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104 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmitielchemiker. [Zeitschr. f. Untersuchuvg [d. Nahr.- u, GenuSmittel. Uber die Beeinflussung yon Lebensmitteln bei der Blausiiure- durchgasmlg von Schiffen und Speichern. Von P. Buttenberg" und H. Weifi. Mitteilung aus dem Staatlichen Hygienischen Instifut Hamburg. Die gasfSrmige Blaus/i, ure hat Ms Mittel zur Bek/impfung yon Ungeziefer und Schiidlingen, deren Beseitlgung aus gesundheitlichen und rein wirtschaftliehen Griinden geboten ist, eine grot~e Verbreitung gefunden. Das vorzfigliche Durchdringungsver- m5gen im lufterffillten Raume, die hohe Giftigkeit, die Einfachheit und Billigkeit des Verfahrens und weitere Eigenschaften machen die gasfSrmige B]aus~ure ~fir den genannten Zweck besonders geeignet. Als Ungeziefer und Sch/idlinge sind zu nennen Wanzen, F15he, L~iuse, Stechmiicken, Fllegen, Milben, Kakerlaken, Mehlmotten, Kornk/i.fer, Ratten, M~iuse usw. Die Empfindlichkeit dieser Tiere gegen Blaus~ure ist eine ganz verschiedene. W/ihrend Stechmfieken sehon bei 0,02 bis 0,03 Vol.-°/o in 15 Minuten abget5tet werden, sind Fliegen etwa 10-real und L~iuse sogar etwa 30-real widerstands- f~higer. Sehr gro~e Widerstandsf/ihigkeit zeigt der Kornk~ifer. Ratten werden schon bei 0,08 Vol.-°/o in einer Zeit bis zu 15 Minuten zum Absterben gebracht. Bakterien und Schlmmelpilze sind sehr resistent. Um das Sehimmeln und Faulen yon frisehem Obst (lurch Behandeln mit gasfSrmiger Btausfi.ure zu verhiiten, miissen nach den Ver- suchen yon H. Schmidt 1) derardg gro~le Mengen des Giftes verwendet werden, da~ die Frfichte als solche Schaden erleiden. "Die Entwickelung der gasfSrmigen BlausaureerfolgtanOrtundStelle des Verbrauches. Es gelangen dabei versehiedene Verfahren zur Anwendung. Die Blausiiure wird melst dutch Einbringen yon Cyannatrium in mit Wasser vcrdtinnte Schwefels/~ure erzeugt. Cyannatrium kommt gesehmolzen in Plattenform oder in Briketts yon etwa 450 g in den Handel. Hierher gehSren folgende Verfahren: 1. Die Gasentwickelungsapparate (Cyanator oder Cyanofumor genannt) and 2. das sog. Bottichverfahren. Die Schwefels~iure mul~ frei von nitrosen Gasen und das Cyannatrium frei yon Chlornatrium sein, um Sch~idigungen dutch salpetrige S/lure und Salzs~ure auszuschalten. Die Blausii.ure verteilt sieh in dem zu durehgasenden Raume, ein kleiner Tell jedoeh -- etwa 10°/o -- bleib~ in der Ent- wickelungsfliissigkeit gelSst. Die Ausbeute an Blausiiure betr/igt demnach etwa 900/0. Bei einem weiteren Verfahren erfo]gt die Entwickelung des giftigen Gases durch 3. Einbringen yon Cyannatrium in eine koehend heit]e Natriumbisul- fatlSsung. Das Verfahren erfordert erhebliche Mengen heil~er NatriumbisulfatlSsung und ist daher zur Durchgasung grol~er R~tume nicht geeignet. 4. Die Anwendung yon Blaus~ure in flfissigem wasserfreiem Zustande. Diese Art der Blausaure ist sehr wenig haltbar und kann nur im Aktionsradius der Blausiiurefabriken verwendet warden. Die Herbeischaffung erfolgt nachts in Stahl- zylindern oder Aluminiumfi~ssern. Die Eisenbahn lehnt den Transpor~ solcher Geffil~e ab. Die Zerstiiubung geschieht mit Hilfe yon besonderen Apparaten. Das Verfahren ist auf Farmen in Nordamerika in Gebraueh. 5. Die Anwendung yen ,,Zyklon fliissig". Diese Fliissigkeit besteht im wesentlichen aus 90O/o Cyankohlens~ureester and 10°/o Chlorkohlens~ureester. Ein ~) hrb. Kaiserl. Gesundh. 1902, 18, 490--517; siehe aueh Diese Zeitschrifi 1902, 5, 469.

Über die Beeinflussung von Lebensmitteln bei der Blausäuredurchgasung von Schiffen und Speichern

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Page 1: Über die Beeinflussung von Lebensmitteln bei der Blausäuredurchgasung von Schiffen und Speichern

104 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmitielchemiker. [Zeitschr. f. Untersuchuvg [d. Nahr.- u, GenuSmittel.

Uber die Beeinflussung yon Lebensmitteln bei der Blausiiure- durchgasmlg von Schiffen und Speichern.

Von P. Buttenberg" und H. Weifi.

Mi t t e i l ung aus dem S t a a t l i c h e n Hyg ien i schen Ins t i fu t Hamburg.

Die gasfSrmige Blaus/i, ure hat Ms Mittel zur Bek/impfung yon Ungeziefer und Schiidlingen, deren Beseitlgung aus gesundheitlichen und rein wirtschaftliehen Griinden geboten ist, eine grot~e Verbreitung gefunden. Das vorzfigliche Durchdringungsver- m5gen im lufterffillten Raume, die hohe Giftigkeit, die Einfachheit und Billigkeit des Verfahrens und weitere Eigenschaften machen die gasfSrmige B]aus~ure ~fir den genannten Zweck besonders geeignet. Als Ungeziefer und Sch/idlinge sind zu nennen Wanzen, F15he, L~iuse, Stechmiicken, Fllegen, Milben, Kakerlaken, Mehlmotten, Kornk/i.fer, Ratten, M~iuse usw. Die Empfindlichkeit dieser Tiere gegen Blaus~ure ist eine ganz verschiedene. W/ihrend Stechmfieken sehon bei 0,02 bis 0,03 Vol.-°/o in 15 Minuten abget5tet werden, sind Fliegen etwa 10-real und L~iuse sogar etwa 30-real widerstands- f~higer. Sehr gro~e Widerstandsf/ihigkeit zeigt der Kornk~ifer. Ratten werden schon bei 0,08 Vol.-°/o in einer Zeit bis zu 15 Minuten zum Absterben gebracht. Bakterien und Schlmmelpilze sind sehr resistent. Um das Sehimmeln und Faulen yon frisehem Obst (lurch Behandeln mit gasfSrmiger Btausfi.ure zu verhiiten, miissen nach den Ver- suchen yon H. S c h m i d t 1) derardg gro~le Mengen des Giftes verwendet werden, da~ die Frfichte als solche Schaden erleiden.

" D i e E n t w i c k e l u n g der g a s f S r m i g e n B l a u s a u r e e r f o l g t a n O r t u n d S t e l l e des Verbrauches. Es gelangen dabei versehiedene Verfahren zur Anwendung. Die Blausiiure wird melst dutch Einbringen yon Cyannatrium in mit Wasser vcrdtinnte Schwefels/~ure erzeugt. Cyannatrium kommt gesehmolzen in Plattenform oder in Briketts yon etwa 450 g in den Handel. Hierher gehSren folgende Verfahren:

1. Die G a s e n t w i c k e l u n g s a p p a r a t e ( C y a n a t o r o d e r C y a n o f u m o r genannt) and

2. das sog. B o t t i c h v e r f a h r e n . Die Schwefels~iure mul~ frei von nitrosen Gasen und das Cyannatrium frei yon Chlornatrium sein, um Sch~idigungen dutch salpetrige S/lure und Salzs~ure auszuschalten. Die Blausii.ure verteilt sieh in dem zu durehgasenden Raume, ein kleiner Tell jedoeh - - etwa 10°/o - - bleib~ in der Ent- wickelungsfliissigkeit gelSst. Die Ausbeute an Blausiiure betr/igt demnach etwa 900/0.

Bei einem weiteren Verfahren erfo]gt die Entwickelung des giftigen Gases durch 3. E i n b r i n g e n yon C y a n n a t r i u m in eine koehend heit]e N a t r i u m b i s u l -

f a t l S s u n g . Das Verfahren erfordert erhebliche Mengen heil~er NatriumbisulfatlSsung und ist daher zur Durchgasung grol~er R~tume nicht geeignet.

4. Die Anwendung yon B l a u s ~ u r e in f l f i s s igem w a s s e r f r e i e m Zus tande . Diese Art der Blausaure ist sehr wenig haltbar und kann nur im Aktionsradius der Blausiiurefabriken verwendet warden. Die Herbeischaffung erfolgt nachts in Stahl- zylindern oder Aluminiumfi~ssern. Die Eisenbahn lehnt den Transpor~ solcher Geffil~e ab. Die Zerstiiubung geschieht mit Hilfe yon besonderen Apparaten. Das Verfahren ist auf Farmen in Nordamerika in Gebraueh.

5. Die Anwendung yen , , Z y k l o n f l i i ss ig" . Diese Fliissigkeit besteht im wesentlichen aus 90O/o Cyankohlens~ureester and 10°/o Chlorkohlens~ureester. Ein

~) hrb. Kaiserl. Gesundh. 1902, 18, 490--517; siehe aueh Diese Zeitschrifi 1902, 5, 469.

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4s, ~a-d,I P, B u t t ~ e n b e r g u. H. W e i t l Blaus~uredurchgasung usw. 105 Juli 192J,.J

~thnliches Pr~parat ist V e n t o x . Beide unterseheiden sieh lediglieh dureh die Art der belgeffigten Reizstoffe. Zyklon enthi~lt noch einen sog. nachwirkenden Reizstoff und wird zum Bearbeiten yon Wohnungen verwendt. Ventox dient zur Apparatedurch- gasung in Miihlen. Bei einem spezifischen Gewichte yon 1,08 entsprechen 42 g rund 38 ccm Zyklon. Um 1 Vol.-°/o Blausi~ure in 100 cbm zu erzeugen, sind 3,8 Liter Zyklon notwendig. Fiir den praktischen Gebrauch - - wenn es sich darum handelt, mit. 0,5 Vol.-°/o Blaus~ure zu arbeiten - - verwendet man 19 ccm auf 1 cbm oder fund 2 Liter Zyklon auf 100 cbm Raum.

6. :Neuerdings gelangt auch Z y k l o n in P u l v e r f o r m , , , Z y k l o n B" genannt, zum Verbrauch. Es ist dies ein gelblichweil~es bis rStliches Pulver, das organische Cyanverbindungen, Reizstoff und ein anorganisehes Bindemittel enth~lt. Die BefSrderung- dieses Pulvers erfolgt in hermetisch geschlossenen Blechdosen yon ver$chiedener GrS~e. Die Desert tragen auf der Bezettelung eine Angabe fiber den Gesamtgehalt an wirk- samem Cyan. An die Luft gebracht, verfliichtigt sich das Pulver bis auf einen kleinen Riickstand. L~l~t man eine kleine Probe Zyklon in Pulverform auf der Handfl~ehe verdunsten, so macht sieh K~Iteentwickelung bemerkbar.

7. Zu nennen ist noch das Chlorcyan-(C1CN-)Verfahren: Die Entwiekelung erfolgt aus verdiinnter Salzs~ture, Natriumehlorat und Cyannatrium. Etwas Talkum wird zur Verhiitung der zu stiirmisehen Entwickelung beigegeben. Hierbei entsteht unter Umstiinden freies Chlor, das sch/idlich wirken kann.

Bei der Verteilung der Blaus~iure wird vielfach ein sog. R e l z s t o f f zugefiigt ,,Zyklon fliissig" und ,,Zyklon B" enthalten Reizstoff an sich. Die Reizstoffe verfolgen einen doppelten Zweek. Einerseits wird die Lebenst~tigkeit der Sch/idlinge im durch- gasten Raume angeregt. Ratten und anderes Ungeziefer kommen aus den Verstecken heraus, laufen herum und werden dadureh zum st~rkeren Gaswechsel und zur erhShten Aufnahme yon BlausSure gezwungen. Andererseits dient der Reizstoff dazu, dem Mensehe~ die Gegenwart der gef~hrlichen Blaus/iure durch warnende Sinneseindriicke (Reizung der Augen- und ~asenschleimh~ute) anzukfindigen. Als Reizstoffe linden organische Halogenverbindungen wie Chlorkohlensaureester, Chloraceton, Bromaceton, Bromessigester, Bromaeetophenon, Xylolbromid usw. Verwendung. Die ersten drei sind leieht flfichtig, die beiden letzten dagegen sehwer flfiehtig. Die schwerflfiehtigen Reizstoffe eignen~ sich besonders dort, we dureh eine Naehwirkung das zu zeitige Betreten der R~ume verhiltet werden sell (z. B. bei der Entwesung yon Wohnungen).

Da$ gewisse Geruchs- und Geschmacksbeeinflussungen yon Lebensmitteln zum Teit auf die Wirkung yon Reizstoffen zurfickzuffihren sind, ist nieht als ausgeschlossen. anzusehen.

Obgleich Blaus/iure an sich ehemisch ziemlich indifferent ist, bestebt die MSg- ]ichkeit, da~ bei der Schiffsdurchgasung nieht nut ein Aufsaugen, sondern aut~erdem vielleicht - - wenn auch nur in geringem Umfange - - eine chemische Bindung des Gases vor sieh geht. :Es kann daher bei der iiblicben quantitativen Bestimmung dureh Destillation nach Ans~uern mit Weins/~ure die cbemiseh gebundene Blaus/iure in durehgasten Lebensmitteln sich zum Teil dem Naehwels entziehen. Dal~ gasfSrmige Blaus~iure in starker Konzentration bei langer Einwirkung in dfinnschaligen Friiehten vom Zucker in Form von Cyanhydrin gebunden wird, gebt aus der Arbeit yea It . S c h m i d t 1) hervor. Ob derartige Cyanhydrinbildung auch bei durchgasten Fetterr

1) Vergl. Anmerkung ~) S. 104; ferner auch T h. S c h u m a c h er: Uber ein auch in toxikologi- scher Hinsieht interessantes Verhalten der Blaus~iure. Diese Zeitsehrift 1902, 5, 1099--1105.

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106 2 I. Hauptversammlung Deutscher. Nahrungsmitte]chemiker. Zeitschr. f. Untersuchung d. N~hr.- u. Gen~Bmittel.

eintri~t, mag dahingestetlt bleiben. Ferner kann bel sehwefethaltigen Lebensmitteln die Bildung yon Rhodanverbindungen in Betracht kommen.

Auf Grund der Verordnung tiber die Sehiidlingsbek~mpfung mit hochgh%igen Stoffen yore 29. Januar 1919 (Reiehsgesetzbl. S. 165) und der Ausftihrungsbestimmung vom 17. Juli 1922 (Reichsgesetzbl. S. 630) ist der Gebrauch yon Blausi~ure, Cyan- kohlensfiureestern, aueh in Form des Zyklons und aller den Cyankohlensi~ureestern ~ihnlich wirkenden gasfSrmigen oder leicht verdampfbaren Cyanverbinclungen zur Schfidllngsbek~mpfung (einsehliel~lieh Ungezieferbekampfung) in jeder Anwendungsform verboten. Einige Ausnahmen sind dort benannt. Die Befugnis, weitere Stellen zuzu- lassen, ist den Ministerien der einzelnen Landesregierungen fibertragen. AuBerdem sind Richtlinien aufgestellt, die bei der Erteilung der Genehmigung zur Verwendung hochglftiger Stoffe ffir die Sehadlingsbek~mpfung zu beaehten sind.

Der Zweck der Schiffsdurchgasung ist, die Ratten, die Ubertrager der Pest, zu beseitigen und hiertiber einen amtlichen Ausweis zu erhalten.

Ffir Sehiffe, die nordamerikanische Hagen antaufen, gelten die yore Public Heal~h Service in Washington erlassenen Quarantine Laws and Regulations. Das amerikanische Zertifikat verlangt eine zweistfindige Durchgasung mit je 5,4 kg Cyannatrium ffir ]e 1000 cbm Raum ( ~ etwa 0,2 Vol.-°/o HCN.) Wenn Ladung ]m Schiff vorhanden ist, wird die doppelte Einwirkungszeit gefordert.

Die deutschen HafenbehSrden fordern keine bestimmten Cyanehemikalien und keine bestimmten Mengen yon Blausaure, machen aber die sichere T6tung der Ratten zur Bedingung. Ffir gewShnlieh begniigt man slch mlt 2 kg Cyannatrium fiir 1000 cbm Raum (== etwa 0,08 Vol.-°]o I-ICN), mit zweistandiger Einwirkung. Dies ist schon die doppelte Sicherheit.

Um in 1000 cbm Raum 1 Vol.-°/o Blausfiure zu erzeugen, sind theoretiseh ~3,0 kg Cyannatrium erforderlieh. Da Cyannatrlum in Brikettform meist 95°/o-ige Ware darstel|t, und da aul~erdem etwa 10°/o des erzeugten Gases im Entwickelungs- gef~i~ verbleiben, nimmt man fiir gewShnlich 27,0 kg.

Beim Bottichverfahren werden Wasser, Schwefels~ure und Cyannatrium im Verhaltnis von 2,3: 1,2:1 vermiseht. Zweckm~lBig wird dabei eine Sehwefels~ure yon 600 B6 (78°/o) verwendet.

Eine Zusammenstellung der Arbeiten fiber die Bedeutung der Blausiiure und ihrer Derivate ffir die Schi~dlingsbekampfung hat W. R a s e h 1) verSffentlicht. Es ist zu hoffen, dalB dieser Autor, der sieh beruflich mit der Schadlingsbek~tmpfung befat~t, demnachst eine Fortsetzung der Sammelarbei~ ffir die Jahre 1921~1924 bringen wird.

(3ber die B e e i n f l u s s u n g der L e b e n s m i t t e l bei d e r B l a u s ~ u r e d u r c h - g a s u n g liegt bereits eine Reihe von Untersuehungen in tier in- und auslandischen Literatur vor. J. W i l l e '2) hat in einer Versuehskammer 24 'bis 28 Stunden Blau- saure mit einem Anfangsgehalte yon 0,6 bis 1,35 Vol.-°/o auf eine grot~e Anzahl yon Lebensmitteln einwlrken lassen und in letzteren nach 2 his 50-stfindiger Entlflftung den Blaus~uregehalt quantitat~v bestimmt. Eine derartig lange Einwirkungszeit ist gewahlt, urn die Beeinflussung yore Standpunkte der Mfihlen-, Speicher- und Woh- nungsdurchgasung beurteilen zu kSnnen.

1) Desinfektion 1921, 6, 153--212. 2) Gesundheitsingenieur 1920, 48, 437--441.

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48. Band.~ P. B u t t e n b e r g u. H. Weifi, Blaus~,uredurchgasuug usw. 107 Juli 1924.J

Zur Schadlingsbekiimpfung im grSSeren Raume, und zwar bei der Miihlendurch- gasung ist in Deutschland eiu Cyanofumor zum ersten Male in Heidingsfeld (Unter- franken) - - April 1917 - - und das Bottichverfahren in Elmshorn - - Mai 1917 zur praktlschen Anwendung gelangt. Seit nunmehr fast 7 Jahren sind in Deutsch- land rund 600 Miihlen durchgast, darunter einzelne Miihlen zum vierten Male.

Das erste Schiff ist im Hamburger Hafen im September 1922 durchgast. Im ganzen sind bis gegen Ende Mai 1924 in Hamburg 214 Schiffe bearbeitet, und zwar meist each dem Bottichverfahren, abet auch mit Zyklon B.

Die Einzelheiten der Verfahren werden am beaten an der Hand einer Schiffs- durchgasung erSrtert.

Die D u r c h g a s u u g des S c h i f f e s erfolgt fast durchweg im entladenen Zu- stande, beladen dagegen nur selten, und zwar meist dane, wenn das Fahrzeug im Hafen nut einen Tell der Ladung abgibt, um spi~ter den Rest in einem weiteren iu- oder ausl~ndisdaen Platze zu 15sehen. Augerdem kann bei besonders eiligen F~illen eine Blausi~uredurchgasung des Schiffes in teilweise beladenem Zustande erforderlich sein. Lebensmittel ftir die Sehiffsbesatzung sind in den zu durchgasenden R~iumen (Proviautraum, Kiiche, Anrichteraum, Speisesaal, Offiziers- und Mannschaftskammern usw.) stets vorhandeu und der Beeinflussung durch B]aus~ure unterworfen.

Die bevorstehende Schiffsentwesung wird tier an Bord befindlichen Besatzung durch Plakate bekannt gegeben. Das Schiff higt bis zur Freigabe die Giftflagge. S~mfliche Ventilationsseh~ichte, Luken, Fenster, Tiiren usw. werden zun~ichst bis auf eiue Eingangsstelle abgedichtet. Wasch- und Trinkwasser sowie alle offenstehenden trinkbaren Fliissigkeiten sind auszugiegen. In allen R~.umen werden Holzkiibel mit Schwofelsiiure und Wasser aufgestellt. Inzwischen hat die gesamte Mannschaft bis auf einen Offizier, einen Ingenieur und einen Matrosen, die als Waehe an Deck ver- bleiben, das Schiff zu verlassen.

Beim Inbetriebsetzen wird zun~chst der Reizstoff mittels Giegkanne vom Deck aus verteilt, (]as abgewogene, mit Zeitungspapier umhfillte Cyannatrium in die auf- gestellten Kiibel befSrdert, und sofort werden die zun~chst noeh often belassenen Ein- gangsstellen geschlossen und sorgf~iltig abgedichtet. Nach Ablauf der Einwirkungszeit werden Luken, Fenster, Tfiren usw. yon augen geSffnet und weitere Durchliiftungs- mSglichkeiteu geschaffen. Das Personal hat dabei Gasmasken anzulegen. AuBerdem miissen fiir etwa eintretende Ungliicksfiille Sauerstoffapparate zur Hand sein.

Es erfolgt sodann die Beiseiteschaffung der aufgestellten Bottiehe und das UnscMidlichmachen der etwa 10°/0 der entwickelten Blausaure enthaltenden LSsung von schwefelsaurem Natrium. Die sicherste Beseitigung geschieht each LTberftihrung in unschgdliehe komplexe Cyanverbindung durch Zusatz yon Katk und Eisensalzen.

Nach mehrstiindigem Durchlflfteu wird gepriift, ob etwa noch kleine, aber gesundheltsbedenkliehe Mengen von Blaus~iure im Raum vorhanden sind (,,Gasreste- nachweis"). Hierzu dient der chemische Naehweis der Blausiiure mit Hilfe der Ben- zidinprobe (,,Gasresteprobe")~). Fliegpapier in Streifen wlrd mit einer friseh bereiteten Mischung yon KupferacetatISsung und BenzidinacetatlSsung~) durchtr~nkt und im frag- lichen Raume hie und her gefiiehert. Vorhandene Blausiiure macht sich durch Blau-

1) A. S i eve r t s uud A. H e r m s d o r f , Zeitschr. angew. Chem. 1921, 34, 3--5. ~) I. L~sung: 2,86 Kupferacetat im Liter. -- IL LSsung: 475 ccm bei Zimmertemperatur

gesiittigte BenzidieacetatlSsung und 525 ccm Wasser. -- Die LSsungen I und II werden zu gleichen Teileu gemischt.

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108 21. Hauptversammlung Deutscher NahrungsmitteIehemiker. [Zeitscnr. f. Vatersuchun~ [d. :Nahr,- u. Genu~mittel,

fiirbung bemerkbar. Die Empfindiichkeit der ,,Gasrestprobe" ist derartig abgestimmt, da] bei einem Gehalt yon 60w70 mg Blaus~mre im cbm Luft in 7 Sekunden und bei Mengen von 25 mg in 1 ebm erst nach ~ngerer Dauer die Farbreaktion eintritt.

Vom Mensehen werden 40--50 mg B]aus~ure im cbm Luft dauernd ohne Schaden vertragen, 60--70 mg k5nnen gef~hrlieh wirken i).

Die genfigende Beseitigung der Blaus~iure durch die Geruchsprfifung festzustellen, ist unsicher. Die ~ase der Menschen ist ffir Blausaure zu verschieden empfindlich. Sehon eher gelingt der :Naehweis der Blausiiure, wenn man den fragliehen Raum zigarettenrauchend betritt. Kleine Mengen Blaus~ure maehen slch dann hinten im Gaumen dureh einen eigenartigen kratzenden, verst~irkt an Pyridinbasen erinnernden Geschmaek bemerkbar.

Wenn die Gasrestprobe negativ ausfiillt, wird der Raum grit weitere Aufriiumungs- arbeiten, Aufsuchen der herumliegenden toten Ratten usw. betreten und erst naeh Erledigung dieser Aufgaben wird das Schiff den Mannsehaften zum Arbeiten frei- gegeben. Als Schlafraum darf das Sehiff in der auf die Durehgasung folgenden Nacht nicht benutzt werden.

Der getrennte Zusatz yon Reizstoff zur Blaus~iure bedeutet eine gewisse Be- liistigung fiir das ausffihrende Personal, soda~ ]etzteres gem aug diese Beigabe ver- z[chtet. Die Verwendung von Reizstoffen dort, wo Menschen nicht in der ~'iihe sind, ist nirgends vorgeschrieben. Es wird daher beim Arbeiten mit Cyannatrium aug Sehiffen, wenn es die Umst~nde nicht erfordern, yore Zusatz eines Reizstoffes abgesehen.

Bei der Anwendung yon Zyklon im gltissigen und noch mehr im festen Zustande wird die Arbeit erleiehtert. Das Aufstellen yon Kfibeln und die Beseitigung yon Kfibelrfickst~nden fiillt fort. Ferner sind Besch~i.digungen yon Waren und Gegen- st~nden der Schiffsausrfistung durch Verspritzen yon Sehwefels~iure ausgeschlossen.

Eigene Versuche. Die ausgeffihrten eigenen Versuche bezwecken, festzusteUen, ob und in welchem

Umfange bei der amtlich vorgesehriebenen Sehiffsdurchgasung eine Beeinflussung der aus Lebensmitteln bestehenden Schigfsladung dutch Blausi~ure zu erwarten ist. Dabei sind auch einige Versuche in Speichern angestellt mit erhShtem Blaus~iuregehalte und verliingerter Einwirkungszeit. Diese Prfigungen unter wesentlich versch~rgten Bedin- gungen sind als Vorversuche anzusehen. Die Lage unseres Institutes im Freihafen, unmittelbar am Liegeplatze der groi~en Uberseedampfer hat es ermSglicht, die Versuche im Anschlu~ an praktische Schiffsdurchgasungen durchzuffihren, ohne dal~ bei der Bef6rderung der durchgasten Proben naeh dem Laboratorium grSl~ere Verluste an Blaus~ure eintreten konnten.

Im Gegensatz zur Durchgasung von Miihlen, Speichern und Wohnungen, wo- selbst mit sehr widerstandsgiihigen Lebewesen (Mehlmotten, Milben, Kornki~gern usw.) zu rechnen ist, handelt es slch bei der Sehigfsdurchgasung im wesentlichen um die Beseitigung der Rattenplage~ die eine geringere Blaus~turekonzentration erfordert. Viel- fach ist abet auch aug MiSuse, Wanzen, Lause, FlShe, Kakerlaken, Ameisen u. dergl. Rfieksicht zu nehmen.

Die einzelnen Versuche mit n~herer Angabe der Ausfiihrung und Art der auf- gestellten Versuehsobjekte sind aus der Zusammenstellung I zu ersehen.

1) F t u r y und Heubnor , ~ber Wirkung und Entgiftung eingeatmeter Blaus~iure. -- Biochem. Zeitschr. 1919, 95, 249.

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t8. Band.1 109 J~tli 1924J P. B u t t e n b e r g u. H. W e i f i , Blaus~uredurehgasung usw.

I. B l a u s i i u r e - D u r c h g a s n n g .

(Bottichverfahren.)

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* im Raumes gegenstiinde Vol-% } stoff ~ung, tuog, ] H CN Stun- raum suehes Raume ebm den Stun- den

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Tee. - - Easelnui~kerne, Ka- kaobohnen, Kakaobutter, Ka- kaopulver, Cocosnufi (ge- raspelt), Mandeln, ¥ollmilch- pulver, Schokolade in Tafeln, Zucker. - - Margarine, Oleo- margarin, Premier Jus, Rin- dertalg, Schweinesehmalz. - - Kiihlfleisch, S p e c k . - - Mais- stlirkepuder, Perlsago, Perl- tapioka. - - Pfeffer (sehwar- zer). - - Hiihnerei (getrock- net). - - Roggen, Weizen, goggenmehl, Weizenmehl, Roggenkleie, Weizenkleie. - -

Rohtabak

Hartfett (Tran), Oleomarga- rin, Premier Jus, Rinder- talg, S c h w e i n e s e h m a l z . - Schweinefleisch gesalzen. - - Vol lmi lehpulver . - Getrock-

nete Felle

Apfel, hpfelsinen, Citronen, Trauben, Zwiebeln, Apri- kosen, Birnen, Datteln, Feigen, Pfirsiche, Pflaumen, Ringiipfel. - - Rohkaffee. Cashewkerne, Kakaobohnen, Sehokoladein Tafetn. - - Oleo- margarln, Premier Jus, Rin- derCalg, Schweineschmalz. -- Erbsen, Linsen, Reis, geismelde. - - Zigaretien

Shag, Zigarren, Zigaretten. Sofolt naeh Durebgasung

ohne Liiffung geprtif~

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110 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker, [Zeltschr. f. Untersuehung [d. Nahr.- u. Genul~mittel;

Beim V e r s u c h I solhe die Einwirkung der Blaus~iure in starker Konzentration und bet wesentlich erhShter Einwirkungsdauer festgestellt werden. Hier hat eine Priifung der ausgelegten Lebensmittel lediglich durch kaufmiinnische Sachverstfindige stattgefunden. Die V e r s u c h e I I und I I I entsprechen den Anforderungen, welche beim Schiff mit Ladung zur Beibringung eines auf ,,fumigation" lautenden nord- amerikanischen Attestes vorgeschrieben sind. Die V e r s u c h e I V u n d V sind Sehiffs- durehgasungen, bet welchen ein deutsches Attest auszustellen war.

Bet den Versuehen I b i s V ist das Bottichverfahren, und zwar bei I und I I unter Beigabe yon Reizstoff, bet I I I his V dagegen ohne Reizstoff zur Durchffihrung gelangt. Die Aufstellung und vor allem die grobsinnliche Priifung der durchgasten Lebensmittel ist fast durchweg in Zusammenarbeit mit ether grSSeren Anzahl yon kaufmiinnischen SachverstKndigen und Wissenschaftlern vor sich gegangen. Ffir diesen Zweck sind auf Ersuehen der Deutsehen Gesellschaft fiir Schiidlingsbekiimpfung yon der Handelskammer Hamburg 11 Gruppen yon kaufm~innischen Sachverst~indigen ernannt worden, die ffir sieh Prfifungen ausgeffihrt und unabhiingig von unseren Be- funden Berichte erstattet haben. Diese Gumehten, die sich naturgemiil~ nicht auf GesundheitsschKdlichkeit erstreckt haben, stud uns zur :Einsichtnahme zur Verfiigung gestetlt und in der nachfolgenden Besprechung auszugsweise mitverwertet worden.

Die A r t d e r d u r c h g a s t e n G e g e n s t ~ n d e ist aus der Zusammenstellung I I zu ersehen. Die Einteilung ist nach der Art der Waren durchgefiihrt, deren Be- urteilung elner bestimmten Gruppe yon kaufmiinnischen Sachverst~indigen zufiillt. Auch einige nicht yon der I-Iandelskammer benannte Kaufleute, sowie Schlffsoffiziere und andere Herren haben sich bet der Beurteilung beteillgt.

II. Art der Versuehsgegenst~nde. 1. F r i s c h e F r t i ch t e und Gemi i se : Apfel, Apfelsinen, Citronen, Weintrauben,

Zwiebeln. 2. G e t r o c k n e t e F r ti c h t e (D ii r r o b s t) : Aprikosen, Birnen, Datteln, Fe~gen, Pfirsiche,

Pflaumen, Ringiipfel. 3. R o h k a f f e e : Marken Rio N & L, Caracas gewaschen, Santos L & H. 4. Tee. 5. K a k ~ o s o w i e s o n s t i g e S t o f f e fiir die S c h o k o l a d e n - I n d u s t r i e u. de rg l . ,

Cashewkerne (Anacardien, Mandel-Ersatz), Haselnufikerne, Kakaobohnen, Kakaobutter, Kakao- pulver, Oocosnufi geraspelt, Mandeln, Vollmilchpulver, Scilokolade, Zucker.

6. S p e lse f e t t e : Hartfett (Tran), Margarine, Oleomargarin, Premier Jus, Rindertalg, Schweineschmalz, nordamerikanisches, diinisches, bra~.iiianisches.

7. F l e i s c h : Kiihlfleisch, Schweinefleisch gesalzen, Speck und P0kelsalz. 8. t t t i l s e n f r i i c h t e , K o l o n i a l w a r e n u. derg l . : Erbsen (Sptitt-), Kochsalz, Linsen,

Maisstarkepader, Perlsago, Perltapioka, Proffer (schwarzer), Reis, ReismeIde. 9. E i p r o d u k t e: Hiihnerei (getrocknet). 10. G e t r e i d e , ~ e h l und F u t t e r m i t t e ] : Roggen, Weizen, Roggenmehl, Weizen-

meh], Roggenkleie, Weizenkleie. 11. T a b a k w a r e n : Rohtabak, Shag, Zigarre,, Zigaretten. 12. Hi iu te and Fe l l e : Getrocknete Fe!le.

Die A u f s t e l l u n g de r L e b e n s m i t t e l u n d G e b r a u c h s g e g e n s t K n d e ist moist offen liegend - - nStigenfatls in Beuteln odor Beh~Itern - - vor sich gegangen. Be;. den Fetten sind halbgeffillte Porzellan- und Steingutkruken gew~ihlt, deren Inhalt dureh Anlage einer kegelfSrmigen Vertiefung eine mSglichst gro~e Oberf]~iche aufwies.

Page 8: Über die Beeinflussung von Lebensmitteln bei der Blausäuredurchgasung von Schiffen und Speichern

4s. s~,a. 1 111 Jul i 1924 j P. But tenberg u. H. Weiii, B]ausliuredurchgasung usw.

Rohkaffee ist in Mengen yon je 7,5 kg und aueh in Originals~icken yon et~va 56 kg durchgast. Shag, Zigarren und Zigaretten sind versehlossen in Einzelpaekung (Papp- schachtel bezw. Kiste) verblieben. Von jeder Ware sind zum Vergleieh K o n t r o l l - p roben zur Seite gestellt und so untergebracht worden, da~ eine Beeinflussung durch Blausiiure vollst~ndig unmSglich war.

~ach der aus der Zusammenstellung I ersichtliehen Zeit der Lfiftung sind die durchgasten Gegenst~mde sofort gepriift und, soweit die quantitative Bestimmung nicht am glelchen Tage ausgefiihrt werden konnte, zun{ichst gut verschlossen aufbewahrt worden. Die Priifung hat sich erstreekt auf:

1. Grobsinnliche Priifung durch gewerbliche Sachverst{indige und Wissenschaftler. 2. Chemische Prfifung. a) Quali~ativer l~achweis der Blaus~iure mit Hilfe der

Guajakreaktion (S c h 5 n b ei n ' sehe Probe). b) Quantitative Bestimmung der Blausiiure. 3. Priifung der Gesundheitsschiidlichkeit und Bek6mmlichkeit. Bei der grobslnnlichen Prfifung (Feststellung des Aussehens, Geruehs und Ge-

schmaeks usw.) ist stets so verfahren, dai~ die behandelten und unbehandelten Proben als solche ffir den Sachverst~indlgen nicht kenntlich gemacht, in gleicher Gewichts- menge und Packung zur Beurteilung gelangt sin& Um jede Beeinflussung auszu- sehalten, hat es sich als zweekm~iBig erwiesen, nieht nur je eine behandelte und un- behandelte Probe vorzusetzen, sondern nach M6glichkeit eine ungerade Anzahl yon Proben zu w~ihlen und ge]egentlich nut nichtbehandelte und auch nut behandette Proben priifen zu lassen.

Bei Ausffihrung dieser Priifung und noeh mehr bei der Durchgasung selbst war es mSgtich, zu beobaehten, wie sich die Blaus{iure grobsinnlieh bei Menschen be- merkbar macht. Die einzelnen Personen sind ganz verschieden empfindlieh gegen Blausiiure. Der Geruch der Blaus~ture ist nur ein schwacher. Blausiiure riecht nicht nacil ,BittermandelSl". Das, was man als Bittermandel6lgeruch bezMchnet, ist das Charakteristisehe yon Benzaldehyd. Der Blausgmregeruch wird gewShnlieh als etwas widerlich siil~ empfunden. Meist maeht sieh beim Riechen hinten im Rachen ein leichtes Kratzen oder betiiubendes Gefiihl bemerkbar. GrSl~ere Mengen kSnnen einen bittern Geschmack im Gaumen hervorrufen. Die MSglichkeit einer Blaus~iurevergiftung wird dadurch erhSht, da~ die Blaus~ture nicht sofort dutch einen abschreckenden Ge- ruch auff~llt. Mit Schnupfen behaftete Personen pflegen Blausii.ure iiberhaupt nieht am Geruch zu erkennen. Eine RStun~ der Augenbindehaut kann erst beim langeren Verweilen in Blausiiure enthaltender Luft in Frage kommen.

Die P r f i f u n g mit G u a j a k p a p i e r (SehSnbein'sche Probe) ist in allen F~illen sofort nach der E,tliiftung bei den behandelten und unbehandelten Proben zur Aus- ffihrung gelangt. Dadurch, da~ man abgewogene Mengen von Material verwendet und die Beobachtung minutenweise verfo]gt, ist eine gewisse Schiitzung, ob viel oder wenig Blaus~iure vorhanden ist, mSglich. Doeh ist dabei die bekannte Tatsaehe zu beachten, dat~ die Reaktlon aueh positiv verlaufen kann, wenn Blaus{iure iibeihaupt nicht vorhanden ist, so in unseren Fiillen bei Apfeln, Apfelsinen, Citronen und einigen Gewiirzen. Dagegen fiillt die Guajakprobe negativ aus bei geschwefeltem DSrrobst.

Versuehe, Blausiiure in den entlfifteten Proben mit Hilfe tier Benzidinprobe nachzuweisen, sind durchweg negativ verlaufen. Die vorhandenen Mengen Blaus~iure liegen wesentlich unter der Empfindliehkeit der Benzidinprobe.

Die q u a n t i t a t i v e B e s t i m m u n g der Blaus~iure ist bei Anwendung yon meist 100 bis 200 g nach dem von v. L i e b i g angegebenen Verfahren und naeh

Page 9: Über die Beeinflussung von Lebensmitteln bei der Blausäuredurchgasung von Schiffen und Speichern

112 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelehemiker. [Zeitschr. f. Untersuchung [d. Nahr.- u. Genui~mitteL

Ansiiuern mig Weins~iure durch Destillation im Kohlensgurestrome erfolgt. Das De- stillat ist dabei in einem in mit Eis gekfihltem Wasser untergebrachten Kolben mit anschliel~endem U-Rohr aufgefangen und nach Zusatz yon 2 ccm 10 °/o-igem Ammoniak and 2 ccm JodkaliumlSsung (1 : 20) mit 115o N.-SilbernitratlSsung titriert worden. Dies Verfahren hat sich bet der Blaustiurebestimmung in Rangoonbohnen bewiihtt.

Die Untersuchungsergebnisse waren folgende:

I I I . Biaasiiuregehalt der Versuchsgegenstiinde.

:~e~ Versuchsgegenstand g = ~ : ' ~ g ~o,~ ~ ~ ~.~.~

2 3 4 5 6 7 8

9 t0 11 12

13 14 15 16

Cashewkerne (Anacardien, Mendel-Ersatz) . . . .

Datteln . . . . . . . Erbsen (Splittererbsen) . Felgen (lose) . . . . .

! a) Oleomargarin . Fette ~ b) Premier Jus

I c) Schweineschmatz Fleiseh (Ktihlfleiseh, unge-

liiftet) . . . . . . . Fleiseh(Kiihtfleiseh,geltiffet) Hiihnerei (getrocknet) . Kakaobolinen . . . . .

a) Marke Caracas gewaschen .

Kaffee b) Marke Caracas roh

c) ~ Rio N & L d) Santos L & H

Linsen . . . . . . . .

1V IV IV

II II

1,35 0,32 0,26 0,32 1,8 1,3 1,5

II 0,92 II 0,48 iI 0,65

IV 0,86

II 1,4 IV 0,65 1[ 1,5 iI 2,1

1V 0,32

17 18 19 20 21 22 23 24 25

26 '27 28 29 36 31 32 33

Maissttirkepuder . . . . Mandeln . . . . . . . Perlsago (deutsch) Pmltapioka . . . . . . Pfeffer (sehwarz) . . . . Pflaamen (getrocknet)

Reis . . . . . . . . Reismelde (Chenopodium

Qainoa) . . . . . . Roggen . . . . . . . Roggenkleie . . . . . Roggenmehl . . . . Rosinen . . . . . . . Weintrauben . . . . . Weizen . . . . . . . Weizenkleie . . . . . . Weizenmehl . . . . . .

II II II lI I[ :V :V

:V It H 1I 1I W I[ II n

I

1,1 1,1 0,75 0,65 2,5 2,1 0,32 0,38

0,41 0,43 0,43 0,32 3,0 0,27 0,32 0,38 0,86

Die ausgefiihrten Analysen lessen erkennen, dal~ siimtliche Proben nur geringe Mengen Blaus~ure aufgenommen haben. Dieter G e h a l t a n B l a u s ~ u r e betr/igt

a) unter 1,0 mg in 100 g bet: Datteln, Erbsen, Feigen, Fleisch (durchlfiftet ,und undurchlfiftet), ttfihnerei (trocken), Kakaobohnen, Rohkaffee (Marke Caracas), Linsen, Perlsago, Perltapioka, Pflaumen (getrocknet), Reis, Reismelde, Roggen, Roggen- Meie, Roggenmehl, Weintrauben, Weizen, Weizenkleie und WeizenmehL

b) 1 mg his 2 mg bei: Cashewkernen, Fetten (Oteomargarin, Premier Jus, Schweineschmalz), Kaffee roh (Marke Caracas gewaschen und Rio N & C), Maisst/irke- ,puder und Mandeln.

e) 2 mg bis 3 mg bei" Rohkaffee (Marke Santos L & H), Pfeffer (sehwarz), Pflaumen (getroeknet) und Rosinen,

Dabei ist zu beach~en, dal~ aueh nicht behandelte Lebensmittel bei Ausffihrung ,dieser Bestimmungen Blaus~uremengen yon etwa 0,3 bis 0,5 mg in 100 g, die als Analysenfehler angesehen werden mfissen, ergeben kSnnen.

Um die Beurteilung der gefundenen Blaus/iuremengen in bezug auf die etwaige ~:=~esundheitssch/idllchkeit zu ermSgliehen, set darauf hingewiesen, dab 2 mg in Form

Page 10: Über die Beeinflussung von Lebensmitteln bei der Blausäuredurchgasung von Schiffen und Speichern

*.8. ~ana.l 1 1 3 Juli 1924. j P. B a t t e n b e r g u. H. W e i I~, Blaus~iuredurchgasung usw.

yon Bittermandelwasser nach dem Deutschen Arzneibuche als hSchste Einzelgabe zu- liissig sind, und dal~ nach K. B. L e h m a n n 1) 10--12 mg Blausiiure you Erwachsenen ohne Schaden verzehrt werden kSnnen. 60 mg stellen die t6dliche Dosis dar.

SchliM31ich ist noch die P r f i f u n g au f G e s u n d h e i t s s e h ~ i d l i c h k e i t und B e k S m m l i c h k e i t zu erSrtern. Hier haben wit yon Versuchen an Tieren ganz abgesehen, sondern Priifungen direkt an Menschen ausgeffihrt. Dabei sind s~mtliche durchgasten Lebensmittel - - je nach deren Art direkt oder nach kfichenmfii~iger Zubereitung - - in Mengen, die einer Mahlzeit entsprechen, zum Verzehr ge]angt. Gleich an dieser Stelle sei bemerkt, dab Gesundheitsschiidigungen oder sonstige fible Erscheinungen sich nicht eingestellt haben, obgleich mit Blaus~ure behandelte Lebens- mittel yon einigen Versuehspersonen wochenlang verspeist worden sind.

Bevor nun die einzelnen Gruppen der Lebensmittel besprochen werden, erseheint es zweckm~ii~ig, einige allgemeine ErSrterungen voraaszusehicken. Aus dem nach der Durehgasung und Liiftung festgestellten Gehalte an Blaus~iure in den Lebensmitteln tier Schiffsladung kann noch nicht ohne weiteres ein Schlut3 auf die Beschaffenheit der Ware gezogen werden. Die Ladung als solche gelangt nut in seltenen Fhllen direkt zum Verzehr. Selbst Weintrauben, Apfelsinen, Citronen, J(pfel u. dergl, werden zun~ichst ausgeladen, vom Kai in den Speicher gebracht und gehen yon dort an den Kleinh~ndler, der die Packstiicke 5ffnet und den Inhatt in kleineren Mengen abgibt. Wi~hrend Obst naeh Entfernen der Sehale vielfach direkt verspeist wird, miissen andere Lebensmittel erst handelsiiblich bearbeitet und aut~erdem kiiehenm~l~ig hergerichtet werden.

Dieses Bearbeiten und Herrichten kann in einem Abwaschen, Wiissern, Zerkleinern, Mahlen, Briihen, Kochen, Backen, Braten, RSsten usw. bestehen. Es sei an dieser Stetle nut an Kaffee, der beim Hi~ndler gebrannt und dann in der Kfiche gebriiht werden mut~, ferner an Hiilsenfriiehte, die sich nicht roh verzehren lassen, erinnert. Bei alien diesen angedeuteten Manipulationen werden die etwa noch vorhandenen Blausfiurespuren - - sei es durch Lilften oder direktes Erhitzen m weiterhin beseitigt. Dab schon im normalen Warenverkehr sich geniigend Gelegenheit zur Entlfiftung bietet, wird im Absehnitt ,,Rohkaffee" noch-ngher ausgefiihrt. WTelchen Einflul~ das kiichenmii.~ige I-Ierrichten auszuiiben vermag, geht wohl am besten daraus hervor, daI~ bei Rangoonbohnen 30 2) mg Blausiiure in 100 g zugelassen werden.

Au~erdem ist zu beachten, daI~ bei unseren Versuchen die Einwirkung der Blausgmre auf die Lebensmittel in einer Unterbringung vor sieh gegangen ist, die absichtlich mSgliehst die Aufnahme der Blaus~ure begiinstigen sollte, aber in Wirk- liehkeit den tatsfichlichen Verh~iltnissen nicht entspricht. Fette z. B. werden niemals offen liegend in der Schiffsladung aufgestapelt, sondern stets in gesch]ossenem :Beh~ilter befSrdert. Die Art und Weise, ob Lebensmittel offenliegend oder verpackt durchgast werden, iibt zwei~ellos auf die Aufnahme und das Wiederabgeben der Blaus~ure einen Einflul3 aus. Bei hermetisch geschlossener Packung kommt die Aufnahme der Blau- s~iure in Fortfall. Bei Unterbringung in porSser Packung wlrd die Blaus~ure meist verlangsamt aufgenommen, daffir abet beim Entlfiften entsprechend liinger zurfiekge- halten. Der Stoff, aus welchem das Packmaterial besteht, kann dabei an sich ver- schieden wirken.

1) Chem.-Ztg. 1915, 39, 573--575. 2) Gese~zo und ¥erordnungen, herr. Nahrungs- und Genat~mittel, 1921, 13, 88--89 und

91--92. z~. 24. 8

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114 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker. [Zeitschr. f. Untersuchuug [d, ~Nahr.- u. Genu~mit te l .

Die Bedenken, welche durch die Blausiiurebehandlung hervorgerufen werden kSnnen, beruhen aber nicht allein auf dem gr6geren oder geringeren Gehalt an auf- genommener Blausfiure, welche die BekSmmlichkeit herabsetzen oder sogar gesundheits- sch~idlich wirken kSnnte, sondern es kommt zweifellos augerdem bei einigen empfindlichen Genugmitteln eine Beeinflussung des Geruehes und Gesehmackes in Frage. Letzteres ist nach unsern Befunden in gewissem Grade beim Rohkaffee und Tee der Fall. Schlie~lich ist noch Rfieksicht zu nehmen auf Verfinderung im Aussehen, Farb~b Konsistenz, Haltbarkeit, Verlust an Gewicht u. dergl. Schon eine einzige derartige Verinderung kann den Handelswert der Ware herabse~zen.

Beeinflussung der Versuchsgegenst~nde. 1. F r i s c h e F r i i c h t e und Gemtise : Die festgesteltte Aufnahme von Blau-

siiure ist ~u~erst gering. Irgendwelche Bedenken haben sich nicht bemerkbar gemacht. 2. G e t r o c k n e t e F r i i c h t e (DSrrobs t ) : W~ihrend in Datteln und Feigen

nur Mengen yon 0,32 mg B]ausiiure gefunden sind, haben Pflaumen und Rosinen Mengen yon 2,1 und 3,0 mg in 100 g festgehalten. Bei den yon uns untersuchtel~ Proben sind Rosinen dasjenige Nahrungsmittel, welches die gz'5t~te Blaus~iuremenge aufgenommen hat. Feuehtigkeit in Verbindung mit Zucker fSrdert die Blaus~mreauf- nahme. Abet Bedenken bestehen auch hier nicht. -Beim Lagern und Verarbeiten geht diese Blaus~iure verloren.

Ein auffallend abweichendes Verhalten zeigt des geschwefelte DSrrobst (Aprikosen, Pfirsiche). Hier wirkt der Gehalt an sehweftiger S~iure st5rend beim qualitativen und quantitativen Nachweis.

3. R o h k a f f e e : Erfahrungsgemhg gehSrt Kaffee in Schiffsladung zu den empfindlichsten Gfitern. Uble Gertiche (Rauch yon Feuerschfiden im Schiff u. dergl.) iiben einen ungfinstigen Einflug auf Rohkaffee aus.

Beim Versuch ]I haben sich die ausgelegten Rohkaffeeproben - - und zwar ein Originalsaek Rio, 7,5 kg feiner welcher Santos und 7,5 kg feiner gewasehener blauer C a r a c a s - im Aussehen nicht ver~ndert und auch bei der drei Tage nach der Durch- gasung angestellten Kostprobe in gerSstetem Zustande hat sich gegeniiber den unbe- handelten Proben ein Unterschied im Geschmack nicht erkennen lassen. Dagegen ist der Geruch des Rohkaffees unvorteilhaft ver~indert. Der Kaffee hat seinen charakteristischen Duft verloren. Dieser Zustand ist q wenn auch abgesehwiicht - - noch nach 7 Tagen festzustellen. Dabei ist zu bemerken, daI~ der Rohkaffee ira Groghandel racist nut nach Aussehen und Geruch beurteilt wird. Eine RSstprobe mit ansehliei~ender Kostprobe wird sel[en gemaeht. Es erscheint nicht ausgesehlossen, dag bei diesem Versuehe der zur Verwendung gelangte Reizstoff die ungiinstige Einwirkung der Blaus~iure erhSht hat.

Die Priifung yon Rohkaffee ist beim Versuch IV erneut durchgefS.hrt. Ein. Originalsack (58 kg Inhalt) yon besonders empfindlichem Kaffee, und zwar Caracas gewaschen, ist bei der Sehiffsdurchgasung zur Aufstellung gelangt. Davon abgefiillte 5 Proben Rohkaffee in Beuteln yon je 2,5 kg - - zwei unbehandelt und drei aus dem behandelten S a c k e - sind ledigiieh mit Nummern versehen ohne sonstige nfihere Kenntlichmaehung den kaufm~nnischen Sachverstgndigen vorgelegt worden. Einem dieser Groi~kaufleute sind zuerst zwei Beutel aufgefallen, doch war es diesem Herrn etwas spiiter bei erneuter Priifung nlcht mehr mSglich, einen Untersehied herauszufinden.

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48 Band.[ P. B u t t e n b e r g u. H. Weifi, BlausSturedurch~asung usw. 115 Ju l i 192~.. J

Weitere Kaffeefachteute sind fiberhaupt nicht in der Lage, einen Untersehied im Geruch naehzuweisen. Bet der Priifusg des Sackes als solchen erscheint der Kaffee in der Mitre frischer als an den Seitenteilen. Aber auch an den Seiten ist keinerlei Geruch nach Blaus~iure festzustellen. Nach Ansicht des ma~gebenden Sachverst~ndigen wird ein derartiger Sack beim Ki~ufer auf keinerlei Beanstandung stolen.

Ausladen, Priifung und Verkaufen des Rohkaffees spielt sich, wie folgt, ab: Beim Enfladen der Schiffe kommt der Kaffee auf den Kaischuppen und wird dort 5 - -6 Sack hoch iibereinander gestapelt. Dabei werden gleich Proben entnommen, nach dem Kontor gebracbt und dort gepriift. Proben ffir den Kaufmann k6nnen sofort nach dem Eutladen gezogen werden. Meist verbleibt der Kaffee jedoch erst 2 - -3 oder noeh mehr Tage auf dem Kai, wird dann auf Lager, Waggon oder in ein anderes Schiff gebracht. Daft Rohkaffee vom Kai direkt an den Kleinh~ndler geht und yon dort zum Verbrsuch gelangt, kommt eigentlich nicht vor. Durch das Ausladen, Aufstapeln am Kai, Umladen in Speicher, Waggon oder Schiff wird der Kaffeesack wiederholt der freien Luft ausgesetzt, soda~ die etwa noch anhaftendeu Spurcn Blaus~iure bis zum Ingebrauchnehmen verloren gehen. Bet diesem Lfifte~ spielt das Wetter eine Rolle. Es wird ein Unterschied seth, ob seharfer Ostwind oder ob windstilles, feuchtes Wetter herrscht.

Aus diesen Versuchen li~t sich folgender Schlu~ ziehen: Bet der Durchgasung yon Schiffen mit Kaffeeladung bestehen keine Bedenken;

wenn die Mengc der Blausaure vorsichtig bemessen wird. Die einzelnen Siicke haben beim Ausladen, Aufstape]n am Kai usw. geniigend Gelegenheit, die etwa aufgenommene Blaus~iure abzugeben.

Beim Durchgasen yon grol~en Spelchern, in denen Hunderte und Tausende Si~cke aufgestapelt sind, ist mit besonderer Vorsicht zu verfahren. Die Sackstapel miissen auseinandergerissen werden, damit die Blaus~iure fiberall hindringen und bet der Ent- liiftung schnell beseitigt werden kann.

4. Tee. Das Urteil des kaufmiinnischen Sachversti~ndigen beim Tee im Vet- such II ist ungfinstig fiir die Blausauredurchgasung ausgefallen. Die Ware erweist sich schon im Or]ginalzustande durch einen Belgeruch gesch~idigt. Der angefertigte Aufgul~ zeigt einen widerlichen Mandelgeruch und einen Niederschlag am Boden der Tasse. Hier handelt es sich um offen aufgestetlt der Biausiiure ausgesetzte Teeproben. In handelsiiblicher Packung in mit Bleifolie ausgelegter Holzkiste in Matten gehfillt wird Tee, wenn er tats~ichlich gegen Blausfiure so empfindlich ist, ebenfalls leiden. Weitere Versuche miissen hieriiber Klarheit sehaffen.

5. K a k a o sowie s o n s t i g e S t o f f e f i i r die S c h o k o l a d e n i n d u s t r i e u. dergl.: Bet den hierher gehSrenden, aus der Zusammenstellung II ersichtlichen' Waren ist eine Schiidigung dutch B]ausiiure nicht eingetreten. Auch Cashewkerne (Anacardien, Elephantenli~use gesch~dt), die als Mandelersatz Verwendung linden1), haben wit als Versuchsobjekte herangezogen, well Sendungen dieser Kerne sich in letzter Zeit als von K~ifern befallen erwiesen haben. Sch~dlingsbeseitigung durch Blau- s~iurebehandlung kann hier in Frage kommen.

6. S p e i s e f e t t e : In unserer Untersuchungsstetle fiir die ausli~ndischen Fette bestand ein besonderes Interesse, Versuche mit Speisefetten im groI~en auszufiibren. Wlr haben dazu l~indertalg, Premier Jus, Oleomargarin, Schweineschmalz und Hart-

1) Vergl. hierzu W. Theopo ld , Pharm. Zentralh. 1908, 49, 1057. 8*

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[Zeitschr. f. Untersuchung 116 21. Hauptversammlung Deutscher Nahrungsmittelchemiker. td. Nahr.- u. Genu~mitteL

fette aus allen mSglichen Herkunftsl£ndern herangezogen und die Versuche unter den verschiedensten Bedingungen durchgefiihrt. Tats£chlich ist es mSglich, bei Fetten, d i e - o f f e n l i e g e n d - der Einwirkung yon grSl~eren Mengen Blausiiure ausgesetzt werden, eine ~iul~erst geringe Geruchsbeeinflussung festzustellen, wenn die Prfifung bereits nach kurzer Durchliiftung yon sehr empfindlichen Personen ausgeffihrt wird. Viele Sachverstiindige, die sich bei der Auslandsfleischbeschau fortgesetzt mit der Prfifung yon Fetten befassen, sind fiberhaupt nicht in der Lage, die mit Btaus~iure behandelten Proben herauszufinden. Jedenfalls ist die Beeinflussung eine derartige, dab sie fiir den Verhrauch der Fette auch nach Ansicht der kaufm~nnischen Sach- verstiindigen ohne jede Bedeutung ist. Im iibrigen werden m worauf sehon hinge- wiesen ist - - Speisefette nieht offenliegend, soadern in Beh~tltern untergebracht verschifft.

7. F l e i s c h : Mit Blausiiure behandelt sind Kfihlfleisch, gesalzenes Schweine- fleisch und Speck beim Versuch II. Das Kfihlfleisch zeigt im ungeliifteten Zustande 0,92 mg und nach der Liiftung 0,48 mg Blausiiure in 100 g. Das behandelte und entlfiftete Kiihlfleisch ist als Suppenfleisch und gebraten verspeist worden und hat sich dabei als durehaus einwandfrei erwiesen. Auch gesalzenes Schweiaefleisch und Speck haben keinerlei Qualit£tsminderung gezeigt.

8. H i i l s e n f r i i c h t e u n d K o l o n i a l w a r e n : Die unter dieser Rubrik aufge- z~hlten Waren haben dutch die Blausiiurebehandlung ira Aussehen, Geruch, Ge- schmack und Haltbarkeit in keiner Weise irgendwelehe Beeinflussung oder Herab- setzung des Gebrauchswertes erlitten.

9. E i p r o d u k t e : Getrocknete Eiprodukte, in versehiedenen Qualitiiten often ausgebreltet, sind beim Versuch I und I I verwendet worden. Getrocknetes Hfihnerei beim Versueh II zeigt entliiftet einen Gehalt von 0,65 mg Blaus~iure in 100 g. Si~mtliche Fabrikate haben dutch die Blaus£urebehandlung keine gtu~erlieh wahrnehm- baren Ver~inderungen erfahren. Auch sonstige sch~idliche Einwirkungen sind nicht zu befiirchten.

10. G e t r e i d e , M e h l e u n d F u t t e r m i t t e l : Die aufgenommene Menge yon Blaus~iure betr~igt beim Roggen, R oggenkleie, Roggenmehl, Weizen und Weizenkleie 0,32 his 0,43 mg und beim Weizenmehl 0,86 mg in 100 g. Die hierher gehSrenden Artikel werden bei der Durchgasuug nicht beeinfluSt und geben die anhaftende Blau- s~iure beim Eutlfiften in kiirzester Zeit wieder ab. Die Unsch~idlichkeit der Blaus~ure gegeniiber Get,reide, Mehlen und Futtermitteln ist zur Geniige schon dadurch erwiesen, dal~ die Miihlen in Deutschland seit 7 Jahren - - in Amerika sogar seit 30 gahren

zum Zwecke der Sch~idlingsbekampfung (Mehlmotten, Milben u. dergl.) in gewissen Zeitabschnitten durehgast werden, ohne da$ sich hierbei irgendwelche Bedenken er- geben haben. Auch die Baekf~higkeit der durchgasten Mehle wird nieht beeintr£chtigt. Bei der Miihlendurchgasung l~t~t man die Blaus~ure in einer Starke von 1 Vol.-°/o 12 bis" 18 Stunden einwirken.

11. T a b a k w a r e n : An Rohtabak, ausgelegt in verschiedenen Sorten bei Vet- such II, hat der kaufm~nnische Sachversti~ndige eine ungfinstige Beeinflussung nicht feststellen kSnnen. Die bereits von uns beschriebene Beobachtung, dai~ man in der Lage ist, mit Hilfe des Tabakrauehens in einem durchgasten Raume die Anwesenheit yon Blausliure in gewissen Mengen zu erkennen, ist die Veranlassung gewesen, ge- legentlich einer Schiffsdurchgasung eincn besonderen Versueh mit fertigen Tabakwaren anzusteUen. Dabei sind Shag in KKsten yon 50 g, Zigaretten in Schachteln yon

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48. Band ] JIlli 1924J P. Bu t t enberg u. H. Weifi, Blausauredurchgasung usw. 117

25 Stiiek und Zigarren in Kisten yon 25 Stfick vcrschlossen im Elilraume ffir Matrosen ausgelegt und nach Absehlug der Durchgasung sofort - - ohne zu l i i f t e n - mit den unbehandelten Mustern verglichen worden. An dieser Rauchprobe haben sich eine Reihe yon Herren beteiligt, darunter einige, die absichtlieh erst nach Abgabe ihres Urteils unterrichtet sind, dag es sieh um mit Blausi~ure behandelte Waren ge- handelt hat. Lediglieh nach dem Geruch der nicht angeziindeten Objekte beurteilt, finden einige Herren die behandelten Proben - - selbst noch am anderen Tage sofort heraus. Bei anderen Herren f~iltt der Befund zweifelhaft aus. Dagegen tritt bei der Rauchprobe der Unterschied nicht so deutlich und sicher hervor. Ein Raucher bezeichnet durehweg die mit Blausiiure behandelten Tabakwaren gegenfiber den unbe- handelten im Gesehmaek als milder, t%ach Angabe eines bei der Rauchprobe be- teiligten kaufm~nnischen Sachverst~indigen hat die Handelsfiihigkeit der gepriiften Rauchwaren eine Verminderung nicht erfahren. Zwei Tage nach der Durchgasung sind selbst die empfindlichsten Rauchel nicht mehr in der Lage, die mit Blausgmre bebandeiten Muster herauszufinden.

12. G e b r a u c h s g e g e n s t i ~ n d e : Von seiten der Schiffsbesatzung, die vielerlei Formen der Durehgasung fiber sich hat ergehen lassen miissen, wird stets als Vorzug gegenfiber der Behandlung mit schwefliger S~ure hervorgehoben, daI~ bei Anwendung yon Blausiiure Schiidigungen yon Holz, Me, all, Leder, Wolle, Baumwolle, Farben und anderen empfindlichen Gebrauchsgegenstanden nicht vorkommen. Besondere Ver- suche mit Gebrauchsgegenst~nden sind daher nur mit getrockneten Fellen verschiedener Art, die als Sehiffsladung in Frage kommen, angestellt worden. Diese Felle (s. Yer- such III) haben nach dem Gutachten der kaufmgnnischen Sachverstiindigen durch die Blausaurebehandlung keinerlei Ver~inderung erfahren.

Bei der Beurteilung der Beeinflussung yon Nahrungs-, Genul3mitteln und Ge- brauchsgegensti~nden durch gasfSrmige Blausgure ist den Erfahrungen, welche die Schiffsbesatzung gesamme]t hat, eine besondere Bedeutung beizumessen. Diese Leute haben sich ihr eigenes Urteil gebildet und handeln danach. Bei der Blausiiuredurch- gasung verbleiben im Proviantraum Weine, Spirituosen, Zigarren, Fleisch, Kohl, ein- gesalzen in offenen Fiissern, frisches Gemfise usw. Im Kiiehenraum werden Meh], Brot, Makkaroni, Bratfett usw. im angebrochenen Behiilter belassen. Im Anrichte- raum ffir Offiziere findet man Butter, Margarine, Marmelade usw. alles offenstehend vor und in den Mannschaftsr~iumen werden die Scbubkiisten mit Nahrungsmitteln (Wurst, Speck, Brot usw. angeschnitten) vor der Durchgasung noch besonders aufge- zogen. Alles spricht dafiir, dag die Besatzung eine Beeinflussung der Lebensmittel nicht beobachtet hat. Dies wird yon den Offizieren und Mannschaften ausdrficklich best~tigt.

Schlu~folgerungen. 1. Die ffir Menschen und Tiere hSchst giftige B]aus~ure in gasf6rmigem Zustande

hat sich bei der Durchgasung yon Schiffen und unter gewissen Umstiinden auch bei Speichern bewghrt.

2. Bei sachgemSI3er Durchffihrung der Blausiiurebehandlung erfahren die durch- gasten Lebensmktel der Schiffsladung keine Veriinderung, die eine Herabsetzung der Bek6mmllchkeit oder sogar Gesundheitsschi~digung zur Folge hat.

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118 21. Hauptversammlung Deu~scher Nahrungsmiitelchemiker. ['Zei~schr. f. Untersuehung [d. ~ahr.- u. GenuBmil~tel.

3. Eine gewlsse Beeintr/ichtigung des Geruchs und Geschmacks bet den yon uns untersuehten Lebensmitteln kommt nur bet fertigen Tabakw,q~e~, Rohkaffee und Tee in Frage. Diese Beeinflussung der Ware ~bt bet den Tabakwaren keine Herabsetzung des Gebrauehswertes aus. Etwas empfindlieher ist sehon Rohkaffee als solcher beurteilt. Wenn f~r genfigende Durchliiftung naeh der Blausi~ureeinwir- kung gesorgt wird, erleidet tier Handelswert keine Einbulile. Tee dagegen seheint eine Seh/idigung zu erfahren. Weitere Versuehe werden hierfiber Aufschlul] geben.

Ver/inderungen im Aussehen, in der Fa rbe , Konsistenz, Hal tbarke i t , Verlust am Ge~,icht u. dergl, sind aueh bet den fibrigen Lebensmitteln nicht beobaehtet.

4. Eine Seh/idigung von Gebrauchsgegenst~inden - - immer saehgemiilile Aus- ffihrung vorausgesetzt - - ist ausgesehtossen.

5. Die Ausffihrung der Blaus/iuredurchgasung auf Schiffen erfordert sin gut gesehultes, unbedingt zuverl~ssiges und arbeitsfreudiges Personal. Die Lei tung dieser Arbeiten und die damit im Zusammenhange stehende ¥erantwortung ffir Menschen- leben, Sch~iden an Waren und Schiffsausrfistung mu$ in H~nden yon fachm/innisch geschulten, mit den erforderlichen chemischen und sonstlgen wissenschaftliehen Kennt- nissen ausgestatteten Sachverst~ndigen liegen. Unkenntnis wissenschaftlieher Vorg/inge entbindet nieht v o n d e r Verantwortung.

D i s k u s s i o n . Dr. G a 5 n e r : a l s Veltre/~er der Deutschen Gesellschaft far Seh/idlingsbekiimpfung in

F~'ankfurt a, hi.: Im Namen der Deutschen Gesellschaft fth' Sehltdlingsbek/tmpfung gestatte ieh mir, zun~chst den aufrichtigsten Dank far die Einladung zur Teilnahme an den Verhand- lungen auszusp~echen. Wir beg~tiften es iiberaus, daft Herr Prof. B u ~ t e n b e r g bier diese Frage angeregt hat. Seine Ausftthrungen deeken sieh ganz mit unssren Erfahrungen und mit dem, was die bishe~igen Untersuchungen in der Schweiz, Holland und in Deutschland ergeben haben. Es freut uns, hier aus berufenem Munde geh/irt zu haben, dab die Durch~asung bet saebgem~tfer Durehftihrung uogef/~hrlich ist. Ich m~chte darauf hinweisen, daft sine Sehokolade- fabrik, die sehr yon der Kakaomotto gep!agt war, es nicht gewagt hatte, sine Durchgasung ihres Betriebes vorzunehmen, aus Angst vor den Nahrungsmittelchemikern, d,e in nicht gentlgen- ~er Orientierung tlie Fertigware h'~tten beanstanden k(innen.

Dr. WJllek+-FraDkfart a. M.: Ieh mfchte hinweisen auf einen Unfall, den wir ktirzlieh in Wiesbaden bet der Durcbgasung yon Wohnriiumen hatten, und wobei ein Angestellter, der dm Durehgasung ausf~ihren sollte, dem Gifte zum Opfer fiel. Die Vorsiehtsmat~regeln gentigen wohl vielfach noch nieht; ieh babe z. B. ether Durehgasung in Frankfart5 a. M. beigewohnt, we sine Mansarde durehgast wurde, die zu ether Wohnung gehfrte, in der sich noeh Personen befanden und kochten. Das ist nicht, genug X%rsicht. Es mtiffte m. E bet der Durehgasung so vorgegangen werden, wie dies in Wtirttemberg verlangt wird, we nitmlich das ganze Haus yon Personen geriiumt sein muff.

Geheimraf~ K e r p : Mich hat die Bemerkung stutzig gemacht, dab der Reizstoff sine unangenehme Beigabe far den Ausfiihrenden der Durchgasung set, and we man es machen kann, lasse man die Beigabe weg Wenn das der Fail ist, so will ich hoffen,_daff das nur far die Schiffsdurchgasun~ gilt und daft deft die Vors,chtsmaffnahmen Geltung haben, die far die Blausiiure vergeschrieben sind, vet allem also, daft das Schiff yon Personen vollst/indig geri~umt sein muff. Was nun die Struktur der Bekanntmachung anbetrifft, so ist sis felgende: Die Anwendun~ von Blaus~ure, Cyankohlensiiureuster, Cyklon und dergleichen ist grundsKtzlich verboten. Nut yon Fall zu Fall kann alas Verfahren dureh die oberste Landeszentralbehfrde erlaubt werden. BlausKure ist nut gestattet bet vfllig ger/iumten H~usern. Diesen gleich- gestellt werden in der Praxis die Schiffe. Wenn in dem FaMe, den Herr W i l l e k e anfiihrte, tats/ichlieh Blaus~.ure angewandt wurde, so liegt bier ein grober Fehler vor. Die Vorschriften sind in Wiirttemberg genau dieselben wie in anderen Li~ndern, we die Blaus/iuredurchgasung auch nur in v~llig geri~umten ttltusern gestattet isl~. Man hat sieh in der Bekanntmachung entschlossen, die Verwendung yon Cyklon zuzulassen, weJl man sich dem unleugbaren Fort- sehri~t, tier in der Anwendung des Cyklons liegt, nieht versehlieben wolRe. Voraussetznng ffir die Durchgasung mit Cyklon ist, daft allen Bewohnern des Hauses angezeigt werden mutt,

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daft eine Durchgasung stattfindet. Vorausgesetzt ist hierbei, dali das Cyklon das mit einem Reizstoff versetzte Gemisch yon Cyan- und Chlorkohlensiinreester ist. Das Pritparat Ventox ist dasselbe Gemisch, nur ohne Reizstoff. F~ir die Durchgasung yon Mtihlen ist Ventox nicht zugelassen, sondern nur far die Durchgasung der geschlossenen Apparate in Miihlen. Es muff darauf gedrungen werden, dali dem Cyklon der Reizstoff such wirklich zugeffigt ist, und daf~ dieser schwerer fiiichtig ist als die beiden Komponenten des Cyktons. Wean gegeu diese Vorschriften verstoflen wird, dann sind etwaige Unf~tlle den 51tlichen BehCirden zuzuschreiben, nicht aber der Verordnung.

Dr. Gai iner-Frankfur t a. M.: Ich halte es ffir ausgesehlossen, daft Herr W i l l e k e eine B 1 a u s it n r e durchgasung gesehen hat. Nur Cyklon is~ zugelassen. Wenn der Durchgaaungs. loiter teiehtsinnig arbeitet, dann helfen alle Vorschriften nichts. Es handelte sich da um einen Fall eines Mannes, der 6 Jahre gut gearbeitet hat; dann bekommt er pl~tzlieh einen Fimmel und wollte in einer Viertelstunde 25 Zimmer durchlfiften. Wenn der Mann also jede Vorsicht suffer acht litl~t, dann ist nicht zu helfen, such nieht mit Vorschriften.

Dr. Wi l leke-Frankfur t a.M.: Ieh habe damals nicht festgestellt, womit durchgast wurde; jedenfalls war es keine gasf~i rmige Blaus~ture.

V o r s i t z e n d e r: Ich m~chte nochmals betonen, Blaus~ture dart nur angewandt werden, wenn die HKuser vollst~indig ger~tumt sind. Die Bestimmungen fiber die Durchgasung sind ftir nile L~nder gleieh.

Prof. Bu t t enbe rg -Hamburg : Beidor Durcbgasun~ yon Schiffen, die yon der Zeit vor Beginn der Blaus,~tureverteilung his zur Wiederfreigabe vollst~tndig yon Mannsc' aften - - abge- sehen yon tier Waehe auf Deck - - geri~umt welden, kann mit oder ohne Reizstoff gearbeitet werden. Die HafenbehiSrden fordern bei Schiffen nicht unbedingt die Mitverwendung eines Reizstoffes. Die beider Entwesung yon Wohnungen vorgekommenen Ungttieksf~otle sind moist darauf zurfickzuffihren~ daft die Bearbeitung mit hochgiftigen Stoffen yon nicht dazu berechtigten Persenen ausgeftthrt worden ist, oder daft man die amtlich bekannt gegebenen Vorsichtsmafl- nahmen aulier acht gelassen hat.

Prof. B e y t hi e n- Dresden : Die Zul~tssigkeit der Darchgasung unter gewissen Bedingungen hat die Kammerj~iger wohl zu der Ansioht geffibrt, daft das Verfahren allgemein zugelassen sei. Die Kammerjiiger nehmen ! kg Cyanatrium auf ein Zimmer und entwlckeln daraus mit Schwefsls~ure die Blau~iuro. In Dresden haben wir den Fall gehabt, daft Hotelzimmer so durcbgast wurden, und dali Personen, die so behandelte Zimmer noch in derselben Nacht benutzten, gestorben sin& Es mtifiten jedem Kammerjiiger bei tier Konzessionserteilung genaue Anweisungen gegeben werden.

Dr. G afiner-Frankfurt a. M.: Die Kammerjitger sind orientiert; sie beziehen aber das Cyannatrium oft aus Apotheken, als KSderstoff.

V o r s i t z e n d e r : Es ist Sache der Polizeiverwaltungen, die Kammerjitger zu evidieren.

Prof. Beythien-Dresden: Der yon mir erw~thnfe Fall war im Jahre 1921 oder 1922. Die Kammerjager haben ja im Felde die Durchgasung kennen gelernt und glaubten nun, das VelS'ahren s~i zal~issig. Beider Fttlle der Kriegsverordnungen kann es vorkommen, dati die Kammerjiiger nicht fiber alte Bestimmungen genau orientiert sind.

Geheimrafi Kerp : Ich will noch einmal ausdr[icklich betonen, daft unter Cyklon das Gemiseh yon Chorkohlens~ureester und Cyankohlensaureester plus einem Reizstoff zu verstehen ist. Die Kammerjager gehen im tibrigen darauf aus, daft das Verfahren der Blaus~ture Durch- gasung in jegtieher Form, also auch in der Form des Cyklons, verboten, und nur die Schweflig- s~turebehandlung zugelassen wird, weft die schweflige S~ure fast ebenso wirksam utld un- gefiihrlich ist.

V o r s i t z e n d e r : Da das Wort nicht mehr gewiinscht wird, danke ich Ihnen, Herr Prof. B u t t e n b e r g , ftir Ihren Vortrag, durch den wit darauf aufmerksam gemacbt wurden, welche Gefahren bei unsachgemiil~er Anwendung der Blaus~uredurehgasung vorhanden sind. Zweifetlos werden wir alle jetzt fiberzeugt sein, dal~ die dazu ergangenen Vorsehriften strong befolgt werden m[issen. ]~ch danke Ihnen nochmals und mein Dank richtet sieh such an Herrn Dr. G a S h e r yon der Deutschen" Gesellschaft fiir Sehiidlingsbekiimpfung.

Nunmehr erteile ich Herrn Dr. L f i n i n g das Weft.