11
Aus dem Pharmakologischen Laboratorinmder Mc GillUniversitiitin Montreal (Canada). (Direktor: Prof. Dr. R. L. Stehle.) Uber die Harns~iureausscheidung durch den Darm und ihre pharmakologische Beeinflussung. Voi1 Hermann Schroeder und Bernard B. Raginsky. ~Iit 3 Textabbfldungen. (Eingegangen am 26. VIII. 1932.) Enterotropische Harnsi~ure ist nach Brugsch u. Rother (1) die- jenige, die auf dem Wege der Verdauungssiifte in den Darm ausgeschieden wird. Sie wird der urotropischen, d.h. der dutch die ~iere ausgeschie- denen gegeniibergestellt. Enterotropische und urotropische Harnsi~ure zusammen stellen das wh'k]iehe Mal3 der Harnsi~ureausscheidung dar. Brugsch u. Rother dachten bei enterotropischer hauptsaehlieh an die dureh die Galle ausgesehiedene Harnsi~ure, die sie als wesentliehe Quelle der Harnsi~ureausseheidung erkannten. Sp~ter hat sieh Lueke (2) in einer Reihe yon Arbeiten mit diesem ftir den ttarnsaurestoffweehsel wiehtigen Problem befal~t. Lucke land im ~agensaft gesunder Personen geringe Mengen (1 rag%) Harnsiture. Dieser Wert war erhSht bei sehweren Magenerkrankungen und bei Hyperuriki~mie, ohne aber je den Wert des Blutspiegels zu erreichen. Die Steigerung des Harnsi~uregehaltes bei Magenerkrankungen sehreibt Lueke den pathologisehen, enterogenetischen Beimengungen des 5[agen- saftes zu. Systematische Untersuehungen am Tier, die sieh mit der Harnsi~ure- ausscheidung dutch den Darm befassen, fehlen abgesehen yon einzelnen Versuehen Thannhausers (3) vollst~ndig. Deshalb stellten wh" uns die Aufgabe, zu untersuehen: 1. ob eine intestinale Harnsi~ureausseheidung aueh beim Tiere naeh- zuweisen ist,

Über die Harnsäureausscheidung durch den Darm und ihre pharmakologische Beeinflussung

Embed Size (px)

Citation preview

Aus dem Pharmakologischen Laboratorinm der Mc Gill Universitiit in Montreal (Canada). (Direktor: Prof. Dr. R. L. Stehle.)

Uber die Harns~iureausscheidung durch den Darm und ihre p h a r m a k o l o g i s c h e Beeinf lussung.

Voi1

Hermann Schroeder und Bernard B. Raginsky. ~Iit 3 Textabbfldungen.

(Eingegangen am 26. VIII. 1932.)

Enterotropische Harnsi~ure ist nach Brugsch u. Ro the r (1) die- jenige, die auf dem Wege der Verdauungssiifte in den Darm ausgeschieden wird. Sie wird der urotropischen, d.h. der dutch die ~iere ausgeschie- denen gegeniibergestellt. Enterotropische und urotropische Harnsi~ure zusammen stellen das wh'k]iehe Mal3 der Harnsi~ureausscheidung dar.

Brugsch u. Ro the r dachten bei enterotropischer hauptsaehlieh an die dureh die Galle ausgesehiedene Harnsi~ure, die sie als wesentliehe Quelle der Harnsi~ureausseheidung erkannten.

Sp~ter hat sieh Lueke (2) in einer Reihe yon Arbeiten mit diesem ftir den ttarnsaurestoffweehsel wiehtigen Problem befal~t. Lucke land im ~agensaft gesunder Personen geringe Mengen (1 rag%) Harnsiture. Dieser Wert war erhSht bei sehweren Magenerkrankungen und bei Hyperuriki~mie, ohne aber je den Wert des Blutspiegels zu erreichen. Die Steigerung des Harnsi~uregehaltes bei Magenerkrankungen sehreibt Lueke den pathologisehen, enterogenetischen Beimengungen des 5[agen- saftes zu.

Systematische Untersuehungen am Tier, die sieh mit der Harnsi~ure- ausscheidung dutch den Darm befassen, fehlen abgesehen yon einzelnen Versuehen T h a n n h a u s e r s (3) vollst~ndig. Deshalb stellten wh" uns die Aufgabe, zu untersuehen:

1. ob eine intestinale Harnsi~ureausseheidung aueh beim Tiere naeh- zuweisen ist,

414 H. SCnXOEDERtmd B. B. RAGINSKY:

2. ob dieser Weg der Harns~tureausfuhr pharmakologisch beeinfluBt werden kann.

Bei letzterem dachten wir besonders an eine mSgliche Aufklarung des noch immer unbekannten Wirkungsmeehanismus des Colehicins, das eine therapeutische Wirkung bei Gicht oft erst nach seiner bekannt starken Wirkung auf den ])arm zeigt.

Wir waren uns wohl bewuSt, da$ bei den Tieren besondere, nicht ,ohne weiteres mit denen des mensehlichen Organismus vergleichbare Ver- hifltnisse insofern vorliegen, als die Harnsi~ure, jedenfalls teilweise, zu Allantoin oxydiert und als solche ausgeschieden wird. Harnsi~ure selbst ist aber dem tierischen KSrper als ein Zwischenprodukt des :Nuklein- stoffwechsds durchaus nicht fremd. Wir versuchten dem im mensehhchen

z " ~ I

l

P r . 5 10 3]ipy/ez /5

Abb. 1. Katze. t~arns~ure im arteriellen Blur in mg % nach intraveniiser Injektion ,zon 100 nag :ffarns~ure

pro Kilogramm~ Minuten nach tier Injektion.

Organismus vorliegenden Ver- hifltnis dadurch nahezukom- men, da$ wir denVersuchstieren in 5~arkose eine 1% ige Ham- si~urelfsung intravenSs verab- folgten. Unter diesen Be- dingungen ist die Blutharn- si~ure nut fiir wenige ~hnuten abnorm hoch, wie die Abb. 1 zeigt.

Die Schwankung6n im Ge- halt des Blutes an Harns~ure erschienen uns unwesenthch,

dg es sich fiir uns datum handelte, festzustellen, ob die Darmwand trotz der enormen Speicherung der intravenSs injizierten Harnsgure in der 5Tiere an der Harnsi~ureausscheidung teilnimmt und ob, unter Ein- haltung g]eicher Versuchsbedingungen, die intestinale Harnsgureexkretion pharmakologiseh beeinfluf~t werden kann.

Orientierende Versuche an Fistelhunden ergaben, dal~ normalerweise geringe Mengen Allantoin, dagegen keine Harnsiiure, mit den Ver- dauungssifften ausgeschieden werden.

~Iethodik.

Wit verwandten die yon ~I. E. ~ a c K a y (4) in B~bkins Labor~torium beschriebene ~[ethode. Die Versuchstiere (Katzen) wurden, nach anf~nglicher leichter Betgubung dutch Chloroform, in Chloralosenarkose (0,1 g pro Kilo- gramm intravenSs injiziert) operiert. D~s Abdomen wurde durch einen Sohnitt in der Mittellinie erifffne~ and drei Segmente des Darmtraktus in der folgenden Weise isoliert. Ein etwg 10 cm l~nges Stiick des Duodenums bzw. des Jejunums

Uber die Harns/~meausscheidtmg dureh den Darm. 415

und Ileums wurde abgemessen. An beiden Enden des abgemessenen Darm- stiickes wurde ein longitudinaler Sch~itt yon etwa 2 cm L~nge dutch die ~ul~ere Muskelschieht gefiihrt und diese yon der Mukosa und Submukosa durch ein stumpfes Instrument getrennt. Der so blol~gelegte innere ]~{uskelsehlauch wurde an beiden Enden abgebunden und in sein durch einen kleinen Sehnitt erSffnetes Lumen je eine Glaskantlle eingebunden.

AnI diese Weise bleibt die Kontinuitat der Auerbachschen Plexus und der Blutversorgung gewahrt. In einzelnen F~llen wurden Teile des Kolons in der gleiehen Weise behandelt, l~achdem die einzelnen Segmente yon dem ~ibrigen Tell des Darmtraktus isoliert waren, wurde der Darminhalt d~rch

Abb. 2.

Spt~len mit einer RingerlSsung yon 380 C entfernt, die mit einem Gummi- schlauch versehenen Glaskant~len abgektammert und das ganze Tier in ein mit RingerlSsung yon38 o C gefiilltes konstantes Wasserbad gebracht. Durch diese Anordnung wurden die Bauchorgane dauernd in einer warmen, isor LSsung gehalten: In den isolierten Segmenten wurde eine geringe Menge Ringer- ISsung gelassen und naeh beendetem Versuch die ausgesehiedene Harns~ure in dieser RingerlSsung naeh der Folinschen Methode bestimmt. In allen Ver- suchen wurden 100 mg Harns~ure pro Kilogramm in 1%iger LSsung, nach der KShlerschen Vorschrift (5) hergestellt, injiziert.

Ausscheidung yon intraveniis injizierter Harnsiture in den Darm,

Leerversuche, d. h. Harns~urebestimmungen ohne vorhergehende In- jektion yon Harns~ure, best~tigten die an Fistelhunden erhaltenen Resultate. Unter normalen Bedingungen wird keine Itarns/~ure in den Darm der Katzen und Hunde ausgeschieden. Naeh intravenSser Ver- abreichung yon 100 mg Harnsgure pro Kilogramm fanden wir auffallend konstante iV[engen von Harns~ure sowohl im Duodenum als aueh im Jejunum und Ileum. Der Dickdarm nimmt ebenfalls an der Harns/~ure- ausseheidung ~efl, wghrend der Magen nur Spuren enthielt. Die Dureh- sehnittswerte tier ausgesehiedenen Harnsgure in Versuehen an zwOlf Katzen w/~hrend der ersten 25 l~[innten naeh erfolgter Injektion be- trugen:

416 H. SCnl~O~D~R und B. B. ~:~=~-GI:N~SKY:

Duodenum . . . . . . . 0,6 rag% Jejunum . . . . . . . . 0,4 ,, Ileum . . . . . . . . . 0,3--0,4% Kolon . . . . . . . . . 0,6 rag% Magen . . . . . . . . . Spuren.

Prozent ist auf die in den Darmschlingen gefundene Fliissigkeits- menge bezogen, die, um einen Vergleich zu gestatten, entweder auf 15 ecru erganzt oder umgerechnet wurde.

Bei diesen Versuehen war etwa 15 cem Ringerl6sung in den einzelnen Darmsegmenten gelassen worden. Da solche Fliissigkeitsmenge einen Druek auf die Darmwand ausiibt, wurden, um die Fehlerquelle auszu- schlie~en, in einer anderen Versuehsreihe nacb Durehspiilung der Darm- schlingen mit RingerlSsung nur wenige Kubikzentimeter in den Seg- menten zuriickgelassen. Die Durchsehnittswerte waren in diesem Falle:

Duodenum . . . . . . . 0,6--0,7 rag% Jejunum . . . . . . . . 0A rag% Ileum . . . . . . . . . Spuren.

Druek seheint demnaeh die Harnsaureausscheidung nur unwesent- lich zu beeinflussen.

Die in den Darm ausgeschiedenen Harnsauremengen waren auch bei wiederholter Einspritzung yon Harns}ture in das 'gleiche Tier ziemlieh konstant. In einem Versueh, in dem z. B. je 100 mg Harnshure pro Kilo- gramm einer Katze in Abst~nden yon 15 Minuten intravenSs injiziert wurden, waren die Werte im DuodenalsegInent in den drei aufeinander- iolgenden 15 Minuten beinahe identiseh, was sieher dutch das sehnelle Versehwinden der Harns~ure aus dem Blut zu erkl~ren ist (s. Abb. 1). Die Bestimmung der ttarns~ure in der ]~iere ergab dagegen eine deut- liehe Summierung der wahrend der drei Perioden verabfolgten S~ure.

'~ Diese an und fiir sich sehr kleinen Harns}turemengen gewinnen an Weft, wenn man bedenkt, da~ wir mit unserer Methode nur einen Tell der Gesamtausscheidung erfassen und dal~ die injizierte Harns~ure nur fiir kurze Zeit im Blute .kreist. Ihre Bedeutung liegt in dem Beweis, da6 eine Harns~ureausseheidung dutch den tierischen Darm tats~ehlich erfolgt. In der umfangreichen Arbeit Fol ins und Mitarbeiter fiber alas Harns~ureproblem (6) tanden wit die mit einem Fragezeiehen versehene Eintragung, dal~ der Gehalt der Mueosa des Jejunums naeh intravenSser Injektion yon Harns~ure 4,1 rag% betrug, w~hrend an@re Gewebe wie z.B. Muskel, Leber und Pankreas zum gleichen Zeitpunkt nur Werte yon 1,4 rag% aufwiesen. Ebenso fund T h a n n h a u s e r (7) in einem Ver- such am H u n d 8 Minuten naeh der Injektion yon 100 mg Harnsaure

1Jber die Harns~ureausscheidm~g darch den Darm. 417

pro Kilogramm im Darm 16 rag% im Muskel und in der Leber dagegen nut etwa 5 rag%.

Diese Ergebnisse spreehen augenscheinlieh auch fiir eine Ausscheide- funktion des Darmes.

Die pharmakologische Beeinflussung der intestinalen Itarns~iureausscheidung.

Soweit uns bekannt, sind Versuche, welche eine direkte Bestimmung der enterotropischen Harns~ture nach pharmakologischer Beeinflussung zum Ziel hatten, bisher noch n~cht unternommen worden. Abl (8), der die Harnsaureausscheidung dutch die Niere nach einer gro~en Reihe ver- schiedenster Substanzen untersuchte, schlol~ aus seinen Resultaten, dal~ offenbar ein Parallelisn~us zwischen der GrSl~e der Harns~ureausfuhr einerseits und der Darmthtigkeit und damit der Blutfiille im Pfortader- gebiet andererseits besteht. Atophan vermehrt nach seiner Ansicht die Harns~ureausscheidung, well es den Splanchnikus lahmt und damit die DurchblutungsgrSl~e und Sekretion der Gedarrae erhSht. Einen direkten Beweis ftir diese Ansicht konnte er bei der yon ihm angewandten Methodik nicht erbringen.

5Tachdem wir in Vorversuchen mit mlserer Methode nach Anwenduug yon Wi~rme und SenfS1 eine Steigerung der intestinalen ttarnsi~ureaus- scheidung bis auf das ZwSlffache des Normalwertes beobachten konnten, haben wir in weiteren systematischen Versuchen die Faktoren, welche die Ausscheidung der Harnsgure in das Darmlumen beeinflussen, zu be- stimmen gesueht. Wit versuchten damit die Frage zu beantworten, ob ein TranssudationsprozeI~ oder die Sekretion der Darmdriisen ftir die Ausscheidung verantwortlieh ist.

Sekretion und Harns~ureausscheidung in den Darm.

Wirknng sekretionssteigernder Mittel (s. umstehende Tabelle).

Subkutane Injektionen yon 0,5 mg Pilokarpin pro Kilogramm hatten trotz enormer Steigerung der Speichelabsonderung keine Wirkung auf die Harnsi~ureausscheidung. Diese Beobachtung stimmt mit den iibrigen Er- gebnissen durchaus iiberein, da Reizung des Nervus vagus keine bemer- kenswerte Wirkung auf die 3Iagen-Darmsekretion hat.

Atropin setzte die Ausscheidung yon Harns~ure jedoch herab. ~Nach intravenSser Injektion yon 0,125 mg Atropin pro Kilogramm fanden wir w/~hrend der ersten 25 Minuten in 3filligrammprozent:

Duodenum 0,22 lug% Jejunum 0,22 rag% Ileum Spm'en.

418 H. ScnRo~DEI~ und B. B. RAGINSKu

100 mg Harns~ure pro Kilogramm K6rpergewielit ttarnsiiureausseheidungwiihrend der ersten 25 3[inuten nach der Injektion

intraven6s injiziert, in mg % Darmsegmente geftillt mi t : Duodenum ] Jejunum Ileum

1. Ringerl~isung (Kontrolle) . . . . . . . . . . 0,6 i 0,4 0,3--0,4

2. 1% Senf61-RingerlSsung . . . . . . . . . . 6,2 6,2 4,0

3: I/2% Senf~il-Ringerl~isung . . . . . . . . . 6~2 5,5 6,2

4. 1/2 Tropfen Kroton~il, gel(ist in wenig Alkohol, gemischt mit 10 ccm Ringerl(isung . . . . . 1,2 2,0 0,9

5. 1% HC1 in RingerlSsung . . . . . . . . . 2,2 . 1,8 2,2

6. 5% Alkohol in Ringerliisung . . . . . . . . i 1,1 1,8 0,9

7. 15% Magnesiumsulfat in Ringerlifsung . . . 0,8 1,0 0,98

Duodenum [ Jejunum

8. ,,paralytische" Sekretion (4 Stunden naeh Ent- fernung der )Ierven) . . . . . . . . . . . .

Kontrolle ]Nerven entfernt 0,55 [ 1,2

Die in obiger Tabelle angeftihrten Resultate sind die Durehsehnittswerte je mehrerer Versuche.

Nach His tamin konnten wit in wiederho]ten Versuchen keine sichere Wirkung auf die Harns~ureausscheidung in das Darmlulnen and in den Magen beobachten.

Wi rkung yon Kapi l largif ten, Arsenik nnd Colchieim

A r s e n i k .

Zwei Katzen wurden 30 bzw. 20 nag Na t r ium arsenieuna pro Kilo- gra lnm subkutan injiziert. Naeh 7 bzw. 30 Stunden zeigten die Tiere Zeiehen einer akuten Enteri t is mi t Hiinaorrhagien ina Bereieh des ganzen Diinndarnaes. Die Bestinamung der in den Darna ausgeschiedenen Harn-

sgure ha t t e folgendes Ergebnis:

V e r s u c h I, 30rag p ro K i l o g r a m m . Duodenum . . . . . . . . . 0,36 rag% Jejunum . . . . . . . . 0,26 ,, Ileum . . . . . . . . . 0,20 ,,

V e r s u c h II, 20 mg p ro X i l o g r a m m . Duodenum . . . . . . . 0,46 rag% Jejunum . . . . . . . . 0,22 ,, Ileum . . . . . . . . . 0,28 ,,

Arsenik hat denanach keinen Einflui~ auf die Harnsi~ureausscheidung

dureh den Darm.

t)~ber die HarnsSoureausseheidmlg dttrch den Darm. 419

Colehiein. Die pharmakologisehe Wirkungsweise des Colehieins, besonders bei

Gieht, hat bisher noeh keine Aufkli~rung erfahren. F t thner (9) und Lipps (10) fanden, dab Colehiein eine starke Kapillarwirkung am Darm und aueh an den Gelenken hat. Neuerdings ist .eine antiptLlogistisehe Wirkung des Colehieins bei experimentell gesetzter Entziindung in den Gelenken beobaehtet worden (11). Uns dri~ngte sieh die Frage auf, ob die besehriebene Kapillarwirkung am Darm eine vermehrte garnsiiure- ausseheidung dureh dieses Organ zur Folge haben kSnnte. Wir haben daher die intestinale Harnsi~ureausseheidung naeh Colehiein untersueht.

Amorphes Colehiein wurde in Desert yon 0,5--0,75 mg pro Kilo- gramm den Tieren subkutan injiziert. Naeh einigen Stunden zeigten die Tiere Symptome der eingetretenen Vergiftung wie Nausea und Er- breehen. Eine typisehe Enteritis konnten wit in keinem Falle beob- aehten. Naeh etwas hiJheren Dosen, etwa i mg pro Kilogramm, starben die Tiere innerhalb 12 Stunden. Die Antopsie zeigte aueh diesen Fiillen keine siehtbaren entztindliehen Veriinderungen der Darmsehleimhaut.

Bei unseren Versuehen wurden die Tiere 20 Stunden naeh der Injek- tion des Colehieins in der iibliehen Weise untersueht.

Ergebnis . Die Durchschnittswerte in zehn Versuchen waren:

Duodenum . . . . . . 0,67 (0,6) rag% Jejunmn . . . . . . . 0,55 (0,4) ,, Ileum . . . . . . . . 0,70 (0,3--0,4) rag%.

Die Zahlen in Klammern geben, um einen Vergleieh zu gestatten, die Normalwerte wieder.

Das Ergebnis dieser Versuehe zeigt, dag Colehiein die Harnsiiure- ausseheidung dureh das Ileum mn etwa 100% steigert. Wie sieh die Ausseheidung bei eingetretener Enteritis gestaltet, konnten wir an unse- rein Versuehsmaterial leider nieht entseheiden. Die Beobaehtung, dab Colehiein nur auf die Ausseheidung dureh das Ileum wirkt, stimmt mit seiner bekannt st~rkeren Wirkung auf den unteren Teil des Darmtraktus gut tiberein. Ob die festgestellte Steigerung der tIarnsi~ureausseheidung in alas Darmlumen naeh Colehiein allerdings ein wesentlieher Faktor ftir seine Wirkung in Gieht ist, mtissen wir dahingestellt sein lassen.

W i r k u n g yon ttyper~tmie,

Wiirme: Thermisehe Hyperi~mie erzielten wir dureh Fiillung der Darmsegmente mit RingerlSsung yon versehieden hoher Temperatur. Wir erhielten dabei folgende Resultate:

420 H. SCHROEDER und ]3. B. ~:~AGINSKY:

A u s g a n g s t e m p e r a t u r 650 C.

Harnsaureausseheidung in 25 Minuten in Milligrammprozent:

Duodenum 6,0 rag% Jejunum 3,58 rag% Ileum 3,0 rag%

A u s g a n g s t e m p e r a t u r 500 C,

ttarnsiiureausseheidung in 25 Minuten in Milligrammprozent:

Duodenum 1,1 rag% Jejunum 0,9 mg% Ileum 0,5 rag%.

Kontrollversuehe bestatigten diese Ergebnisse. Ob diese Steigerung der Harnsgureausscheidung nach Anwendung

von Warme auf reine Hyperiimie oder nicht doch zu einem groBen Teil auf Steigerung der Aktivitat der Darmdrtisen zurtickzuftihren ist, kSnnen wit nieht sagen.

Eine reine Gefiil~wirkung, wie sie das Amylium nitrosum austibt, war yon einer viel geringeren, aber deutfiehen Steigerung der Harnsgnreaus- scheidung begleitet.

Die erhaltenen Werte waren:

Duodenum 0,9 rag% Jejunum 0,8 rag% Ileum 0,7 rag%.

Atophan.

Die Wirkung de s Atophans erklarte Abl, wie bereits erwi~hnt, mit einer Lahmung des Splanchnikus und einer Stimulierung der Darmdrtisen. Wir haben deshalb mit der beschriebenen 3/[ethode die Wirkung des Ato- phans auf die intestinale Ausscheidung intravenSs injizierter Harnsaure direkt untersucht.

5Taeh oraler Gabe yon 0,3 g Atophan pro Kilogramm betrug die Ausscheidung wain'end der ersten 25 Minuten nach der Iniektion in zwei Versuchen:

Experiment I. Duodenum 0,45 ulg% Jejunum 0,4 mg% Ileum 0,4 mg%

Experiment II, Duodenum 0,48 rag% Jejunum 0,24 rag% Ileum 0,28 mg~

Kontrollversuche batten das gleiche Ergebnis. Diese Beobachtungen sprechen gegen eine Steigerung der intesti-

nalen I-Iarnsiiureausscheidung nach Atophan. Um zu entscheiden, ob die injizierte Harns~ure unter dem Einflul~

der sekretionssteigernden Substanzen auch schneller aus dem Blut ver- schwindet und ob die auffallend stark vermehrte Ausscheidung in einem

1Uber die Harns~im'eausscheidung din'oh den Darm. 4 2 1

bestimmten Verh~iltnis zum Blutharnsfiurespiegel steht, haben wir die Blutharnsaure und die in den Darm ausgeschiedene in korrespondierenden 5-}Iinutenperioden naeh Anwendung yon ~/2% SenfS1-RingerlSsung untersueht. Abb. 3 gibt das Ergebnis wieder.

Die Ausseheidung in den Darm geht mit dem Gehalt des Blutes in Harnsaure beinahe parallel, erreieht ihn abet nie. Ein schnelleres Ver- schwinden der Harnsiiure aus dem Blut nach SenfS1 z. B. konnten wir nicht mit Sicherheit feststellen. Verschie- dene Faktoren, wie Gate des Kreislaufes, Schwangerschaft usw., scheinen hierbei eine Rolle zu spielen.

Zusammenfassung. Naeh unseren Untersuchungen besteht

demnach kein Zweifel, dal~ Harnsam'e aus dem Blut in das Darmlumen ausgesehie- den wird. Dies Ergebnis stimmt mit den Befunden L u c k e s (12), der geringe ~engen im ~agensaft gesunder und kranker Per- sonen vorfand, gut aberein.

g)o \ + \ i

05 10 /l'hkv/en l,J Aiob. 3. Bluthar'ns~ure "und Harns~ure- ausscheidung in das Darmlumen (Duo- donum) nach intravenSser Injektion yon 100 mg Harns~tnre pro Kilogramm w~hrond drei aufeinanderfolgender

Fiinfminut en!a erie den,

Die Tatsache, dal3 Harns~ure zu einem gewissen Teil in den Darm ausgeschieden wird, li~l~t daran denken, da6 der Darm eine Rolle als Hilfsmechanismus in der Harnsiiureausscheidung spielen kann. Daftir sprieht, dab nach unseren Untersuchungen die HShe der Harnsi~ure- ausscheidung in den Darm in direktem Verhi~ltnis zu der HOhe des Blut- harnsi~urespiegels steht (s. Abb. 3). H e u p k e (13) land z.B. in einem Falle yon Leuki~mie, die gewOhnlich mit einem sehr hohen Blutharn- siiuresioiegel einhergeht, die zehnfache Menge PurinkSrper im Kot.

in diesem Zusammenhang ist es vielleieht erw~hnenswert, dal3 die ~lteren 5_rzte viel yon einer Gieht der Eingeweide sprachen. Haig (14) sagt z. B. in seinem Bueh fiber Harnsi~ure, dal3 diese in grol~en Mengen in der Darmwand abgelagert werden kann und dais yon versehiedenen Forschern wie Prof. H a y e m F~lle beobaehtet worden sind, in dem die Darmzotten mit kleinen, siehtbaren Uratablagerungen durchsetzt waren.

Von besonderem Interesse ersehien uns die Frage der pharmako- logisehen Beeinfiul~barkeit dieser intestinalen Harnsi~ureausscheidung. Unsere Ergebnisse zeigen, dab sie beeinflul~t werden kann. Anseheinend besteht ein Zusammenhang zwisehen Darmdrasensekretion und Harn- si~ureausseheidung in das Darmlumen. Atle Substanzen, die eine ver- rnehrte Sekretion der Darmdrtisen bewirken, steigern die Ausseheidung.

422 H. SC~aOEDEa und B. B. RAGINSKY:

Charakteristiseh ist die Wirkung des Pilokarpins, das trotz enormer Speiehelsekreti0n wenig Einflug auf die Sekretion im Darm hat und deshalb auch keine Beeinflussung der Harnsiiureausscheidung aufweist. Die Wirkungslosigkeit des Histamins ist vielleieht auf seine selaktive Beeinflussung der Ausseheidung zurtiekzuftihren.

Da/3 eine verst/~rkte Durehblutung allein die Harns~ureausseheidung in das ])armlumen beeinflussen kann, zeigt das Ergebnis der Varsuehe mit W/irma und Amylium nitrosum.

Eine kapillarl~hmende Wirkung, wie Sie das Arsenik am Darm ant- falter, ist ohne Einflug auf die Harns/~ureausseheidung in das Darm- lumen. Sehr eigenartig ist deshalb die Wirkung des Cotehieins, das eine Steigerung der Harnsfi.ureausseheidung in das Ileum bewirkt, selbst ohne das siehtbare entziindliehe Ver~ndernngen vorhanden sind.

Was nun das Sehieksal der in das Darmlumen ausgesehiedenen Harnshure anbetrifft, so ist dutch Siv~n (15) die Zerst6rbarkeit der PurinkSrper dureh die Flora des Darmes naehgewiesen worden. Fo l in fand, da6 Harns~ure aus dem Darm zu einem grogen Tell rt~ekresorbiert wurde. Allerdings fiillte er die Dannsehlingen mit einer hoehkonzen- trierten ttarnsaurelSsung. B r u g s e h u. R o t h e r (16) sehliegen aus itu'en Versuehen, dal~ im Diinndarm befindliehe tIarnsSnre zum Teil resorbiert, zum grSgten Teil jedoch zerst6rt wird. Da6 die ZerstSrung der Harn- sgure dureh die Darmbakterien ein wesentlieher Faktor ist, seheint aus der Beobaehtung hervorzugehen, dag man im Darm neugeborener Kin- der, die noeh keine Kolibakterien haben, groge Mengen Harnsgura findet.

Ergebnisse .

1. Intraven6s in Katzen injizierte Harnsgure wird zu einem Teil in das Darmlumen ausgesehieden.

2. Die tt6he der Ausseheidung geht beinahe parallel mit dem Btut- harnsaurespiegel.

3. Es besteht eine Beziehung zwisehen Sekretion der Darmdrtisen und der Harnsgureansseheidung in den Darm. In das Darmlumen ge- braehte Substanzen, die erregend auf die Darmsekretion wirken, erhShen die Harnsguraausseheidung von 100--1200% des Normalwertes.

4 , W~irme steigert die ttarnsgureausseheidung ebenfalls sehr be- traehtlieh. Reine Hyper~tmie, z. B. naeh Anwendung yon Amylium nitro- sum, ist yon unbedeutender Wirkung.

5. Atropin hemmt die Aussehiittung yon Harnsgure in das Darm- lumen, wghrend ttistamin und Pilokarpin keine Wirkung haben.

~J~ber die Harns~ureausscheidung dm'ch den Darm. 423

6. Ar sen ik is t selbst n a c h r o l l e r E n t f a l t u n g seiner kapi l la~ ' l i ihmenden

W i r k u n g ohne Einflul~ auf die Harns i~ureaussche idung du rch den D a r m .

7. Colchicin s te iger t die A u s s c h e i d u n g der i n t r a v e n S s in j i z i e r t en

Harnsi~ure n u r i m Bere ich des I l eums .

8. A t o p h a n h a t k e i n e n E i n f i u 6 auf die Harns i~ureaussche idung in

das D a r m l u m e n .

L i t e r a t u r .

1. Brugsch u. Rother : Hoppe-Seylers Z. 143 (1926). - - 2. Lacke: Z. exper. ~ed. 70 u. 72 (1931) . - 3. Thannhauso r : Hoppe-Seylers Z. 156 (1926). - -4 . ~IacKay, ~. E. : Amer. J. Physiol. 1930, 529. - - 5. Koehler : J. of biol. Chem. 60 (1924). - - 6. Fo l in : Ebenda 60 (1924). - - 7. T h a n n h a u s e r : a. a. O. - - 8. Abl: Arch. f. exper. Path. 74 (1913). - - 9. F i ihner : Ebenda 82 (1917). - - 10. Lipps: Ebenda 85 (1920). - - 11. Beck: Ebenda 16~ (1932). - - 12. Lucke: a. a. O. - - 13. Heupke: Z. exper. Wed. 1930. - - 14. Haig: Uric acid as factor in the causation of diseases. London: L u. A. Churchill 1894. - - 15. S i r en : t)fliigers Arch. ][57 (1924). - - 16. Brugseh u. Rother : a. a. O.