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ASTRON OM IS CHE NACHRICHTEN. Band 201. Nr. 4811. 11. Uber die Bedeutung der Saalrefraktion fur Polhohenbestimmungen. Von E. PrzybyZZoR. (Mit Tafel 4.) Es ist aus der Theorie der astronomischen Refraktion zur Genuge bekannt, daO der Betrag der Brechung des Licht- strahls im wesentlichen abhangt von den Dichtigkeitsverhalt- nissen in den untersten Luftschichten, also denen dicht iiber deni Objektiv. Man wird daher beim Bau eines Beobach- tungshauses darauf zu achten haben, dat3 ein moglichst rascher und gleichformiger Ausgleich zwischen der freien Atmosphare und dem Innenraum stattfinden kann, wenn man etwa aus praktischen Grunden doch darauf verzichten muO, das In- strument sozusagen im Freien aufzustellen. Das konnte da- durch erreicht werden, daO das Beobachtungshaus lediglich als Schutzdach dient und wahrend der Beobachtung ganz- lich zur Seite gefahren wird. Bei kleineren Instrumenten ist dies gelegentlich auch geschehen, so z. B. hat das ge- brochene Passageninstrument des Astronomischen Instituts auf dem Konigstuhl bei Heidelberg eine derartige Aufstel- lung erfahren. Die alteren Reobachtungsraume von recht- eckigem Querschnitt und groOer Hohe entsprechen in keiner Weise den Anforderungen, die man bezuglich der grund- lichen Durchluftung an sie stellen miifite, selbst wenn sie einen noch so groflen Spalt haben. Die Luftmassen, die in ihnen zuruckgehalten werden, bewirken wegen der intensiven Bestrahlung der siidlichen Gebaudewande (Nordhalbkugel) Temperaturschichtungen, die durch Konvektionsstromungen keineswegs ausgeglichen werden. Das zeigen die Unter- suchungen von y. Bauschinger '). Der Munchner Meridian- saal ist 4 ni hoch und hat einen I m breiten von Horizont zu Horizont reichenden Spalt. Die Temperatur des Innen- raums bleibt hier auch bei dauernder Offnung des Spaltes im Saal 1O-z' warmer als draufien. Die Isothermalflachen sind im Saal gegen den Horizont um zoo geneigt. Von grother Bedeutung ist, dafl die Lange des Wegcs, den der Lichtstrahl in einem Beobachtungsraum von rechteckigeni Querschnitt zurucklegen mu& ehe er in die freie Atmosphare eintreten kann, wegen der Begrenzung des Raumes yon der Zenitdistanz abhangt und dafl er ferner, je nach Breite des Spaltes, in mehr oder minder grof3er Entfernung von den Spaltwanden einen Raum passieren mu& der therrnisch wieder ein vollig anderes Bild zeigen kann als der ini Beobach- tungshause eingeschlossene Luftraum. Die Erkenntnis aller dieser Verhaltnisse fuhrte Bauschinger zu der zweifellos berechtigten Forderung, daO zvollig einwandfreie absolute Systeme ganz in freier Luft beobachtet werden mussen.(( In neuerer Zeit hat man den Versuch gemacht, Beob- achtungsraume von halbkreisformigem Querschnitt zu erbauen, um gesundere thermische Verhaltnisse zu schaffen, meines Wissens zuerst in1 Geodatischen Institut zu Potsdam. Diese Hauser bestehen aus einer doppelwandigen Wellblechkoii- struktion, die aus zwei symnietrischen Teilen zusammen- gesetzt ist. Zur Beobachtung konnen beide Teile seitlich weggeschoben werden, sodaD ein Spalt von 0.94 m Breite entsteht. Um einen moglichst grundlichen Temperaturaus- gleich zu ermoglichen, sind sowohl unten wie auch oben an der Bedachung Offnungen angebracht, die der Luft freien Ein- und Austritt in den Zwischenrauni der Wellblechwande gestatten. In der Erwartung, dafl diese Einrichtung aus- reichen werde, um keine erhebliche Differenz zwischen innerer und auOerer Temperatur aufkommen zu lassen, hatte man statt eines einzigen zentrischen Pfeilers, wie ursprunglich beabsichtigt, deren zwei aufgestellt, die nun naturlich exzen- trisch lagen. Trotz aller Vorsichtsmaflregeln ergaben sich jedoch Teniperaturunterschiede zwischen der inneren und auOeren Luft von IO-ZO, und fernerhin zeigte eine auf dem exzentrischen Pfeiler ausgefuhrte Polhohenbestimmung einen erheblichen Unterschied gegen andere Bestimmungen. Wel- mert z, konnte zeigen, dat3 hierfur lediglich die Saalrefraktion verantwortlich zu machen sei. Fur eine Temperaturdifferenz ti-& = +IO und aus zenitnahen Sternen ergab sich rech- nungsgeniafl bei einer Breitenbestimmung auf dem Sudpfeiler dy = -0!'r5 und auf dem Nordpfeiler d y = for15 in naher Ubereinstiinmung mit den Beobachtungen. Als groaten Betrag der Saalrefraktion fand Welnzert den Wert 5'. I/(ti-tu), wenn der Lichtstrahl parallel zur Begrenzungsflache des Daches ein- oder austritt. Hierzu bemerkt Hehzert: )) Dieser Maximalwert wird kaum jemals eintreten, abgesehen von ganz besonderen kunstlichen Verhaltnissen. Iinmerhin weist er darauf hin, daO unter Umstanden eine kleine Temperatur- differenz recht wirksam werden kann. Ein solcher Fall ware z. B. gegeben durch eine breite einseitige Klappe oder eine Wand, langs welcher der Lichtstrahl liefe.(( Wie wir spater sehen werden, kommen solche Falle vor und liefern, wie nicht anders zu erwarten, nicht unbetrachtliche Saalrefraktionen. Auch anderweit sind Unsymmetrien im Beobachtungs- raume als Quelle von Unstimmigkeiten in Beobachtungsreihen erkannt worden; hierher gehoren die zwischen 1890-96 von Ehrenfeucht in Warschau nach dem Verfahren von Lewitzky ausgefuhrten Polhohenbestimmungen. Das Instrument stand hier zwar in der Mitte des runden Beobachtungsraumes, doch wurde wahrend der Beobachtungen ein Fenster auf der Sud- seite des Raumes dauernd offen gehalten. Unter diesen Uin- standen kann es naturlich nicht wundernehmen, wenn sich in dieser Reihe Abweichungen systeniatischen Charakters im Betrage von or3-0!'4 von anderweitigen Bestimmungen zeigen '). ') Untersuchungen iiber die astronomische Refraktion. Neue Annalen der K. Sternwarte in Munchen Bd. 111, 2. ') F. K. HeZvwt, Die Zixnmerrefraktion. Die Polhohe von Potsdam. I. Heft. Veroffentlichungen des Kgl. Preui3. Geodatischen Instituts. ') 7%. AZhwht, Rericht iiber den gegenwartigen Stand der Erforschung der Breitenvariation. Lausanne 1896. Berlin 1898. 17

Über die Bedeutung der Saalrefraktion für Polhöhenbestimmungen

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Page 1: Über die Bedeutung der Saalrefraktion für Polhöhenbestimmungen

ASTRON OM IS CHE NACHRICHTEN. Band 201. Nr. 4811. 11.

Uber die Bedeutung der Saalrefraktion fur Polhohenbestimmungen. Von E. PrzybyZZoR. (Mit Tafel 4.)

Es ist aus der Theorie der astronomischen Refraktion zur Genuge bekannt, daO der Betrag der Brechung des Licht- strahls im wesentlichen abhangt von den Dichtigkeitsverhalt- nissen in den untersten Luftschichten, also denen dicht iiber deni Objektiv. Man wird daher beim Bau eines Beobach- tungshauses darauf zu achten haben, dat3 ein moglichst rascher und gleichformiger Ausgleich zwischen der freien Atmosphare und dem Innenraum stattfinden kann, wenn man etwa aus praktischen Grunden doch darauf verzichten muO, das In- strument sozusagen im Freien aufzustellen. Das konnte da- durch erreicht werden, daO das Beobachtungshaus lediglich als Schutzdach dient und wahrend der Beobachtung ganz- lich zur Seite gefahren wird. Bei kleineren Instrumenten ist dies gelegentlich auch geschehen, so z. B. hat das ge- brochene Passageninstrument des Astronomischen Instituts auf dem Konigstuhl bei Heidelberg eine derartige Aufstel- lung erfahren. Die alteren Reobachtungsraume von recht- eckigem Querschnitt und groOer Hohe entsprechen in keiner Weise den Anforderungen, die man bezuglich der grund- lichen Durchluftung a n sie stellen miifite, selbst wenn sie einen noch so groflen Spalt haben. Die Luftmassen, die in ihnen zuruckgehalten werden, bewirken wegen der intensiven Bestrahlung der siidlichen Gebaudewande (Nordhalbkugel) Temperaturschichtungen, die durch Konvektionsstromungen keineswegs ausgeglichen werden. Das zeigen die Unter- suchungen von y. Bauschinger '). Der Munchner Meridian- saal ist 4 ni hoch und hat einen I m breiten von Horizont zu Horizont reichenden Spalt. Die Temperatur des Innen- raums bleibt hier auch bei dauernder Offnung des Spaltes im Saal 1 O - z ' warmer als draufien. Die Isothermalflachen sind im Saal gegen den Horizont um zoo geneigt. Von grother Bedeutung ist, dafl die Lange des Wegcs, den der Lichtstrahl in einem Beobachtungsraum von rechteckigeni Querschnitt zurucklegen mu& ehe er in die freie Atmosphare eintreten kann, wegen der Begrenzung des Raumes yon der Zenitdistanz abhangt und dafl e r ferner, je nach Breite des Spaltes, in mehr oder minder grof3er Entfernung von den Spaltwanden einen Raum passieren mu& der therrnisch wieder ein vollig anderes Bild zeigen kann als der ini Beobach- tungshause eingeschlossene Luftraum. Die Erkenntnis aller dieser Verhaltnisse fuhrte Bauschinger zu der zweifellos berechtigten Forderung, daO zvollig einwandfreie absolute Systeme ganz in freier Luft beobachtet werden mussen.((

In neuerer Zeit hat man den Versuch gemacht, Beob- achtungsraume von halbkreisformigem Querschnitt zu erbauen, um gesundere thermische Verhaltnisse zu schaffen, meines Wissens zuerst in1 Geodatischen Institut zu Potsdam. Diese

Hauser bestehen aus einer doppelwandigen Wellblechkoii- struktion, die aus zwei symnietrischen Teilen zusammen- gesetzt ist. Zur Beobachtung konnen beide Teile seitlich weggeschoben werden, sodaD ein Spalt von 0.94 m Breite entsteht. U m einen moglichst grundlichen Temperaturaus- gleich zu ermoglichen, sind sowohl unten wie auch oben an der Bedachung Offnungen angebracht, die der Luft freien Ein- und Austritt in den Zwischenrauni der Wellblechwande gestatten. I n der Erwartung, dafl diese Einrichtung aus- reichen werde, um keine erhebliche Differenz zwischen innerer und auOerer Temperatur aufkommen zu lassen, hatte man statt eines einzigen zentrischen Pfeilers, wie ursprunglich beabsichtigt, deren zwei aufgestellt, die nun naturlich exzen- trisch lagen. Trotz aller Vorsichtsmaflregeln ergaben sich jedoch Teniperaturunterschiede zwischen der inneren und auOeren Luft von IO-ZO, und fernerhin zeigte eine auf dem exzentrischen Pfeiler ausgefuhrte Polhohenbestimmung einen erheblichen Unterschied gegen andere Bestimmungen. Wel- mert z , konnte zeigen, dat3 hierfur lediglich die Saalrefraktion verantwortlich zu machen sei. Fur eine Temperaturdifferenz ti-& = + I O und aus zenitnahen Sternen ergab sich rech- nungsgeniafl bei einer Breitenbestimmung auf dem Sudpfeiler d y = -0!'r5 und auf dem Nordpfeiler d y = f o r 1 5 in naher Ubereinstiinmung mit den Beobachtungen. Als groaten Betrag der Saalrefraktion fand Welnzert den Wert 5'. I/(ti-tu), wenn der Lichtstrahl parallel zur Begrenzungsflache des Daches ein- oder austritt. Hierzu bemerkt Hehzert: )) Dieser Maximalwert wird kaum jemals eintreten, abgesehen von ganz besonderen kunstlichen Verhaltnissen. Iinmerhin weist er darauf hin, daO unter Umstanden eine kleine Temperatur- differenz recht wirksam werden kann. Ein solcher Fall ware z. B. gegeben durch eine breite einseitige Klappe oder eine Wand, langs welcher der Lichtstrahl liefe.(( Wie wir spater sehen werden, kommen solche Falle vor und liefern, wie nicht anders zu erwarten, nicht unbetrachtliche Saalrefraktionen.

Auch anderweit sind Unsymmetrien im Beobachtungs- raume als Quelle von Unstimmigkeiten in Beobachtungsreihen erkannt worden; hierher gehoren die zwischen 1890-96 von Ehrenfeucht in Warschau nach dem Verfahren von Lewitzky ausgefuhrten Polhohenbestimmungen. Das Instrument stand hier zwar in der Mitte des runden Beobachtungsraumes, doch wurde wahrend der Beobachtungen ein Fenster auf der Sud- seite des Raumes dauernd offen gehalten. Unter diesen Uin- standen kann es naturlich nicht wundernehmen, wenn sich in dieser Reihe Abweichungen systeniatischen Charakters im Betrage von or3-0!'4 von anderweitigen Bestimmungen zeigen ').

') Untersuchungen iiber die astronomische Refraktion. Neue Annalen der K. Sternwarte in Munchen Bd. 111, 2. ') F. K . HeZvwt, Die Zixnmerrefraktion. Die Polhohe von Potsdam. I. Heft. Veroffentlichungen des Kgl. Preui3. Geodatischen Instituts.

') 7%. AZhwht, Rericht iiber den gegenwartigen Stand der Erforschung der Breitenvariation. Lausanne 1896. Berlin 1898.

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Ein anderer Fall zeigt den EinfluO von Lampen im Beobachtungsraum. In den Jahren 1896 und 1897 wurden in1 Geodatischen Institut zu Potsdam neben visuellen Breiten- bestimmungen gleichzeitig auch solche mittelst eines photo- graphischen Zenitteleskopes unternommen. Bei den zwei photographischen Reihen stand sudlich des Instrumentes am Schreibpult eine kleine Dunkelkammerlampe, die durch Er- warmung der sudlichen Luftmassen eine scheinbare Ver- grol3erung der photographisch erlangten Breiten bewirken konnte. I n der T a t ergab sich auch zwischen der visuellen und den beiden photographischen Keihen eine systematische Polhohendifferenz von O Y I I im geforderten Sinne ’).

Auch die nahere Umgebung des Beobachtungsgebaudes kann eine ungleichformige Dichteverteilung der Luftniassen hervorrufen. Beispiele dieser Art sind mehrfach bekannt geworden; ich weise hier auf die Unterschiede in den Pol- hohen von Potsdam und Berlin hin, auf die Schnauder auf- merksam gemacht hat ’). Es ergaben sich hier Differenzen, die einen ausgesprochenen Gang nach der Jahreszeit zeigten. Die Beobachtungsstation in Berlin war mehrere Kilometer weit rings von Hausern umschlossen, wahrend die Station in Potsdam auf einem Hohenrucken mitten in bewaldeter Umgebung lag.

Besonders lehrreich ist in dieser Beziehung ein auf der Wiener Sternwarte beobachtetes Beispiel 3), Der a n und fur s ich einwandfreie Beobachtungsraum war hier an die Ost- mauer der Ostkuppel angelehnt, die ihn a n Hohe weit uber- ragte, wahrend im Osten des Beobachtungshauses das dichte Gebusch des Gartens angrenzt. Infolge dieser Verhaltnisse wird einTLuftausgleich zwischen Norden und Siiden erschwert. Die beobachteten Breiten zeigten denn auch einen recht erheblichen jahreszeitlichen Gang. Eine unmittelbare und eindeutige Erklarung dieses Ganges ist aber nicht ohne weiteres moglich ; die auftretenden Schichtenneigungen werden einen abendlichen Gang haben, deren EinfluD auf die Pol- hohen infolge der Verknupfung der einzelnen Gruppen nach der Kettenmethode nicht ohne weiteres zu iibersehen ist, da man sich uber die meteorologischen Verhaltnisse im einzelnen kaum wird Klarheit verschaffen konnen.

Weit gefahrlicher als auf Meridianbeobachtungen kann die Saalrefraktion auf Beobachtungen im Ersten Vertikal wirken. Es sind hier a priori zwei Einwirkungen moglich. Einmal wird durch die Sonnenstrahlung, die vornehmlich die nordliche Seite des Spaltes trifft (Nordhalbkugel), im Raunie des Spaltes eine ungleich erwarmte Luftmasse erzeugt. Der Lichtstrahl, der diese Luftmasse durchlauft, wird, wie leicht ersichtlich, nach Norden abgeIenkt werden, die beobachtete Polhohe wird dann zu klein ausfallen. Wir haben hier den Fall vor uns, den in obigem Zitat Nelmert erwahnt. Der Betrag der Ablenkung des Lichtstrahles wird je nach Breite des Spaltes und Dicke des Daches sehr verschieden ausfallen konnen. I n jedem einzelnen Falle wird die Saalrefraktion eine Funktion von Azimut und Zenitdistanz der Sonne sein und zwar ist, was die Abhangigkeit von letzterem Argumente anhelangt, zu erwarten, daO mit wachsender Hohe der Sonne

der Betrag der Saalrefraktion zunachst ebenfalls wachsen wird bis zu einer gewissen mittleren Hohe der Sonne, von da a b wird er wieder abnehmen und verschwinden, wenn die Sonne im Zenit stehen wurde. I n geringerem Grade werden sich die Einflusse bemerkbar machen, die von einer ungleichmafligen Erwarniung .der im Beobachtungsraume ein- geschlossenen Luftmassen herriihren, ihre Wirkung auf den Lichtstrahl wird aber entgegengesetzt der zuerst erwihnten Ursache sein mussen, also bei Tagbeobachtungen zu groae Polhohen ergeben. Bei den alteren Vertikalsalen, ,d ie teil- weise aus massivem Mauerwerk aufgefuhrt sind und sich durch groOe H o h e und engen Spalt auszeichnen, wird die erste Ursache, d ie Sonnenstrahlung auf den Spalt, die zweite Ursache wohl . iiberwiegen.

U m nachzuprufen, o b solche Saalrefraktionen in Ver- tikalsalen nierkliche Betrage erreichen konnen, habe ich einige Reihen daraufhin untersucht. Vollstandigkeit wollte ich in dieser Beziehung nicht erreichen, die angefuhrten Beispiele werden im ubrigen genugen. Zu diesem Behufe habe ich die aus den Beobachtungen je eines Sterns folgenden Kor- rektionen der Polhohe Alp nach mittleren Tagesstunden der Beobachtung geordnet, die dies& Zeit entsprechende Hohe der Sonne berechnet und die Arp zu geeigneten Mittelwerten zusammengefaOt. Die Asp beziehen sich zum Teil auf die mittlere Polhohe, Zuni Teil auf die momentane, je nachdem es moglich war, die Breitenschwankungen zu beriicksichtigen oder nicht. Ich bemerke noch, daO die angefuhrten Alp als Zahlenwerte a n sich keine Bedeutung haben, da ich inir keinerlei Muhe gegeben habe, die von den Beobachtern be- nutzten Deklinationen der Sterne zu verbessern.

Zunachst betrachte ich die klassische Reihe von W” Struve zu Pulkowo4) und zwar werde ich die unmittelbar beobachteten Werte benutzen, die mit der Aberrationskon- stante 201’50 berechnet worden sind, einem Werte, der nach eigenen nicht veroffentlichten Untersuchungen dem wahr- scheinlichsten Werte der Aberrationskonstante sehr nahe komnit. (Bekanntlich hat W. Struve aus dieser seiner Keihe Verbesserungen der Aberrationskonstante’ von - or06 und -0Or04 abgeleitet.) Der Vertikalsaal in Pulkowo ist 7 m hoch, die beiden Spalte je 51 cm breit. W. Stpuve bemerkt (p. 230): ))@ant a la direction d u rayon de lumiere a son entree dans l’objectiv, j’ai tbche d’aneantir par un aerage prealable et complet, toute deviation laterale, possible peut- &re a l’endroit oil il passe dans I’interieur de la salle d’ob- servation.(( Trotzdem niuO W; Strum zum mindesten den Verdacht geschopft haben, dal3 sich Saalrefraktion bemerkbar machen konnte und die Ursache auch richtig erkannt haben, denn er lie6 gegen Ende 1842 auf dem Dache des Ge- baudes einen Sonnenschirm von genugender Hohe aufstellen, der die Spalte vor direkter Bestrahlung durch die Sonne schutzte. Welchen Erfolg diese Maaregel gehabt hat, werden wir spater sehen. Die Breitenschwankungen konnten hier keine Berucksichtigung finden, allein nach allem, was wir durch Chandler’s’ und Hakhuyzen’s Untersuchungen wissen, sind sie um diese Zeit von geringer Amplitude gewesen. Im

I) Verhandlungen der I 2 . Allgemeinen Konferenz der Internationalen Erdmessung. 1899, p. 240. ’) Die Polhohe von Potsdam, Heft 3, p. 43. Veroffentlichungen des Kgl. Preui3. Geod%tischen Instituts. Neue Folge, Nr. 40. “) A. Prey, Die Polhahe yon Wien. Neue Annalen der k. k. Sternwarte in Wien. Bd. 19. ’) Sur le coefficient constant dans l’aberration des 6toiles fixes etc. 1843.

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6 Cass iope iae . M. z. Acp n h

oh3 +or963 (10) 37" 0 . 7 fO.774 (10) 33 2.6 4 0 . 8 7 5 (10) 17 2.9 +0 .828 (10) 14 4.5 +0.868 (10) -

folgenden sind die Mittelwerte der d y wiedergegeben samt den mittleren Tagesstunden der Beobachtung, n bedeutet die Zahl der zu einem Mittel vereinigten Beobachtungen, h die entsprechende Hohe der Sonne, wenn sie uberhaupt uber dem Horizonte war: die Nachtstunden sind durch einen

M . 2. Acp n h

5h3 +or756 (10) -

5 .5 +o.751 (10) -- 9.1 +0.560 (10) - 10.8 +0 .758 (10) - 12.3 +0.765 (10) - 12.8 +0.783 (10) -

Strich gekennzeichnet :

,.d Cass iope iae . M:Z. Acp 72 h 3h2 + O r 5 0 7 (3) 5" 4.6 +0.583 (3) - 5.9 t o . 5 8 3 (3) - 8.4 t o . 7 1 5 (4) -

10.6 +0.828 (6) - 18.3 +0.582 (5 ) 2 2

'9.5 t o . 6 1 9 ( 7 ) 30 2 2 . 5 +0.340 (3) 34 23.8 +0.447 (3) 30

6 Cass iope iae . 1.3 -0.o02 (4) 29 4.1 + 0 . 0 7 0 (3) 2

5.8 +0.036 (5 ) - 8.2 +o.174 (5) -

10.8 +o.410 (3) - 11.8 +o.410 (6) -

18.7 +0.328 (4) 24 19.4 +0.170 (5) 31 20 .7 - 0 . 0 2 3 (3) 39 22.4 -0.393 ( 3 ) 43

5.4 -0.477 (15) 2 2

9.1 - 0 . 5 2 2 ( 5 ) - '3.4 --0.436 (5) -

23.8 -0.240 ( 2 ) 40

v U r s a e maj.

6.5 -0.462 (14) 1 0

7.3 -0 .402 (14) 2

15.6 -0.623 (3) -

M. Z. I 9h2 20.6 21.6

0.6 5.4 6.5 7.6

I 1.5 I 5.8 18.0 21.5

5.6 6. I 7.6 8.2

'7.3

10.0

4.2 5.4 6.3

11.1

16.2 17.4 19.5 23.7

Acp R

-001'440 (10)

-0.472 (5 ) -0.317 (6)

-0.024 (5) 1 Dracon i s .

-0,044 ( 1 2 )

-0.025 (13) -0.063 (6) +O.OOZ (4) +0.058 (9) -0.174 (5 ) - 0 . 0 2 2 (4) -0.130 (3)

- 0 . 2 5 2 (4) -0.067 ( 7 ) -0.230 ( 2 )

--0.138 (6) -0.130 (5 ) o Dracon i s .

-0.238 (4) -0.254 ( 7 ) -0.390 (6)

-0.420 (3)

-0.513 (3) -0.386 (5)

39 b Dracon i s .

-0.248 (6)

-0.'455 ( 8 )

M. 2.

17.0 1 7 . 1

19.9

23.6

I3h9

2 0 . 0

0.6 5.6 6.0 6.4 7.8 8.0 8.9 10.0

10.7 11.8 19.2

2 1.6 20. I

Acp n

+0!'712 (10)

+0.744 (10)

+0.737 (10)

+0.743 (10)

+0.808 (10)

+0.399 ( 7 )

+0.347 (10)

+0*495 ( 7 ) + o . z r s (9) +0.385 (10)

+0.343 (10) +0.309 (6)

+0.357 ( 7 )

+ 0 . 7 1 7 (10)

v U r s a e maj. +0.284 (10)

fo.216 (8)

+0.330 ( 1 0 )

+0.360 ( 1 0 )

t o . 3 0 6 (6)

M. Z.

1h3 3.4 3.6 5.0 5.' 5.4 8 . I 8.5 10.0

10.0

I 1.5 I 1.5 12.3 12.8 13.9 15.1 16.9 23.0

6 Dracon i s . Acp n h

+Or257 (9) 16" fo.354 (9) 2 0

fo .332 (9) 18 +o.z93 (10) 16 +o.170 (10) 16 +0 .282 (9) 16 +0.208 (10) 5 +0.293 (10) 4 + 0 . 2 5 2 (10) -

+0.218 (10) - +0.352 (10) - t o . 4 3 8 (10) - + 0 . 2 2 2 (10) - +0.324 (10) - t - 0 . 2 5 0 (10) - t o . 4 3 4 (9) 8

+0.247 (I07 - + 0 . ~ 6 0 (10) -

In Washington ist CL Lyrae Iangere Zeit hindurch im Ersten Vertikal beobachtet worden. Benutzt sind funfjahrige Monatsmittel, die von Newcomb veroffentlicht worden sind '). Die d y beziehen sich auf die Momentanbreiten, indessen durfte ein Teil der Polhohenschwankung, wenigstens soweit er von der Chaizdlerschen Bewegung abhangt, durch die uber funf Jahre gebildeten Mittel eliinihiert sein ; die jahriiche Be- wegung fallt naturlich nicht heraus.

M. z. Acp h

I ~ I -0Y34 25'

3.0 -0.29 16 5 .1 -0.15 3 7.0 -0.10 - 9.1 -0.14 --

11.1 - 0 . 2 1 -

M. Z. AcP h

13h1 - O ! ' Z ~ - 15 .1 -0.18 --

1 7 . 1 -0.11 -

19.1 -0.14 3O 2 1 . 0 --0 28 2 1

23.0 -0.43 2 8

In Christiania sind wahrend der Jahre 19 10-1 I von Geelmuyden ') an einem kleinen Passageninstrument von 7 cm jffnung und 8s cm Brennweite Beobachtungen von 6 Cassiop. m Ersten Vertikal angestellt worden. Uber den Beobach- :ungsraum wird folgendes initgeteilt : )) Les circonstances :xterieures sont peu favorables. Le pavillon contenant l'in- jtruinent est situe au c6te Est de la niaison de I'observatoire, iu Sud de la Lunette Meridienne. ,4 I'Est, l'horizon est :ache par les toits et les cheminees des maisons voisines a me distance de 30-40 metres. Avec le soleil sur l'horizon, jurtout a 1'Est du ineridien, l'air n'etait presque jamais assez xir pour rendre I'etoile observable.<<

Die mitgeteilten A y sind auf die mittlere Polhohe be- cogen und zwar sind zur Reduktion die definitiven x, y , z ienutzt worden, wie sie im Bd. 5 der Kesultate des Inter- iationalen Breitendienstes veroffentlicht werden sollen.

I) Publications de l'observatoire Central Nicolas. SCrie 11, vol. 10. ') Bericht iiber den Stand der Erforschung der Breitenvariation im Dezember 1897. Dasselbe am Schlusse des Jahres 1898. ") S. Newcomb, On the periodic variation of latitude and the observations with the Washington prime-vertical transit. Astr. Journ.Bd. XI, p.81. *) Publications de I'observatoire Central Nicolas. S&ie 11, vol. 18, VI.

17'

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481 I 216

M.Z. A-g I I h

1h4 -toy688 ( 1 2 ) 28' 3.1 +0.678 (5) 14 5.3 +0.301 (10)

-

5.8 +o.z68 (8) -

10.1 +0.365 (6) - 7 . 5 +0.244 ( 7 ) -

M.Z. ACQ n h

1oh5 +or543 (6) - 11.6 +0.274 ( 7 ) - 12.8 +0.619 (9) - 14.5 +0.487 ( 7 ) - 1 5 . 2 +0 .208 (10) - 1 7 . 1 +0.349 (10) -

Auf dem Pino Torinese bei Turin l) sind wahrend der Jahre 19 I 2-1 3 die Sterne #? Aurigae, Ursae majoris, a und 6 Cygni im Ersten Vertikal mit einem gebrochenen Passagen- instrument von Bamberg ron 1 0 cm Offnung und IOO cm Brennweite beobachtet worden. Das Beobachtungsgebaude ist in Mauerwerk aufgefuhrt, der Saal hat 'eine Hohe von 3.50 m und einen Spalt von I m Breite. Auch hier sind die Asp mit den definitiven x, y , z , wie oben, auf die mittlere Polhohe bezogen worden. Beobachter waren Prof. Boccardi und Dr. ChdZz'.

M.Z. AT n h a Cygn i .

Oh9 --!'I99 (10) 23' 2.4 t 0 . 0 4 4 (10) 14 2 . 7 +0.034 (13) 1 2

3.8 +0.138 (10) 3 4.7 -1-0.104 (10)

-- 6.1 +0.240 ( l o ) -

7.1 +0.266 (10) -

9.1 +o.z89 (10) -

1 1 . 2 +0.336 (10) - 12.8 +0.284 (10) -

14.6 +0.319 (10) -

16.3 +o.310 (10) -

19.4 t o . 1 6 3 (10) 10

2 2 . 3 -0.297 (10) 30

q U r s a e niaj.

17.6 +0.309 ( 1 0 ) 5

5.8 +0.438 7.4 +0.621 8.7 +0.357

1 0 . 2 +0.449 1 2 . 0 +0.456 1 3 . 1 +0.361 14.1 +0.619 15.5 t o . 3 8 7 16.8 +0.333 16.9 c 0 . 2 4 8 17.9 + 0 . 2 7 0 19.2 +0.441 21.6 f o . 1 2 2

1 2 ) I9 11)

-

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1 0 ) -

10) -

10) -

1 0 ) -

10). -

( 7 ) - 10) -

10) -

10) -

10) 29

M. Z. 2 h3 3.4 4.8 6.2 7.8 9.3

10.9 12.3 14.1 1 5 . 2

16.6 18.3 22.6

4.5 6.7 7.7 8.6

11.6

13.3 14.6 16.6 18.7

. 2 0 . 8

10.0

1 2 . 0

6 Cygni . 72 h

--Yo34 (13) 14' -0 .002 (10) 7 --0.086 ( 1 0 ) -

+0.094 (10) -

+0.116 (10) -

+0.081 (10) -

+ 0 . 2 5 7 (10) - +0.235 (10) - +0.150 ( 1 0 ) -

+0.056 (10) 10

-0.244 (10) 26

+0.160 (10) -

t o . 0 6 5 (10) -

B A u r i g a e . +0.088 (9) 2 2

+0.419 (10) -

+0.056 (10 ) - t o . 1 7 1 (10) -

+o.z80 (10) -

+o.r59 (10) - + O . T O I ( 7 ) -- + 0 . 1 2 2 (9) -

+0.144 (9) -

+o.134 (10) I 1

+o.z78 (10) -

+0 .126 (10) 40

Uberliest man aufmerksam diese mitgeteilten Zahlen- reihen, so erkennt man in einigen von ihnen einen ausge- sprochenen Gang nach der Tageszeit und zwar in dem Sinne, daO am Tage zu kleine Polhohen beobachtet worden sind. Das wurde der durch Strahlung auf den Spalt herruhrenden Wirkung entsprechen. Einen besseren Einblick in die Ver- haltnisse erhalten wir durch eine entsprechende graphische Darstellung. Die Ay sind daher auf der beigegebenen Tafel

dargesteilt und die einzelnen Punkte durch gebrochene Linienzuge verbunden worden. Dabei ist mit N diejenige Hohe der Sonne bezeichnet worden, die diese haben wiirde, wenn sie zu gleicher Zeit mit dem Stern kulminiert. Wir ersehen aus dieser Darstellung, daO die Beobachtungen in Turin, in Washington und die alteren Beobachtungen in Pulkowo das gleiche Verhalten zeigen. Wie ich oben er- wahnt habe, sind die alteren Reobachtungen in Pulkowo (bis 1842) noch ohne den Sonnenschirm auf dem Dache angestellt, die jungeren hingegen mit dem Sonnenschirm. Vergleichen wir die beiden Kurven von 6 Cassiopeiae; in der ersten zeigt sich ein ganz betrachtlicher Gang nach der Tageszeit, in der jiingeren Reihe ist dieser Gang verschwunden, eher ein Gang in umgekehrtem Sinne angedeutet. Damit ist aber klar und deutlich erwiesen, daO die Ursache dieses Ganges Saalrefraktion ist, die durch Strahlung der Sonne auf den Spalt hervorgerufen wird. Und daO unter solchen Verhaltnissen recht starke Saalrefraktionen auftreten konnen, darauf hat, wie wir oben gesehen haben, Nelmert bereits hingewiesen. Wir konnen indessen noch mehr aus den Kurven ersehen. Die vier Sterne, die in Turin beobachtet worden sind, zeigen deutlich, ;vie mit zunehmender Hohe der Sonne der Betrag der Saalrefraktion abnimmt. Ebenso lassen die Sterne der alteren Reihe in Pulkowo erkennen, daO bei sehr niedrigen Sonnenhohen die Saalrefraktion sehr gering ist, init zunehmender Hohe auch ansteigt. v Urs. maj. scheint sich dem Gesetze nicht fugen zu wollen, indessen ist dieser Stern bis in die Mittagstunden nicht verfolgt worden wegen seiner geringen Helligkeit, die Beobachtungen in den Morgen- und Abendstunden durften aus diesem Grunde auch erheblich unsicherer sein als die der ubrigen heileren Sterne. Die Kurve in Washington zeigt ebenfalls das von der Theorie geforderte Verhalten ; daO hier die Erscheinung deutlicher zutage tritt, als bei allen anderen Kurven, liegt daran, daO hier fiinfjahrige , Reobachtungen zu einem Mittel vereinigt sind. Die Einsattlung der Kurve uni Mitternacht ruhrt yon der inerklichen Parallaxe von CL Lyrae her, die zu or18 an- genommen werden kann. Es scheint mir, daO es vielleicht nicht ganz ausgeschlossen ist, alle .diese Reobachtungen rechnerisch von der Wirkung der Saalrefraktion zu befreien. Dan in Christiania nicht ebenfalls eine ahnliche Saalrefraktioii auftritt, will nicht allzuviel besagen. An und fur sich scheinen dort die Beobachtungsumstande ungunstig zu sein, dazu konimt, daO die Beobachtungen wegen des erheblich kleineren Instrumentes von minderer Genauigkeit sind. Vor allem aber mussen wir uns daran erinnern, daO neben der Strahlung der Sonne auf den Spalt auch eine Temperaturschichtung im Beobachtungsraume ebenfalls eine Saalrefraktion erzeugt, die von entgegengesetzter Wirkung ist. Unter Umstanden ware der Fall denkbar, dat3 beide Ursachen sich grade aufheben. Bei der jiingeren Reihe in Pulkowo deuten die Kurven, die etwas konkav nach oben verlaufen, eine solche Saalrefraktion aus Temperaturschichtung an, doch ist dieser SchluO sehr unsicher. IIaO der Beobachtungsraum in Pulkowo bezuglich der Temperaturverteilung nicht einwandfrei ist, daruber rnacht Nyrh z, einige Angaben, die indessen nicht ausreichend sind, um weitere Schliisse zu ziehen.

') La variazione delle latitudini e le osservazioni di Pino Torinese. Kom 1914, *) Publications de l'observatoire Central Nicolas. Serie 11, vol. X, p. (IS).

Page 5: Über die Bedeutung der Saalrefraktion für Polhöhenbestimmungen

Astronom. Nachrichten Bd. 201. Tafel 4.

Przybyl tion.

* * * * *

Page 6: Über die Bedeutung der Saalrefraktion für Polhöhenbestimmungen

217 481 I 2 1 8

Aus alledem foIgt zunachst eins, eine Bestatigung der oben von Bauschinger ausgesprochenen Ansicht, wirklich ein- wandfreie Beobachtungen konnen eben nur dann erlangt werden, wenn die Beobachtungen in der freien Atmosphare angestellt werden, d. h. mindestens muO das Objektiv des Fernrohrs dem EinfluD der im Beobachtungsraum einge- schlossenen Luft entzogen werden und gleichzeitig mussen alle Strahlungseinflusse sorgfaltig vermieden werden. Das ist meines Erachtens auch zu erreichen. Die neue Meridiankreis- anlage in Kiel scheint mir diesen Forderungen zu entsprechen, ob sie es wirklich tiin wird, konnen naturlich nur die Be- obachtungsergebnisse entscheiden.

Es muO demnach als erwiesen gelten, daO auch in den meisten Beobachtungsreihen, die im Ersten Vertikal an- gestellt worden sind, sich starke Saalrefraktionen bemerkbar machen, welche die Beobachtungen um Betrage bis zu einer halben Bogensekunde verfalschen. DaO aus solchen Reihen einwandfreie Werte z. B. der Aberrationskonstante abgeleitet werden konnen, muO fuglich bezweifelt werden, wenn nicht wenigstens der Versuch geinacht wird, die Wirkung der Saal- refraktion rechnerisch zu eliminieren. Auch andere Schliisse muDte ich ablehnen. Tatsachlich sind solche Schlusse aber gezogen worden. So stutzt sich Schumaanl) auf die Reihe von W. Strave und konstruiert aus diesen Beobachtungen tagliche Polhohenschwankungen. Ganz abgesehen davon, da& Beobachtungen auf einem einzigen Punkte der Erde iiber- haupt nicht ausreichen, um aus ihnen einen SchluO auf die

Potsdam, Geodatisches Institut, I 9 I 5 April.

Bewegung der Erdachse zu machen, ist es nunmehr ein- leuchtend , daO diese angeblichen Polhohenschwankungen nichts anderes als den Effekt der Saalrefraktion vorstellen. Es ist ja uberhaupt verwunderlich, daO diese taglichen Pol- hohenschwankungen sich in den funfzehnjahrigen Beobach- tungen auf den sechs Stationen des Internationalen Breiten- dienstes nicht verraten wollen (allerdings ist hier bei der Konstruktion der Beobachtungshauser rnit Sorgfalt darauf geachtet worden, solche systematisch wirkende Fehlerquellen zu vermeiden). Noch verwuuderlicher ist, daO jetzt in Pul- kowo tagliche Polhohenschwankungen nicht mehr auftreten, wahrend sie sich vor einem halben Jahrhundert gezeigt hatten. Die Beobachtungen von d Cassiopeiae am groOen Zenit- teleskop in Pulkowo, die sich, wie bekannt, uber alle Tages- zeiten erstrecken, in Verbindung rnit den gleichzeitigen Be- obachtungen nach der Kettenmethode reichen vollig aus, um uber die Existenz solcher kurzperiodischen Breitenschwan- kungen zu entscheiden. Fur die Existenz von taglichen Pol- hohenschwankungen ist meines Erachtens nicht der Schatten eines Beweises erbracht, wahrend BonsdorJPZ) in der Dis- kussion der Pulkowoer Beobachtungen den klaren Beweis gefuhrt hat, dat3 Polhohenschwankungen von taglicher oder nahezu taglicher Periode und von nieObarem Betrage nicht existieren. Es ist kaum notig zu bemerken, dat3 auch die Theorie der Drehung der Erde keinen Anhalt fur die Existenz freier Schwingungen von taglicher Periode bietet.

E. Przybyllok.

') X. Schumaizn, Nurnerische Untersuchungen uber Polhohenschwankung und Aberrationskonstante. Kiel 1906. Gezeitenerscheinungen in den Schwankungen der Stationspolhohen. Wien 1913.

') 7. Ronsn'or~, Uber das z-Glied der Polbewegung. Mitteilungen der Nikolai-Hauptsternwarte zu Pulkowo 3.33.

K . Schumann, Uber

Beobachtung der Sonnenfinsternis 19 14 Aug. 2 1 am 6-zol l . R e p s o l d s c h e n H e l i o m e t e r d e r L e i p z i g e r S t e r n w a r t e von H. Naumnnn.

Am Heliometer habe ich unter Beihilfe von Frl. Kuschel zur Zeit der groOten Phase Positionswinkel der Hornerspitzen gemessen. Dabei habe ich genau dasselbe Verfahren ein- gehalten wie bei der Sonnenfinsternis 19 I z ( A . N. 46 I 5) ; nur wurden die Zeitmomente chronographisch festgelegt, wahrend Frl. Kuschel auf Zuruf die Ablesungen des Positions- kreises notierte. Im ganzen wurden innerhalb 5 2 Minuten I 50 Positionswinkel erhalten. Fur die Rechnung wurden die Koordinaten der Sonne dem Berl. Jahrbuch, die des Mondes dem Nautical Almanac entnommen; an die letzteren wurde noch die zu erwartende Korrektion von +~z!'o in or und - 4Yo' in 6 angebracht. Bezeichnet man rnit z den Positions- winkel, rnit d die Entfernung des Mondes gegen die Sonne, rnit dm die Differenz ))beobachteter minus berechneter Po- sitionswinkel<<, so haben die Beobachtungsgleichungen fol- gende Gestalt : d p + w.'/,coszcosddor- w . l l , s inzdc?=dz w = 3438.

Hierin sind B, dor und dd in Bogensekunden, d z und d j in Bogenminuten ausgedruckt. Den Abstand der Objektiv- halften habe ich nicht, wie es ublich ist, als Unbekannte eingefuhrt; sein Einflui3 ist, da sich die Lange der Sehne der Hornerspitzen zur Zeit der groaten Phase nur wenig andert, nahezu konstant, auch ist sein Vorzeichen dasselbe,

da wahrend der ganzen Beobachtungsreihe nicht durchge- schraubt wurde. Er kann daher als eine konstante Anderung der Indexkorrektion aufgefant werden und wird durch Ein- fuhrung der Konstanten dp als Unbekannte in die Beob- achtungsgleichungen berucksichtigt.

LaOt man die Randfehler unberucksichtigt, so gelten in den nachfolgenden Beobachtungsgleichungen auf der rechten Seite die Werte (dx) , bei Berucksichtigung derselben die Werte unter d r ; (u) und ZI sind die zu ( d z ) und d z ge- horigen Widerspruche, Beob. - Rechn. Die Randfehler wurden der definitiven Randkurve entnommen, die Dr. Hayn aus der Finsternis selbst hergeleitet hat (vergl. A. N. 4810).

+ l . o d p + A . z d a + r . 7 d d = -12!6 -IO!O + O.'I +r.'g 4 3 . 3 +1.7 - 8.0 - 4.8 + 4.7 t 6 . 5 +3.3 + I . 7 - 6.4 - 6.8 + 6.3 +4.5 t 3 . 4 +1.7 - 6.5 - 6.9 + 6.2 t 4 . 5 +3.4 +1.7 - 2 . 5 - 1.6 +1o.2 t 9 . 8

9.2 - 9.2 + 3.5 +2.3 +3.5 '1.7 - +3.6 + 1.7 - 14.9 - 12.6 - 2 . 2 - 1.1 t 3 . 6 f 1 . 7 - 16.2 - 14.3 - 3.5 -2.8

(dz) dx (u) v

f 3 . 7 +1.7 - 16.4 - 15.7 - 3.7 -4.1 +3.7 t l . 7 - - 13.6 - 11.7 -- 0.9 -0.1