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I. Westermann. Uber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde UBW. 97 uber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde und Oxydverbindungen bei hirheren Ternperaturen VOn ILJA WEElTERMANN Nit 3 Figuren im Text In der alteren cheniischen und metallurgischen Literatw finden Rich einige Angaben, die darauf hindeuten, da13 metallisches Silber bei hoheren Temperaturen und in Gegenwart von Sauerstoff unter Bildung von Silberoxyd mit anderen Oxyden in Reaktion ZLI treten vermag. KARL FRIEDRICH PLATTNER beschreibt in seinem Werk') einige Beobachtungen uber die Aufnahme von Silber durch Kiesel- siiure, Glas, Metalloxyde, Erden und Erdensilikate. WAIT^) unter- suchte eine Bleiglatte aus den letzten Stadien der Kupellation mit 2,94% Silber und fand, indem er die G1B;tte mit Essigsaure behandelte, da13 19,25% bzw. 18,67°/0 des im Bleioxyd enthaltenen Silbers darin in der Gestalt von Silberoxyd enthalten waren. In einer anderen Arbeit berichtet WAIT^) uber Versuche mit Gemischen a m fein ver- teiltem Silber und mehreren Oxyden, wie MnO,, PbO,, BaO,, welche ergaben, daB das Silber nach dem Erhitzen bis zu 36O/, in Ag,O uber- gegangen war und durch Essigsaure herausgelost werden konnte. Die Loslichkeit von Silberoxyd in Bleiglatte untersuchte KOHLMEYER~) sowohl cherniseh als auch thermisch und kam zu dem Ergebnis, tlaB geschmolzenes Bleioxyd hochstens bis zu 6% Silber in Form eines Oxyds zu losen vermag und der Schmelzpunkt der Gliitte dadurch um 45O herabgesetzt wird. Was die Bindung von Silberoxyd an Silikate anbetrifft, so sei auf eine Bemerkung von WARTENBEHG~) verwiesen, der zur Bestimmung der Silberdampfdriicke metallisches Silber in einem Schiffchen aus Marquardtmasse im Sauerstoffstrom erhitzte und nach dem Versuch fand, da,S die Stelle des Schiffchen- I) K. F. PLATTNER, Die metallurgischen Rostprozessc, Freiberg 1856. 2, WAIT, Tram. Am. Inst. Min. Eng. 15 (1887), 463. 3, WAIT, Am. Chem. Journ. 10, 254-59. 4, KOHLMEYER, Chem.-Ztg. 1912, 1079. s, WARTENBERG, Z. Elektrochem. 1918, 485. Z. snow u. all& Cliem. Bd. 206 7

Über die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde und Oxydverbindungen bei höheren Temperaturen

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I. Westermann. Uber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde UBW. 97

uber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde und Oxydverbindungen bei hirheren Ternperaturen

VOn I L J A WEElTERMANN Nit 3 Figuren im Text

In der alteren cheniischen und metallurgischen Literatw finden Rich einige Angaben, die darauf hindeuten, da13 metallisches Silber bei hoheren Temperaturen und in Gegenwart von Sauerstoff unter Bildung von Silberoxyd mit anderen Oxyden in Reaktion ZLI treten vermag. KARL FRIEDRICH PLATTNER beschreibt in seinem Werk') einige Beobachtungen uber die Aufnahme von Silber durch Kiesel- siiure, Glas, Metalloxyde, Erden und Erdensilikate. WAIT^) unter- suchte eine Bleiglatte aus den letzten Stadien der Kupellation mit 2,94% Silber und fand, indem er die G1B;tte mit Essigsaure behandelte, da13 19,25% bzw. 18,67°/0 des im Bleioxyd enthaltenen Silbers darin in der Gestalt von Silberoxyd enthalten waren. In einer anderen Arbeit berichtet WAIT^) uber Versuche mit Gemischen a m fein ver- teiltem Silber und mehreren Oxyden, wie MnO,, PbO,, BaO,, welche ergaben, daB das Silber nach dem Erhitzen bis zu 36O/, in Ag,O uber- gegangen war und durch Essigsaure herausgelost werden konnte. Die Loslichkeit von Silberoxyd in Bleiglatte untersuchte KOHLMEYER~) sowohl cherniseh als auch thermisch und kam zu dem Ergebnis, tlaB geschmolzenes Bleioxyd hochstens bis zu 6% Silber in Form eines Oxyds zu losen vermag und der Schmelzpunkt der Gliitte dadurch um 45O herabgesetzt wird. Was die Bindung von Silberoxyd an Silikate anbetrifft, so sei auf eine Bemerkung von WARTENBEHG~) verwiesen, der zur Bestimmung der Silberdampfdriicke metallisches Silber in einem Schiffchen aus Marquardtmasse im Sauerstoffstrom erhitzte und nach dem Versuch fand, da,S die Stelle des Schiffchen-

I ) K. F. PLATTNER, Die metallurgischen Rostprozessc, Freiberg 1856. 2, WAIT, Tram. Am. Inst. Min. Eng. 15 (1887), 463. 3, WAIT, Am. Chem. Journ. 10, 254-59. 4, KOHLMEYER, Chem.-Ztg. 1912, 1079. s, WARTENBERG, Z. Elektrochem. 1918, 485.

Z. s n o w u. all& Cliem. Bd. 206 7

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bodens, auf der das Metal1 ruhte, schwach violett gefarbt war. WARTES- BERG fiihrt diese Erseheinung beilaufig auf Silikat8bildunp zurucli.

In der vorliegenden Untersuchung sol1 pin weiterer Beitrag hin- siehtlich der Aufnahmefahigkeit von Oxyclen fur Silbrroxyd gegehcu werden. Die Reaktion zwischen Silber, Sauerstoff und einigen Oxyden bzw. Oxydverbindungen wurde untersucht in bezug auf : 1. die Ge- schwindigkeit der Silberaufnahme, 2. das masiniale Aufnahme- vermogen fur Silber und 3. die Gescliwindigkeit der Silberabgabe. Als silberaufnahmefahige Stoffe dienteii Quarernehl, gebrannte Ton- erde und gebrannter Kaolin. Das Silberpulver w i d e mittels Kali- huge und Formalin aus Chlorsilber abgeschieden. Die Oxycle w i d e n mit Silber in der Acliatschale innigst verrieben, die Gemische in Tiegel aus Marquardtmasse gefullt und die Tiegel in einen Platindrahtofeii versenkt. Die Substmz stand wahrend der Erhit'zung stets unter dern in gewissen Grenzen konstanten Partialdruck des Luftsauerstoffs. Nach dem Erhitzen wurde die Substanz rnit Salpetersaure behandelt, urn das metallische Silber zu entfernen. Das im Oxyd verbliebme gebundene Silher wnrde doltiniastisch bestirnrnt. Die Ktipe1l;~nzng- verlust e wurdrn nicl-it berncksichtigt.

Kieselsaure

Die A bhangigkeil der grbundenen Silhermenge von clcr Konzen- tration des metallischen Silbers irn Kieselsaure-Silbergernisch worc l~ in fnnf Versuchen gepruft, wobei der Silbcrgehalt der Mischung von lo/, auf loo/,, bezogen aiif Si0,-Gewicht, gesteigert \;vurdr. Die Versuchstempcratur betrug 970°, die Versuchsdauer 10 Minuten. Die Zahlen sind in Tabelle 1 zusammengestellt. Tragt man die Punktr graphisch auf, so verzeichnet man nach einem schroffcn Anstieg eintx langsame, fast geradlinige Zunahme der gebundencn Silhermenge mit zunehrnendcr Konzentralion des freien Silhcrs.

Tabelle 1 Temperetur : 970-976O C. Versuchsdauer : 10 Minuten

-___ Gebundenw Ag, j bezogen auf 8i0,- 1 Gewicht

01 10 ________ _ _ __ .

0,093 1,919 1,67 0,087 0,223 1,903 1,78 0,094

0,095 I 0,101

0,533 1,629 1,55 4,76 1,649 l,65

I I

10,o 1,088 I 1,20 1 0 , l l O

I. Westermnnn. i'brr dic Aufnahme von Silberosyd durch O q d e URW. 99

Der EinfluB der Zeit, wurde untersucht, indem man in funf Ver- suchpn die Erhitznngsdauer von 10 auf A0 Xinuten steigerte. Der Silbergehalt betrug diesmal 5O0/, , bezogen auf SiO,-Gewicht, die Ternperntur 800O. Die grwonnenen Punkte lagen nahezu auf einer Parallelen zur Zeitaclirr. Die bedeutet, da13 bei der benutzten Silbor- konzentration innerhalb von 10 Minuten dir Sattigung der Kiesel- siiure mit Silber bereits erfolgt war.

In der dritten Versuchsreihe murde die Sattigungskonaentration (maximales Bufnahmeverrriogen) des Silbers in Kieselsaure bei ver- schiedenen Temperaturen bestimmt,. Der Silbergehall des Gemisches betrug 48O/,,, bezogen auf Si0,- Gewiclit. In zehn Versuchen wurde das Temperaturintervall awiscl-ien 400O und 13000 durchschritten (Tahelle 2, Fig. 1). l i e die Figur aeigt, fjndet zwischen 400 und 1300" pine Silberaufnahme duroli Riedsaurc statt, die hei etwn 1100O tlas Maximum zeigt.

Versuchsdauer: 1 Std.; Silbergehalt: 48.1 Ta,hclle 2

Temperatiir 1 Gebundenes Ag OC

400 500 600 700 800 900

1000 1100 120( ) 1300

0,000 0,022 0,047 0,062 0,082

I 0,096 0,132 0,153 0,145 0,035

Tonerde

Konzentrntionsabhkngigkeit: Dcr Silbergehalt des Tonrrdr- Silbergemisches wurde in sechs Versuchen von 0,l auf 1O0/, gesteigert, ; die Versuchsdauer betrug 7 Minuten (Tabelle 3). Im Gegensatz aum analogen Versuch rnit Kieselsiiurc lconnte hier dw aiist,eigende Teil der Kurve Prfaat werden.

Tabellc 3 Temperrztur : 970-975O C". Versuchd:iuer: 7 Minuten

~ . ~ _ _ _ _ _ ~ _ _ _ _ _ _ _ --

Freies Ag ~ Gebundenes Ag Freies Ag Gebundenes Ag

f j ~ _ _ _ ~ _ _ _ ~ ~ ~- I 0,113

0,134 j 0,131

O / O I - - - ~ _ _ " 0 _I OiO -~ - 1 0,016 2 091 0,5 0,092 1 0,106

:*

100 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 206. 1932

__ - . -

300 400 600 700

-

0,000 0,173 0,283 0,326

100 Zeitschrift fiir anorganische und allgemeine Chemie. Band 206. 1932

Zeitabhangigkeit : Der Gehalt an freiem Silber betrug 20°J0, die Temperatur 600°. Die Erhitzungsdauer wurde von 10 auf 50 Minuten gesteigert. Nach 50 Minuten naherte sich die gebundene Silbermenge dem Slittigungswert.

Temperaturabhlingigkeit : Die dritte und letzte Versuchsreihe wurde mit einem Gemisch vorgenommen, das SOo/,, Silber, bezogen auf Al,O,-Gewicht, enthielt. Das durchschritt-ene Temperaturintervdl lag zwischen 300 und 13000, die Versuchsdauer betrug 60 Minuten (Tabelle 4, Fig. 2). Der Verlauf der Kurve iihnelt sehr demjenigen, der

sich bei der analogen Untersuchung mit Kieselsaure ergab. Die Schnitl- punkte mit der Temperaturaohse und das Maximum der Silberaufnahme

Tabelle 4 Versuchsdaner : 60 Min.; Silbergehalt : 20 O/"

300 400 600 700 800

) 900 1000 1100

Ag-Konzentration : Konstant 1300 Pig. 2. Versuchsdauer: 60 Min. 1200

0,000 0,173 0,283 0,326 0,372 0,388 0,428 0,354 0,131 0,029

liegen fast bei denselben Temperaturen. Allerdings betragt das maximale Aufnahmevermogen der Tonerde fur Silber etwa das Drei- €ache des der Kieselsaure.

Die Rolle des Sauerstoffs

Schon aus den Versuchen von P L A T T m R muB gefolgert werden, wie PLATTNER es selbst auch tat, daB das Silber als Silberoxyd sic21 in den Oxyden lost. Die stochioixetrische Zusammensetzung des sich losenden Oxyds kann wegen seiner Unbestlindigkeit niclit ohne weiteres zu Ag,O angenommen werden. Zur Feststellung, ob fur die Silberaufnahme Sauerstoffanwesenheit erforderlich ist, wurde die Erhitzung des Gemisehes im V a k u u m und in Wassers tof f vor- genommen. Es wurden zwei Versuche ansgefuhrt mit einem Gemisch, bestehend aus 1 g Tonerde und 0,3 g Silberpulver. Die Versuchstempe- ratfur betrug in beiden Fiillen 950°, die Erhitzungedauw 15 Minuten.

I. Wrstermann. ifber die Aufnahine von Silberoxgd durch Oxyde usw. 101

(febundenes *g 1 Gebundenes * g im Kaolin , im2ege l mg

1 . T'ersuch im Yakuum der Gaedepumpe: Die Analyse ergab kein Silberkorn.

2. Versuch im Wasseretoff: Die Analyse ergab ebenfalls kein Silberkorn. Daraus folgt, daB zur Aufnahme von Silber durch Ton- erde die Anwesenheit von Sauerstoff erforderlich ist. Welche stochio- metrische Zusammensetzung das Oxyd hat, sol1 spater bei einer anderen Substanz gelilart werden. SchlieBlich murde unter Verwendvng von Tonerde-Silbergemischen gepruft, ob der Partialdruck des Sauerstoffs, der ja bei allen Versuchen annghernd konstant war, auf die Ge- schwindigkeit der Silberaufnahme einen Einflulj ausubt. Zwei Ver- suche wurden mit einem Gemisch obiger Zusammensetzung bei 950° ausgefuhrt. Die Erhitzungsdauer betrug 15 Minuten.

1. 0,-Druck wahrend der Erhitzung: 33 bis 32 mm Hg. Au Al,03 gebundenes Silber betragt : 0,045°/0.

2. 0,-Druck wahrend der Erhitzung: 655-653 mm Hg. Ge- bundenes Silber : 0,25U0/0. Demnach besteht zwischen der Geschwin- digkeit der Silberaufiiahme und dem Partialdruck des Sauerstoffs ein Zusammenha,ng.

Kaolin

Zur Bestimmung der stochiornetrisclien Zusammensetzung des Silberoxyds wurde eine volumenometrische Methode gewahlt . Durch Messung von Druck, Volumen und Temperatur des uber dem silber- haltigen Gemisch stehenden Seuerstoffs vor und nach der Silberauf- nahme und durch die gravimetrische Bestimmung des vom Silikat gebundenen Silbers sollte die stochiometrische Forniel des Silberoxyds ermittelt nerden. Als Ausgangsstoffe dienten metallisches Silber und die bei etwe 1200O gebrannte Porzellanerde (Kaolin), die als inniges Gemisch in cinen Porzellanerdetiegel gefullt wurden. In Tabelle 5

Beobachtetes 0, 1 Berechnetes 0, cm3 em3

Tabelle 5

3,88 7,46 7,92

- 72,8 I 1,92 ~ 4,23 - - 140,O 3,51 I 7,95

- 147,9 4,52 i 8,30 - i sind die Ergebnisse von drei Vcrsucben wiedergegeben. Die beiden letaten Kolonnen enthnlten die Zahlenwerte der beobachteten Sauer- stoffaufnahme und derjenigen Sauerstoffmenge, die dem gebundenen

Silber entspricht, wenn das Silher als hg,O aufgenommrn wircl. Die liinrrichcnde Ubereinstimmung clrr Zalilenwerte bev.eist, tla 15 ilas voin Sili liat gebundene Silberoxycl t : r i s ich l ich d ie B'ormel Ag,O h a t .

Konzentrationsabhiingigkeit : Die Tintersuchung dcr Abhangigkeil cler gebundenen Silbermenge von der Konzent ration des metallischfn Silbers in1 Kaolin-Silbergemisch erfolgte niit einem Geniisch, dessrii Silbergehalt in sieben Versuchrri von 5 auf 200°/0 gesteigert wurde. Die Erbitzungsdauer wurde auf 15 Ninutcn festgesetzt. u obei die Vorperiode, d. h. die Zeit, die verstreicht, bis der kalt eingesetxle Tiegel die Ofenteniperatur erreicht (etwa 3 Minuten), nicht niitgercchnet viurde. Die Temperatur betrug 1095-1100° (Tabelle 6). Die in1 Verlauf cler Kurve sich n iederspiegelnde GesetzmsBigkeit zwidicm tSer Kon- zentration deb rrietallischen Silbers und drr Gcschvvindigkeit der Silberaufnahme soll spater cingehend erortert werden.

Tabelle 6 Temperatur: 1095--1 I rW C. Versuchadauei : 13 b11nnten

~ _ - ~ __ I Eingewogenes 1Cingcwugeneb Gebundciics

Iiaoliri , 8ilber , Silber Silber Silber

bcl. auk Kaolin I U' l u B I c Il l# bYL. auf KLLOlllI

"0

- _ _ ..

1,000 0,0300 ' 5 1 38,0 ~ 330 1,000 0,1000 , 10 66,7 6,67 1,000 0,3000 30 173,O 17.3

0,5000 0,5000 100 141,5 28,3

0,2000 0,4000 200 55,s , 27,Y

1,000 0,5000 50 229,o 22,9

0,3000 0,4500 150 84,6 28.2

ZeitabhBngigkeit : Uer EirifluB der l'ersuchsdauer auf die Silber- aufnahine durch Kaolin wurdr in zehn T'ersuchen gepruft. Dich Er- hitxungsdauer bev rgtesich in einem IntervalSzu~ischen2und 60Minuten. m b e i auch diesmal die Torperiode von e t m 3 Minuten nicht mlt- gezahlt wurde. Der Gelialt des frelen Hilbers irn Geniisch betrng 100°/, bezogen auf das Kaolingewicht. Dic \'ersuchsternperatur m urde auf 800-805 festgesetzt, wodurch zwar (lie gebllndene Silberinenge gering war, dafnr alser die hsttigung relativ langsam erreicht wurde (Tabelle 7). Die drr Knrve augrundc liegende GesetzmaBigkeit soll in folgendem ermahnt werclen.

Teiiiperaturabl?lngigkeit : Bur 13estiminung des masirrialen Auf- iiahnieverinogens des Kaolins fur Gilber bei verschiedenen Temybera- tnren wurde das TemperatuPiiitervall zwischen 500 uncl 16000 1 n

I. Westermann. cber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde UBW. 105

Tabelle 7 l’rmperatur: 800--805” C. ICaolin: 0,3000 g. Silber: 0,3000 g. Silbergchalt: 100°/o

~~~~

2,lO 2,52 2,59 2,29 2,67

1 I

1 4 Yeibuehrn tiiirchschritt en unter Verwenrlung &ips Kaolin-8ilber- gemisches mit 100°/, Silber, beeogen auf das Kaolingewicht, und mit rincr Erhitzungsdauer von 2-3 Stunden. Durch Parallelversuehe mit langerer Erhit8zungsdauer wurde festgestellt, daB eine Zeit von 2 Stun- den vollstandig genugb, urn s o ~ o h l bei hoher als auch bei tiefer ‘l’rmpuratur das Kaolin mit Silberoxyd zu sattigen (Tabelle 8, Fig. 3).

Tabelle 8 Erhitzungsdauer : 2-3 Stunden

--___ ~ _ _ Temperatur 1 Gebundenes Ag Tcmperatur i Gebundenes Ag

u c : ‘ i n I “ C “/n I

~~ ~ ~ - ~- _ _ 560-565 0.560 590--.595 1 0,879 7 9 0 - 7 9 5 3,02 8 10-8 15 9,30 900-905 ‘350-955

1006-1010

34,6 38,l I 39,s

~~ -1

1110-1116 1166-1170 1300-1306 1395-1400 1470-1475 1560-1566 1600-1605

38,9 37,O 32,o 28,9 26,9 22,9 22,3

I n U bcreinstiiiimuiig mil den analogen Kurven fur Kieselsaure und Tonerde beginnt die Silberaufnahmc bei etwa 400O und errricht bei etwa 1000-1050° das Maximum. Ein auffallender Unter- schied besteht clagegen im abfallenden Teil der Kurve. W11irend die Aufnahme- fahigkeit der Kirselsaurc und Tonerde fur Silber bei 1400O praklisch nioht rnrhr bcst eht, fallt die Sat t igungs kurve des Kaolins bedeutcnd flacher ab. Das Kaolin vermag bei 1400” noch gegen 2 ! 3 O / ’ / , 8illser aufzunebxnen. Der Versuch bci 16000, der im Gegensatz zu allen anderen nur 30 Minuten dauerte und irn Tonerdetiegel ausgefuhrt wurde, ergzb ein klares hellgelb gefarbtes Qlas, in dem einige kleine

300 50O?DR9UD Ji’UO 7.U~1500 - %empemh4r “C-p

Fig. 3

104 Zeitschrift fur anorpanische uncl allgemeine Chemie. Band 206. 1932

Silberkugelchen suspencliert waren. Der grol3te Tcil des Silbers war zu einem Regulus zusammengeschmolzen. Das Produkt vermochte bei 1600O noch 22% Silber als Oxyd gelost zu halten. Uberdies murde beobachtet, daB mit zunehmender Silberaufnahme das Ge- misch seine urspriinglioh lockere Beschaffenheit verlor , starker schwand und schliel3lich sich in eine steinharte, porzellanartige, mit Hohlraumen durchsetzte Pille verwandelte, so da13 sie zur Ent- fernung des eingeschlossenen metallischen Silbers im Diamant- morser zerkleinert und in der Achatschale feinst zerrieben werden muBte. Nur eine ganz feine Zerteilung des Erhitzungsprodukts armoglichte der Salpetersaure , an die Silberpartikelchen heran- zukommen und sie aufzulosen.

Abspaltung von Silber aus silberoxydhaltigem Kaolin

Das Verhalten von silberoxydhaltigem Kaolin wurde untersucht,, indem ein von metallisohern Silber restlos befreites Kaolinpriiparat mit 34,9% Silber, bezogen auf das Kaolingewicht, verschieden lango einer Temperatur von 1000° ausgesetzt,, zerkleinert, mit Salpetersaure beha.ndelt und das noch zuriickgebliebene gebunderie Silber bcstimmt wurde.

Tabelle 9 Temperatur: l@@O--lOIOo C

Erhitzungsdauer in Minuten . . . . . . . . . . ' 0 1 20 1 90 1150 Qebundenes Ag in

__ .. ~ I I ~~ ..

bezogen auf Kaolin, dus- ~

gangspraparat . . . . . . , . . . . . . . ~ 34,9 i 30,2 I 29,5 29,9

Wir sehen aus den Zahlenwerten (Tabelle 9), daB eine Silber- abspaltung erfolgt, die nach einer gewissen Zeit zum Stillstand kommt, und dab eine weitere Steigerung der Erhit,zungsdauer keine h d e r u n g des Silbergehaltes mehr hervorruft. Dieses Verhalten findet seine ErklBrung darin, daB durch das Erhitzen des silberoxyclhaltigen Praparats eine Abspaltung von Silberoxyd stattfindet, welches sofort in Silber und Sauerstoff zerfallt, wodurch im Reaktionsgemisch metallisches Silber auftret'en muB. Sobald jedoch metallisches Silber bei Gegenwart von Sauerstoff nehen Kaolin vorliegt, beginnt der Pr ozeB der Silberoxydaufnahine wieder wirksani au werden. SchlieB- lich erreicht die Geschwindigkeit cIer Silberoxydaufnahrne die der Silberoxychbgabe uncl der ZerfallsprozeB kommt zum Stillstand. Das ausgeschiedene Silber lie6 sich nach Ansellleifen der Praparat- pjlle im Mikroskop nachweisen und photographisch festhalten.

I. Westerinann. tiber die Aufnahme von Silberoxyd clurch Oxyde usw. 105

Reaktionsmechanismus

Da die Reaktionsprodukte in einer Losnng von Silberoxyd in den Oxyden bestehen, so mu13 man, summarisch betrachtet, als Aus- gangsstoffe die Oxyde und Silberoxyd ansehen. Nun lehren die Uissoziationsmessungen von LEWIS~) und KEYES und HARA~), dal3 gg,O keinesfalls bei den in Frage kommenden Temperaturen als fester Korper im Reaktionsgemisch enthalten sein kann. Eine Reaktion iiber die Gasphase murde die Existenz eines gasformigen Silberoxyds BUT Voraussetzung haben (vgl. WART EN BERG).^) Ganz abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit der Bestiindigkeit eines derartigen gas- forrnigen Oxyds scheidet diese Reaktion schon deswegen aus, weil in einem solchen Falle die Reaktionsgeschwindigkeit unabhangig sein m ~ B t e von der Menge dcs Bodenkorpers; das Experiment beweist jedoch das Gegenteil.

Wenn demnach festes Silberoxyd als Ausgangsstoff nicht vor- liegen kann und das hypothetische gasformige Silberoxyd fur die Heaktion nicht verantwortlich zu machen sei, wie kommt es denri, da13 Silberoxyd itberhaupt in die Reaktionsprodukte gelangt ? Dies ist nur dann moglich, wenn die Silberoxydbildung und -aufnahme zu gleicher Zeit erfolgen. Ein derartiger Vorgang der Silberoxyd- bildung und -aufnahme kann sich an der Grenzflache zwischen dem Oxyd und festem bzw. flussigem Silber abspielen, wobei Sauerstoff sich an der Reaktionsstelle befinden muB. Ein solcher Reaktions- typus wurde sich leicht in die zahlreichen Gruppen der heterogenen Reaktionen an der ,,Dreiphasengrenze" einordnen lassen (vgl. die zusammenfassende Darstellung von ADHIKARI und FHLMANN).~) Die von VOLMER vertretene Auffassung, daB die Gasrnolekel vor der Reak- tion von der festen Phase absorbiert werden und nach der Reaktions- grenze hinwandern, erhalt eine wirksame Stutze in der Fiihigkeit des Eilbers, Sauerstoff zu losen. Durch die Loslichkeit des Sauerstoffs in Silber findet em dauernder ZufluB von Sauerstoff zur Reaktions- grenze statt. Enter Zugrundelegung der oben entwickelten Vorstel- lungen uber den Reaktionsverlauf wollen wir die Geschwindigkeit dor Heaktion awischen Kaolin, Silber und Sauerstoff formelrniiflig zu erfttssen versuchen und vergleichen, ob die von uns erwartete Gesetz- inaI3igkeit sich auch in dern Verlauf der gewonnenen Kurven wieder-

1) LEWIS, Z. phys. Chem. 55 (1906), 449. z, KEYES u. HARA, Journ. Am. ohem. Xoc. 44 (1922), 484. 3) WARTENBERG, 1. c. a) ADHIKARI u. FELMANN, Z. phys. Chem. 181 (1928), 347.

I 06 Britschrift fur anorganische und allgeineine Cheniic. Rand 206. 1932

spiegelt. Was die Rolle des Saner3toffs snbetrifft,, so isl (AS l&w. da1.i der Sauerstoffdrucli gesch~~vindigkcitsbestimmend ist ; denn cine bnde- rung des DrucBs zieht eine h d e r u n g der Sauerstofflosliehkei1 in Bilber nach rich, und dainit rnuG auch die Gcschwiniliglirit der Ljauer- stoffsufuhr zur Reaktionsgrenze sich Bndesn [STIMXE und JOHN SON^), MIEWER I'S und HAGEX~CKER] .~ ) Diese Uberlegung fand ihre Bestiiti- Sung in den Terhuclien mit Tonerde bei versehiedenem Sauerst off- drucli. l)a h i itllcn Versuchen cler 8anerstoffdruck aniiaheriid Iron- stant war, so m o l l e ~ ~ wir den Faktor 1)rnulr nicht berucksichtigon urid 1ms lcdiglich mit den Torgangen an drr Grensfliiclie zweicr fester I'hasen oder einer festen und einer flussigen Phase befassen.

Sol1 die Reaktion an der Ueruhrnngsflitche aweier Teilchen ver- Ianfeii, so rnuG die Rt.aktionsgeschwindigkeit, proportional sein der Zahl der Bcruhrung$stc.llen zwiscbcn Kaolin und Rilber, sornit aucli der Zahl der Silberteilchen. Nennen wir die Zahl d ~ r Silberteilclien BU Beginn der Rcaktion a und die Anzahl drr nach der %pit t ge- hndenen Teilclieri s, so ist die noch vorhantlene Zahl dw Silber- tcilchen: (a - s). Dic Heali~ionsgesch~~indigkeit z i u Zeit t isi wmit proportional der GroBe (a -- s). ,4ndererseits ist die Xeaktioni- g e s c h indigkeit proportional dein Aufna hrnevermogun tles Kaolins fur Silberleilclien. Zu Beginn der llealition ist dab bufnahme- verinogen gleich den1 maximalen ilufnahmevermogen S bei gegebener Temperatnr, und das Aufnahnievcrmogen zur Zeit t ist dann, wenn s bilberteilchen bereits aufgenoimnen worden sind, gleich : ( S - s). 1)ic Reaktionsgeschwindigkgit, ist ziir Zeit t proportional der Grolje (S - s). ZiisammengefaSt kbrincn wir fur clie Reaktionsgeschwindig- lrcit den husdruck schreiben :

wlcher die Creschwindiglreithgleichung fur eine birrioleliula.re Rreaktion vorstellt. Integriert nirnmt sie die bekarinte B'ornr an :

L-IU niin tlio Gleichnng rxperirnentell prufm zu konntvi, bedarY t's

einer prinzipiellrn Annahrue, da13 clie Zahl cler Silberteilclien irn Gc- niisch proportional ist dem Gewicht des eingewogenen b m . auf-

STEACIE u. JOHNSON, Proc. Bop. Xoc. London A 112 (1927), 542. 2, XIEWEETS u. HAGENWKER, Z. phys. Chem. 88 (1910), 115.

I. TVt,stcrrn<mn. Bhrr die Aufnnhtnc voii Silhcrovyti durcfi Oxyde usw. 107

genornrwnen Silbers. Wir werden dadurch in die Ilage versetzt, die Grol3en a, s und S in Granim auszndruckm. Die GroBe a ist gleicli tleni Gewicht des eingewogenen Silbers, s ist gleich dcrn vom ein- gewogencn Kaolin nach der Versuchdauer von t Minuten auf- genornmenen Silber, das analytisch bestimmt, mird, und S ist gleicli dcr vorn eingewogenen, im Reaktionsgemisoh befindlichen Kaolin masirnal, also his zur SBttigung aufzunrhnienden Silbermriige, die &us der S&ttiguiigskurve cntnonimen wird. Bur Prnfnng der Gleichung wert cn w r die Zahlen d ~ r T7erwchsreilie ubcr die Abhiingigkeit tlrr gebundonen Silbermenge T. on der Konzentration des frcien Bilbers irn Geiniscb aus (Tabelle 6). Uic lionstant gehaltene Versuchsdauer t uiid der Fsktor 9.303 koniien wit der Konstanten s-rreinigt werden, bo da13 wi.ir in endgultiger Form die Gleichung erhalten:

Wir erhalten in d c ~ Tat fur k' einen in gewisheii Grmzen kon- staiiten M ert (Tabelle 10). Die ReaBtion zwischen Kaolin, Silber und Swerstoff in iirisereni lrunsthch geschaffrnnl, mnkrokosniisolieii System rriir wdlkurlich gewahltcr TeilchengroBe folgt anndicrnd detn Gesetz fur bimolekulare Reaktionen.

Tabelle 10 Tcmperatur : 10'35--1 100O C. Versuchsdauer: 18 Minuten

Maximales Aufiiahrneverrnogen: 39OiO = Knolir im Ge niisch

g

1,000 1,000 1.000 1,000 0.3000 0,3000 0,2000

- ~ ~ . -

a Freies Silber

im Gemisch

g

0,0500 OJ 000 0,3000 0,5000 0,5000 0.4500 0,4000

- _ _ _ ~

S Vahrend d. Versuchs ehundenes

Silber ?4

0,0380 0,0667 0,1730 0,2291) 0,1415 0,0846 0,0558

- _ _ -

Naxirnal I / 1

1 1

zufzuneh- mendes Silber j

$ : I 0,390 - 0,34O'O,O120 10,352

0,390 -0,090 0,1270 0,217 0.390 1 0,11010.2710 0,161 0,195 ' 0,305)0,3585 0,0535 0,117 0,333 0,3654 ,0,0324 0,078 ~ O,322I0,344:2 10,0222

(a - 8); a - s 1 s - s

__ - -____ ~- -

0,390 - 0,29010,0333 ,0,3233

-~ ____ - ~ -

In dieseni Znsamincnhaiig erscheint es angebracht, auch die Zahlcnn pr1 e der Yersuchsreilw ubpr die Zeitabhangigkrit ('l'abelle 7) cirier Piufung zu unterzieheri, innien eit sie dic mfgestellte Gleichung erfullen. Uie Versuchsreihe wurde bei eirier Teniperatur ansgefuhrt,

108 Zeitwhrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 206. 1932

bei der das Aufnahmevermogen fiir Silber noch sehr gering ist. Die aufgenommene Silbermengc! ist gering im Vergleich zum Gcwicht des eingewogenen Silbers. Die Konzentrat'ion des freien Silbers irri Ge- misch Gndert sich daher urn einm nicht nennenswerten Betrag, so daIS man die Silberkonzentration wahrend des Versuchs als praktisch unverandert ansehen kann. In der Gleichung

d s a t -- = k * (a - s) - (S - s)

ka8nn der Falitor (a - s) als annahernd konst'ant betrachtet werden, wodurch die Gleichung in die vereinfachte Form iibergeht :

a s - = k * ($9 - s) d t

und die tatsachlich binioleku1a.r verlaufende Reaktion in diesein Falle ,,pseudomonomoleliularen" Charakter annimmt. Weiin aIso unsere Uberlegungen richtig sind, so mu13 die Gleichung

erfullt werden. Zu den in Tabelle 7 angegebenen Zeitwerten addieren wir jedesmal den Betrag von 3 Minuten, d. i. die Dauer der Vor- periode und st8cllen folgende Tabelle auf (Tabelle 11). Wir sehen, cia13 cliejenigen Werte, die dem mittleren Teil der Kurve entsprechen, iuit liinreicheiider Genauiglreit die geforclerte Gleichung erfullen. Die ReaBtion verliiuft demnach tatsachlich nionomolekular.

Tabelle 11 Temperatur: 800-8050 C. Kaolin im Gemiaoh: 0,3000. Freies Bilber im Gemisch:

u = 0,3000 g. Maximales Aufnahmevermogen: 4O/,, 8 = 0,0120 g

I 8 - 8 a 6 1 _- .. -___

0,0025 0,0095 0,0033 0,0087

0,0047 0,0073 0,0053 ' 0,0067 0,0063 0,0057 0,0076 0,0044 0,0078 1 0,0042 0,0069 I 0,0051 0,0080 , 0,0040

0,0044 i 0,0076

x 8 - 8

1,26 1,38 1,58 1,64 1,79

2,73 2,86 2,35 3,OO

~ ~~~~~ ____

2,10

4s S - S log __

0,1004 0,1399 0,1987 0,2148 0,2529 0,3222 0,4362 0,4564 0,37 I 1 0,477 1

t Minuten

5 8

13 18 23 28 33 45 48 63

__-

0,018

E 0;011 0,011 0,013

0,007 0,007

L 0,010

I. Westermann. aber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde UBW. 109

Das Aufnahmevermogen

Schon der Vergleich von Tonerde mit Kieselsaure hatte uns gelehrt, daB iibereinstimmend fur beide Oxyde die Silberaiifnahme bei etwa 4000 beginnt und ihr Maximum bei 1050O prreiclit. Erstrecken wir den Vergleich aucb auf das Kaolin, so fallt, uns die gleiche Er- scheinung auf, daB namlich auch hier der Beginn und das Maximum der Silberaufnahme bei den gleichen Temperaturen liegen. Diese Feststellung gibt der Vermutung Raum, daB das Aufnahmevermogen zwar eine charakteristische Stoffeigenschaft ist, aber die uberein- stimmende Abhangigkeit dieser Eigenschaft von der Temperatur nur zum Schein besteht, und die wahre Ursache in der Temperatureigen- schaft eines anderen Stoffes zu suchen sei, der f i i r alle Oxyde der gleiche bleibt, also in der des Silbers. Diese temperaturabhangige Eigenschaft des Silbers kann lediglich seine Losungsfahigkeit fur Sauerstoff sein. Denn die Untersuchungen von STEACTE und Jo€rNsoN1) uber die Temperatur- und Druckabhangigkeit der Sauerstoffliislich- keit lehren, daB die Loslichkeit bei 400O eiri Minimum durchlguft und iiberaus rapide mit der Temperatur zunimmt. Uberdies ist die Sauer- stoffloslichkeit eine Funktion des Sauerstoffdrucks. Die alter0 Unter- suchung von SIEWERTS und HAGENACKER~) hatte ebenfalls ergebpn, daB die Sauerstoffloslichkeit in der Nahe des Schmelzpunktes stark zunimmt, um dann allmahlich wieder abzunehmen.

Wir wollen nicht naher erortern, ob das Silber atomaren Saucr- stoff auflost, oder der Sauerstoff in Form von Silberoxyd auf- genommen wird. Beide Ansichten stehen thermodynamisch zueinander nicht im Widerspruch, jedoch erleichtert die letztere eine Erklarung des Zusammenhanges zwischen dem Aufnahmeverrnogen und der Sauerstoffliislichkeit . Man kann sich vorstellen, daB das Silberoxyd vom Silber zum silberaufnahmefiihigen Oxycl uberflieat und von diesem gelost wird. In einem derartigen Falle, wo also ein und derselbr Stoff in zwei Phasen dem Silber und dem Oxyd loslich ist, mu6 das Verhaltnis der Konzentration in den beiden Phasen einer Gesetz- maaigkeit folgen. Der Verlauf der Siittigungskurven lehrt uns, daG das Aufnahmevermogen der Oxyde h r Silberoxyd mit steigender Temperatur sunachst rapide zunimmt. Den gleichen steilen Verlauf weisen die Loslichkeitskurven des Sauerstoffs auf. Die GesetzmSiBig- keit mu13 also derart sein, daB mit wachsender Konzentration des Sauerstoffs im Silber auch die Konzentration des Silberoxyds in den

l) STEACIE u. JOHHSON, 1. 0.

z, SIEWERTS u. HAUENACKER, 1. C.

110 Zeilwhrift fiir anorgnnischc und allgerncirir ('hrrnit,. Rnttd 208. 1932

silberaufnahmefiihigen Oxydm zunirnmt. Demnach ist, das Aufnahme- vermogen rlcr Oxyde fur Silberoxycl rinr FimlrCion tlcr Kmzentrs! ion cles Saucrstoffs irn Silber, und der Verlanf der 8attigimgsBurven gibt, uns niir scheinbx die Teniperatnrabhangigkeit drs Aufnal-nne- vermugrns wieder, ubrr (lessen wnlire Temperaturfunktion wir nichts nussagen konnen. Eiii dirrltrr Ijcwcis fur diescn Zu5amnievliang kann dadurch erhracht werden, dalS nian bei konstanter Temperatur aber bei weclrselndrrrt Sauerstoffdruck dab Aufnahmevermogen be- stimmt. Es swrdcn dalier c h i Sir ttigungsversuche bei versehiedenmi DrucB vorgenomnen, liber deren Bedingungen und Rrgebnirse die nachstehende Tnhelle (Tabelle 12) Xusliunft gibt. Wir verzeichnen in der Tat pint. Zunalime der maximal aufgeiiommenen Hilbermenge mit steigendem Sauerstoffdruck. was fur (lie Richtigheit der vc.rinnljelen Ziisammenhange spricht.

Tabelle 12 Temperatur: 920° C. Vcrsuchsdauer: 2 Stunden. Kaolin: 0,5000 g. Silber: 0,5000 g

- ~ _ _ -

Andere Oxyde

Im folgcnden wurde eine Reihe von Oxyclen auf die FaliigliAt der S1lberoxyd,2ufn:~hine hin rrnt\ersucht. Titanoxyd und Zirliondioxyd verhielten iieh ahnlich wie Kieselskurc, indem sic. in etwss geringerern MaBe als Kieselsaure Silheroxycl auflosen und dieses an he& Salp siiure nicht abgeben. Em vollig andersartiges Verhalten gegen Silber ixnrl Sauerstoff zeigte eine Gruppe von Oxyden, zu denen u. a. das Zinndioxyd, das Chromoxyd und das Manganoxyduloxyd gehoren. Diest. Oxgde losen das Milberoxyd nicht auf, sondern binden oder adsorbieren es, aum Teil unter charakteristischer Verfarbung, gane locker, so da13 man die Bindung mit verdirnnter Essigsanrr restlos anfspalten kann. Das in Losung gehende Silber wurde nach VOLHARD titriert und auf diese Weise das L4ufnahrnevermogen dieser Oxyde fur Silberoxyd ermittelt. Das an der Luft erhitzte Zinndioxyd-Silber- gyniisch veranderte seine ursprunglich grauweil3e Farbe in tiefes Echwarz, das durch tlas adsorbicrte oder gebundene Silberoxyd her-

I. Westermann. fiber die Aufnahme von Silberoxyd durch Oxyde usu'. 111

vorgerufen wird. Zixr Kontrolle wurde ein 8ilberoxydaufnalim~- versuch im Volumenornetor ausgefuhrl, wobei die aulgenoinmene fiauerstoffrnenge zii Clem mal3an:ilytisch bestimrnten Silberwmt in Beziehmg gebracht wurde. Dic Sauerstoffmenge entsprach 45 mg Silber, der mal3analytisch ermittelte Wcrt betrug 42 mg, das beweist, dn13 tatsachlieh die ZinnsLnre Silberoxyd (A&) aufznnehmpn v~rmag.

Tabelle 13 Temperatur : 1000° CJ

- ~ ~ _ _ ~ _ _ _ _ _ - ___- ' "€xi males An fnnh m ever mijgen Dxyd 01

____- _ _ I - I 0 _ _ _ _ ~ ~ _ _ _ ~ ___ SnO, . . . 03 Cr,O, . . . . . 1,2 Mn,O,; A h @ , . j I7

Die Reihe der gegmuber Silbcr uncl Sauerstoff aktiven Oxyde und Oxgdvcrbindungen ist, mit der Zahl der bisher unt ersuchten Sub- stanzen nathrlich bei weiteni nicht ersehopft. Cieschmolzener Borax liist Silberoxyd unter GelbfBrbnng auf, wenn er im Silbertiegel erhitxt wird. Das Bleioxyd, das hinsichtlich der Silberverluste beim Treiben von silberhaltigem Blei bereits im Anfang erwalint wurde, steht, nicht allein mit seiner AufnahmeBhigkeit fur Ag,O, sondern reiht sich jetsot in eine mannigfaltigc Gruppe silberoxycianfnahmef~~iiger Oxyde ein. Die bekannte Farbung von Glawhnielzen durch Zusatz von Silber- verbindungen, die allgeniein auf eine kolloicle Dispersion von metalli- schem Silber zuruckgefuhrt wird, whUt auf Grund der bisherigen T:ntcrsuchw~gen einr vollkommencre Erkliirung. DPr primiire Vor- gang der GlasfSrbung ist eine Gelbfarbung durch Silberoxydaufnahme. Die Gelbfarbung bleibt bestehen, wenn das Glas rclativ schnell ab- gekuhlt wird. Setzt man die Gliser einer nachtrsglichen thermischen Behandlung Bus, so Bndert sich ihre Farbe, indeni jetzt seknndar tatsachlich metallischcs, liolloicl verteiltes Silber abgeschieden wird und clem Glas entspreehend seiner Rehandlung und Beschaffenheit cine bestimrnte Farbe vrrleiht, die alle rnoglichen Farbtonungen tliirchlaufen kann.

In diesem Zusammenhang moge anf das Verhalten ~ P S Goldes und des Platins hingewiesen werden. Den neuesten Untersizchngen von EITEL und L A K G E ~ ) uncl LANGE~) zufolge lost sicli das Gold in Malzsclinielzm nnd Silikat rchmelzen nicht kolloidal ~ d e r molekizlar irn

l) EITEL 11. Laau~, Z. enorg. u. dg. Chern. 171 (1928), 1G4. ?) Laaa~ , Vwoff. d. Kniscr-Wilh.-Inst. f. Siliketforschung 3 (1930).

11 2 Zeitschrift fur anorgmische und allgemeine Chemie. Band 206. 1932

Sinne echter Losungen, sondern unter chemischer Bindung. Ton ganz anderen Uberlegungen ausgehend gelangt LANGE zu einer Er- lil8rung der Entstehung voii Goldrubinglasern, die sich viillig deckt mit der oben dargelegt en Deutung der GlasfLbung durch Silber. Die Verschlackbarkeit von Platin wurde von WAOENMANR~) sehr beweiskriiftig geaeigt in seiner Ambeit ,,Metallurgische Studien uber deubsche Platinvorkommen". Die Unvollkommenheit der dokimasti- schen Methoden der Gold- und Platinbestimrnung muB zweifellos mit der oxydischen Auflosung dieser Edelmetalle in Schlnckenflussen zussmmenhlngen.

Zusammenfassung

Gelsngen Kieselskure, Tonerde und gebrannter Kaolin in Be- ruhrung rnit metallischem Silber bei Gegenwart von Sanerstoff auf eine Temperatur oberhalb 4000 C, so findet cine Aufnahme von Silber- osyd (Ag,O) durch die Oxyde statt,.

Die Reaktioii zwischen den Oxyden, Silber und Sauerstoff ver- IBuIt an der Grenzflache zwischen den Oxyden und Silber. Die Ge schwindigkeit der Iteaktion lafit sich durch eine Geschwindigkeits gleichung nweiter Ordnung ausdrucken.

Das Aufnahmevermijgen der Oxpde fur Silberoxyd ist eine Funk- tion der Sauerstoffkonaentration im Silber, somit auch des Sauerstoff- drucks uber dem Reaktionsgemisch. Das Maximum des Aufnahme- vermogens liegt bei 1050O und betrBgt in Luftatmosphare fur Kiesel- sBlnre 0,16°/,, fur Tonerde 0,45O/, und fur Kaolin rund 40%, lwzogen auf das Oxydgew-iclit.

Das silberoxydhaltige, von metallischem Silber befreile Kaolin mheidet beim Erhilzen metallisches Silber Bus, jedocli kommt der Zerfallsvorgang zurn Stillstand, weil die Silberausscheidung 811 einern Gleichgewichtszustand fuhrt.

An dieser Stelle mochte ich dem Vorsteher des Metallhutten- mannischen Instituts, Herrn Prof. Dr.-Ing. E. J. KOHLMEYER meinen warmsten Dank fiir seine liebevolle und grol3ziigige Unterstiitzung der Arbeit aussprechen.

I ) WAQENMANN, Abhandl. aus dern Inst. f . MetallhiittenweRen d. KgI. Techn. Hochschule Aachen 2 (l919), H. 4.

Berlin, Metallhuttenmffinnisches Institut der Technischen Hoch- schule.

Bei der Redaktion eingegangen am 29. Februar 1932.