4

Click here to load reader

Über die EEG-Veränderungen und Verhaltensweisen von Katzen unter dem Einfluß von Psychopharmaka

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über die EEG-Veränderungen und Verhaltensweisen von Katzen unter dem Einfluß von Psychopharmaka

Deutsche Zeitschrift fiir NervenheilkUnde 187, 35--38 (1965)

Aus der Neurochirurgischen Klinik der Universitat KSln und dem Max Planck- Institut fiir Hirnforschung, Abteilung fiir Tumorforschung und experimentelle

Pathologie (Direktor : Prof. Dr. W. TSNNIS)

(~ber die EEG-Ver~nderungen und Verhaltensweisen yon Katzen unter dem Einflull yon Psychopharmaka

Von

H.W. STEINMANN

(Eingegangen am 20. Januar 1965)

Dutch hirnelektrische Un te r suchungen in aku ten u n d chronischen Versuchen sowie durch das S tud ium der Aktionspotent ia te , der Re- cruit ing-response und der Weckreakt ion ist yon DAS, DASGVPTA U. Ws~R- NER; BRADLEY U. I-IANcE; ~-~IEBEL, BONVALLET U. DELL; LONGO, vON BERGER U. BOVET; HIMWICtt u. RINALDI; KILLAM U. KILLAM sowie HOFFMEISTER versucht worden, zu einer spezifischen Wirkungsana lyse einiger Psychopharmaka , vor allem der Phenoth iaz in-Der iva te zu ge- langen.

Ziel der vort iegenden Arbei t war es, die Wi rkung von Chlor th iaxanthen (Truxal ®) u n d F luphenaz in (Omca ®) auf das Verhal ten u n d das Hirn- s t rombild yon freibeweglichen wachen K a t z e n zu studieren.

Methodik Die Untersuchungen wurden an zetm ausgewachsenen Katzen beiderlei Ge-

schlechtes durchgefiihrt. In Pentobarbitalnarkose wurden Silberelektroden im Be- reich des sensomotorischen Cortex, des Hbrfeldes sowie der Striata beiderseits implarttiert. Die Exploration subcorticaler Strukturen (Hippocampus, Mandelkern, Reticularis meseacephali, Nucl. centralis medialis thalami) erfolgte mit V2A-Stahl- nadeln, die bis auf die Spitze isoliert waren. Die Elektroden waren mit einem Hirschmann-Sockel verbunden, der seinerseits auf dem knSehernen Sch~del mittels Palavit befestigt war. ~ber einen Stecker wurde die Verbindung zu den Eing~ngen des EEG-Ger~tes hergestellt. Mit den Untersuchungen wurde erst nach Abklingen der akutea Verletzungsfolgen begonnen.

Die Priifung des Z~hmungseffektes, der iiblicherweise an Affen vorgenommen wird, erfolgte ebenfalls an Katzen. Hierzu verwandten wir Tiere, die entweder unter- einander oder gegentiber dem Tierpfleger aggressive Tendenzen zeigten. Beide Substanzen wurden i.p. appliziert.

Ergebnisse

1. EEG-Befunde. Bei einer Dosierung yon 2,5 mg/kg i.p. ka m es ver- einzelt zu einer geringen Akt iv ie rung der Ampl i tuden der Hirnpotent ia le ,

3*

Page 2: Über die EEG-Veränderungen und Verhaltensweisen von Katzen unter dem Einfluß von Psychopharmaka

36 H.W. STEINMAlqN:

wobei dieser Effekt bei Truxal ® deutlicher war als bei Omca ®. Gleich- zeitig konnte damit eine Frequenzbeschleunigung gekoppelt sein. Ein- deutig waren die Befunde jedoch erst bei 5 mg/kg. Der Wirkungseintritt erfolgte unterschiedlich schnell, erkennbar an der Amplitudensteigerung und Frequenzbeschleunigung, die in der zweiten Phase von einer Akti- vierung langsamer Wellen aus dem Theta- bzw. Deltawellenbereich gefolgt wurde (Bild des leichten Schlafes). Wenn die mit Truxal behandetten Tiere nicht gestSrt wurden, kam es aui]erdem zur Ausbildung yon Schlaf- spindeln. Die hirnelektrische Weckreaktion war immer auslSsbar, gleich- gfiltig was fiir ein Reiz verwandt wurde. Regionale Besonderheiten waren im EEG nicht festzustellen. Auch bei hSherer Dosierung (12 mg/kg) war der allgemeine Aktivierungseffekt auf das EEG bei Truxal noch st/~rker vorhanden als bei Omca. Jim Verhalten der Tiere war bei der niedrigen Dosierung eine gewisse DSsigkeit festzustellen, doch zu typischen Schlaf- phasen kam es erst bei hSherer Gabe. Alle Tiere waren klinisch sofort weckbar. Das Wirkungsmaximum war nach etwa 1 Std erreicht und hielt dann fiir weitere 1--2 Std an. Die Wachphasen nach Weckreizen waren unterschiedlich lang, sie wechselten auch yon Tier zu Tier. In der An- fangsphase der Truxalwirkung haben wir bei zwei Tieren eine gewisse Aggressivit/it beobachten kSnnen, die sich darin i~u6erte, da6 sie ~eder- holt versuchten, die Zellstoffunterlage im Beobachtungsk~fig zu zerrei6en und in das ttolz bissen. Auch bei Chlorpromazin haben wir derartige Ver- haltensweisen beobachtet. Durch i~ul~ere Reize waren sie kurzzeitig ab- lenkbar. Weiterhin war bei diesen Tieren auffiillig, da]~ sie wi~hrend dieser Phase kl~gliche Miau-Laute yon sich gaben.

Im Vergleich zu Chlorpromazin 15st Truxal bei gleicher Dosierung ein deutlicheres Schlafbild im EEG aus, gleichzeitig jedoch mit leichterer Erweckbarkeit und geringer Ataxie. Um durch Omca ein ~hnliches Schlafbild wie mit Chlorpromazin zu erreichen, mul~ die Dosierung hSher sein (etwa das Ffinffaehe).

2. Z~ihmungserfolge. Z~hmungseffekte konnten wir bei Katzen in zwei verschiedenen Situationen untersuchen. Bei der ersten Gruppe handelte es sich um gleichrangige Tiere, die sofort aggressiv gegeneinander wurden, sobald sie zusammen in einen Beobachtungsk~fig yon etwa 50 × 40 cm Durchmesser gesetzt wurden. Unter dem Einflul~ yon t~glich 10 mg/kg Omca war in den ersten 4 Tagen kein wesentlicher Z£hmungserfolg zu verzeichnen. Dann jedoch kam es nut noch gelegentlich zu Fauchen und Abwehrreaktionen und ab 6. Tag waren die Tiere vertr~glich.

Bei der zweiten Gruppe bestand ein ausgesprochenes Furcht-Flucht- verhalten gegeniiber dem Menschen, was sofort in Aggressivit/~t umschlug, wenn man sich zu sehr n~herte und ihnen kein Fluchtweg mehr often blieb. Diese Tiere erhielten, um den sedierenden Einflu6 mSglichst gering

Page 3: Über die EEG-Veränderungen und Verhaltensweisen von Katzen unter dem Einfluß von Psychopharmaka

EEG-Ver.~nderungen unter dem Einflu~ von Psychopharmaka 37

zu halten, nur 5 mg/kg Truxal ti~glich, ebenfalls ffir 8 Tage. 1--2 Std nach der Injektion wurden die Tiere friedlicher, sie fauchten zwar noch, wenn man sie anfal~te, aber sie schlugen nicht mehr mit der Pfote nach der Hand und auch an eine Flucht schienen sie nicht mehr zu denken. Dieser Zustand hielt in der Regel fiir 4 - -5 Std an, gegen Ende der Be- handlung sogar ffir einen Tag. Nach Absetzen der Medikation war die Aggressivit/it allerdings in der gewohnten St/irke wieder vorhanden.

Bespreehung der Ergebnisse

Unsere Untersuchungen bestatigen die Befunde von BRADLEY U. HANCE sowie HOFEMEISTER, wonach die verschiedenen Psychopharmaka unterschiedliche hirnelektrische Zustandsbilder hervorrufen. In unseren Versuchen erwies sich Truxal auf Grund des st/irkeren Aktivierungs- effektes und der leichteren Ausl6sbarkeit yon Schlafspindeln barbiturat- ~hnlicher als Omca. Dem entsprach auch klininisch ein deutlicher seda- t iver Effekt. Hinsichtlich des Weckeffektes ergab sich ffir Truxal ein ~hnlicher Befund, wie er yon HIEBEL, BONVALLET U. DELL; LONGO, VON BERGER U. BOVET ; HMIWICH U. RINALDI sowJe BRADLEY bei Chlor- promazin erhoben werden konnte. Bei hSherer Dosierung maeht sich eine gewisse Depression des Weckeffektes bemerkbar, was darauf hinweist, dal~ die Wirkung von Truxal auf das aktivierende reticulare System gegeniiber Omca im Vordergrund steht. Die bei zwei Tieren beobaehteten aggressiven Verhaltenswcisen in der Anfangsphase nach Truxalgabe dfirften dem stimulierenden Effekt entsprechen, den BRADLEY U. HANCE bei geringen Chlorpromazindosen besehrieben haben.

Aueh die Beobaehtungen des Zahmungseffektes lassen erkennen, daI~ der Angriffspunkt beider Substanzen nicht gleich ist. Da Angst-, Flucht- und Angriffsverhalten vom limbischen System gesteuert werden (HuNs- PERC~R; MAC LEAN; K L ~ V ~ U. BucY sowie SCHREINER U. KLING) darf man annehmen, dab Omca in der angegebenen Dosierung vorzugsweise in diesem System eingreift, wobei zur Erreichung des Wirkungsoptimums einige Tage notwendig zu sein scheinen. Ffir diesen Wirkungsmechanis- mus kSnnten aueh andere eigene Beobachtungen sprechen, naeh denen bei chronisch epileptischen Tieren mit psychomotorischen Anf/~l]en Omca die Stabilisierung der Hippocampusaktivit/~t in niederen Dosen nieht beeintr/ichtigt.

Zusammenfassung An der Katze werden durch Chlorthiaxanthen leiehter als durch

Fluphenazin schlaf/~hnliehe Kurvenbilder hervorgerufen. Gemessen an der bioelektrischen Weckreaktion wirkt Chlorthiaxanthen in st£rkerem Mai3e hemmend auf das aktivierende retieulare System als Fluphenazin. Hinsichtlich des Z/ihmungseffektes erweist sich Fluphenazin bei der

Dtsch. Z. Ncrvenh~ilk., Bd. 187 3a

Page 4: Über die EEG-Veränderungen und Verhaltensweisen von Katzen unter dem Einfluß von Psychopharmaka

38 STEINMANN: EEG-Ver~inderungen unter dem Eini]ul~ yon Psychopharmaka

Ka tze wirkungsvoller , was auf die st/~rkere Wirkungsent fa l tung im

l imbischen Sys tem bezogen wird. Die hierzu notwendigen geringen Dosen mfissen allerdings fiber Tage verabfolgt werden.

Literatur

BRADLEY, P. B., and A. J. HANCE : The effect of chlorpromazine and methopromazine on the electrical activity of the brain in the cat. Electroenceph. clin. Neuro- physiol. 9, 191 (1957).

DAs, iN. N., S. R. DASGUPTA, and G. WERNER: Changes of behaviour and electro- encephalogram in rhesus monkeys caused by chlorpromazine. Arch. int. Pharma- codyn. 99, 451 (1954).

FERNANDEZ DE MOLINA, A., and R. W. HUNSPERGER: Central representation of affective reaction in fore brain and brain stem. Electrical stimulation of amygdala, stria terminalis and adjacent structures. J. Physiol. (Lond.) 145, 251 (1959): :

HIEBEL, G., M. BONVALLET et P. DELL: Action de la chlorpromazine (Largactil, 4560 RP) au niveau de system nerveux central. Sem. HSp. Paris 39, 2346 (1951i).

HrMwicn, H. E., and F. RINALDI: The effect of drugs on the reticular system, in: W. S. FIELDS, Brain Mechanisms and Drug Action. Springfield (Ill.): Thomas 1957.

HOFFMEISTER, F. : Vergleichende elektreneephalographische Untersuchungen einiger Phenothiazin-Derivate an wachen Katzen und Kaninchen. Psychopharmaco- logia (Berl.) 2, 27 (1961).

KILLAM, E. K., and K. F. KILLAM: The influence of drugs or~ central afferent pathways, JR: W. S. FIELDS, Brain Mechanisms and Drug Action. Springfield (Ill.): Thomas 1957.

KLi~VER, H., and P. C. BuoY: Preliminary analysis of functions of the tempcral lobes in monkeys. Arch. Neurol. Psychiat. (Chic.) 42, 979 (1939).

LONGO, V. G., G. P. VON BERGER, and D. BOVET: Action of nicotine and of the ,,gangliopl4giques centraux" on the electrical activity of the brain. J. Pharmacol. exp. Ther. l l l , 349 (1954).

MAC LEAN, P. D. : The limbic system with respect to selfpreservation and the pre- servation of the species. J. nerv. ment. Dis. 127, 1 (1958).

SCHREI2IER, L., and A. KLING: Rhineneephalon and behavior. Amer. J. Physiol. 184, 486 (1956).

Priv.-Doz. Dr. H. W. STEINMANN, 5 KSln, Lindenburg, Neurochirurgische Universit~tsklinik