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319 (Aus dem physiologisehenInstitute der Universit~it Graz.) Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. Von Prof. O s k a r Zoth~ Assistenten am Institute. (Mit 12 Textfiguren.) Die merkwi~rdige Thatsache, welche L. Z untz in seinen ,Unter- suchungen tiber den Gaswechsel und Energieumsatz des Radfahrers ''1) hervorgehoben hat, dass bei der Arbeitsleistung auf dem Rade etwa 1/5 der gesammten aufg'ewendeten Kraft auf ,,innere Reibung der Beine" verbraucht wird, veranlasst reich zu der folgenden Mit- theilung, welche als kleiner Beitrag zur ni~heren Kenntniss der viel- fach noch etwas zu einfach aufgefassten Pedalarbeit des Radfahrers angenommen werden mOge. Die Mannigfaltigkeit in der Form der Pedalarbeit oder der Formen des Trittes auf dem Rade ist eine der Hauptursachen dafter, dass trotz der fi~r den ersten Blick anscheinenden Einfachheit, mittelst dieser modernen Arbeitsmaschine mechanische Arbeitsleistungen zu ermitteln, thatsachlich bis heute noch keine einzige ganz vollkommene Methode dafiir besteht. Besonders die directen Methoden, welche im Allgemeinen auf die Verwendung dynamometrischer Registrirvorrichtungen far den Pedaldruck des Fusses hinauslaufen, und yon Scott, Maillard u. Bardon und in der letzten Zeit auch yon mir zum Studium des Trittes auf dem Rade in Verwendung gezogen und durch das dynamometrische Pedal yon Marey und Bouny auf eine hohe Stufe der Voltkommenheit gebracht worden sind, leiden, abgesehen yon der Schwierigkeit und Unsicherheit der Anwendung, auch durch die Beschri~nkung auf gewisse Formen des Trittes 9). Auf indirectem Wege haben die mechanische 1) Berlin 1899, A. Hirschwald, S. 44f. 2) Selbst das so vollkommene dynamometrische PedalyonMa r e y und B oU n y alas durch eine sinnreicheVerbindung zweier Dynamometer sow0hl die senkrecht E. Pflfiger, Archiv f~r Physiologlp,. Bd. 76. 22

Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren

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Page 1: Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren

319

(Aus dem physiologisehen Institute der Universit~it Graz.)

U e b e r d i e F o r m e n d e r P e d a l a r b e i t b e i m R a d f a h r e n .

V o n

Prof. O s k a r Zoth~ Assistenten am Institute.

(Mit 12 Textfiguren.)

Die merkwi~rdige Thatsache, welche L. Z u n t z in seinen ,Unter- suchungen tiber den Gaswechsel und Energieumsatz des Radfahrers ''1) hervorgehoben hat, dass bei der Arbeitsleistung auf dem Rade etwa 1/5 der gesammten aufg'ewendeten Kraft auf ,,innere Reibung der

Beine" verbraucht wird, veranlasst reich zu der folgenden Mit- theilung, welche als kleiner Beitrag zur ni~heren Kenntniss der viel-

fach noch etwas zu einfach aufgefassten Pedalarbeit des Radfahrers angenommen werden mOge. Die Mannigfaltigkeit in der Form der Pedalarbeit oder der Formen des Trittes auf dem Rade ist eine der Hauptursachen dafter, dass trotz der fi~r den ersten Blick anscheinenden Einfachheit, mittelst dieser modernen Arbeitsmaschine mechanische Arbeitsleistungen zu ermitteln, thatsachlich bis heute noch keine einzige g a n z vollkommene Methode dafiir besteht. Besonders die directen Methoden, welche im Allgemeinen auf die Verwendung dynamometrischer Registrirvorrichtungen far den Pedaldruck des Fusses hinauslaufen, und yon S c o t t , M a i l l a r d u. B a r d o n und in der letzten Zeit auch yon mir zum Studium des Trittes auf dem

Rade in Verwendung gezogen und durch das dynamometrische Pedal yon M a r e y und B o u n y auf eine hohe Stufe der Voltkommenheit

gebracht worden sind, leiden, abgesehen yon der Schwierigkeit und Unsicherheit der Anwendung, auch durch die Beschri~nkung auf gewisse Formen des Trittes 9). Auf indirectem Wege haben die mechanische

1) Berlin 1899, A. Hirschwald, S. 44f. 2) Selbst das so vollkommene dynamometrische Pedal yon M a r e y und B o U n y

alas durch eine sinnreiche Verbindung zweier Dynamometer sow0hl die senkrecht E. P f l f i g e r , Archiv f~r Physiologlp,. Bd. 76. 22

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820 O s k a r Z o t h :

Arbeit beim Radfahren nach verschiedenen Methoden M a c q u o r n R a n k i n e , M a r c h e g a y , v. R 2 i h a , S e h r w a l d und in der ein- gehendsten Weise C. B o u r l e t in seinem ausft~hrlichen Werke 1) zu ermitteln gesucht. Aber auch bei dieser Methode kSnnen, abgesehen yon gewissen angenaherten Annahmen, die da und dort gemacht werden mi]ssen, einzelne Factoren kaum mit der nSthigen Sicherheit beherrscht werden, wie z. B. die Wirkung der fortwahrenden kleinen StSsse, welche die Unebenheiten verschieden beschaffener Strassen- oberflachen hervorbringen, und die unter Umstanden bis zu 25% der mechanischen Gesammtarbeit verbrauchen kann 2), oder die b e lm T r i t t e bedeutend vermehrte Reibung im Getriebe, welche so viel- fach unterschatzt oder gar nicht beachtet wird. Es muss wohl eine ganz betrachtliche und welt tiber die gewShnlich als fast zu ver- nachlassigend angenommene Reibung im Getriebe hinausgehende Vermehrung dieser sein, welche das jedem Praktiker bekannte Ovallaufen nicht ganz vorzilglich geharteter Lagerschalen und Stahl- kugeln der Kuge]lager im Laufe der Zeit bei starker beanspruchten Tourenmaschinen bedingt. Wir werden zum Schlusse 8) noch auf diese Reibung zurilckkommen mt~ssen.

Die Ermittelung der p h y s i o l o g i s c h e n Arbeitsleistung des Radfahrers aus dem Gaswechsel, wie sie L. Z u n t z als Erster ver- sucht hat, dt~rfte neben den Ermittelungen der m e c htt nis chen Arbeitsleistungen, mit denen man sich bisher beschMtigt hat, beson- ders far physiologische Fragen yon hervorragendem Werthe werden, sobald einmal alle Momente mit gentlgender Sicherheit beherrscht werden kSnnen, welche die durchaus nicht einfachen Verhaltnisse beeinflussen. Besonders in Bezug auf die Frage, wie viel vonder geleisteten Muskelarbeit beim Radfahren in mechanische Arbeit und wie viel in Warme umgesetzt wird, bleibt noch vieles aufzukl~ren.

Es ist in dieser Beziehung nicht ohne Werth, neben der Quantitht der Pedalarbeit auch ihre Form, das heisst ihre Vertheilung auf den Doppeltritt oder ihren zeitlichen Verlauf in Betracht zu

auf alas Pedal wirkende, als auch die parallel der Pedalflache wirkende ,~Gleit ~- Componente der Trittkraft verzeichnet, ist nicht darauf eingerichtet, das bei be- stimmten Trittarten sehr wirksamc active Heben des Fusses zu registriren.

1) Trait~ des bicycles e t bicyclettes (Eneyclop6die scientifique des Aide- M~moire) Paris, G ~ u t h i e r - V i l l a r s , 1. Aufl. 1895, 2. Aufl. (2 Bhnde) 1898.

2) V g l . - B o u r l e t , 1. c. Bd. 2 S. 35. 3) S. 354.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 321

ziehen. Aus solcheu Betrachtungen ergibt sich ein Urtheil 'fiber die

Zweckm~issigkeit versehiedener gebrauchlicher Arten des Trittes auf

den Pedalen in Bezug auf das Verhaltniss der aufgebrachten Ge- sammtarbeit zu der in Kurbelbewegung transformirten. Wir werden sehen, dass man hiebei auch zu einer Erkli~rung far den Verbraueh des Eingangs erwahnten erldecktichen Antheiles der Gesammtarbeits- leistung kommt~ welchen L. Z u n t z durch die ,innere Reibung der Beine" verbraucht werden lasst, und zu Folgeruugen, wie dieser unrationelle Verlust durch bestimmte Form des Trittes auf ein Minimum herabgesetzt werden kann.

Wir wollen zunachst yon den theoretisch denkbaren Fallen der

Einwirkung des Beines durch seine Muskeln auf das Pedal des Fahrrades nur einige wenige in Betracht

ziehen, welche zu den thatsi~chlich ge- ilbten Arten des Trittes in Beziehung stehen.

Die zwei Kurbeln des Fahrrades Stehen bekanntlich im Winkel yon 180 o zu einander, so dass sich die beiden Pedalachseu jeweilig an den beiden End- punkten eines Durchmessers des Kurbel- kreises befinden. Es sollen an einer ganzen einseitigen Kurbelumdrehung

a~'t:

s v

I:'ig. 1.

oder einem ,ganzen Tritte" zwei Halften unterschieden werden~ die durch den senkrechten Durchmesser des Kurbelkreises yon einander

getrennt und als vorderer oder positiver und hinterer oder negativer Halbtritt unterschieden werden. Sei /~S (Fig. 1) eine beliebige Richtung und GrSsse der Trittkraft /) des Fusses in irgend einer Stellung OR der Kurbel und PP der Pedalflache im vorderen Halbtritte, a der Winkel der Kurbel und fl der Winkel der Tritt- kraft mit der Verticaleu O V, so ist die fiir die Rotation wirksame Tangentialcomponente der Trittkraft

/~T ~- t ~ D. sin (a -- fl),

die in Lagerreibung umgesetzte Radialcomponente / ~ B ' = s = D. cos (a - - fl).

Wird fl = o~ das heisst, wirkt die Trittkraft rein vertical, so ergibt sich

t ----- D. sina, S ~ .D. eosa~

22 *

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822 Oskar Zoth:

die Tangentialcomponente ist dem Sinus, die Radialcomponente dem Cosinus des Winkels proportional, den die Kurbel in den einzelnen Stellungen mit der Verticalen einschliesst; es wird also in den horizontalen Kurbelstellungen

t = .D und s = o,

in den verticaleu Kurbelstelhmgen t = o und s = D

werden. Wird fl = 90 - - a, das heisst, wirkt die Trittkraft rein tangential,

dann wird t ~ - D und s = o

in allen Kurbelstellungen: die denkbar gfinstigste Ausnfitzung der Trittkraft im Kurbelkreise.

Diese einfachen, dem Pedaltritte zu Grunde liegenden u nisse werden nun durch mehrere Momente wesentlich complicirt und kOnnen dadurch in der mannigfachsten Weise verandert werden. Es sind dies die Veranderlichkeit der GrSsse und Richtung der Trittkraft wi~hrend der Kurbelumdrehung, die Gegenwirkung der Trittkraft fiber einen Theft des Kurbelkreises und ihre positive Wirkung fiber den halben Kurbelkreis hinaus bei gewissen Trittarten.

Die GrSsse der Trittkraft veri~ndert sich wi~hrend eines ganzen Trittes im hllgemeinen so, dass sie yon der hSchsten Kurbelstellung an rasch w~chst, im zweiten Quadranten des vorderen Halbtrittes ihr Maximum erreicht und yon da allmi~lig im hinteren Halbtritte abnimmt und in dessert zweiter (oberen) Hiilfte bis gegen oder wirklich ganz auf ~Null absinkt, ja unter gewissen Verhaltnissen negativ werden kann (actives Heben des Beines). Die Richtung der Trittkraft geht im Allgemeinen naturgem~iss yon oben nach unten, doch mehr oder weniger gegen die Verticale geneigt; diese l'/eigung, die yon vornherein yon der Sattelstellung abhSngig ist, i~ndert sich im Verlaufe eines Trittes. Bei mittlerer Sattelstellung wirkt die Trittkraft im vorderen Halbtritte gewShnlich nach vorne unten, im hinteren Halbtritte nach hinten unten, doch kann auch die Richtung in zweckm~tssiger Weise durch bestimmte Formen des Trittes abge','mdert werden: beim activen Heben des heraufkommenden Pedales z. B. kehrt sich die Richtung tier wirksamen Kraft direct um. Wenn ein solches Heben, das nur dureh ganz bestimmte Ad- justirung des Pedales (Fusshalter) erm(iglicht wird, nicht stattfindet, dann wirkt die Trittkraft des Beines auf dem eben heraufkommenden

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim 1~adfahren. 323

Pedale, die beim tiefsten Kurbelstande nicht sofort auf Null sinken kann, regelmiissig tiber eine kilrzere oder li~ngere Strecke der Tritt- kraft des auf dem zweiten Pedale eben herabtretenden Beines ent- gegen. Die GrSsse dieser Gegenwirkung, sowie ihr zeitlicher Yer- lauf kSnnen wieder einige wesentliche Verschiedenheiten aufweisen. Endlich kann bei gewissen Arten des Trittes, namentlich wenn das Auftreten einer ,,Gleitcomponente" (Bouny) ermSglicht ist, die positive Wirksamkeit des Trittes im Sinne der Kurbeldrehung Ober den halben Kurbelkreis hinausgehen, und es wird ein todter Punkt oder eine todte Strecke ganz vermieden, ja diese Wirksamkeit kann sich endlich, wenn noch actives Heben des Pedales im hinteren Halbtritte hinzukommt, mehr weniger vollkommen tiber den ganzen Kurbelkreis erstrecken.

Wir wollen nun sehen, in welcher Weise die verschiedenen angeftihrten Momente bei den verschiedenen gebri~uchlichen Arten des Trittes zusammenwirken, welche letzteren wieder zum Theile durch die Constructionen der Pedale bedingt sind, die an den Fahrradern angebracht werden.

1. Der Tritt auf dem Gummipedale.

Die heute yon den gewShnlichen Radfahrern noch immer am meisten verwendetenPedale sind die ,Gummipedale", bei denen die Sohle des Schuhes frei, nur gegen s e i t I i c h e s Abgleiten geschiitzt, auf zwei GummiklStzen aufruht, die parallel zu beiden Seiten der Pedalaxe angebracht sind. Trotzdem diese GummiklStze in ver- schiedener Weise gerieft sind, kann doch die wirksame Kraft des Fusses nicht viel yon der auf das Pedal senkrechten Richtung ab- weichen, weil sonst ein Abgleiten der Sohle nach vorn oder hinten eintritt. Die anni~hernd senkrechte Richtung des Druekes wird datum auch unwillktirlich beim Treten dieser Pedale eingehalten. Man kann sich nun bei fortgesetzter Beobachtung Nebenfahrender leicht davon tiberzeugen, dass die Trittfii~che des herabgehenden Pedales meist sehr vollkommen wi~hrend des ganzen vorderen Halb- trittes die horizontale Richtung beibehalt, im hinteren Kurbelhalb- kreise jedoch 5fter yon derselben um ein Geringes abweicht, indem eine kleine Neigung nach vorne und abwarts eintritt, die wieder w~hrend des ganzen negativen Halbtrittes annahernd erhalten bleibt.

Diese Art des Trittes auf dem Gummipedale, die weitaus die verbreitetste unter den gewShnlichen Radfahrern ist, und bei der

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32~ Oskar Zoth:

also die Trittkraft wt~hrend des ganzen Trittes ungefhhr senkrecht nach abw~rts wirkt~ im vorderen Halbtritte im Sinne der Kurbel- drehung, im hinteren ttalbtritte derselben entgegen, kommt x~esentlich auch dadurch mit zu Stande, dass das $prunggelenk namentlich im vorderen Halbtritte nahezu vollkommen steif gehalten, im hinteren Halbtritte nur passiv durch die Gegenwirkung der Drucke des her- aufkommenden Pedales und des mit Druck darauf lastenden Beines in m~ssigem Grade dorsalflectirt wird. Wir wollen diesen Tritt auf dem Gummipedale deswegen den ,,steifen Tritt" nennen, zum Unter- schiede yon dem ,,Tritt aus dem Gelenke", der dutch ausgiebige active Bewegungen im Sprunggelenke gekennzeichnet ist und auf den sparer noch zurilckgekommen werden solh

4

Fig. 2.

Den ,steifen Tritt" als die einfachste, am meisten verbreitete, aber freilich auch am wenigsten rationelle Trittform babe ich ia Bezug auf seinen zeitlichen Verlauf mit einem kleinen Apparate untersucht, der im Nachstehenden kurz beschrieben werden soll. Er

ist im Principe ein einfaches registrirendes Feder-Dynamometer, das die Schwankungen des Pedaldruckes in Form einer fortlaufeuden Curven- reihe w~hrend einer Anzahl yon Tritten verzeichnet und zugleich aus der angeschriebenen Trittzahl, der bekannten Geschwindigkeit der Bewegung der Schreibflache und der bekannten Entwicklung 1) des Rades die Fahrgesehwindigkeit zu ermitteln erlaubt. Die Ein-

1) Unter der ,Entwicklung, des Rades versteht man den bei einer Kurbel- umdrehung zur~ckgelegten Weg. Bei den gebr~uchlichsten Uebersetzungen der ~Niederr~tder betr~gt die Entwicklung 5--6 m. Es kommen jedoch~ namentlich bei Rennmaschinen, noch bedeutend hShere Uebersetzungen zur Verwendung, die Entwicklungen yon 7~8 mund dar[lber ergeben.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 325

richtung ist aus der vorstehenden in halber Gr~sse ausgefilhrten Figur 2 zu ersehen.

Auf einer mit der Li~ngsrichtung MM' parallel der Pedalachse und Trittflgtche mittelst zweier Backen und Schrauben lest am Pedale aufmontirten starken Messingplatte yon 14 cm Lr~nge und 51/~ cm Breite ist bei /~' mittels zweier starker Schrauben eine 8 cm lange und 3 cm breite fiache Stahgeder FF' yon I mm St~rke angebracht, welche in der aus der Figur ersichtlichen Weise gebogen ist und bei /~' auf der etwas ge~lten Grundplatte gleitet. Die Stahllamelle ist ~on einer doppeltgerieften Sohlengummiplatte GG' i~berdeckt, welche an der Grundplatte derart befestigt ist, dass eine rundlicl~e Kuppe aber der Mitte der Stahlfeder bei K entsteht. Die Gummi- platte stellt die Trittfliiche far das auf diesem Pedale a'rbeitende Bein dar und zwingt durch ihre gewSlbte Form und das durch den Abstand der Kuppe K yon der Pedalachse bedingte Drehmoment zur strengsten Beibehaltung der Druckrichtung und Pedallage, da sonst entweder Abgleiten des Fusses oder Kippen des Pedales eintritt.

~qach unten tri~gt die Grundplatte auf einem Metallblocke B A die Achse A far den zweiarmigen Hebel hH, auf welchen die Be- wegungen der Kuppe der Feder FF' beim 1Niedertreten des Pedales mittelst des Drahtstiftes DD' ilbertragen werden; dieser geht bei 2) senkrecht durch eine Bohrung der Grundplatte und wird durch die Spiralfeder S in stetem festen Contacte mit K gehalten. Der Hebel hH schreibt auf der durch das Uhrwerk U getriebenen Trommel T die Bewegungen des Punktes D' und der Federkuppe K zehn Mal vergrSssert an. Als Uhrwerk wurde bei den meisten Versuchen ein schnelllaufendes Werkchen bent~tzt, das ganz aufgezogeneine Umlaufszeit der Trommel yon 16~5 Secunden ergab. In einer Anzahl yon Versuchen wurde auch ein langsameres Uhrwerk yon 21/4 Minuten Umlaufszeit verwendet. Der Trommel- umfang betrug 142 ram, so dass sich als Langenwerth einer Secunde beim schnellen Uhrwerke rund 8,6 mm, beim langsamen rund 1,05 mm ergaben.

Ist t die Anzahl der (einseitigen) Tritte, die an der ange- schriebenen dynamometrischen Curvenschrift abgelesen wird, nber eine Strecke yon s mm der Abscisse, so erhi~lt man die Fahr: geschwindigkeit v aus der bekannten Entwicklung .E des Rades zu

v----8,6E t bezw. far das langsame Uhrwerk v ~ 1,05 E t S ~ S-"

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326 O s k a r Z o t h "

Der whhrend des Trittes in seiner GrSsse ver~nderliche Druck auf die Trittfl~tche des Ergographen wird yon dem Hebel H an der rotiren- den Trommel in Form einer dynamometrischen Curve angeschrieben, deren Ordinaten ein Ausdruck far die GrSsse des Druckes in den betreffenden Zeitmomenten sind. Von einer Auswerthung der Curven zur Bestimmung tier mechanischen Arbdtsleistung auf Grund yon Aichungen des Apparates durch Gewichtsbelastung 1) bin ich im u laufe der Versuche abgekommen, nachdem ich mich yon der Un-

Fig. 3.

C u r v e I. Ebene Strasse. v ~ 3 m (10,8 km in der Stunde). Schnelles Uhr- werk. - - C u r v e II. Steigende Strasse. v ~ 4 - - 5 m (14--18 km in der Stunde). Langsames Uhrwerk. - - C u r v e III. Ebene Strasse. v ~ 5 - - 6 m. Erschiit terungs- zaeken. Schnelles Uhrwerk. - - C u r v e IV. Steigende (10~ Strasse. v ~ 2 - -3 m.

Sehr langsam. Schnelles Uhrwerk.

zulanglichkeit der dynamometrischen Methode far diesen Zweck, namentlich unter u einer so einfachen, nur far eine ganz bestimmte Trittart passenden Vorrichtung, wie die meine, aber- zeugt hatte.

Die AuslSsung des Uhrwerkes erfolgt in einem beliebigen Mo- mente der Fahrt durch leichten Zug an einer frei aber die Leak-

1) Wiederhol te Aichungen der zu den meisten u benutzten Fede r

batten als Mittelwerthe ergeben: Ordinate mm Druck kg

Zwisehen 0 und 30 kg 1,5 10 ,, 30 . 100 kg 1 10

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Ueber die Formen der I)edalarbeit beim l~adfahreu. 327

stange laufenden Schnur; eine hbstellvorrichtung fehlt: nach einer dem Trommelumlaufe ungefahr entsprechenden Zeit wurde einfach das Bein yon der Trittflache genommen und die Maschine gebremst.

Die Curven~ welche an der Trommel angeschrieben werden, haben im Allgemeinen die Form wie in der vorstehenden Fig. 3, sie sind yon rechts nach links zu lesen.

Jede Erhebung der Curve t~ber die bei unbelastetem Hebel an- geschriebenen Abscisse a a ' entspricht einem Tritte auf das Pedal, die :Entfernung zweier Curvengipfel yon einander somit der Zeit einer ganzen Kurbelumdrehung, wahrend welcher das Rad die als seine ,,Entwicklung" 1) bezeichnete Strecke zurfickgelegt hat. Dem vorderen oder positiven Halbtritte entspricht der Theil vom Beginne des An- stieges der Curve bis zur Mitre zwischen diesem und dem ni~chstfolgenden An- stiege, dem hinteren oder negativen Halbtritte der Theil yon dieser Mitte bis zum Beginne des ni~chsten Anstieges. Schon diese einfache Zerlegung der Curve in zwei, dem positiven und dem negativen Halbtritte entspreehende Hi~lften ffihrt zur hbleitung zweier with- tiger Siitze fiber die Arbeit auf dem Pedale. In der nebenstehenden Fig. 4 ist die Curve eines Einzeltrittes a 2 b aus

-It- " l "

~r , 48 X

Fig. 4 .

A Trittcurven beider Beine. Zeit- lithe Decckung. ~ Curve tier Ordinatendifferenzen in der Strecke

ab'.

Curve IV (Fig. 3) herausgezeichnet und durch die in a, b' und b auf der Abscisse errichteten Lothe in zwei zeitlich gleiche Hi~lften, die erste, dem positiven Halbtritte entsprechende, fiber ab', und die zweite, dem negativen Halbtritte entsprechende, fiber b'b zerlegt.

Die beiden aus der Betrachtung derartig halbirter Curven ab' zuleitenden Siitze sind folgende:

1. Der Pedaldruck wi~chst im positiven Halbtritte allmalig bis zu seinem Maximum, welches er in der zweiten Hi~Ifte des Halb- trittes erreieht und noch vor d e s s e n B e e n d i g u n g f ibe r - s c h r i t t e n hat.

2. Der Pedaldruck nimmt im negativen Halbtritte vom Anfange desselben bis zum Ende allmiilig, anfangs rascher, dann langsamer

1) Siehe S. 324.

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328 Oskar Zoth:

ab, w i r k t a lso w ~ h r e n d d i e se r Z e i t dem auf dem zweiten~ e b e n h e r a b g e h e n d e n P e d a l e th i~ t igen D r u c k e i n B e z u g a u f d ie R o t a t i o n t h a t s i ~ c h l i c h e n t g e g e n .

Diese allgemeinen Folgerungen ergeben ohne Weiteres alle unter verschiedenen Verhi~ltnissen nach unserem Verfahren aufgenommenen normalen Trittcurven, die man daraufhin Untersucht. Es finden sich in dieser Beziehung bei den verschiedenen Trittarten, die wir noch unterscheiden werden, nur graduelle Unterschiede. Der zweite Satz bedeutet nichts anderes, als dass stets ein Theil der Arbeit des eben herabtretenden ,Arbeitsbeines" zur Ueberwindung des Gegen- druckes des anderen, auf dem eben heraufkommenden Pedale ruhen- den ,,Lastbeines" dient. Dieses wird also in der Regel passiv, durch das Arbeitsbein, nicht durch seinen eigenen Muskelapparat gehoben.

Etwas genauer lassen sich die Verhi~ltnisse iiberblicken, wena man zwei Trittcurven derart neben-und ineinander zeichnet, wie dies der Zeit nach den zwei Pedaltritten des rechten und des linkea Fusses bei einer vollen Kurbelumdrehung entspricht. Dies ist gleich- falls in Fig. 4 A ausgefiihrt; a'lb' sei die Curve eines rechten, a2b die Curve eines gleichen linken Pedaltrittes; die zweite Halfte der rechten Curve (hinterer Halbtritt) muss zeitlich mit tier ersten HMfte tier linken Curve (vorderer Halbtritt) zusammenfallen. Die f iber demselben Punkte der Abscisse errichteten Ordinaten beider Curven miissen sich zeitlich entsprechen. Es sind nun in Fig. 4A die sich deckenden beiden Curvenhi~lften durch die Ordinaten 0 his 8 in aeht gleichen Zeiten entspreehende Absehnitte zerlegt~ welche also acht auf einander folgenden Kurbelstellungen im vorderen und acht im hinteren Halbtritte (Kurbelhalbkreise) entsprechen.

0rdinaten der Trittcurve Fig. 4 A in Millimetern.

Tritt 1 Tritt 2 Differenz Ord.-Nr. (-- Halbtritt) (§ Halbtritt)

0 6,7 0,3 --6,4 1 5,3 1 --4,3 2 4 4 0 3 2,4 6,3 + 3,9 4 1,1 7,2 + 6,1 5 0,6 7,5 + 6,9 6 0,5 7,5 § 7 7 0,3 7,3 + 7 8 0,3 6,7 + 6,4

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 329

In der nachstehenden Fig. 5 A sind auf dem Umfange des ver- kleinerten Kurbelkreises um 0 diese 16 Ordinaten in der ange- nommenen verticalen Druckrichtung an 16 gleichmassig ilber den Umfang vertheilten auf einander folgenden Punkten des Kreises ein- gezeichnet.

Es ist hieraus fiir den ersten Blick leichter als aus der Fig. 4A, die jeder einzelnen Kurbelstellung entsprechende Drucksti~rke zu ersehen. Doch finder man sich auch in der Curve leicht zurecht, wenn man yon den Ordinaten 0 und 8 als der angenommenen senk- rechten Trennungslinie des vorderen und hinteren Halbtrittes aus- geht; es entsprechen dann die Ordinaten 4 dem horizontalen Kurbel-

.A 23

Fig. 5.

A 0rdinaten der Trittcurve Fig. 4, atlf dem Umfange des Kurbelkreises in gleich- bleibender verticaler Richtung aufgetragen.

B Curve des Trittes und resultirende Curve der Kurbelarbeit, fiber dem Kurbel- kreise als Abscisse construirt.

stande vorne und hinten, 2 und 6 den Octanten, l, 3, 5, 7 den Zwischenstellungen ; tier Abstand je zweier Ordinaten entspricht einer Kurbeldrehung um 221/~ o.

Endlich gewi~hrt auch die Construction in Fig. 5 B einen gutea UeberbIick iiber das Verhaltniss der Drucksti~rken zu den Kurbel- stellungen. Hier sind die Ordinaten der Curve des Trittes nach Fig. 4 A iiber dem Kurbelkreise als Abscisse in r a d i a le n Rich- tungen auf?~etragen und die Endpunkte dieser radialen Ordinaten durch die excentrische Curve T T T mit einander verbunden. Ich halte diese Darstellung far die tibersichtlichste und werde sie daher far die folgenden Erl~tuterungen benutzen. Es ]assen sich daran n~mlich leicht zwei weir/ere einfache Constructionen anknilpfen, die

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330 Oskar Zoth:

erstens zeigen, wie viel yon der aufgewendeten Trittkraft des Arbeits- beines zur Ueberwindung des Gegendruckes und wie viel auf direete Kurbelarbeit verwendet wird, und zweitens, wie gross in dieser der auf die Rotation verwendete Antheil der Trittkraft in den einzelnen Kurbelstellungen ist. Far jede dieser Stellungen kann man zuni~chst die Differenz der einander entsprechenden Ordinaten des positiven und des negativen Halbtrittes als den far die Kurbelarbeit ver- bleibenden Rest an Druckkraft bestimmen. Diese Construction ist in Fig. 4B und Fig. 5B durchgef~hrt. In Fig. 4B sind die so er- haltenen negativen Werte nach abwi~rts, die positiven nach aufwi~rts auf der Abseisse xx' aufgetragen, in Fig. 5 B im vordereren Halb- tritte zuni~chst in der nati]rliehen (vertiealen) Richtung in Form tier senkrechten Pfeile, sodann aber wieder, wie bei der Construction yon TTT, durch Drehen der l~feile in die Richtung der entspreehen- den Radien, als radiale Ordinaten i~ber dem Kurbelkreise als Abscisse, die negativen Werthe nach innen, die positiven naeh aussen. Die Endpunkte dieser Ordinaten sind dureh die gestrichelte Curve SS mit einander verbunden, deren Innenraum schrafiirt erscheint.

Aus beiden Construetionen - - und dasselbe ergaben alle unter versehiedenen u mit dem Apparate aufgenommenen Tritt- curven (vgl. das Folgende) - - geht hervor, dass bei dieser Art der Pedalarbeit e r s t n a e h Z u r i i c k l e g u n g des e r s t e n V i e r t e l s de s p o s i t i v e n H a l b t r i t t e s , also naeh einer Achtel-Kurbel- umdrehung, d ie e i g e n t l i c h e K u r b e l a r b e i t b e g i n n t , wi~hrend die verfagbare Kraft des hrbeitsbeines bis dahin ausschliesslich zur Ueberwindung des Gegendruckes des Lastbeines verwendet wurde. Freilich darf beim hnblieke der starken Negativiti~t dieser Curve im ersten Octanten nicht vergessen werden, dass eben in dieser Kurbel- stellung, um die senkrechte Richtung, sehr wenig yon der Druckkraft ,,verfi]gloar " ist, dass der grSsste Theil derselben in der Richtung oder nahe der Riehtung des Radius wirksam wird und sieh also in Lagerreibung umsetzt. Was tibrig b]eibt, erhellt aus der naehstehen- den letzten Construction, welche (in doppeltem Maassstabe) die resultirende Curve der Rotationscomponente im vorderen Halbtritte derselben Curve darstellt.

Die senkrechten Pfeile stellen wieder wie in Fig. 5 B die resul- tirenden Differenzwerthe der Trittkraft, im ersten Octanten negativ (nach aufwarts), yon da an positiv (nach abwarts) wirkend vor. Die Rotationscomponenten in den einzelnen auf einander folgenden Kurbel-

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 331

stellungen sind durch Fallen der Lothe auf die betreffenden Tan-

genten erhalten und durch die tangentialen Pfeile dargestellt. Durch

Auftragen dieser auf die Richtungen der Radien ist die Curve RRR erhalten, welche wieder im ersten Octanten negativ, weiterhin positiv erscheint. Es erhellt aber aus derselben doch ein bedeutender Unter-

schied gegentiber der Curve Fig. 5 B , indem sich nun der der R o t a t i o n entgegenwirkende Antheil auf ein kleines Maass zusammen- geschrumpft darstellt~ im hi)ch- sten Punkte des Kurbelkreises mit dem W e r t h e 0 einsetzt, bei 22 o sein kleines Maximum

erreicht und bis 45~ wieder auf 0 absinkt. Das Maximum ihrer Wirksamkeit erreicht die Rota- tionscomponente bei etwa 115 o

im dritten Octanten und sinkt yon da bis zum tiefsten Punkte

des Kurbelkreises wieder auf 0 ab. Die Hauptwirksamkeit des positiven Halbtrittes erstreckt sich nur auf etwa e i n e n Q u a d r a n t e n ~ zwischen den Kurbelstellungen OM und OM', also yon etwa 67 o bis 157 0

(genauer i;lber zwei Sextanten, yon 52~ bis 172 o). Der Mittel-

werth der Rotationscomponente

in diesem ,wirksamen Qua- Fig. 6.

dranten" ist durch den ausge- Construction und Curve der resultirenden zogenen Kreisbogen MM' an- Rotationscomponente. Der ,wirksume gezeigt. Quadrant".

So klein sich auch die im ersten Octanten tier Rotation ent- gegenwirkende Componente darstellt, beweist ihr Vorhandensein doch immerhin, dass bei dieser Trittart :nicht nur eine ,todte Strecke '~ bei der Kurbeldrehung besteht, sondern dass sogar in dieser eine der Kurbeldrehung im Sinne der Vorwi~rtsbewegung des Rades ent- gegengesetzte Kraft voriibergehend wirksam wird~ die offenbar durch die Tragheit der bewegten Masse ilberwunden werden muss. - - In der Vermeidung dieser todten oder negativen Strecke im wirksamen

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332 Oskar Zoth:

Halbtritte liegt ein Hauptvortheil derjenigen Pedalformen und Tritt- arten, bei welchen ausser tier senkrechten (Druck-) auch eine horizon- tale (Gleit-) Componente in Wirkung tritt.

Es drangt sich nun die Frage auf, ob der dem ,Arbeitsbeine" entgegenwirkende Druck des ,,Lastbeines", der im Anfange, ja bei bestimmten Trittarten bis ans Ende des negativen Halbtrittes fiber die einfache Gewichtsbelastung des Beines auf dem Pedale hinaus- gehtl)~ somit dutch active Muskelcontraction mitbedingt wird, yon irgend welcher Bedeutung ftir die Mechanik des Fahrens und somit zweckmtissig angebracht isL oder als durch die vorliegenden Ver- ht~ltnisse bedingtes zufalliges und unzweckmtissiges, well hemmendes Accidens betrachtet werden soll.

Diese Frage soll erst spater etwas nigher erSrtert werden, nach- dem wir noch den Einfiuss yon Terrain- und Geschwindigkeits- verschiedenheiten auf die Curve des Einzeltrittes vorher untersuchen wollen. Vergleicht man unter einander eine griissere Zahl yon Curven, welche auf ebener und auf ansteigender Bahn oder gegen andere sti~rkere Widerstande (starker Gegenwind, gebremste Maschine, Ziehen einer Last u. dergl.) bei verschiedenen Fahrgeschwindigkeiten aufgenommen worden sind, so zeigen die Curven der Fahrt gegen gr5ssere Widerstiinde ausser den hSheren Ordinaten noch andere deutliche und charakteristische Unterschiede gegenfiber den Curven bei leichter Fahrt, die eine Unterscheidung eines ,,leichten" und eines ,,schweren Trittes" fordern. Als Muster des ,leichten Trittes" nlag C. 71 in der nachstehenden Fig. 7, als Beispiel des ,schweren Trittes " C. 76 dienen. Die verschiedenen Geschwindigkeiten nehmen, soferne sie sich in mittleren Grenzen bewegen, die ich nicht iiber- schritten habe, abgesehen yon dem nattirlichen Kiirzer-, Steiler- und HSherwerden der Einzelcurven, keinen das Bild derselben wesentlich veri~ndernden Einfluss. Bei sehr hohen Geschwindigkeiten diirfte wegen des starken Luftwiderstandes das Bild des schweren Trittes zu vermuthen sein.

Der u halber soll bier gleich eine dritte, yon vielen Fahrern in ebenen Gegenden allerdings wenig gekannte und ver- wendete Trittart Erwi~hnung finden, die beim Bergabfahren als Unter- sti]tzung der Bremswirkung oder auch far sich allein an Stelle dieser ganz kusserordentliches zu leisten vermag: das sogenannte ,Gegen-

1) Vgl. S. 335.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 333

treten :'. Hierbei wird, wie der Name besagt, nicht im Sinne der Fahrt, sondern der durch das Bergabrollen der Maschine hervor- gerufenen Kurbelbewegung entgegen gearbeitet, so dass der Haupt- druck auf das eben heraufkommende Pedal im hinteren Kurbel- halbkreise ausgeilbt wird.

Diese drei Trittarten, wie sie sich beim Arbeiten auf unserem Pedale unter den beispielsweise bezeichneten drei Verh~Itnissen: ebene Fahrt~ Bergfahrt und Thalfahrt unterscheiden lassen, sollen nun im Nachstehenden kurz gekennzeichnet werden. Dazu sollen die Fig. 7 und die auf Grund ~7on Ordinatenmessungen an derselben nach Art der Fig. 5 B entworfenen Diagramme des Kurbelkreises in Fig. 8 dienen.

1. L e i c h t e r T r i t t . Die Curve ist im Allgemeinen (lurch folgende Eigenthfimlichkeiten ge- kennzeichnet: Sie ist im Allge- meinen niedrig, wird bis zu einer gewissen unteren Grenze desto flacher,und gedehnter, je langsamer das Tempo wird, und verlauft meist ziemlich symmetrisch ; der rund- liche, nicht abgeplattete Gipfel fitllt nur sehr wenig vor die Mitte der Curve, und die ,todte Strecke" reicht fiber mehr als einen Octan- ten, bei langsamer Fahrt bis fiber den ganzen oberen Quadranten des wirksamen Kurbelhalbkreises (Fig. 87 C. 9, C. 71).

Die Curve des leichten Trittes

c'.q.

z ~ s 74.

Fig. 7. Doppeltrittcurven, yon den Originalen gepaust. C. 71 und 9 Leichter Tritt, langsam und schnell(eben). C74 Schwerer Tritt(Bergfahrt). C15 Gegentreten(Thal-

fahrt).

kehrt niemals bis zur Abscisse zurfick, sondern bleibt auch an ihrem r Punkte noch mehr oder weniger weit davon entfernt.

Diese Eigenthfimlichkeiten der Curve bedeuten ffir den Tritt selbst Folgendes: Bei der Fahrt in der Ebene wird im hinteren Halbtritte ein ziemlich starker Gegendruck vom Lastbeine ausgefibt~ wi~hrend der wirksame Druck im vorderen Halbtritte, im Allgemeinen nicht sehr hoch, mit abnehmender Geschwindigkeit bis zu einer ge- wissen Grenze immer niedriger wird. Das Maximum des Druckes

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334 Oskar Zo th :

wird erst ganz gegen Ende des wirksamen Hatbtrittes erreicht, und fast der ganze im ersten Quadranten aufgebrachte Druck wird durch den Gegendruck des Lastbeines fiir die Fortbewegung des Fahrzeuges unwirksam.

2. S c h w e r e r T r i t t . Die im Allgemeinen hohe, bei langsamer Fahrt eher noch h0here als niedrigere Curve kehrt gegen Ende des Trittes fast vollstandig oder wirklich ganz zur Abscisse zuriick, auf

Fig. 8.

Curven des Trittes und der Resultirenden des wirksamen Halbtrittes, construirt nach Fig. 7.

der sic einige Zeit verbleibt. Ihr besonders bei langsamer Fahrt deutlich flacherer Gipfel liegt weiter vor der Mitte.der Curve als beim leichten Tritte. Die ,,todte Strecke" erstreckt sich nur etwa aber den ersten Octanten (Fig. 5 B, Fig. 8 C. 74), wobei sich der der R o t a t i o n entgegenwirkende Antheil (vgl. Fig. 6) als relativ gering

herausstellt. Der Bergtritt zeigt demnach eine hohe und sehr zweckm~tssige

Anpassung an die geanderten Verhiiltnisse. Der Gegendruck des Lastbeines im hinteren Halbtritte ist mSglichst herabgesetzt, er kana

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 335

ilber den letzten Octanten nahezu oder vSllig aufhSren. Dies be-

deutet nichts Anderes, als dass unter den erschwerenden VerhMtnissen,

wie sie beim Bergfahren gegeben sind, d a s L a s t b e i n t h e i l w e i s e

o d e r g a n z a c t i v g e h o b e n wi rd . Wir haben in vier Kurbel-

stellungen, nach oben, vorne, unten und hinten, bei stillestehender

Maschine und horizontal gerichtetem Pedale mittels unseres Dynamo-

meters den Druck bestimmt, mit welchem das Gewicht des einfach

der Wirkung der Schwere ~iberlassenen Beines auf dem Pedale lastet.

Wiederholte Messungen ergaben bei der bestimmten auch far die

Fahrversuche beibehaltenen Sattelstellung und Bekleidung far mein

rechtes Bein folgende Werthe:

Ordinate am Entsprechender ~ des ganzen Pedal Ergographen 1) Druek rund ~) Beingewichtes oben 1,65 mm 11 kg 78,6 % vorne 1,65 , 11 , 78,6 ~ unten 1,5 , , 10 ,, 71,4 ~ hinten 1,3 , 88/4,, 62,5 ~

Hieraus ergaben sich fo]gende abgerundete Mittelwerthe :

Pl ~ 10,7 kg (vorderer Halbtritt)

2 2 ~ 9~9 kg (hinterer Halbtritt)

oder p ~ 10,2 kg (ganzer Tritt).

Sobald die Trittcurve unter diese ermittelten OrdinatenhShen

sinkt, bedeutet dies offenbar bereits ein actives Heben des ,,Last-

beines" (auf dem heraufkommenden Pedale), anscheinend zu dem

Zwecke, das schwer arbeitende eben herabtretende Bein nach M6g-

lichkeit zu entlasten. Erfahrene Bergfahrer haben mir diese Ansicht

nach ihrem subjectiven Gefiihle mit grosser Bestimmtheit bestatigt.

Der beim schweren Tritte auso'eiibte Pedaldruck kann gelegent-

lich d a s K ~ r p e r g e w i c h t d e s F a h r e r s e r r e i c h e n ~ j a so -

g a r t i b e r s t e i g e n . Doch ist eine solche Anstrengung nur auf

k[trzeste Strecken mSglich. Dabei trit t , besonders bei nicht ganz

maximalem Drucke, dafiir langerer Beanspruchung, z. B. Bergfahrt,

1) Ygl. s. 326. 2) Nach den YerhMtnisszahlen yon Harless (H. Vierordt , Daten un4

Tabellen S. 12, Fischer Jena 1888) ergeben sich auf Grund meines K6rper- gewichtes rund: Gewicht des Oberschenkels 9 kg, des Unterschenkels 3,5 kg, des Fusses 1,5 kg, des ganzen Beines 14 kg. Dazu dessert Bekleidung, etwa 3/4 kg. Dies stimmt mit den obigen Zahlen sehr gut, wenn man erwagt, dass das Ge- wicht des Beines zum Theile auch yore Becken getragen wird.

E. P f l f i g e r , Archly ftir Physiologio. Bd. 76. 23

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336 Oskar Zoth:

starke Ermt~dung in den mehr minder krampfhaft angespannten Arm-Muskeln ein, die der Kraft, welehe den KSrper durch den auf die Pedale wirkenden Druek der Beine emporzuheben strebt, dureh Anziehen an die Lenkstange entgegenwirkenl).

Das Maximum des Druekes fitllt im sehweren Tritte nicht erst an das Ende des positiven ttalbtrittes, sondern sehon ein Stack welt vorher, und es ist t~berhaupt ein ansehnlicher Druck schon wahrend des ganzen zweiten und dritten Drittels dieses Halb- trittes wirksam, insbesondere also aueh schon um die Horizontal- stellung der Kurbeln, in tier die ganze Trittkraft als Rotations- eomponente ausgenfitzt wird und yon welehem Punkte an der Gegen- druek des Lastbelnes sehon sehr klein wird. Dies erhellt deutlich aus tier Fig. 5 B und Fig. 8, C. 7g (die sehraffirte Curve im rechten unteren Quadranten).

3. G e g e n t r e t e n . Diese Trittart ist etwas yon den beiden besprochenen Trittarten ganz wesentlieh Verschiedenes, was auch in ihrer Curve und besonders in dem Diagramme Fig. 8 (C. 15) deutlich zum Ausdrueke kommt. Der ,,wirksame" Halbtritt ist bei dieser Art des Tretens der hintere, und die Kurbel, durch das Gewicht des abw~trts rollenden Fahrzeuges in Bewegung versetzt, dreht sich dem auf das Pedal im hinteren Kurbelhalbkreise ausgeilbten Fussdrucke entgegen. Dieser Druck wirkt also hier einfach als Bremskraft, und sein Ver- lauf w~hrend einer ganzen Kurbelumdrehung ist aus der Curve des Trittes zu entnehmen. An dieser fhllt vor tllem ihr durchschnittlich hoher Verlauf fiber der Abscisse und auch das Beharren der tiefsten Senkungen noch gegen 2 mm aber jener auf. Das heisst, dass bei dieser Art des Tretens die Kurbel dauernd, in unserem angefi~hrten Versuche bei sehr langsamer, steiler Bergabfahrt ohne sonstige Bremsung mit mindestens 121/2 kg belastet wird; die Maximalbe- lastung ist sehr hoch und andauernd (Abflachung des Curvengipfels), in unserem Versuche an 60 kg stark. Auch hier kann der Maximaldruck gelegentlich das KSrpergewicht des Fahrers abersteigen. Der geringste Druck f~llt in den zweiten Quadranten des vorderen, der starkste in den zweiten (oberen) Quadranten des hinteren Halbtrittes. Es besteht eine todte Strecke tt', Fig. 8, (7. 15, in welcher der Druck des auf dem zweiten Pedale eben herabkommenden Beines fiber den

1) Es ist wahrscheinlich nicht einmal das ganze KSrpergewicht, das in Betracht kommt, wenn beim Bergfahren ein Emporheben aus dem Sattel eintritt.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 337

Gegendruck des bremsenden ,,Lastbeines" iiberwiegt. Die starke Negativiti~t der Curve t t' daft wieder nicht ti~uschen, denn die R o- t a t i o n s c o m p o n e n t e der Druckkraft ist, wie in den hohen, so auch in den tiefsten Peda]ste]lungen sehr gering. Die Curve der Rotationscomponente ist in Fig. 8, C. 15 nach Art der Construction in Fig. 6 punktirt eingezeichnet. Nur diese Componente wirkt also voriibergehend, yon tbis t', im Sinne der Kurbeldrehung, erst yon t' an derselben kriiftig entgegen. - - Auch beim starken Gegentreten erm~den die Arme leicht. Bequemer Weise kann man hier that- sachlich in den Pedalen aufstehen und sich durch die heraufkommende Kurbel ein wenig emporheben lassen, gewShnlich aber wirken die krifftig angezogenen Arme diesem Emporheben mehr minder stark entgegen.

Nach dieser Betrachtung der drei yon uns beim steifen Tritte auf dem Gummipedale unterschiedenen Unterarten wollen wir nun zu der S. 332 aufgeworfenen Frage nach der Bedeutung des Gegen- druckes im hinteren Halbtritte zuri~ckkehren. Wir haben diesen Gegendruck in allen drei betrachteten Trittarten wiedergefunden, am meisten reducirt im schweren Tritte, aber immerhin auch hier nur voriibergehend auf Null abgesunken. Die H0he des Druckes iibersteigt fast durchwegs die GrOsse tier Ruhebelastung der Kurbe] 1) im hinteren Halbtritte, die man far den Erwachsenen auf rund 8--10 kg sch~tzen kann. Es muss also ein activer, durch Muskel- zug bedingter Druck zu jenem durch das Gewicht des Beines be- dingten hinzukommen. Ich glaube nun nicht fehlzugehen, wenn ich die Vermuthung ausspreche~ dass dieses Gegenspiel der Druckkriffte auf den beiden Pedalen einen wesentlichen hntheil an der B a 1 a n c e- a r b e i t auf dem zweiri~drigen Fahrrade hat. Hieftir scheinen mir folgende Grande zu sprechen: Die Balance auf dem modernen Niederrade kann durch drei Einwirkungen yon Seiten des Fahrers beeinflusst werden: erstens die Handhabung der Lenkstange und damit Ver~nderung der Stellung des Vorderrades, zweitens Aende- rungen im Drucke auf die beiden Pedale und drittens Verlagerungen des Schwerpunktes des KSrpers fiber dem Rade durch Veri~nderungen der K0rperhaltung. Dieses letzte, sehr unvollkommen und schwer- fallig wirkende Moment kommt fiir das gewShnliche Fahren nur bei Anfangern in Betracht, der vollendete Fahrer sitzt mit Rumpf und Ober-

1) vgl. s. 385. 23*

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338 Oskar Zoth"

kSrper unbewegt symmetrisch auf der Maschine. Es ist auf zweck- massig gebauten Maschinen leicht ausfahrbar, bei einiger Entlastung des Vorderrades, namentlich in schnellerem, mit Uebung jedoch auch in ]angsamerem Tempo, ja bis zum Stillstande der Maschine~) frei- hgndig, das heisst ohne Benatzung der Lenkstange zu fahren, wobei sich alas Vorderrad selbstthatig in die entsprechenden Stellungen wendet. Hiebei kommt schon als wesentliches Moment~ abgesehen yon etwaigen kleinen Vergnderungen der KSrperhaltung, tier gegen- wirkende oder balancirende Druck auf den beiden Pedalen zur Geltung. Im Maximum und in reinster Weisse gussert sich dieser jedoch beim balancirenden Stillstande mit der Maschine, bei stark seitwarts gedrehtem Vorderrade und annhhernd horizontal gestellten Kurbeln. Der ,gleichmhssige Tritt ", den der Anfgnger erst er- lernen muss, und die starke Ermadung seiner Arme in den ersten Lectionen stehen wahrscheinlich mit der Balancirarbeit in Zusammen- hang, die anf~nglich noch grossentheils unter Zuh~]lfenahme der Arme geleistet wird, w~hrend diese sparer unter gewShnlichen Ver- hgltnissen nur unmerklich beansprucht werden.

Beim Bergfahren haben wir eine mehr oder weniger starke Ver- minderung des Gegendruckes des Lastbeines gefunden; hier aber- nehmen wieder die Arme einen Theil der Balancirarbeit, und es mag ein Theil der Ermadung der Armmuskeln, die beim Bergfahren auf- tritt, auch hierauf zurackzufahren sein. Es darfte ferner damit im Zusammenhange stehen~ dass das Freih~tndigfahren selbst iilber sanfte Steigungen~ die noch kein Gegenhalten an der Lenkstange erfordern~ die grSssten Sch~'ierigkeiten bereitet. - - Wie die Balance im All- gemeinen anf schnelllaufender Maschine bedeutend ]eichter zu er- halten ist, als in langsamer Fahrt, so zeigt sich auch in allen drei Arten yon Trittcurven im Allgemeinen bei schneller Fahrt ein ge- ringerer Gegendruck als bei langsamem, besonders sehr stark ver- langsamtem Tempo. Die s e h r ]angsame Berg'abfahrt s) mag auch zum Theile die besondere HShe des Gegendruckes im vorderen Halbtritte tier C. 15, Fig. 7 bedingt haben.

Uebersichtlich betrachtet, stellt sich nach tier vorgebrachten An- sicht iiber die Bedeutung yon Druck und Gegendruck auf den beiden Pedalen das Treten der Kurbeln auf dem Fahrrade als eine bestimmt

1) Bekannte Kunstfahr~.bung. 2) In 8-Minutentempo (ungefhhr Schnellschritt).

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 339

coordinirte Bewegung dar, deren zum Zwecke der Balance zweck- mi~ssig geregelter Ablauf durch das Gegeneinanderwirken der Muskeln (bei der besprochenen Anordnung vorwiegend der Streckmuskeln) beider Beine in ahnlicher Weise bewerkstelligt ist~ wie der Ablanf jeder coordinirten Bewegung durch alas Zusammenspiel antagonistischer Muskelwirkungen.

Trotzdem es nur ein ganz bestimmter Typus des Trittes der Pedale war, namlich der dureh unsere Versuchsanordnung bedingte, gleichbleibend senkrecht nach abwarts gerichtet, bei horizontaler Pedalflache, den wir unserer Analyse zu Grunde legen konnten, so haben sich aus dieser, wie ich glaube, doch einige bemerkenswerthe Gesichtspunkte ergeben, yon denen aus sich nun auch schon ohne besondere Analyse die wichtigsten Eigenschaften und Vortheile anderer gebr~tuchlicher Trittarten allgemein erSrtern lassen, wozu ich nun tlbergehen will.

2. Der ,,Tritt aus dem Gelenke".

Die zweite Trittart, welche auf dem Gummipedale unter Er- filllung der durch dessert Construction gegebenen Bedingung, dass der Druck (zur Vermeidung einer Gleitcomponente) anni~hernd senkrecht auf die Trittflitche des Pedales wirke, ausgefahrt werden kann und auf die S. 324 verwiesen worden ist, ermSglicht den vorderen Halbtritt in einer Weise auszufilhren~ die eine weir bessere Ausnutzung sowohl der verfagbaren Muskelmassen des Beines als auch der gesammten Druckkraft desselben gestattet. Beim ,Treten aus dem Gelenke" werden ni~mlich durch kritftige Mitwirkung der Waden- muskeln, die beim steifen Tritte nur zur Fixation des Gelenkes verwendet werden, sehr ausgiebige Bewegungen im Sprunggelenke~ im Umfange bis zu ungefithr 60 Winkelgraden, ausgefiihrt: yon etwa 60--70 o zwischen Unter- Fig. 9. schenkelachse und Hintersohle bei der hOchsten bis zu etwa ]20 ~ 1) bei der tiefsten Pedalstellung. Getibten Touren- fahrern ist diese Art des Trittes eigen, die die Druckrichtung fiber

1) Der Winkel zwischen Unterschenkel und Vordersohle oder Pedalfl~tche ist wegen der Aufbiegung der Vordersohle beim Tritte (wie beim Abrollen der Sohle yore Boden) um etwa 25--30 ~ kleiner (vgI. Fig. 9).

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340 Oskar Zoth:

eine langere Strecke des vorderen Halbtrittes der Tangente des Kurbelkreises anzun~thern gestattet, als dies beim steifen Tritte der Fall ist.

Besonders im oberen Theile des vorderen ttalbtrittes kommt dies, wie die Figur 9 zeigt, in sehr vollkommener Weise zum Ausdrucke. Hier steht die Ebene des Pedales nahezu in der Richtung des Radius, und es kommt somit der ganze senkrecht darauf wirkende Druck far die Rotation in Verwendung. Auch im hSchsten und tiefsten Punkte des Kurbelkreises kann auf diese Art noch eine Rotationscomponente erzielt werden, die in der sonst an dieser Stelle auftretenden todten Strecke im Sinne der Kurbeldrehung wirksam wird.

Fig. 10.

In den beiden Stellungen der vorstehenden Figur warde diese Rotationscomponente ungeft~hr 1/81) des senkrecht auf die Pedalflache ausgei~bten Druckes ausmachen~).

Im vorderen Halbtritte wirkt also bei dieser Art des Trittes die Trittkraft des Beines in gUnstiger Weise grossentheils nahezu oder ganzlich in der Richtung der Tangente des Kurbelkreises, wodurch nicht nur eine bessere Ausnt~tzung derselben far die Rotations- bewegung der Kurbel, sondern gleichzeitig auch eine ansehnliche Verminderung der Reibung im Hauptlager bedingt ist. Im hin- teren Halbtritte wird durch diese ver~nderte Art der Arbeit im WesentIichen nichts geandert, nur Beginn und Ende der Gegen- wirkung 'des heraufkommenden Beines sind etwas zusammengeschoben, indem eine im Sinne der Rotation wirkende Tangentialcomponente

1) D. sin. 20 ~ 2) Die Figuren 9 und 10 sind nach photographischen Aufnahmen eines ge-

tibten Radfahrers bei stillstehender Maschine hergestellt: derselbe war angewiesen worden, die Fusshaltung beim Treten aus dem Gelenke in natiirlicher Weise zu markiren.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 341

schon ein wenig rot: Erreichung des htichsten Pedalstandes entstehen und noch ein wenig nach Ueberschreiten des tiefsten Pedalstandes nachwirken kann.

Auf Grund dieser Mcht abzuleitenden Eigenthiimlichkeiten des Trittes aus dem Gelenke kann man versuchen, ein schematisches Diagramm seiner Wirksamkeit nach Art der Figur 5 zu entwerfen. Dies ist in der nachstehenden Figur 11 geschehen; zum Vergleiche

i

Vig. 11. Schematisehe Curve der RotationseomponPnten. A Steifer Tritt (naeh Fig. 5 und 6), B Tritt aus dem Gelenke, C Ein~aeher Tritt auf dem Rennpedale (naeh Bouny) , D Combinirter Renntritt (mit Hub des Pedales). Die Ditterenzeurven

schrafflrt.

sind ebensolehe sehematisehe Diagramme der anderen behandelten Trittarten neben einander gezeiehnet. Die angenommenen GrSssen tier Rotationseomponenten der Trittkraft in den 16 verzeichneten Punkten des Kurbelkreises sind als radiare Ordinaten auf die Peri- pherie als Abscisse aufgetragen~ die positiven Werthe (im Sinne der Kurbeldrehung) naeh aussen, die negativen (der Kurbeldrehung ent- gegenwirkenden) naeh innen, und deren Endpunkte dutch die dick ausgezogene Curve mit einander verbunden. Ausserdem ist die

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8~2 Oskar Zoth:

resultirende Curve der algebraisehen Summen der einzelnen an dem- selben Durehmesser wirkenden Paare yon Tangentialeomponenten (Differenzeurve) im positiven Halbtritte (reehts) in derselben Weise eonstruirt und deren Innenraum sehraffirt worden.

Das Diagramm B zeigt die positive Wirksamkeit dieses Trittes aber den halben Kurbelkreis hinaus, dureh den ganzen reehts zwisehen den beiden gestriehelten Badien liegenden Sector. Die Differenzeurve bleibt durehwegs positiv, eine todte Streeke, wie sie im Diagramm A des steifen Trittes ~iber einen ganzen Oetanten ausgedehnt ist, fehlt.

Von den frt~her yon uns untersebiedenen drei Unterarten des Trittes wird sowohl der leiehte, als auch namentlieh der sehwere Tritt dureh die Verwendung des ,,Trittes aus dem Gelenke" u theile ziehen. Dies ist aueh unter Bergfahrern bekannt. Wenn man, wie gewohnt und bequem, steif tretend eine Steigung hinan oder gegen Wind fahrt, und in einem bestimmten Momente ,,aus dem Gelenke" zu treten beginnt, so ist tier subjective Eindruek, sobald man diese Trittart einmal mit Sieherheit und Gleiehmassigkeit auszufiihren gelernt hat, niebt anders zu sehildern, als wie wenn nun pliStzlieh Jemand an tier Maschine mitsehieben warde. That- s~tehlieh sind es die beiden Wadenmuskelgruppen, die his dahin keine meehanische Arbeit verriehtet hatten, und nun einen nicht unbetr~ehtliehen Theil der Gesammtarbeit abernehmen. Dabei er- maden sie, wenn nieht getibt, sehr bald. Far das Gegentreten hat alas Treten aus dem Gelenke, das ja seine Wirknng nahezu aus- sehliesslieh im vorderen Halbtritte entfaltet, keine besondere Be- deutung.

3. Der einfaehe Tritt auf dem Rennped~le.

Eine yon vornherein ganstigere Ausnatzung der verftlgbaren Triebkrafte als die Gummipedale gestatten die sogenannten Renn- pedale, wie sie ausnahmslos die Rennfahrer, abet aus Zweckmassig- keitsgranden aueh schon manehe anderen Fahrer ben•tzen. Bei dieser Construction ruht die Sehuhsohle auf den zackehbesetzten Kanten zweier beiderseits parallel der Pedalaxe angebraehter Metall- leisten und ist hiedureh gegen alas Abgleiten, da sieh in den Sehuh- sohlen bald den Zaeken entspreehende Vertiefungen ausbilden, ziem- lieh gut versiehert. Diese Pedale gestatten b e r e i t s - ausser tier MiSgliehkeit des Trittes aus dem Gelenke - - ein einigermassen aus-

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 343

giebiges Schieben naeh vorne im oberen und (weniger wirksam)nach

hinten im unteren Theile des Kurbelkreises (Gleitcomponente

B o u n y ' s) und die Wirksamkeit dieser Krafte im Sinne der Kurbel-

drehung ein Stack aber den halben Kurbelkreis hinaus. Besonders

das Schieben nach vorne beim Passiren des Pedales aber den

hOchsten Punkt des Kurbelkreises ist yon wesentlichem Vortheile.

Um den Fuss gegen das Abgleiten nach vorne vSllig zu versichern,

kSnnen an den Pedalen noch Fusshalter in Form yon vorne t tber

Fig. 12. Diagramm der Trittkraft und ihrer Tangentialcomponenten nach Bouny.

die Fusspitzen bis gegen den Rist greifender Draht- oder Stahlblech-

bagel oder auch quer fiber das Pedal ziehender Lederschleifen an-

gebracht werden. Diese Art des Trittes ist besonders yon B o u n y mit

dem yon Ma r e y und ihm eonstruirten dynamometrischen Pedale unter-

sucht worden 1), und zwar bei Geschwindigkeiten yon 17- -36 km in

1) l~esure du travail ddpen~d dans l'emploi de la bicyclette. Compt: rend. h. d. s. de l'Acad, des Sciences t. 122 p. 1391--5. Paris 1896. - - Rev. mens. de Touring Club de France. Paris, Avril 1897.

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344 Oskar Zoth:

der Stunde. Die vorstehende Figur 12 stellt das Diagramm der GrSsse und Richtung der Trittkraft /~ in 14 Stellungen der Kurbel (Bo--Bla) nach einer yon B o u n y auf der Rennbahn bei einer Ge- schwindigkeit yon 21 km in der Stunde aufgenommenen Curve dar.

to--t~8 sind die durch Fi~llung der Lothe auf die entsprechenden Tangenten erhaltenen Rotationscomponenten (composantes utiles), die, wie ersichtlich, yon to--t s im Sinne der Kurbeldrehung, yon t, his to derselben entgegen wirken. B o u n y macht bereits auf zwei interessante Folgerungen aus der Betrachtung dieser Diagramme auf- merksam ~), ni~mlich erstens die Thatsache, dass die positive Wirk- samkeit der Trittkraft des Fusses sich tiber mehr als den halbea Kurbelkreis erstreckt, somit bei dieser Trittart ein todter Punkt fehlt, und zweitens, dass sich wi~hrend des Wiederheraufkommens des Pedales ein nicht unbetri~chtlicher der Kurbeldrehung entgegen- wirkender Druck (Bg--B,a) geltend macht2).

In Fig. 11 C ist nach unserer Methode schematisch auf Grund der vorstehenden 1~ ~gur B o u n y ' s die Curve der Rotationscomp0nente (dick ausgezogen) und die Differenzcurve der wirksamen Componenten des positiven und negativen Halbtrittes (schraffirt) verzeichnet. Es ist die positive Wirksamkeit 'des Trittes oben und unten tiber den halben Kurbelkreis hinausreichend, tiber den grossen Sector rechts zwischen den beiden gestrichelten Radien sich erstreckend, zu ersehen. Dass diese positive Strecke in dem Diagramm B o u n y ' s unten weiter in den hinteren Halbtritt reicht als oben, scheint mir darauf hinzudeuten, dass bei diesen Versuchen der Sattel ziemlich weit nach vorne gertickt gewesen ist, wofOr auch die mittlere Rich- tung der Trittkraft /~ in Fig. 11 spricht. Bei gewShnlicher Sattel- stellung weiter rtickwiirts darfte die obere Strecke im hinteren Halb- tritte die grSssere sein. Aus der Curve Fig. 11 C ist weiter die Negativifftt im hinteren Halbtritte zu ersehen, welche naturgemi~ss spi~ter beginnt und frtiher endet als in den Curven A und B.

Die Differenzcurve ist durchwegs positiv und zeigt einen sehr gleichmi~ssigen Veflauf. Der Vergleich mit den Diagrammen A und

1) 1. c. S. 1395. 2) ,,On remarquera en outre, que pendant la remont~e de la p6dale ]a pouss~e

du pied n'est pas nulle; le pied, peu sensible aux petits pressions, ne fuit pas assez rite devant la pddale, d'o~ un certain travail n6gatif, u Wir haben, wie man sich erinnern wird, friiher (S. 337) versucht, dieser ,negativen Arbeit" eine Bedeutung ftir die Balance des Rades zuzuschreiben.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 345

B ergibt als Hauptvortheil des Trittes auf dem Rennpedale die Ueber- windung der todten Strecke durch das Hinaber s c h i e b e n des Pedales (effort de g]issement) und eine noch bessere Ausnutzung der Trittkraft, besonders ganz im Beginne des Trittes, als beim Tritte aus dem Gelenke. Dieser letztere wird sehr zweckmassig auf dem Rennpedale mit- bent~tzt, und ich zweifle nicht daran, dass dies auch in dem oben verzeichneten Versuche B o u n y ' s geschehen ist. Der Vortheil des Trittes auf dem Rennpedale wird sich wieder beim leichten, wie ganz besonders beim schweren Tritte geltend machen. Hier wendet ihn der Bergfahrer automatisch das erste Mal an, wenn einmal auf einer steilen Steigung die Mascht~e zum Stillstande zu kommen droht, indem der todte Punkt weder durch die Triigheit des bewegten Rades noch auch mehr durch Treten aus dem Gelenke tiberwunden werden kann. Man versucht dann durch kriiftiges S c h i e b e n besonders des oberen Pedales fiber den todten Punkt die Bewegung zu erhalten: auf dem Gummipedale gleitet die SoMe dabei leicht nach vorne ab, wiihrend auf dem Rennpedale, namentlich auf dem mit Fusshalter ausgeriisteten, dadurch eine sehr wirksame Htilfe ein- greift, die allein die Fortsetzung der Arbeit gestattet. Ftir das Gegentreten hat auch diese Trittart keine besondere Bedeutung.

4. Der combinirte Renntritt.

Diese complicirteste, aber zugleich rationellste Tritfform ver- einigt in sich die Vortheile des Trittes aus dem Gelenke und auf dem Rennpedale, mit denen sie vergesellschaftet ist, mit einem neuen mi~chtigen Factor, ni~mlich dem activen Hube des Beines im binteren Halbtritte. Dieses Moment macht sich in ganz geringem Grade, wie wir gesehen haben, durch Verminderung der Gewichtsbelastung des Lastbeines schon beim schweren steifen Tritte geltend ~), kann aber, so lange keine mechanische Fixirung des Fusses auf dem Pedale vorhanden ist, keinesfalls positiv~ das heisst im Sinne der Kurbel- drehung, also als Hub auf das Pedal im hinteren Halbtritte wirken. Dies wird aber durch die Verwendung gut passender Fusshalter, ganz besonders tier ,amerikanischen" Riemen-Fusshalter~) ermSglicht.

1) Vgl. s. 335. 2) siehe s. 343.

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346 Oskar Zo th :

Der ausserordentliche Vortheil dieses combinirten ,,Renntrittes", wie ich ihn wegen seiner derzeit fast ausschliesslichen Uebung seitens der Rennfahrer nenne, gegeni~ber anderen Trittformen liegt auf der Hand: nicht nur, dass das herabtretende Bein keinen Gegendruck zu aberwinden hat, wird dessen Wirkung auf die Kurbel auch noch durch die gleichsinnige Wirkung des zweiten Beines im gleichzeitigen hinteren Halbtritte m~tchtig gefSrdert. Die Arbeit, welche hiebei geleistet wird, wird also einerseits vorzugsweise durch die Muskeln aufgebracht, welche das eine Bein herabstrecken, andererseits durch die Muskeln, welche das andere Bein hinaufheben. Diese Vertheilung der Gesammtarbeit auf grOssere Muskelmassen stellt ein weiteres gfinstiges Moment beim combinirten Tritte dar.

Das schematische Diagramm des combinirten Renntrittes (Fig. 11/)) zeigt im vorderen und im hinteren Halbtritte ununter- brochen Positiviti~t der Tangentialcomponente. Es ist dabei die Mit- wirkung wenigstens einer der beiden, noch besser aller beiden fraher besprochenen vortheilhaften Trittarten vorausgesetzt. Die gleich- sinnigen Wirkungen des vorderen und hinteren Halbtrittes werden sich in dem einzigen Falle des combinirten Trittes durchwegs summiren, was im Diagramme durch die schraffirte Curve dargestellt ist. ~atilrlich wird diese nicht so einfach zu erlernende Trittart, in verschiedener Vollkommenheit ausgefahrt, verschieden grosse ~/utz- effecte ergeben, stets aber erklecklich mehr als jede andere Trittart leisten miissen. Der u des combinirten Trittes wird sich auch bei allen drei Unterarten des Trittes, die wir unterschieden haben, in vortheilhafter Weise bemerkbar machen, schon allein durch die Vermeidung des Gegendruckes im negativen Ha!btritte~ dann aber durch seine positive Wirksamkeit besonders wieder beim schweren Tritte. In besonderer Weise findet der combinirte Tritt beim Gegen- treten Verwendung. Wie der Hauptdruck hier im hinteren Halbtritte ausgefibt wird 1), so muss die Hubwirkung auf das Pedal im vorderen Halbtritte erfolgen. Es ist also ein vollkommen verkehrter Tritt, trotzdem sich Rad und Getriebe in der gewOhnlichen Weise nach vorwi~rts bewegen. Die Bremskraft des auf dem heraufkommenden Pedale gegentretenden Beines wird durch die auf alas herabgehende Pedal ~virkende Hubkraft wiederum wesentlich unterstiltzt, lch kenne Rennfahrer, die auf diese Art die Maschine in schnellem Laufe

1) Vgl. S. 336.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahrem 347

SO plStzlieh stoppen, das s der Gummireifen des Hinterrades auf dem Boden schleift, und die in beliebig langsamem oder schnellerem Tempo die steilsten Gef~lle unserer grSsseren Alpenstrassen ohne Bremse, die sie bei Strassenwettfahren oft gar nicht mehr anbringen, sicher herabfahren.

Man kSnnte vielleieht meinen, dass bei dem eombinirten Tritte, dem ja der Gegendruck im hinteren Halbtritte abgeht, das, was S. 337 aber die Balance ausgefahrt worden ist, nicht zutreffe. Es wOrde dies an sich natfirlich, nebenbei bemerkt, nicht gegen eine solche Wirkung bei den anderen Trittarten sprechen. Ich glaube jedoch ausserdem, dass eine solehe Balanceleistung dureh die beid- seitige Muskelwirkung der Beine aueh bei dieser Art des Trittes er- mSglicht ist, indem ja die wesentliche Grundbedingung daf[lr: Wirkung zweier ungleich grosser und variabler Krafte zu beiden Seiten tier Symmetrieebene des Fahrrades, vorhanden ist. Dass die beiden Krafte gleich gerichtet seien~ ist keine nothwendige Bedingung darer. Ich bin in diesem Tritte zu wenig geabt, um sieher sagen zu kSnnen, ob die Balancearbeit der Arme dabei wesentlich vermehrt ist oder nicht.

Wir haben nun gesehen, dass mit Ausnahme der zuletzt be- sprocbenen besonderen Trittform bei jeder Art der Arbeit auf dem Pedale ein Theil der ,,physiologisehen Arbeit" des herabtretenden Beines zur Ueberwindung des Gegendruckes des auf dem zweiten Pedale heraufkommenden und eben in Form des Gegendruckes wiederum physiologische Arbeit verrichtenden Beines verwendet wird, wie dies bereits B o u n y. far seine besondere Trittform hervorgehoben h/ttl). Ieh glaube nun nieht fehlzugehen, wenn ich vermuthe, dass in dieser ,,negativen Arbeit" und ihrer yore Trittbeine geleisteten Gegenarbeit zum grossen Theile dasjenige zu erblieken ist, was L. Z u n t z als ,,innere tleibung der Beine" bezeichnet hat und das wit lieber al]gemein ,,innere A r b e i t der Beine" nennen wollen. Z. hat diese innere Arbeit in folgender Weise bestimmt : Die Maschine wurde mittels St[ltzen so aufgestellt, dass die Rader den Boden nicht berahrten, und nun wurde auf den Pedalen bei leer]aufenden Radern dasselbe Tempo (ungefahr 15 bis 16 km in der Stunde entsprechend) getreten, wie bei den Parallelversuehen auf der Rennbahn, wahrend

1) Siehe S. 344.

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348 O s k a r Z o t h :

der Respirationsapparat in der gew8hnlichen Weise beniltzt wurde. Die dabei geleistete Arbeit war im Wesentlichen innere Arbeit der Beine: die geringe Reibung im Getriebe wurde dagegen vernach- lassigt. Z. land als Durchschnittswerthe far diese innere Arbeit auf 1 in Weg

bei tier gestelltem Sattel 1,783 mkg bei Mittelstellung des Sattels. 2,108 mkg bei hoch gestelltem Sattel. 2,171 mkg

Bei den Fahrversuchen auf der Rennbahn in demselben Tempo hatte sich ein Verbrauch yon 8,846 mkg far 1 m Weg ergeben. Es wird also darnach far die ,,inhere hrbeit der Beine" reichlich 1/5 der gesammten aufgewendeten Kraft verbraucht.

Ich mOchte nun glauben, dass in diesen Versuchen yon Z. der Gegendruck auf dem heraufkommenden Pedale des leer und un- gebremst laufenden Getriebes wohl ebenso vorhanden gewesen ist, wie bei dem gewohnten Tritte auf der Bahn, vielleicht sogar noch etwas mehr: denn erstens war es ein in hervorragendem Maasse ,leichter Tritt", der auf der aufgehangten Maschine geleistet wurde~ bei welchem der Gegendruck im hinteren Halbtritte nach unseren Versuchen schon yon vornherein ein hoher ist~ nnd zweitens musste ein bestimmtes Tempo eingehalten werden, t~egulirung des Tempos kann aber nur durch das Gegenwirken yon Druck und Gegendruck einigermaassen sicher erfolgen~ namentlich dann unter wesentlicher Mit- wirkung des Gegendruckes, wenn in Folge des Fehlens aller i~usseren Widersti~nde, wie in Z.'s Versuehen, die ~eigung besteht, in immer schnelleres Tempo zu fallen. Die Bewegung der Beine an sich erfordert freilich keine in Betracht kommende Arbeit, d~t dieselben einander ~iqui- ]ibriren und das Gewicht des fallenden Beines das auf dew anderen Pedale ruhende emporhebt~). Das hierzu nOthige Uebergewicht des herabgehenden Beines ist, wie ich gefunden habe~ offenbar als Folge der Verlagerung des Sehwerpunktes, thatsi~chlich vorhanden 2). Wohl erfordert aber der Gegendruck des Lastbeines auf dem herauf- kommenden Pedale physiologische Arbeit, und zwar in doppelter Weise: einmal stellt er an sieh schon eine solche Arbeitsleistung dar~ und zweitens effordert er die entsprechende Mehrarbeit zu seiner Ueberwindung seitens des herabtretenden anderen Beines. Es er-

1) Z. 1. c. S. 45. 2) VgL s. 835.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim ttadfahren. 349

scheint mir mit Racksicht auf die Werthe, die B o u n y und ich far diesen Gegendruck bei unseren Versuchen erhalten haben, viel naher- liegend, dass der Haupttheil der nach Z. 20--25 % der Gesammt- arbeit ausmachenden inneren Arbeit der Beine auf diesen Ursprung als auf die Reibung der Gelenkfl~'chen an einander, der Muskeln an ihrer Unterlage und Bedeckung und der Sehnen in ihren Scheiden zurackgeffihrt werde.

Far meine Anschauung mOchte ich weiter noch Folgendes an- fahren. Auch B o u n y hat, wie Z. anft~hrt, Versuche fiber den inneren Widerstand der Beine angestelltl), jedoch in einer wesentlich ver- schiedenen Weise. Der auf dem aufg'eh~mgten Rade tretende Fahrer ]asst auf ein gegebenes Signal hin die Beine einfach auf den Pedalen mitlaufen, ohne active Muskelbewegungen auszufiihren. Von diesem Signale an werden Zeit und Zahl der Umdrehungen registrirt: die u resultirt aus dem far sich bestimmten inneren Wider- stande in den Theilen des Rades und dem inneren Widerstande der Beine, tier auf diese Weise ermittelt wird. Der passive Widerstand der Beine w~chst nach B o u n y yon 0,6 mkg pro Kurbelumdrehung bei 10 Umdrehungen in der Minute ungefi~hr proportional dem Quadrate der Geschwindigkeit bis auf 4,5 mkg bei 130 Umdrehnngen. Der Geschwindigkeit in den Versuchen Z.'s entspricht ein Werth yon etwa 1,2 mkg far die Kurbelumdrehung, wovon auf die inhere Reibung ties Rades etwa 0,12 mkg entfallen. Unter Zugrundelegung der ~on ~. Z u n t z far Steigarbeit angenommenen GrOsse des h'utzeffectes yon 1/8 (der geleisteten physiologischen Arbeit oder aufgewendeten chemischen Energie) ergibt sich aus den Versuchen yon L. Z u n t z der Verbrauch bei einer Kurbelumdrehung zu 3,094--3,772 mkg, also 21/2--3 Mal so gross als bei B o u n y . Z. selbst findet die Gr(isse dieses Unterschiedes auffallend und sucht sie aus der u anordnung B o u n y ' s zu erkli~ren, bei welcher es sehr schwer aus- fahrbar sei, die Beine ohne active Muskelbewegung einfach ]aufen zu ]assert, wie dies yon ihm gefordert wurde. Hierin stimme ich ~ollkommen mit Z. flberein~ nur mSehte ich meinen, dass der ver- muthete active Druck beim Auslaufenlassen des Getriebes eher im hinteren als im vorderen Halbtritte wirksam sei, somit die Zahlen B o u n y ' s far den eigentlichen ,,inneren Widerstand der Beine" noch eher zu hoch als zu niedrig ausgefallen sein darften. Abgesehen

1) Rev. mens. de Touring Club de France. Paris, Juillet 1897.

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350 Oskar Zoth:

hievon scheint mir aber dieser Unterschied zwischen B o u n y ' s und Z.'s Ergebnissen sehr zu Gunsten meiner Annahme zu sprechen, dass ein grSsserer Theil der ,,inneren Arbeit der Beine;' auf den Gegen-

druck im hinteren Halbtritte zuriickzufilhren ist. Denn Bin solcher Gegendruck war beim T r e t e n der Pedale in den Versuchen yon Z. gewiss in viel grSsserer St~rke vorhanden, als beim einfachen Laufenlassen der Beine auf den Yedalen in den Versuchen yon B o uny.

Ausser den b e i d e n - gewiss nicht einwandsfreien- Versuchen yon Z. und B o u n y am Radfahrer ist mir keine andere Untersuchung an irgend einer Art menschlicher Arbeitsleistung bekannt, die sich auf die Feststellung der inneren tleibung (der Gelenke, Muskela und Sehnen , Z.) erstreckt hatte. Sowohl im Allgemeinen, als auch besonders far unsere Frage ware es yon grossem Werthe, wenn der hierauf entfallende Betrag der Gesammtarbeit auch direct ermittelt werden kSnnte. Es ist jedoch nicht zu verkennen~ class sich der einigermaassen exacten Ausfiihrung derartiger Versuche sehr grosse

Schwierigkeiten entgegenstellen warden.

Ich mSchte also - - schatzungsweise -- den Verbrauch far die innere Arbeit der Beine mit Ri~cksicht auf den beim Fahren anf festem Boden vielleicht geringeren 1) Gegendruck im hinteren tia]b- tritte nach den Versuchen yon Z. etwas k]einer als dieser annehmen, sagen wir zu rum 18 % (anstatt 20--25 %) der Gesammtarbeit; hievon entfielen nach den Ermittelungen B o u n y ' s hSchstens 1/s oder 6 % auf die innere R e i b u n g der Beine2) und der Maschine (0,6 %), w~hrend mindestens s/, oder 12 % auf das Gegeneinander- arbeiten der beiden Beine im vorderen und hinteren Halbtritte zu

beziehen waren.

Es wird sich jedoch mit Racksicht auf das, was im ersten Ab- schnitte dieser Mittheilung iiber die Yertheilung und' Ausnutzung der Trittkr~fte bei den verschiedenen Arten des Trittes, insbesondere anch i~ber die verschiedene Gegenwirkung im hinteren Halbtritte ausgefahrt worden ist, vermuthlich der fi~r die imtere Arbeit tier Beine ver: brauchte Antheil tier physiologischen Arbeit zwischen sehr weiten Grenzen bewegen und je nach der besonderen Form des Trittes

1) Vgl. s. 348. 2) Hierin mflssten wohl auch die antagonistischen Muskelwirkungen in je

einem Beine inbegriffen sein.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 351

nicht unbetri~chtliche Unterschiede aufweisen ki)nnen'). Um unter einander vergleichbare Zahlen zu erhalten~ mtisste jedenfalls die gleiche Trittform vorausgesetzt werden. Doch kann ich hierin nicht den Hauptgrund fi]r das v o l l s t a n d i g u n b e f r i e d i g e n d e Er- gebniss des Vergleiches der yon Z. fiir die hrbeitsleistung gefundenen Werthe mit den auf theoretischem Wege yon B o u r l e t , v. R z i h a ~) und direct mittels des dynamometrischen Pedales von B o u n y in ziemlich guter Uebereinstimmung ermittelten Zahlen finden. Wit wollen dieselben zum Schlusse noch einer kleinen Discussion unter- ziehen.

Z. benutzte ein Rad yon 5,21 m Entwicklung und 15 kg Gewicht. Er selbst wog im Mittel 71 kg, der Respirationsapparat 7,55 kg, das Gesammtgewicht yon Fahrer, Apparat und Maschine betrug also 93,55 kg. Die ahnlich wie v o n . B o u r l e t auf photographischem Wege ermittelte Winddruckfiache des KSrpers wird mit 0,614 m ~ angegeben.

Die Mittelwerthe aus den Versuchen yon Z. ft~r drei verschiedene Geschwindigkeiten sind in der nachstehenden kleinen Tabelle zu- sammengestellt.

Tempo

Langsam

Mittel

Schnell

k m ~pro Stunde

8,867

15,134

21,293

m pro Sec.

2,46

4,20

5,91

O-Verbrauch pro I m Weg

e(~m

4,115

4,310

5,398

Arbeit in mkg

pro I m Weg / pro Secunde

8,643 21,262

8,846 37,153

11,023 65,146

Nach B o u r l e t 8) ist die Arbeit ~uf der Rennbahn fiir 1 m Weg in mkg

T,~ ~ - 0,004 PA- 0,005 S V ~

worin P das Gewicht von Fahrer und Maschine in kg, S die Wind- druckfli~che in m 2 und V die Geschwindigkeit in km pro Stunde be- deuten. Die Arbeit in der Secunde ergibt sich daraus zu

T8 ~- 0,28 V./',~. Setzt man far die Versuche yon Z. ia der obigen Formel die an-

1) Wie z. B. in den drei Versuchsreihen yon Z u n t z mit verschiedener Sattelstellung, 1. c. S. 46 f.

2) Versuche i~ber die Arbeitsleistungen beim Radfahren. Zeitschr. des i~sterr. Ingenieur- and Architecten-Vereines, 46. Jahrg., ~r. 44 u. 45, 1894.

3) 1. e. S. 67. E. P f l f i g e r , A~chiv fflr Physiologie. Bd. 76, 24

Page 34: Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren

852 Oska r Zoth:

gefiihrten Werthe far P, S und F ein, so ergibt sich nachstehende Zusammenstellung:

Tempo

Langsam Mittel Schnell

km pro Stundc

8,867 15,134 21,293

Arbeit in mkg

pro 1 m Weg

0,61 1,06 1,73

pro Secunde

1,12 4,49

10,31

Die Arbeitszahlen in den letzten beiden Sti~ben der vorstehenden zwei Tabellen kOnnen nun nicht ohne Weiteres mit einander ver- glichen werden. Wir wollen-zuni~chst das nach den Versuchen yon Z. annehmbare Maximum fiir die ,,inhere Arbeit der Beine" ,con rund 25 % yon seinem Gesammt-Arbeitsbetrage in hbzug bringen und nur den Nutzeffect des verbleibenden Restes mit 1/8 (nach N. Z u n t z 1) in Rechnung ste]len. Man erhi~lt dann in mkg:

Arbeit Verbleibt Hievon Dagegen Bourlet's Tempo nach Zuntz nach Abzug Nutzeffect mech. Arbeit Werth in %

pro Sec. der 25 ~ 11~ nach Bourlet d.:NutzeffecteSnach Z.

Langsam Mittel Schnell

21,26 37,15 65,15

15,94 27,86 48,86

5,31 9,29

16,29

1,12 4,49

10,31

21 ~ ! 48,3 ~ 63,8 %

Es stellt sich also der nach Z. berechnete Nutzeffect beim lang- samen Tempo fiinfmal, bei mittlerem doppelt so hoch und bei schnellem noch um 1/3 hOher als die entsprechenden Werthe nach B o u r l e t . Geht man nicht in dieser Weise vor, sondern vergleicht, wie dies Z. mit den Ergebnissen yon S e h r w a l d thut, direct den zu 1/s der Gesammta rbe i t angenommenen Nutzeffect mit den Werthen nach B o u r 1 e t , so kommt man nattirlich zu noch grSsseren MissverhMtnissen. Nimmt man die nach B o u r le t berechnete mechanische Arbeit direct als Nutzeffect der nach Z. bestimmten physiologischen Arbeit, was eigentlich am ni~chsten liegend erscheint, so gelangt man anstatt zum Quotienten 1/8 nach N. Z u n t z zu den Quotienten yon fund 1/19 (!), 1/s und 1/6 far das langsame, mittlere und schnelle Tempo.

1) Vgn S. 849.

Page 35: Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren

Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 853

Wie sollen diese ausserordentlich grossen Unterschiede erkli~rt werden, die sich aus der vorstehenden Betraehtung ergeben? Die Entscheidung hieriiber ist bei der Cemplicirtheit der vorliegenden Verhi~ltnisse nicht einfach zu fallen, huffallend ist die relative hb- nahme der Unterschiede bei zunehmender Geschwindigkeit, w~thrend die absoluten Differenzen ein wenig wachsen. Die D i f f e r e n z zwischen dem Nutzeffecte nach Z., wie wir ihn nach Abzug des auf ~innere Arbeit" entfallenden Antheiles abgeleitet haben, und der mechanischen Arbeit nach B o u r l e t betri~gt namlich rund

beim langsamen Tempo 4,2 mkg ,, mittleren ,, 5,8 ,, ,, schnellen , 6 ,,

Dieses Verhalten scheint darauf hinzuweisen, dass die Ursache tier Differenzen in einem Momente zu suchen ist, das in der Gesammt- arbeit hauptsiichlich bei langsamem Tempo als relativ grosser Posten zum Ausdrucke kommt.

In der Arbeitszahl yon Z. hat dieser selbst schon einen un- erwartet hohen Posten festgestellt, den Antheil der ,,inneren Arbeit der Beine", und wir dieser inneren hrbeit, tritte bei verschiedenen

haben auf die Variabiliti~t der Hauptursache ni~mlieh des Gegendruckes im hinteren Halb- Trittarten hingewiesen. Die grSssere Wirksam-

keit des Gegendruckes bei langsamer Fahrt ist schon S. 338 erwithnt worden. MSglicb, dass dieser Posten sich, besonders bei langsamer Fahrt, hSher stellt, als in den Versuchen yon Z. bei mittlerer Geschwindigkeit auf leerlaufender Maschine ermittelt worden ist. Far eine und dieselbe Geschwindigkeit halten wir dies nicht far wahrscheinlichl). Bei Versuchen, welche nach der Methode yon Z. angestellt werden, kommen ferner die Vollkommenheit der Uebung in der bestimmten verwendeten Trittart, das Training des Fahrers im Allgemeinen und die Gewi)hnung an die Versuchsbedingungen, das Mitfiihren einer Ueberbelastung yon 71/2 kg auf der L e n k s t a n g e und ausserdem wohl auch psychische Einfltisse in Betracht, welche die physiologische Arbeitsleistung vermehren kSnnen. Doch scheint mir alIes dies wohl nicht ausreichend, die erwiihnten grossen unterschiede vollsti~ndig zu erkli~ren: ich kann mir nicht leicht vorstellen, dass alle diese Momente zusammengenommen auch nur zur Deckung der HMfte der be- stehenden Differenzen herangezogen werden k5nnten.

1) u s. 34$. 24 *

Page 36: Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren

354 Oskar Zoth:

Betrachten wir nun die auf verschiedenen yon einander un- abhi~ngigen Wegen erhaltenen, doeh gegenseitig gut iibereinstimmen- den Formeln und Zahlen far (lie mechanischen Arbeitsleistungen beim Radfahren, wie sic in der vollkommensten Weise yon B o u rl e t , v. R z i h a und B o u n y aufgestellt worden sind, so erscheint es bei der grossen Genauigkeit der angewendeten Methoden und Calcula- tionen fast noch aussichtsloser, nach dem vermutheten Fehler auf dieser Seite zu fahnden. Doch miichte ich mir erlauben, die Auf- merksamkeit auf einen Punkt zu lenken, der mir noch nicht ge- ntigend aufgekliirt erscheint. Si~mmtliche Untersucher, die sich der indirecten Methoden zur Bestimmung der Arbeitsleistung beim Rad- fahren bedient haben ( B o u r l e t , v. R z i h a , S e h r w a l d u. A.) haben die Reibungswiderstiinde des Rades wohl bei entsprechenden Belastungen, aber nicht am g e t r e t e n e n Rade bestimmt. B o u n y war meines Wissens der Einzige, der gelegentlich der Controle seines dynamometrischen Pedales mit Htilfe des P r o n y'schen Zaunes zu Zahlen ftir die Reibung des Rades helm Treten der Pedale gelangt ist, indem er die Differenzen zwischen den Angaben der beiden Instrumente yon ungefi~hr 5 % darauf bezog 1). h~un ersehen wir aus unseren eigenen, wie auch aus B o n n y ' s Versuchen mit dem dynamometrischen Pedale das Vorhandensein einer meist ganz ansehn- lichen Componente der Trittkraft, welche in Lagerreibung umgesetzt wird und bei gleicher Trittkraft je nach der Form des Trittes~ das heisst also der husnutzung dieser Trittkraft far die Rotation ver- schieden gross sein muss. D i e s e C o m p o n e n t e i s t in a l l e n b i s h e r i g e n i n d i r e c t e n B e s t i m m u n g e n d e r A r b e i t s - l e i s t u n g e n b e i m R a d f a h r e n n i c h t g e w e r t h e t w o r d e n . B o u n y hat sie, ich mSchte sagen, schon in der Hand gehabt, be- rechnete jedoch allein die ,,nutzbare Arbeit" aus der Tangential- componente der Trittkraft und gelangte so natarlich zu Werthen, die mit den yon B o u r l e t berechneten gut iibereinstimmten, da ja dieser die b e i m T r i t t e vermehrte Lagerreibung ebenfalls nicht in Betracht gezogen hatte. - - Auf eine praktische Erfahrung, die far eine viel sti~rkere Lagerreibung im Fahrrade spricht, als sie ge- wi~hnlich nach den Ermittelungen an der nicht getretenen Maschine angenommen wird, habe ich schon in der Einleitung hingewiesen2).

1) Contrble de la p6dale dynamom6trique de bicyclette. Compt. rend. h. d. s. de l'Academie des Sciences t. 122 p. 1528. Paris 1896.

2) S. 320.

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Ueber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren. 355

Bei langsamer Fahrt wird diese vermehrte Reibung in den Lagern des Getriebes einen der Hauptwiderstiinde abgeben, bei schneller Fahrt tritt sie wohl gegenfiber dem bedeutend angewachsenen Luft- widerstande zurtick: dies wt~rde das Abnehmen der Differenz zwischen den Werthen yon Z u n t z und B o u r l e t bei zunehmender Ge- schwindigkeit erkli~ren.

Ich vermuthe also~ dass slimmtliche bisher ermittelten Werthe far die mechanische Arbeitsleistung beim Radfahren zu niedrig sind, weil sie die vermehrte Reibung beim Tritte nicht in Betracht ge- zogen haben. Jedoch mi~chte ich auch nicht behaupten, dass die g a n z e grosse Differenz zwischen Z u n t z und B o u r 1 e t , yon der wir ausgegangen sind, auf dieses Conto zu setzen sei. Wie viel auf tier einen und wie viel auf der anderen Seite zu corrigiren sein wird, miissen weitere Ermittelungen seitens der betheiligten Unter- sucher ergeben. Ich habe nur auf Grund der Erfahrungen fiber die Formen der Pedalarbeit beim Radfahren meine Vermuthungen ftber die Richtungen ausgesprochen, in denen diese Versuche vielleicht weiterzufi~hren w~ren.