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Über die biologische Bedeutung der Innenohrschwerhörigkeit bei Retinitis pigmentosa

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Page 1: Über die biologische Bedeutung der Innenohrschwerhörigkeit bei Retinitis pigmentosa

NEUBERGER: Bedeutung d. InnenohrschwerhSrigkeit beiRetinitis pigmentosa. 655

bleibende H/Jrseh/~den begfinst igend wi rk t ; ebenso kann natf i r l ich das

hShere Lebensal ter , dem die Verwunde ten des 1. Wel tkr ieges angehSren,

pr~dest in ierend sein; mSglicherweise auch beides. Eine sichere Entschei -

dung hierfiber konn ten wir auf Grund unserer Un te r suchungen bisher

noch n ich t treffen.

Selbstvers t / indl ich miissen die Beziehungen zwischen Innenohr und

A m p u t a t i o n e n aueh ftir andere Ver le tzungen angenommen werden. I m

Interesse der E inhe i t l i chke i t des kl inischen Bildes haben wir jedoeh

unsere Un te r suehungen auf ein s t reng abgegrenztes Krankhe i t sb i ld be-

schr/~nkt.

Es ist zu hoffen, da$ die noch often gebl iebenen F ragen weiter gekl~rt

werden k5nnen, zumal wegen der prakt i sehen B e d e u t u n g ffir die Thera-

pie und die Begu taeh tung .

L i t e r a t u r .

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67. F. NEUB]~I~G]Elt-Wien: Uber die biologische Bedeutung der Innen-

ohrschwerhiir igkeit bei Retinit is pigmentosa.

Auge, Ohr und Nase s tehen sich in fr i ihen Embryon~lpe r ioden ent-

wicklungsm~8ig nahe und zeigen eine besondere zeitliche Konstanz ihrer Organanlage und Organentwicklung (OPPEL).

LEHMAN~, I-IOLFRETER, ORTMA:NN und STARK fiihren diese Tatsache auf die beiden im Kopfbereich vorhandenen Blastemfe]der zuriick, wobei das Vorderhirn- blastem die Ausbildung des Vorder- und Zwisehenhirnes sowie der Augen und der Nasensensorik induziert, das Hinterhlrnblastem aber die Entwicklung des Mitte]- und l%autenhirnes, des Labyrinthes und des Kiemendarmes steuert. Beide Blasteme treten im Nasenberelch in innige Beziehung zueinander, wobei besonders die Deri- rate des Kiemenkorbes (1. Visceralbogen und 1. Visceralfurche) sich mit ihren

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Endprodukten Oberldefer und Gsmmenbein am kn5ehernen Aufbau beteiligen. Die Seh~delpneumatis~tion einschliel]lich PaukenhShle, Warzenfortsatz und Tube nimmt vom Entoderm des Kiemend~rmes, somit ebenfalls veto ttinterhirnblastem, seinen Ausg~ng.

EntwioklungsstSrungen beider Kopfblas teme werden sich im ex- %rauterinen Leben durch formale oder potentielle Mil]bildungen ihrer 0rganabkSmmlinge manffestieren. Ein Paradigma dieser Art stellt die Retinitis pigmentosa in ihrer Vergesellschaftung mit der Ilmenohrschwer- hSrigkeit dar. Die dabei gleiehzeitig anzutreffenden formalen Pneumati- sationshemmungen der Nasen-NebenhShlen und des W~rzenfortsatzes waren bisher'ebenso unbekalmt, wie die chronisch-hyperplastischen Ent- ziindungsformen gleicher Lokalisation unbeachtet blieben. Die der Re- tinitis pigmentosa und den ihr koordinierten NebenhShlenver~inderungen zugrunde liegenden ontogenetisch orientierten Krankheitserseheinungen lassen den mit beiden Erkrankungen innigst vergesellsehafteten Funk- t ionsabbau des GehSrsinnes in einem neuen Licht erscheinen und er- lauben Riickschliisse auf die entwicklungsbedingte biologische Wertigkeit des hSrbaren Frequenzbereiches.

Die Retinitis pigmentosa beweist ihren auf einer EmbryonalstSrung beruhenden Charakter nicht nur dureh ihre Koordination mit ~nderen Augenmil~bildungen, wie eongenitalem Kolobom, hinteren PolkatarakL persistierender GlaskSrperarterie, hochgradiger Myopie (FucHs, IV~c]IEK, I%~EUFFER, ULRICH, WILBRAND) oder durch ihr geh~uftes Auftreten bei Konsanguini$~t~ (BELL, DE WILDE, FRANZESOHETTI, HERRLINGER, USHER, WAARDENBURG, WILBI~kND 11. SAENGER), sondern aueh dureh ihre Vergesellsehaftung mit ~nderen kongenit~len Fehl- und Minderleistungen des Organismus. Do werden bei Retinitis pigmentosa Syndaktylie und Polydaktylie (FucttS, HORING, STEINBERG, WIDER), Gaumen- und Lippenspalten (Fucns, GIONEa, HERRLING, STEINBERG), angeborene SehwerhSrigkeit, Taubheit (AL- BRECHT, BLESSIG, FR&NZESCHETTI U. KLEIN, HAMMERSCtLLAG, HOOR, t~IUS, WIDER) und vestibul~re Unerregbarkeit (DERIGS, LIEBREICH, I~EUFFER, WEBSTER) beobaeh- tet. Einen breiten Raum nehmen die kasuistisehen Mitteilungen yon Retinitis pig- mentosa und GeistesstOrungen ein, deren Bogen sieh vom leichten Intelligenzdefekt fiber Paranoia (WINNIK), Epilepsie (DERIGS, HERRLINGER, PETERSON, STEINBERG) bis zur schweren Idiotie bzw. Oligophrenie (FRANZESCHETTI, FRIGERIO, FUCHS, HORING, LIEBREICII, KJERRUMGAAI%D, IV[ULDER, PETERSON, STEINBERG, DE WECKER WIDER) spann%. Schliel~lieh sind auch die noeh yon IIyp0physe und Zwisehenhirn abh~ngigen endokrinen StSrungen zu erw~hnen, die sich inFettsueht oder auffallen- der Msgerheit (BURN, HILDESHEI~ER U. BOENHEIiK), in Potenz- und LeberstSrungen (BISLAND~ FRANZESOIIETTI~ FRANCOIS, FRIEDE, SALOI~IONE, STRAUB), Nebennieren- schgdigungen und eunuehoiden Hochwuchs (BoGEK u. I~ISAK) manifestieren oder zur Auspr~gung des LAURENCE-~V[OoN-BARDET-]~IEDLsohen Syndroms bzw. zur Dystrophia adiposogenit~Hs (FRoHLICH, KJERRUMGAARD) fiihren.

Von klinischen Symptomen ist die Symmetrie der Neuroepithel- degeneration, die t temeralopie sowie die v o n d e r Peripherie gegen d~s Zentrum fortschreitende Einengung des Gesichtsfeldes (FucKs, WIn- BI~AND) zu erws welohe in seltenen F~Lllen schon bei der Geburt oder im Kleinkindesalter, hgufiger aber erst zur Zeit der Puber tgt oder noch

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sp/~ter (DERIGS, G o z ~ , HUTOtIINSOI% MACHEK, ~ELLINGER, MOOREN, P~LTESOH~) auftreten. Diese eindrucksvolle Symptom~tik erkl&rt sieh aus der Entwicklung und Anatomie des Auges.

Es sei nur daran erinnert, dab die Sinneszellen im zentralen nnd funktionell wichtigsten Abschnitt der Macula lutea, entsprechend der Regel yon den Bezie- hungen zwischen Wichtigkeit der Funktion und dem Zeitpunkt der Entwicklung (CLAI~Ax, FISCHEL), sich zuerst differenzieren, und yon hier aus sich peripherw&rts entwickeIn. Das glcichc Verhalten ist beim/~ul]eren Augcnbecherblatt, welches zur Pigmentschieht wird, zu beobachten. Die periphercn Bezirke der retinalen Simles- und Pigmentepithelien entstehen somit in der Ontogenese spdter als die zen%ralen Anteile, yon denen sie ihren Ansgang nehmen. Infolge ihrer entwicklungsgeschicht- lichen Jugend erweiscn sie sich anch weniger widerstandsf/ihig gegeniiber embryona- len St6rungen, die sic mit einer mangelhaften Ausreifung beantworten. Das peri- phere retinale Sinnes- und Pigmentepithel geht daher bei fnnktionellen Bea~spru- chungen durch exogene Umweltbelastungen als erstes zugrunde (GIZ~SnE~G, •ETLESI:gP) und manifestiert sich am Augenhintergrund als progrcdiente yon der Peripherie zum Zentrum fortschreitende Atrophie der Sinnes- und l~ervenelemente (I~EIqKE-LUBARSCn, WILBRAlqD), der eine Pigmentverlagerung aus dem Tal0etum nigrum in die innersten, dutch interstitielle Bindegewebswucherung (].EBER) er- se~zten Retinaschichten konform geht.

Betrachten wir nun die mi t Retinitis pigmentosa vergesellsehafteten formalen und potentiellen 3/IiBbildungen der l~ebenh6hlen. Uber der- artige Vergnderungen wird in der Literafur nur sehr wenig und ganz all- gemein (ScHSN, LAVALL~) berichtet. Die systematischen r6ntgenolo- gisehen NebenhShlen-und Schigfenbeinuntersuehungen in den iiblichen Projektionsarten ergeben aber, dab an den Derivaten des aus dem Hin- terhirnblastem sieh entwickehlden KiemenkGrbes nieht nur formale Ver/~nderungen im Sinne yon Hypo- und Aplasien der Nasen-NebenhSh- fen- und Warzenfortsatzpneumatisat ion festzuste]len sind, sondern sich darfiber hinaus auch chronisehe Sinusitiden und Adhaesivprozesse naeh- weisen lassen. Den im Zeitalter der Antibiotik sich immer mehr dureh- setzenden Ansehauungen fiber Aetiologie und Pathogenese obiger Er- krankungen zufotge, mfissen wir nicht nur die formaten Ver/inderungen der hypo- und aplastischen Pneumatisat ionsvariat ionen auf angeborene endogene Ursachen zurfickfiihren, sondern auch die potentiellen MiB- bildungen in Form ehronisch-hyperplastischer Sinusitiden bzw. Otitiden auf die gleichen l~aktoren beziehen. Die angeborene Schleimhautminder- wertigkeit ist dabei konnatal morphologisch nicht faBbar, sondern t r i t t erst im extrauterinen Leben unter Belastung exogener Umweltfakt0ren als chronische Entzfindung in Erscheinung. lr diese pathogenetische Auffassung formaler und potentieller Pneumatisat ionsvariat ionen spre- chen nieht nur die Zwillings- und Sippenforschungen yon A ~ e H T und Sc~wA_~z, sondern auch die Vergesellschaftung mit sicher angeborenen Mi~bildungen des fibrigen Splanehnoeraninms oder der • Lnftwege, in deren Mittelpunkt die Dysostosis mandibulo-facialis (F~AZ~Z~SCH~TTI) bzw. das K~TAGEZ~v,~sche Syndrom (Nwv~v~G~R) stehen.

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Untersueht man nun die r5ntgenologiseh naehweisbaren Neben- h5hlenver~nderungen genauer, so ergibt sieh, dab aussehlieBlieh die StirnhShle formale, yon der Hypoplasie bis zm" Aplasie reichende Ver- ~nderungen aufweist. Die KieferhShlen sind formal niemals ver~ndert. Hier finden sieh vielmehr ehronisehe Sin~usitiden vom hyperplastisehen Typ, die entweder mit randst~ndiger oder vSlliger Verschattung der H6hlen einhergehen. Derartige ehronische Sehleimhaufver~nderungen slnd aueh in allen anderen IqebenhShlen, voczugsweise abe t wieder in hypoplastisehen StirnhShlen naehweisbar.

Ontogenetiseh besteht zwisehen KieferhShlen- und StirnhShlenanlage insofern ein zeitlieher Gegensatz, als die Anlage der KieferhShle als erste aller NebenhShlen im zweiten Embryona]monat, jane der StirnhShle abet als letzte im vierten Embryonalmonat (PETE~) auftritt. Der Sinus frontalis scheint infolge seiner entwieklungsgeschiehtliehen Jugend daher weniger ~viderstandsf~hig als die KieferhShle zu sein. EmbryonalstSrungen werden am schw~chsten Glied der Nasen-NebenhShlenpneumatisation die st~rksten bis zur Alolasie reiehenden Formalver~nderungen hervor- zurufen vermSgen. Die StirnhShle wird-- da sie pneumatisationshemmen- den Einfliissen am meisten zug~ngig ist - - zum Indicator des Pneu- matisationseharakters des Nasen-NebenhShlensystems (BECK).

Der gleiehe 0ntogenetisch orientierte StSrungsmodus ist aber aueh beim pneumatischen System des Mittelohres zu beobaehten. In der Organkette PaukenhShle, Tube, Antrum und Warzenfortsatzzellen stellen die letzteren wieder das entwicklungsgesehiehtlieh jiingste Glied dar, an welehen EmbryonalstSrungen die st~rksten bis zur Apl~sie reiehenden Formalver~nderungen am ]eiehtesten hervorzurufen vermSgen. Wit haben bei den mit Retinitis pigmentosa vergesellsehafteten HemmungsmiB- bildungen des pneumatisehen Mittelohrsystems niemals Hypo- oder Aplasien der Tube, der Pauke oder des Antrums gesehen, sondern immer nut solehe der Warzenfortsatzzellen, welehe in der Ontogenese am spatesten zur Entwieklung kommen.

Dieser StSrungsablauf im Bereiehe der Sehgdelpneumatis~tion, wel- eher die ontogenetiseh jiingsten Glieder der Hohlraumsysteme am st~rk- sten bef~llt, steht in Analogie zu dem sehon gesehilderten Erkrankungs- verlauf bei der l%etinitis pigmentosa, we ebenfalls die in der Ontogenese zuletzt zur Ausbildung gelangenden peripheren Funktionsglieder zuerst und am stgrl~sten gesehgdigt werden.

Der Funk%ionsverlust des Iqervus eoehlearis bei l%etinitis pigmentosa pr~sentiert sieh als InnenohrschwerhSrigkeit (ALBRECHT, H~MER- SCs]~AG, H~mDu McGovERN, SII%LES und SLAUGHTER) mit typisehem ttochtonausfall (AzzoLINI und CORTESI, BIETTI, KZE~UMGAA~D) und symmetrischem Verlauf (STE~BE~G). l%egelm~Big ist aueh ein positiver Lautst~rkeausgleich (Methode LfTSCHE~-ZwIsLOCKI) vorhanden, so dab

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der Sitz der Sch~tdigung in das Neuroepithel des CoRTIschen Org~nes zu verlegen ist. Die Ansprggung der ttSrst~irung ist individuell unterschied- lich und ]angsam progredien~. Initiatsymptome werden zu verschiedenen Lebenszeiten yon der friihen Xindheit bis ins Erwachsenenalter beob- aehget. Xtiologisch wird der Funktionsausfall auf die gleichen Ursachen, welche die Retinitis pigmentosa auslSsen, zuriickgefiihrt (HAMMER- SOI~LAG) nnd EntwicklungsstSrungen des frfihembryonalen Lebens (ALAGNA nnd NII~TI6) ftir die Sch~tdigung der retinalen nnd cochlearen Sinnesepithelstruktnr verantwortlich gemacht. Da die mit getinitis pig- mentosa vergesellschaftete Laesio auris int. immer mit einem Funktions- abban im hohen Freqnenzbereich begfimt nnd erst im Verlaufe jahre- langer Progredienz den Mi~tel- nnd Tieftonbereich ergreift, ist klinisch geniigend Grund vorhanden, den gleichen, bei der lgetinitis pigmentosa,' den Nasen-NebenhShlen und Warzenfortsatzvergnderungen geschilderten ontogenetisch orientierten Erkrankungsablauf auch beim CoRT~schen Organ zu vermuten. Dies wfirde bedeuten, dal~ das Neuroepithel am oberen Ska]enende des hSrbaren Frequenzbereiches in der Ontogenese sp~ter auftritt als die dem Mittel- und Tieftonbereich koordinierten Sinneszellen. Infolge ihrer entwicklungsgeschichtlichen Jugend erweisen sie sich gegenfiber embryonalen StSrungen genan so wenig widerstands- f~hig wie die peripheren retinalen Sinneszellen oder die ontogenetisch jtingsten Glieder der Sch~delpneumatisation. Fiir diese Auffassung spricht auch die Verlaufsform tier mit l~etinitis pigmentos~ vergesellschafteten InnenohrschwerhSrigkeit, die, ebenfalls eine potentielle bei der Geburt morphologisch nlcht fal~bare Mil~bildnng, erst nach entsprechender, manch- real Jahrzehnte lgng dauernder exogener Umweltbelastung manifest wh'd und im :Bereiche der physiologiseh schwi~chsten, daher am st~rksten sich gesch~digt erweisenden hohen Frequenzen znerst in Erscheinung trier.

Die Koordination der Retinitis pigmentosa mit den geschilderten NebenhShlenver~nderungen, welche in ihren ontogenetisch am spi~testen auftretenden Abschnitten geschgdigt erscheinen, weisen auf analoge biologische Valenzen im hSrbaren Frequenzbereich him Die entwi(k- lungsgeschichtlich zu erkl~rende physiologische Valenzminderung des I-Iochtonbereiches gegeniiber dem Mittel- und Tieftonabschnitt bedhlgt, dal~ sich in diesem Bereich der ttSrfunktion embryonale Entwicklnngs- stSrungen am ehesten und stgrksten answirken werden. Je nach der Quantitgt der StSrnoxe kommt es dabei zur konnatalen Taubheit oder angeborenen InnenohrschwerhSrigkeit. In den meisten F~llen aber er- scheint die ItSrfunktion in der Jugend normal, und der t~unktionsabbau infolge Atrophie der ontogenetisch jiingsten , iiberdies durch Embryonal- stSrungen in ihrem l~eifegrad geschgdigten, Sinneszellen beginn~ erst im zweiten oder dritten Lebensjahrzehnt nach entsprechender exogener Umweltbelastung.

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660 NEVBE~E~: Bedeutung d. InnenohrsehwerhSrigkeit bei Retinitis pigment osa.

Die Ubere ins t immung der Ontogenese u n d des Erkrankungsab laufes bei den vergesellschafteten Augen-, Warzenfor tsatz- und NebenhShlen- ve r~nderungen rfickt die auf kl inischen Beobachtungen beruhende An- nahme einer en twicklungsbedingt ver~tnderlichen, gegen den t toch ton- bereich abnehmenden , biologischen Wer t igkei t des hSrbaren Frequenz- bereiches in den Bereich der Wahrscheinl ichkeit . F i i r eine derartige A n n a h m e spreehen auch die w~hrend des Lebens erworbenen Innenohr - sch~digungen, deren Ursachen yon Gef~l~stSrungen fiber In tox ika t ionen bis zum chronischen L ~ r m t r a u m a reichen und die hnme r im t toch ton- bereich als dem Ort des geringsten physiologischen Widers tandes sich zuerst manifest ieren.

I n der Anzeige dieser en twieklungsbedingten physiologischen Minder- wertigkeit des Hochfrequenzbereiches, welehe bei Embryonalseh~di- gungen besonders augenf~llig wird, liegt die biologische Bedeu tung der m i t Ret in i t i s p igmentosa vergesellsehafteten InnenohrschwerhSrigkei t . I m Verein mi t den diesen E r k r a n k u n g e n koordinier ten Pneumat i sa t ions- ver~nderungen, welche ebenfalls in ihren ontogenetisch j i ingsten Ab- sohni t ten am st~rksten gestSrt erscheinen, formulier t sieh das Pr inz ip : , ,Je hSher der Frequenzbereieh, u m so jfinger seine En twick lung ; u m so geringer aber aueh seine Widers tandskra f t gegeniiber endogenen u n d exogenen S tSrungen ."

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Page 7: Über die biologische Bedeutung der Innenohrschwerhörigkeit bei Retinitis pigmentosa

Diskussion zu Vortrag 67. 661

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Diskussion zu Vortrag 67.

H. BOI~NSCttEIN-Wien. Der menschlichen Retini t is p igmentosa in jeder Beziehung analoge erbliche Ret inopath ien wurden aueh beim Tier beobachtet . Die charak- terist ischen 8ymptome dieser Erkrankungen (Ausl6schung des Elel~tro-Retino- grammes, histologische Veranderungen in der Netzhaut) kSnnen beim Tier experi- mentel l durch intraven6se In jek t ion relat iv niedriger Dosen yon Na t r ium-Jodace ta t erzeugt werden (Blockierung anaerob-glykolytischer Prozesse). Im Hinb]ick auf die fragliche Vergesellschaftung yon Retini t is pigmentosa und SchwerhSrigkeit wurde die Wirkung yon Na t r ium-Jodace ta t au f die coehlearen Mikrophonpotentiale unter- suebt. Subletale Dosen waren auf die Mikrophonpotentiale erster Ordnung ohne jeden Eilffiul~, w~hrend die anoxieresistenten Mikrophonpotentiale zweiter Ordnung selbst durch eine ffinffache letale Dosis n icht reduziert wurden. Es ergab sich somit kein Anha l t ffir einen Zusammenhang auf Grund einer allgemeinen St6rung anaerob- glykolytischer Prozesse.