seiner Tnschmethode ge- wonnen hat, zeigen instruktiv wie andersartig die Str6mungs- bedingungen hier stud. Die Capillaren sind teilweise so eng, dab sie durch die roten Blutk6rperchen perlschnurf6rmig ge- dehnt werden und selbst in Verh~ltnismitgig weiten Capillaren ist neben, den roten Blutk6rperchen nur noch ein schmaler Saum Plasma vorhanden. Der Str6mungswiderstand wird also hier viel mehr durch die viel h6here direkte, gleitende Reibung der corpuscul~re n Elemente auf dem Endothel und dutch die Deformation der Erythrocyten als durch die ge- w6hnlich gemessene Viskosit~t bestimmt. Von den Widerst~n- den, die hier entstehen, haben wir iiberhaupt noch keine quanti tat ive Vorstellung (vgl.-Bt~l~ CZELLER, 1.C., undBERCZELLER u, W•STL, Biochem. Ztschr. x53 , i i i . i924).

Wohl ist yon EINSTEIN ~)*) der EinfluB suspendierter Teilchen untersucht, aber die gefundene Oesetzm~gigkeit gilt nut dann, wenn die suspendierten Teilchen verhMtnism~Big klein sind im Vergleich mit dem Durchmesser des Rohres, durch das die Fliissig- keit flieBt. Far die physiologischen Verh~tltnisse sind die Beziehun- gen zwischen Blutk6rperchenvohmen und Viscosit~t yon HEssX~)**), R O T H L I N 1 6 ) , B I R C H E R l ' l ) eingehend untersucht. ROTHLIN weist schon in seinen in wesentlich grSgeren Capillaren vorgenommenen Messungen ant die Dispropol• zwischen treibendem Druek und StrOmungswiderstand beim Blur hin und erkl~rt dieselbe dutch das besondere Verhalten der Formelemente beim FlieBen dutch capillare RShren. Bet den engen Capillaren des Organismus welden noch viel eher bedeutende Abweichungen auftreten. Zu unter- suchen wgre vor allem der EinfluB der Gr6Be suspendierter Teilchen im Werh~ltnis zum Capillardurchmesser. Dabei w~re auch auf die Deformation plastischer corpusculgrer Elemente Riicksicht zu nehmen. Quantitativen Untersuchungen dieser wichtigen Fragen stehen abet noch groge experimentelle Schwierigkeiten gegen- fiber.

Noeh maneherlei andere Fragen sind bier zu kl~ren. Denn nachdem sich zeigte, wie grog die Agglomerate im Verh~tlt- nis zum Capillardurchmesser werden kSnnen, ist es zweifellos, dab die Zirkulation auch dann durch die Agglutination stark beeinflugt werden mug, wenn durch die Wirbelbewegungen und die StrSmungsgeschwindigkeit die Agglutination in den gr6geren Get,Ben gest6rt wird. Es ist aber nicht zu ver- gessen, dab bet langsamer Str6mung -- und um eine solche handelt es sich ja im Capillargebiet -- nach den Beob- achtungen yon BERCZELLER l~a) die Senkungsgeschwindigkeit und somit also die Agglutination sogar wesentlich vergr613ert ist. Schon die Agglutination nut weniger Erythrocyten, wie wir sie etwa bet der sog. k6rnigen StrOmung voraussetzen k6nnen, mug yon grogem Einflng seth. Wenn man sich die Verh~lt- nisse genau vergegenw~rtigt, erstaunt man weniger dariiber, dab die Agglutination unter gewissen Bedingungen groge Bedeutung gewinnen kann, sondern vielmehr dariiber, dab mit der Agglutination iiberhaupt noch das Fortbestehen des Lebens vereinbar ist. Dieser letztere Gesiehtspunkt k6nnte direkt als Gegenargument gegen unsere Betrachtnngen auf- gefiihrt werden und den Einwand erweeken, dab unsere Dar- legungen ja dutch die Wirkliehkeit als unm6glich erwiesen seien. Der scheinbare Widerspruch diirfte seine Klgrung dutch die Kompensationsmdglichkeiten des Organismns linden, denen wir nnsere Aufmerksamkeit zn schenken haben.

x + = Viscosit~it d e r F l f i ss igkei t ; ] = Verhf i l tn is yon Gesamt-

vo lumen de r Te i l chen zu Gesamtvo!umen des Sys tems; ~x = Viscosit i i t des Sys tems .

**) D e r Einflul3 der B lu tkSrpe rchen auf die Viscosit i i t wdrd ausgedr i ick t ~]s = 7/ i _ k ~

*/s = Viscosi t i i t der Suspension, ~l = des Plasmas , K = B lu tk6 rpe rchenvo lumen .

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9. A P R I L I925 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 4. J A H R G A N G . Nr. I5 693 Von KROGH ls) ist beobachtet worden, daB. die Capillaren

sich bis zum v611igen VerschluG ihres Lumens verengern, aber auch his zum vierfachen gew6hnlichen Durchmesser erweitern k6nnen. Dadurch ist es dem Organismus m6glich, sicl~ durch lokale und vortibergehende Erweiterung der Capillaren vor allzu deletgren Folgen der Blutk6rperchen-Agglutination zu schiitzen. Ferner ist ffir gew6hnlich, besonders z. ]3. in den Muske!n nur ein Teil der Capillarell ge6ffllet. Wenn nun Capil- laren durch Agglomerate verlegt werden, k6nnen andere sich 6ffnen und die Funktion fibernehmen. Abet auch dieser Ko- pensationsmechanismus ist beschr~inkt und kann nicht ver- hindern, daG massenhaft rote ]31utk6rperchen durch die Stasen der Kreislauffunktion entzogen werden.

Was wird geschehen, wenn ein Agglomerat eine Capillare nicht passieren kann nnd es zur Stase kommt ? Der Abtralls- port der Stoffwechselprodukte ist unterbunden und der Orga- nismus hat das gr6Bte Interesse, dab die Zirkulation wieder in Gang kommt. Zu den Substanzen, die sich anh~iufen werden, geh6rt allcla die Kohlens~ure. Die Konzentration der H-Ionen wird steigen nnd FLEISCH 19) hat in sorgf~iltigen Untersuchun- gen gezeigt, wie empfindlich die Gef{iBe auf Verschiebungen der Acidit~t im physiologischen Bereich mit Ver~tnderung ihrer Weite reagieren.

DaB nun die Capillaren aktiv ihre ~vVeite ~indern k6nnen, ist schon v o n S T R I C K E R 20) I865 behauptet, sp~ter 6frets bestritten, neuerdings abet vor allem durch die Arbeiten yon KROGI~ und VII~- TRtJP wohl endgiiltig bewiesen. In den Rouge• die mit ihren kontraktilen Ausl~iufern den Capillarendothelschlaueh ringf6rmig umklammern, verfiigqc die Capillare fiber Muskelelemente, die denen der gr6geren Gef~ge entsprechen. HEss 2~) betont aber, dab au/3er der S~iuredilatation wahrscheinlich noch andere !~eizstoffe, die sich aus dem Stoffwechsel ergeben, ,dilatierend auf die GefXge wirken. Auch Sauerstoffmangel (KROGH) erweitert die Capillaren. Dutch diese Erweiterung ist dann die capillarmikroskopische ]3e- obachtung zu erkl~Lren, dab bei leichteren Graden die Stasen nur eine Weile dauern nnd dann ziemlich pl6tzlich die Str6mung ill der eben noch verstopften Capillare wieder einsetzt. Es darf aber nicht auger acht gelassen werden, dab w~hrend der ganzen Zwischenzeit der Stase dieser Gef~il3abschnitt eben auger Funktion gesetzt war. Da nun die Stasen bei erh6hter Agglutination einen groBen Teil der Gef~f3e gleichzeitig befallen k6nnen, so mug gegenfiber der homogenen .kontinuierlichen Str6mung schon allein dutch dieses zeitliche Moment ein groBer Funktionsausfall resultieren.' So genfigt der Kompensationsmechanismus nur zum Teil und sorgt daffir, dab wenigstens der vitalen Indikation genfIgt ist.

Noch an eine weitere 2r ist zu denken Sahen wit eben, dab die Capillaren als Reaktion auf die Vermehrung der Acidit~it und der Anh~uftmg der Stoffwechselprodukte mit Erweiterung reagieren, und zwar auf Grund des gleichen Mechanismus wie die gr6Beren Gef~ige, so ist es nicht unwahr- scheinlich, dab dieser Reiz yon den Capillaren auch dem pr~i- capillaren Arteriengebiet fibermittelt wird. Diese erweitern sieh gleichfalls, der Blutdruck sinkt und es ist nicht ausge- schlossen, daft das, was wir als Vasomotorenl~ihmung be- trachten, in manchen F/illen schon die Folge und Auswirkung der Blutk6rperchenstase im Capillargebiet darstellt.

Eine andere Kompensationsvorriehtung besteht darin, dab auch die rhythmisehen Pulswellen mithelfen werden, d$'e elastischell BIutk6rperchenagglomerate noch durch Capillaren durchzupressen, dutch die sie bei kontinuierlichem Blutdruck nicht mehr passieren k6nnten. Denn wenn schon das einzelne rote Blutk6rperchen elastisch genug ist, um durch fast ver- schlosselle Capillaren wurstf6rmig in die L~inge gezogen, durch- gepreBt zu werden, so ist die Deformierbarkeit der Agglo- merate nattirlich relativ noch gr6Ber.

Weitere Kompensationsm6glichkeiten sind wahrscheinlich auch darin gegeben, dab die Geschwindigkeit, mit der die Agglutination der roten Blutk6rperchen vor sich geht oder die Festigkeit, mit der sie erfolgt, bei gleicher Senkungsgeschwin- digkeit verschieden sein kann. Darauf deutet z. t3. die Be- obachtung, dab trotz krS~ftigem Schiitteln bei den einen F~illen die Senkung in vitro sofort mit maximaler Gesehwindigkeit einsetzt, w~ihrend bei andereI1 die graphisehe Darstellung des Sedimentierungsverlaufes im Anfang eine Latenz zeigt und manchmal erst nach 1/4 oder 1/2 Stunde die H6chstgeschwindig- keit erreiehen wird. In den-ersten F~illen ist dutch das Schiit-

teln die Gr6Be der Agglomerate entweder nicht vergndert wor- den oder sie haben sich wenigstens sofort wieder in der end- gtiltigen Gr613e gebi ldet . Im zweiten Fall dagegen scheint es l~ngerer Zeit zu bedfirfen, bis die endgtiltige Gr613e nach vorherigem Umschiit teln erreicht wird. Wenn diese Unter- schiede bei sonst gleieh beschleunigter Senkungsgeschwindig- keit bestehen, so ist es wahrscheinlich, dab ihnen eine wesent- liehe Bedeutung ffir das Zustandekommen yon Zirkulations- st6rungen dieser Art zukommt. Denn die M6glichkeit, dab die Agglutination zu Zirkulationsst6rungen im Capillarkreislauf illnerhalb der Verweildauer des Blutes in den Capillaren, die nach HESS ~2) etwa I Sek. betrggt, ftihrt, wird um so gr613er sein, je rascher, bzw. je fester sich die Agglomerate bilden. Ullsere Kellntnis der Vefiinderungen, dutch die die Be- schleunigung der Blutk6rperchensenkung bedingt wird, ist noch zu gering, um mit Best immtheit sagen zu k6nnen, ob diese Ver~llderungen in der Raschheit und Festigkeit der Aggluti- nation wirklich einen Kompensationsvorgang und eine gfinsti- ge, yon der Natur gewollte Reaktion auf den Infekt darstellen.

Trotz dieser sicher bestehenden Kompensations~orrichtung diorite sich aus dem Dargelegten zwei]ellos ergeben, daft die BlutkSrperchenstase dutch Entstehung grdfierer Agglomerate yon roten Blutlc6rperchen eine bedeutende t?olle spielt ]i~r das Verstgindnis Yon Zirkulationsst6rungen bei In]ektionskrank- heiten und daft diese Vorg~inge bei diesen Krankheiten neben der Herzschwdche und der mindestens ebenso wichtigen Vaso- motorenparese selbstiindige und vollste Beachtung verdienen. Grei]en die beschriebenen StSrungen doch gerade in dem Ab- sehnitt des Zirkulationssytems an, der ]unktionell der wichtigste ist und den Hess mit Recht als das Zweckorgan der Zirkulation bezeichnet hat. Denn die Gewebserndhrung wird dutch die Ver- ringerung der ]i~r den Gasaustausch wichtigen Oberfl(iche der Ery- throcyten, durch dieBehinderung desAbtransportes derSto]]wechsel- produkte, dutch die zeitweise ]ehlende Erniihrung des Gewebes,

�9 dutch den Aus]all einer betrSchtlichen Menge Blutes aus dem Zir- kulationsmechanismus selbst in Frage gestellt. Das aber wirlct ri~clc- w~irts schgidigend auch au] Herz und GeJ5flsystem, evtl. mit als aus- ldsendes Moment ]i~r die Vasomotorenldihmung. Ein Teil der hier beschriebenen Zirkulationsstdrungen wurde bis ]etzt sicher mit Unmcht der sog. Vasomotorenldihmung mit zugeschoben. Wir miissen i n Zukun]t diese beiden Ar t ender Zirkulations- stdrungen, die der Vasomotorenschwiiche und die cler Agglu- tinationsstasen auch klinisch genauer voneinander trennen lernen.

Zum SchluB sei noch auf einige tlaerapeutische Konsequen- zen hingewlesen. Zu den Krankheiten, bei denen Aggluti- nation der roten Blutk6rperchen und Zirkulationsst6rungen am wahrscheinlichsten zusammenh~ingen, geh6rt auch die Tuber- ku!ose. Die erh6hte Senkungsgeschwindigkeit ist in st~irkstem MaBe ~vorhanden. Die Stockungen im Capillarkreislauf bei dieser Krankheit sind erst kiirzlich wieder Gegenstand capillar- mikroskopischer Studien gewesen. Gerade bei der Tuberkulose nun haben allmorgendliche feuchte Abreibungen, verbundell mit kr~iftigem Frottieren seit lahgem zum ~herapeutischen Repertoire geh6rt, frtiher wesefltlich tflehr noch als jetzt. Sollte auch da wieder die ~irztliche Empirie lange ~vor de'r theo- retischen Erkl~rung das 1Richtige gefunden haben ? Vielleicht sollte man dieser physikalischen Therapie.bei der Tuberkulose und manchen anderen Infektionskrankheitell wieder mehr Be- achtung schenken. Wir k6nnen noch welter gehen und sagen : es ist m6glich, dab die weitere Forschung uns zeigt, ob die Ag- glutination der roten BlutkSrperchen selbst eillen Vorgang dar- stellt, den wir bek~impfen miissen und welche Mittel daftir anwendbar sind.

I n diesem Zusammenhange sei auch kurz auf die Bedeu- tung des warmen Handbades hingewiesen, das sich in der h~imatologischen Technik immer mehr eingeffihrt hat Unsere Betrachtungen zeigen, wie n6fig dasselbe ist, wenn wir un- abh~ngig yon lokalen St6rungen im Capillarkreislauf ein rich- t iges-Blutbild des str6menden Blutes bel/ommen wollen.

Zusammenfassung. Es wird auf die Beziehungen hinge- wiesen, die. zwischen der beschleunig~en Bhtk6rperchen- senkungsgeschwindigkeit und den capillarmikroskopisch beobachteten St6rungen der Zirkulation bestehell. Die bei

Page 6: Über den Zusammenhang von Zirkulationsstörungen bei Infektionskrankheiten mit der Agglutination der Roten blutkörperchen (Beschleunigte Senkungs-Reaktion)

694 K L I N I S C H E W O C H E N S C H

beschleunigter Senkung beobachte te kSrilige S t rSmung und die Stasen in den Capil laren beruheli auf der Agglut inat iol l der rotel l Blutk6rperchen, deren Ausdruck die Senkuugsreakt ion ist.

Aus der GrSBe der Senkungsgeschwindigkei t l~13t sich der Durchmesser der durch die Agglut inat iol l ents tandenel l Zu- sammel lba l lungen der rotel l Blutk6rpercheI1 bes t immen. Es zeigt sich dabei, dab ihr Durchmesser wesell t l ich gr6Ber ist, als der mi t t le re Durchmesser der s tark erweiter tel i Capillarell. Da die Bedi l lgungen ftir die En t s t ehung der Agglomera te auch im s t r6menden Blur vo rhanden sind, miissen wi t all l lehmen, dab du tch die Agglu t ina t ion der ro ten Blu tkSrperchen ull ter gewissell pathologischel l Verh~ltnissen schwere Zirkulat ions- st6rungell im Capil larkreislauI ihre Erk l~rung finden.

Aus capi l larmikroskopischel l Beobach tungen ergibt sich, ein wie groBer Tei l des Capillargebietes t ro tz guter Herz t~t ig- kei t tunkt ionel l yon der Erl l~hrul ig des Gewebes ausgeschal te t wird l ind wie groB auch die Mellge des Blutes sein muB, die sich dadurch dem IZreislauf entzieht .

Es wird gezeigt, dab die Sch~digung der Zirkulat ion dllrch die Capil lars tasen illfolge der Agglu t ina t ion noch viel grSBer, j a ill manchen F~llen mi t dem Lebel l ul lverei l lbar w~tre, Welln sie n icht durch Kompel l sa t ionsmechan i smel l~zum Tell ge- mi lder t wtirde. Als Kompel lsaf i0n wi rk t vor a l lem die a l~ive Erwe i t e r i l ngs~h igke i t der Capillarell, die infolge tier Stasell durch Stoffwechselprodukte als Reizstoffe ill T~t igkei t gesetzt werden. Kompensa to r i sch wi rk t wahrscheii l l ich auch die rhy thmische Schwal lkung des Blutdruckes , die Deformat ions- f~higkeit der ro ten Blu tkSrperchen und der Agglomerate .

Tro tz dieser milderndel i Kompellsat ioi lsvorg~l lge ko111mt der Blu tk6rperchens tase ftir die ZirkulatioilsstSrullgeli bei I l l fekt ionskral lkhei te l l nebeil t terzschw~che und Vasomotoren- parese eine grofle uild selbst~lldige Bedeu tung zu.

Es ~_rd hii lgewiesen auf die therapel l t ische t3edeutulig gewisser physikal ischer Behand lungsmethoden bei Infektiolls- krai lkhei ten, besonders der Tuberkulose, die sich aus dell d a r - gelegtell t3eziehungell zwischen BlutkSrperchensenkul lg lind Capi l larmikroskopie eilierseits bzw. aus dem Verh~ltnis yon BlutkSrperchel lagglomerate l l und Capi l lardurchmesser ulid den ZirMl!atiollsstSrullgell alldererseits ergeben.

L i t e r a t u r : 1) lJbersicht und Literatur bei N. v. N~E~- GAARD, Sehweiz. med. Wochenschr. Jg. 53, Nr. 49. -- ~) LII~Z~N- ~ I~R , Arch. f. Gyn~kol. xxS, S, 2; Zentralbl. L Gyn~koh 25. 1922. -- ~) O. M/3LI, ER, Die Capillareli der menschlichen K6rperoberflXche 1922. -- ~) FI~S~E~WALD, Brauers Beitr. z. Klin. d. Tuberkul. 54, S. 3. -- ~) KROaI~, Anatomie und Physiologie der Capillaren. Deutsch yon EBB~CK~. Springer x924 , S. 14 . -- a) HEnSS~R, Jahresvers. d. SchweiZ. chirurg. Ges. Basel I924. -- ~) NXa~LI Blutkrankheiten und Blutdiagnostik. 4. Aufl. 1923, Springer. -- s) 1. c. -- ~) Abhandl. d. s~chs. Ges. d. Wiss. Med.-pharmakol. Klinik x4, S. 153. -- 10) KRoatt, 1. c. S. 13 . -- 1~) 1. c. -- le) 1. c. -- 1~) B~RCZEI.I.E~, Biochem. Ztschr. x49. 592, ~924. -- ~a) 1. c. S. 49. -- ~) Ann. d. Physik I9, S. 289 u. 34, S. 591. x~) H~SS, Zeit- schr. L klin. Med. 7 x, H. 5]6. 191I; 74, H. 5/6. 1912; Arch. f. Anat. u. Physiol. 1912, S. I97; Pflt~gers Arch. f. d. ges Physiol. I62, S. 187. i915 u. I4o, S.354. -- !~) ROW~LIN~ Zeitschr. t. klin. Ned. 89, H. 3/4; Arch. f. ges. Physiol. 79- 192o. -- 1~) Bi~cI~l~, Pflt~gers Arch. f. d. ges. Physiol. ~82. -- lye) BERCZEI.L~R U. WAS~L, Biochem. Ztschr. x53~ xoo. I924. -- is) KI~OaH, 1. c. -~ 1~) FI.ElSCI~, Zeitschr. L allg. Physiol. ~9, It. 3/4, S. 2 6 9 . - ~0) S~IKKER, Sitzungsber. d. Wien. Akad. d. Wiss. Mathem.-naturw. Ki. g4, 3. Abt., S. 313 . -- ~1) H~.ss, Ergebn. d. inn. Med. u. ~inderheilk. e3, i . 19~3. -- 2~) HESS, Ergebn. d. inn. Med. e3. 1923 .

Z U R K E N N T N I S DES E I W E I S S M I N I M U M .

7. Mitteilung*). UBER EINSEITIGE ERNAHRUNG MIT FETT.

Yon

Dr . reed. W. L u n g u n d Dr . ing. e t med . ~'LASCHENTRAGER. Aus dem physiologisehei1 und physiologisch-chemisehea Iastitut der Universit~t Leipzig.

Die Acetonk6rper bi lden sich leicht im k ranken Organis- mus. W i t fil iden sie be im Diabetes d e s Menschen und bet

*) 6. Mitt. zeitsehr, f. physiol. Chem. ll0, 302. I92x.

R I F T . 4. J A H R G A N G . N r . I5 9- APRIL z925

Versuchstieren, die ktinstl ich zuckerkrank gemach t worden sind. En twede r ha t man ihnen das Pankreas mlehr oder wenige r vollst t tndig ent fernt oder Phlorrhiz in e ingespr i tz t und sie dabei hungern lassen, denn schon ein geringer Umsa tz yon Koh lenhydra t verhi l ider t das Auf t r e t en ~ener Bu t t e r - stLurederivate.

Fet t und EiweiB k o m m e n als ihre Mut te rsubs tanze l i in Betraeht. Nach MAGNus-LEvY scheiden manche Dia- betiker solche Mengen yon Acetonk6rperll aus, dab sie rech- nerisch unmSglieh aus dem umgesetzten EiweiB herzuleiteli sind, sie mtissen auch aus F e t t entstandeI1 seill. Diese Auf- fassung s t i m m t zu unseren Anschauungen tiber den Abbau der Fe t t s~uren tiberein, wie sie zuerst und vor allern yon KNooP entwickel t worden sind. Die Fettstknre ver l ier t im Abbau jeweils 2 Kohlens to f fa tome; da ill dell nat t i r l ichen F e t t e n nu t Fe t t s~uren mi t eiller geraden Anzahl yon Kohlen- s tof fa tomen vorhanden sind, e n t s t e h t . a l s o schlieBlich im stufenweisen Abbal i n-Caprons~ure llnd wei terhin n -But te r - st~ure. Butters t ture gibt besonders le icht Acetoll~l). Nach Zufuhr ro l l 56 g Butterst~ure sah LOEB lt) innerhalb yon drei Tagen eine Mehrausscheidung yon 22 g Acetonk6rpern . Leider ha t SCHWARZ die /3-Oxybutterst~ure n ich t mi t bes t immt , was die rechnerische Durchwer tu i lg seiner Versuche beein- trtkchtigt. E r ha t auch die n-Capronst~ure an leichte Dia- be t iker verff i t tert , die Mehrausscheidung an Gesamtace ton be t rug l lach Zufuhr voil 2o beztiglich 3 ~ g capronsaurem Nat ron nur 0, 4 bzw. 2, 5 g, nach 3 ~ g bu t t e r sau rem Nat ron am gleichen Pa t i en ten allerdiilgs auch nur e twas tiber I g. Der einzige Versuchstag wurde jeweils zwischen Tage mi t gew6hnlicher Kos t ohne ketogene Zulage eingeschoben. (ScHwARZ, 1. C. S. 251 u. 252).

A m Phlor rh iz inhund haben RINGER und JONAS l ~

die gleichen Substanzel i geprtift, die Ausscheidung yon Acet- essigs/~ure und Ex t r azucke r wurdel l bes t immt , n -But te r - ulld ll-Caprons~Lure gaben Aceton und keinell Zucker. Die Fetts~Lurell m i t ungerader Anzahl l~oh l ens to f f a tome , also Propions~Lure, n-ValeriansSmre und n-HeptylsXure gaben umgekehr t Zucker und kein Aeeton. Versuche mi t den h6heren Fet ts~uren, die in den Ilat i ir l ichen F e t t e n vo rkommen , sind ebenfalls ausgeftihrt . Nach MAGNus-LEvY 16) (S. 381) aber , ,reicht die Gesamthe i t dieser Versuche n ich t aus, u m ihren ~Jbergailg ill Aeetonk6rper darzutun. Die eigeli t l iehe Stti tze der Ansicht, dab die hohen Fettst turell Oxybnt te r s~ure lieferil; erbl ickt er nach wie vor in der yon ihm festgestell tel i Tatsaehe, dab ftir die im K o m a ausgeschiedenell I o o - - 1 5 o g Aceton- kSrper alle allderen Quellell bet we i t em nicht aus re ichen ."

Wie bet alien Ff i t terul lgsversuchen muB ihre Melige ill e inem nicht zu sehr gespannten Verh~lti l is zu den verl l le int- l ichen Mut te r subs tanzen stehen. Das ist aber bet Aceton- kSrpern seltell der Tall. Zugeftihrtes Nahrungs fe t t verbre l ln t eben nicht ohne weiteres, sondern wird in erster Linie ge- speichert . Auf F e t t wird erst je nach dem verf t igbarel l Vor ra t an anderer Nahrul lg zurtickgegriffen, dann al lerdings werdei l diejenigen Bestal ldtei le , die im A u i b a u des KSrperfe t tes keine Rolle spielen, wohI in erster Lillie verbraucht . Das ist z. B2 der Tal l mi t dell niederei l Fe t t s~uren der But te r . Sie werden gewShnlich, auch wenn B u t t e r in grSBeren l 'Jberschtissen gereicht wird and zu F e t t a n s a t z ftihrt, n ich t abgelagert . Auch auf diese Fehlerquel le m a c h t MAGNuS-LEvY ill diesem Zusammenhang besonders aufmerksam. Ill gleicher Weise sind am menlschlichen und kii i lst l ichen Diabetes die Eiweifl- bausteine auf ihre ketogene N a t u r durchgeprt i f t worden. Auch hier s t immen die Befunde tibereill m i t dem, was wir sonst yon dem Abbau der ~-Aminos~urell wissen. W e n n die n~chst lliedere Fe t t s~ure Aceton gibt (3-Methylbutters/ ture), verh~Llt sich die Aminos~ure (Leucin) ebenso. Wo jene die Acidose Ilicht v e r m e h r t (Phenylessigs~ure, p -Oxypheny l - essigs~Lure), kann es die Aminos~ure (Phenylalanii l , Tyrosin) t ro t zdem tun. Die genal in ten Aminos~uren, d i e zur Aceton- kSrperausscheidung ffihren, geben keinen Ext razucker . ~3ber- gang i n Aeeton und dasVermSgen, Zucker zu bilden, seheinen sieh auszuschlieBen.

EiweiBreiche Di~t bet Koh lenhydra tka renz begiJnstigt das Au i t r e t en yon Acidose und s teigert bestehende bet Zucker-