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94 K. DIMROTH, H. WITZEL, W. HULSEN und H. MIRBACH Bd. 620 UBER DIE HYDROLYSE VON RIBONUCLEINSAUREN IN GEGENWART VON METALLHYDROXYDEN von KARL DIMROTH, HERBERT WITZEL, WOLFGANG HULSEN und HEINZ MIRBACH Aus dem Chemischen Institut der Universitat Marburg/Lahn Eingegangen am 14. Oktober 1958 Die Hydrolyse von Ribonucleinsaure (RNS), die in Gegenwart von Pb(0H)z zu Nucleosiden, von Cd(OH)* oder Zn(0H)z zu Mononucleotiden, von Bi(OH)3 oder AI(OH)3 zu Dinucleosid-phosphaten, Dinucleotiden und anderen Spalt- produkten fuhrt, wird naher untersucht. Die spezifische Wirkung der verschie- denen Metallhydroxyde laRt sich auf ihre unterschiedliche, pa-abhangige kata- lytische Wirkung auf die Hydrolyse von Phosphorsaure-di- und monoestern zuruckfuhren. - Alle genannten Metallhydroxyde beschleunigen, wie sich an Modellversuchen zeigen lie& die Hydrolyse der Diester-Bindungen der RNS. Pb(0H)Z katalysiert bei PH 7 - 8 daruber hinaus auch die Hydrolyse der Mono- ester; Zusatz von Cd(OH)2 hebt diese Wirkung auf. La(OH)3 und Ce(OH)3, die nach E. BAMANN ebenfalls die Hydrolyse von Monoestern katalysieren, verhal- ten sich anders als Pb(0H)Z. - Der Chemismus der metallkatalysierten Hydro- lyse wird mit der durch H@- und OH@-Ionen katalysierten Hydrolyse verglichen. Die nicht-enzymatische, hydrolytische Spaltung von Ribonucleinsaure (RNS) wird, wie K. DIMROTH und Mitarbb.1a-d) gefunden haben, durch Zusatz bestimmter schwerloslicher Metallhydroxyde sowohl in ihrer Geschwindigkeit als auch in ihrer Richtung beeinflufit. Kocht man eine waRrige Suspension von Hefe-ribonucleinsaure z. B. in Gegenwart von Blei(I1)-hydroxyd, so erhalt man Nucleoside la). Fuhrt man die gleiche Reaktion in Gegen- wart von Zink- oder Cadmiumhydroxyd aus, so bilden sich Mononucleotide Ib). Hydrolysiert man jedoch in Gegenwart von Aluminium- oder Wismuthydroxyd, dann entstehen je nach Hydrolysendauer und Aciditat als Abbauprodukte verschieden groRe ,,Oligonucleotide" lC), Dinucleotide und Dinucleosid-phosphate Id), aber auch Mononucleotide und Nucleoside. Auch von anderer Seite ist der EinfluD bestimmter Metallhydroxyde und Metallio- nen auf die Hydrolyse von Ribonucleinsauren beobachtet worden. la) K. DIMROTH, L. JAENICKE und D. HEINZEL, Liebigs Ann. Chem. 566, 206 (1950). - 1b) K. DIMROTH, L. JAENICKE und I. VOLLBRECHTSHAUSEN, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 289, 71 (1952). ~ Id L. JAENICKE, K. DIMROTH und D. JAENICKE, 11. Congres Internat. de Biochi- mie, Paris 1952, RCsumts des Communications, S. 201; vgl. Angew. Chem. 64, 653 (1952). - Id) K.DIMROTH und H. WITZEL, Angew. Chem. 68, 579 (1956).

Über die Hydrolyse von Ribonucleinsäuren in Gegenwart von Metallhydroxyden

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94 K. DIMROTH, H. WITZEL, W. HULSEN und H. MIRBACH Bd. 620

UBER DIE HYDROLYSE VON RIBONUCLEINSAUREN IN GEGENWART VON METALLHYDROXYDEN

von KARL DIMROTH, HERBERT WITZEL, WOLFGANG HULSEN und HEINZ MIRBACH

Aus dem Chemischen Institut der Universitat Marburg/Lahn

Eingegangen am 14. Oktober 1958

Die Hydrolyse von Ribonucleinsaure (RNS), die in Gegenwart von Pb(0H)z zu Nucleosiden, von Cd(OH)* oder Zn(0H)z zu Mononucleotiden, von Bi(OH)3 oder AI(OH)3 zu Dinucleosid-phosphaten, Dinucleotiden und anderen Spalt- produkten fuhrt, wird naher untersucht. Die spezifische Wirkung der verschie- denen Metallhydroxyde laRt sich auf ihre unterschiedliche, pa-abhangige kata- lytische Wirkung auf die Hydrolyse von Phosphorsaure-di- und monoestern zuruckfuhren. - Alle genannten Metallhydroxyde beschleunigen, wie sich an Modellversuchen zeigen lie& die Hydrolyse der Diester-Bindungen der RNS. Pb(0H)Z katalysiert bei PH 7 - 8 daruber hinaus auch die Hydrolyse der Mono- ester; Zusatz von Cd(OH)2 hebt diese Wirkung auf. La(OH)3 und Ce(OH)3, die nach E. BAMANN ebenfalls die Hydrolyse von Monoestern katalysieren, verhal- ten sich anders als Pb(0H)Z. - Der Chemismus der metallkatalysierten Hydro- lyse wird mit der durch H@- und OH@-Ionen katalysierten Hydrolyse verglichen.

Die nicht-enzymatische, hydrolytische Spaltung von Ribonucleinsaure (RNS) wird, wie K. DIMROTH und Mitarbb.1a-d) gefunden haben, durch Zusatz bestimmter schwerloslicher Metallhydroxyde sowohl in ihrer Geschwindigkeit als auch in ihrer Richtung beeinflufit.

Kocht man eine waRrige Suspension von Hefe-ribonucleinsaure z. B. in Gegenwart von Blei(I1)-hydroxyd, so erhalt man Nucleoside la). Fuhrt man die gleiche Reaktion in Gegen- wart von Zink- oder Cadmiumhydroxyd aus, so bilden sich Mononucleotide Ib). Hydrolysiert man jedoch in Gegenwart von Aluminium- oder Wismuthydroxyd, dann entstehen je nach Hydrolysendauer und Aciditat als Abbauprodukte verschieden groRe ,,Oligonucleotide" lC), Dinucleotide und Dinucleosid-phosphate Id), aber auch Mononucleotide und Nucleoside.

Auch von anderer Seite ist der EinfluD bestimmter Metallhydroxyde und Metallio- nen auf die Hydrolyse von Ribonucleinsauren beobachtet worden.

la) K. DIMROTH, L. JAENICKE und D. HEINZEL, Liebigs Ann. Chem. 566, 206 (1950). - 1b) K. DIMROTH, L. JAENICKE und I. VOLLBRECHTSHAUSEN, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 289, 71 (1952). ~ Id L. JAENICKE, K. DIMROTH und D. JAENICKE, 11. Congres Internat. de Biochi- mie, Paris 1952, RCsumts des Communications, S. 201; vgl. Angew. Chem. 64, 653 (1952). - Id) K.DIMROTH und H. WITZEL, Angew. Chem. 68, 579 (1956).

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Insbesondere haben F. ECAMI und Mitarbb.21, angeregt durch die interessanten Arbeiten von E. BAMANN und seiner Schule3) iiber die phosphatatische Wirkung der Seltenen Erden, den EinfluB von Lanthan(II1)-hydroxyd auf die Hydrolyse von RNS untersucht und zur Gewin- nung von Nucleosiden verwendet. In der gleichen Richtung liegt auch eine Arbeit von J. E. BACHER und F. W. ALL EN^).

Unsere Untersuchungen verfolgten zunachst das Ziel, einfache chernische Verfahren zur Darstellung bestimmter niedermolekularer Spaltprodukte aus der leicht zugang- lichen Hefe-ribonucleinsaure5) auszuarbeiten. Tatsachlich eignen sich die genannten Metallhydroxyd-Hydrolysen, wie in der folgenden Arbeit gezeigt wird *), ausgezeich- net zur praparativen Gewinnung der Nucleoside, Mononucleotide, Dinucleosid- phosphate und Dinucleotide der RNS-Reihe.

HYDROLYSEN MIT CADMIUM(II)- UND ZINK(II)-HYDROXYD

Im neutralen, schwach sauren oder schwach alkalischen Milieu wird die RNS auch bei langerem Erhitzen auf100" praktisch nicht hydrolysiert. Gibt man jedoch zu ihrer Suspension frisch gefalltes, gut ausgewaschenes Zink- oder Cadmiumhydroxyd, so tritt allmahliche Spaltung ein: Nach einigen Stunden Kochen sind nur noch Mono- nucleotide zu finden. Sie fallen in einer Ausbeute von iiber 90 % als schwerlosliche Salze an. Durch Einleiten von Schwefelwasserstoff in ihre waI3rige Aufschlammung werden sie in Losung gebracht. Nach Verdampfen des Losungsmittels in einer Gefriertrocken- anlage hinterbleiben die freien Mononucleotide als lockere, weiI3e Pulver. Wie Pa- pierelektrophorese und Ionenaustauscherchromatographie zeigen, bestehen sie aus einem Gemisch aller vier 2'- und 3'-Mononucleotide; 5'-Mononucleotide finden sich nur zu etwa 0.5 %.

Die Hydrolyse mit Cadmiumhydroxyd ist starkpa-abhungig. BeipH 8 ist die Diester- Spaltung nach 8 Stunden beendet ; bei PH 7 sind schon 10 - 15 Stunden zur vollstan- digen Spaltung notig ; bei PH 4 ist selbst nach 24 Stunden noch kein vollstandiger Ab- bau erreicht, obwohl papierelektrophoretisch bereits nach einer Stunde das Auftreten cyclischer und freier Mononucleotide beobachtet werden kann.

Bei niederen Ternperaturen (etwa 40") geht die Hydrolyse auch bei p~ 8 so langsam, daI3 noch nach 70 Stunden ein erheblicher Anteil hohermolekularer Produkte vor-

* ) K. DIMROTH und H. WITZEL, Liebigs Ann. Chem. 620, 109 (1959). 2) F.EGAMI und M.SHIMOMURA, Science [Japan] 18, 472 (1948) [C.A. 45, 5736 (1951)l;

M.SHIMOMURA und F.EGAMI, Bull. chem. SOC. Japan 26, 263 (1953) [C.A. 48, 7087 (1954)l; F.EGAMI, H.ISHIHARA und M. SHIMOMURA, Hoppe-Seyler's Z. physiol. Chem. 295, 349 (1953).

3 ) E.BAMANN und M.M~i~~~~~i~~~,Ber.dtsch.chem.Ges.71,171 I , 1 9 8 0 ( 1 9 3 8 ) ; E , B ~ ~ ~ ~ h , H. TRAPMANN und F. FISCHLER, Biochem. Z. 326, 89 (1954); E. BAMANN und H. TRAPMANN, ebenda 326, 237 (1954); E. BAMANN und W.-D. MUTTERLEIN, Chem. Ber. 91, 471 (1958), dort vollstandige Literaturubersicht.

4) J.E.BACHER und F. W.ALLEN, J. biol. Chemistry 188, 59 (1951). 5 ) K. DIMROTH, K. HOLLE, R. HAMM und L. JAENICKE, Dtsch. Bundes-Pat. 8 I4 004 v.

23. 1. 1949, Zellstoffabrik Waldhof [C. 1952, 14071.

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liegt6). Dieser enthalt auffallend vie1 Purine; dialysiert man ihn, so hinterbleibt ein Material, dessen Guanin-Gehalt rund doppelt so hoch ist wie der der Ausgangs-RNS.

Wir schlieRen hieraus allerdings nicht, daR die Guanylsaure-diester besonders schwer abzu- bauen sind, zumal B. MAGASANIK und E. CHAR GAFF^) bei der NaOH-Hydrolyse nachgewiesen haben, daB es die 3'-Adenylsaure-diester-Bindungen sind, die am langsamsten hydrolytisch gespalten werden. Wahrscheinlich ist die Guanylsuure-Anreicherung nur auf die leichtere Dialysierbarkeit entsprechender Adenylsaurederivate zuruckzufuhren. Vielleicht ist auch der beim enzymatischen Abbau der RNS durch Ribonucleasezuruckbleibende, nicht hydrolysier- bare Rest (,,Core") deshalb so reich an Guanin, weil auch hier durch Dialyse Adenin-haltige Bruchstucke teilweise entfernt werden. Wir mochten daher die von anderer Seite7.8) gezogenen Schlusse uber den Aufbau der RNS auf Grund solcher ,,Core"-Analysen mit einer gewissen Vorsicht bewerten.

Ahnlich wie Cadmium- und Zinkhydroxyd wirken auch Zinn(II)- oder Eisen(II)-hydroxyd. Der Zusatz von Erdalkalien fuhrt bei OHe-Konzentrationen, die fur eine Hydrolyse der RNS noch nicht ausreichen, zu einer Beschleunigung des Abbaues. Auch bei Zusatz von Magne- siumhydroxyd laRt sich eine katalysierende Wirkung feststellen lC). Der langsame, von R. MARKHAM und J. D. SMITH^) aufgefundene Abbau der RNS mit Bariumrarbonat durfte wohl dem gleichen Prinzip gehorchen. DaR Calcium-Ionen die Spaltung auch von anderen Diestern der Phosphorsaure beschleunigen konnen, ist von P. FLEURY und Mitarbb. 10) gefunden wor- den, als sie die Hydrolyse von Methylestern der m- und P-Glycerinphosphorsaure untersuchten.

HYDROLYSEN MIT BLEI(II)-, LANTHAN(III)-, CER(III)- UND WISMUT(III)-HYDROXYD Die bisher genannten Metallhydroxyde katalysieren nur die Hydrolyse von Phos-

phorsaure-diestern der RNS zu Phosphorsaure-monoestern. Eine weitere katalytische Wirkung auf die Hydrolyse der Monoester beobachtet man nicht. - LaRt man jedoch Bleihydroxyd unter den gleichen Bedingungen wie Zink- oder Cadmiumhydroxyd (PH 7-8) auf eine RNS-Suspension einwirken, dann folgt der Diester-Spaltung auch eine Monoester-Hydrolyse ; man erhalt Nucleoside. Die Hydrolyse geht so schnell, dal3 schon nach 20 Minuten keine Zwischenprodukte mehr isolierbar sind. Bei PH 4 verlaufen Diester- und Monoester-Hydrolyse langsamer ; man findet jetzt neben den Nucleosiden auch Mononucleotide als Zwischenprodukte.

Ahnlich wie Blei(I1)-hydroxyd wirken bei PH 7 -8 auch die Hydvoxyde von Lanthan- ( III ) und Cer(III), deren katalysierende Wirkung auf die Phosphorsaureester-Hydro- lyse E. BAMANN3) entdeckt und ausfiihrlich untersucht hat. Die Gesamthydrolyse der RNS verlauft mit diesen Hydroxyden aber langsamer als mit Bleihydroxyd. Das liegt daran, daB sie - obwohl sie die Monoester-Hydrolyse stark beschleunigen - auf

6 ) W. FRANK, Dissertation Univ. Marburg/Lahn 1954. 7) B. MAGASANIK und E. CHARGAFF, Biochim. biophysica Acta [Amsterdam] 7, 396 (195 I ). 8) R. MARKHAM und J.D.SMITH, Biochem. J. 52, 565 (1952). 9) R. MARKHAM und J. D.SMITH, Biochem. J. 52, 552 (1952).

10) P.FLEURY, J.LECOCQ und L.LEDIZET, Bull. SOC. chim. France [5] 23, 1193 (1956).

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1959 Hydrolyse von Ribonucleinsauren mit Metallhydroxyden 97

Diester einen geringeren EinfluJo als Bleihydroxyd ausuben. Da aber bei der RNS- Spaltung zuerst die Diester-Bindungen gelost werden mussen, ergibt sich insgesamt das weniger gunstige Bild.

Mit Wisrnut(III)- oder Alurniniurn(III)-hydroxyd wird bei p~ 8 nur die Diester- Hydrolyse beschleunigt. Man erhalt bei langerem Kochen daher vorwiegend Mono- nucleotide. Nach kurzerer Hydrolyse lassen sich die cyclischen 7.3'-Ester als Zwischen- produkte fassen. Bei p~ 3-4 findet man - bei fast gleicher Geschwindigkeit der Di- und Monoester-Hydrolyse - neben den Nucleosiden und Mononucleotiden auch Dinucleotide und ihre am Kettenende dephosphorylierten Derivate, die Dinucleosid- phosphate. AuBerdem enthalt das Hydrolysat noch hohere Oligonucleotide mit und ohne endstandigem Phosphatrest.

MODELLHYDROLYSEN AN EINFACHEN PHOSPHORSAUREESTERN

Die RNS eignet sich wegen ihrer Uneinheitlichkeit in MolekiilgroDe und Basen- sequenz und wegen ihrer Schwerloslichkeit nur schlecht fur genaue Messungen. AuBerdem kann sie hydrolytisch nicht nur an den hier interessierenden Phosphor- saure-di- und -monoester-Bindungen, sondern auch an Amid- und Glykosid-Bindun- gen angegriffen werden, so daB unter ungunstigen Bedingungen zahlreiche Stoffe nebeneinander entstehen, die analytisch nicht mehr rnit der erforderlichen Genauig- keit zu erfassen sind. Zum naheren Studium des eigenartigen Einflusses der verschiede- nen Metallhydroxyde auf den Ablauf der RNS-Hydrolyse haben wir daher Modell- versuche rnit einfachen Phosphorsaureestern ausgefuhrt.

a- und P-Glycerinphosphorsaiure

Die Hydrolysen von GC- und p-Glycerinphosphorsaure wurden in Pufferlosungen verschiedenen pH-Wertes mit den einzelnen Metallsalzen bzw. -hydroxyden bei 100" ausgefuhrt. Die frei werdende Phosphorsaure wurde kolorimetrisch bestimmt. Die Ergebnisse sind in den Abbildungen 1-4 enthalten.

2 4 6 8 2 4 6 8 2 4 6 8

PH PI 1 PH

Abbildung 1. Hydrolyse rnit Cd-, Zn- und Bi-hydroxyd in Abhangigkeit vom pH-Wert (3 Stdn., 100")

1 a : a-Glycerophosphat ohne Zusatz 1 b : P-Glycerophosphat ohne Zusatz Ic: P-Glycerophosphat in Gegenwart von Cadmium(I1)-acetat (O),

Zink(I1)-acetat (x) und Wismut(II1)-hydroxyd (a)

Liebigs Ann. Chem. Bd. 620 7

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Die Abbildungen l a und l b zeigen zunachst den Verlauf der Hydrolyse ohne Schwermetull-Zusatz. Die Kurven entsprechen dem Ablauf der von A. DESJOBERT 11)

studierten Schwermetall-freien Hydrolyse von Alkylphosphaten. Die Hydrolysenge- schwindigkeit besitzt ein Maximum bei PH - 4 und fallt sowohl nach der sauren wie

80

70

w a r

s 20 30 10

0

A -

A 40

I 2 a

3 a 3 b

z\p: - - -_ - - j '\ '\ '\,

r ,

- e -g 20 r

'\ .. % lo ,. ---

2 4 6 8 2 4 6 8 2 4 6 8 0' ' ' ' ' *

2 4 6 8

3 '\

2 4 6 8 2 4 6 8 pti PH PH

Abbildung 2. Hydrolyse rnit Pb-hydroxyd in Abhangigkeit vom pH-Wert (3 Stdn., 100")

2a: a-Glycerophosphat mit (-) und obne (------) Zusatz von Blei(1Ibnitrat (Molverhaltnis 1 : 1)

2b: @-Glycerophosphat, wie bei 2a 2c: p-Glycerophosphat mit Zusatz von Blei(I1)-nitrat und

Cadmium(I1)-acetat im Molverhaltnis 1 : 1 : 1 (0) und 1 : 1 :4 (0)

Abbildung 3. Hydrolyse rnit La-hydroxyd in Abhangigkeit vom pH-Wert (3 Stdn., 100")

3a: a-Glycerophosphat rnit (-) und ohne (------) Zusatz von Lanthan(II1)-nitrat (Molverhaltnis 1 : 1 )

3b: @-Glycerophosphat, wei bei 3a

11) A.DESJOBERT, Bull. SOC. chim. France [5] 14, 809 (1947); C.R. hebd. Seances Acad. Sci. 224, 575 (1947).

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1959 Hydrolyse von Ribonucleinsauren mit Metallhydroxyden 99 ~ ~ ~~ ~ ~~ _____ ~

alkalischen Seite hin rasch ab. Bei PH 1-2 und oberhalb PH 8 ist sie verschwindend klein; in diesen pH-Bereichen sind die Monoester stabil.

80

70

60

50

40 2 z K 30

20

10

0

2 >I -

2 4 6 8 1 0

p*

4 b

2 4 6 8 1 0

PH Abbildung 4. Hydrolyse mit Ce-hydroxyd in Abhangigkeit vom pa-Wert (3 Stdn., 100")

4a: cc-Glycerophosphat mit (-) und ohne ( - - - - - - ) Zusatz

4b: P-Glycerophosphat, wie bei 4a von Cer(II1)-nitrat (Molverhaltnis 1 : 1)

Ein zweites, hier nicht naher interessierendes Maximum tritt unterhalb PH 1 auf. Der Kur- venverlauf ist zwischen PH 6 und 7 nicht ganz regelmaoig; moglicherweise ist bei PH 7 noch ein kleines Maximum angedeutet. Die Bestimmungen sind aber nicht genau genug, um hier- iiber sicher aussagen zu konnen.

Setzt man Cd-, Zn- oder Bi-Salze zu, so andert sich die Hydrolysengeschwindigkeit nicht (Abb. 1 c). Diese Metalle haben also in dem hier untersuchten pH-Bereich von 3 - 8 keine beschleunigende Wirkung auf die Monoester-Spaltung.

Anders verhalt sich dagegen Blei(II)-Salz (Abb. 2a und 2b). Wahrend im sauren Gebiet die Hydrolysengeschwindigkeit nicht beeinflufit wird, erfolgt zwischen p~ 6 und 8 starke Geschwindigkeitszunahme. Das Maximum liegt etwa bei PH 7. Erhoht man das Molverhaltnis Bleihydroxyd: Ester von 1 : 1 auf 3 : 1, dann steigt die Geschwindigkeit fast auf das Doppelte (Tab. 1). Setzt man jedoch gleichzeitig Cadmiumhydroxyd zu, dann wird die katalytische Wirkung des Bleihydroxyds wieder aufgehoben (Abb. 2c). Die Hemmung durch Cd-hydroxyd ist mit 1 Mol Cd- auf 1 Mol Pb-Verbindung und 1 Mol Ester schon deutlich erkennbar, bei Anwendung von 4 Mol Cd-Verbindung praktisch vollstandig (Tab. 1). Es wird schliel3lich der gleiche Spaltwert wie bei der Schwermetall-freien Hydrolyse erreicht.

7*

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Tabelle 1 . Spaltung von P-Glycerinphosphorsaure (P-G) bei PH 6.9 unter Zusatz von Blei- und Cadmiumhydroxyd in 3 Stdn. bei 100‘

(20pMol Ester in lOccm 0.025m Puffer)

Molverhaltnis Esterspaltung P-G : Pb(0H)z Cd(OH2) in %

1 0 0 14 1 1 0 39 1 3 0 15 1 6 0 75 1 0 1 14 I 1 1 20 1 I 4 15

Die Abbildungen 3a und 3b zeigen den Verlauf der Hydrolyse bei Zusatz von Lanthan(III)-hydroxyd. Wie schon E. BAMANN3) gefunden hat, wirkt dieses bei PH - 8 als starker Katalysator. Ein Vergleich rnit Abb. 2 lehrt, da8 es noch wirksamer ist als Blei(I1)-hydroxyd. Von diesem unterscheidet es sich aber dadurch, da8 es zwischen PH 4 und 5 die Hydrolyse von (3-Glycerophosphat hemmt und dal3 Cadmiumhydroxyd selbst in grol3em UberschuB die Lanthan-Katalyse nicht vermindert.

Cer(III) -hydroxyd verhalt sich sehr ahnlich wie die Lanthan-Verbindung (Abb. 4a und 4 b). Das Maximum der Hydrolyse liegt bei etwas niedrigerem PH, ist aber offen- bar noch hoher. Wir finden gegenuber den Kontrollen ebenfalls Hemmung in schwach saurem Gebiet. Das Nebenmaximum liegt bei etwa PH 3. Cadmiumhydroxyd beein- flul3t die katalytische Wirkung in diesem Falle ebensowenig wie beim Lanthan.

Mononucleotide

Die Monoester-Hydrolyse wird bei Mononucleotiden in ahnlicher Weise durch Metallzusatze beeinflu& wie bei den Glycerinphosphorsauren. Wie Tabelle 2 zeigt, ist Blei(II)-nitrat bei PH 8.1 ein starker Katalysator, wahrend es bei PH 4.2 wieder prak- tisch wirkungslos ist.

Tabelle 2. Prozentuale Hydrolyse verschiedener Mononucleotide rnit und ohne Zusatz von Blei(I1)-nitrat nach 3 Stdn. bei 100”

(5pMol Ester rnit 10pMol Blei-Salz in 4ccm 0.025~1 Puffer)

PH 4.2 PH 8.1 ohne Zusatz mit Pb-Salz ohne Zusatz mit Pb-Salz Phosphorsaureester

7 % 78 ”/, 5 76 3 ‘-Adenylsaure 28 31

3’-Cytidylsaure 31 34 6 86 Ribose-5-phosphat 19 24 49 48

Der Verlauf der Hydrolyse von 5’-Adenylsaure in Abhangigkeit vom P H (Abb. 5) zeigt, da8 nach Zusatz des Pb-Salzes das Optimum nach etwas niedrigeren pH-Werten verschoben ist, so dal3 bei PH 5 eine langsamere Hydrolyse als ohne Bleizusatz erfolgt. Im ganzen ist der Verlauf jedoch ahnlich wie bei den Glycerinphosphorsauren. Die

2’-Adenylsaure 28 % 34 %

5’-Adenylsaure 14 14 3 37

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1959 Hydrolyse von Ribonucleinsauren mit Metallhydroxyden 101

30 -

e: <20 -

I K l 0 -

2 -

0 r I * ' L 8 8 1

Abbildung 5 Hydrolyse von 5'-Adenylsaure in AbhLngigkeit vom pH-Wert

(3 Stdn., 100") x ohne Zusatz

in Gegenwart von Cadmium(l1)-acetat in Gegenwart von Blei(I1)-nitrat

Abbildung 6 Hydrolyse von Ribose-5-phosphat

in Abhangigkeit vompa-Wert (3 Stdn., 100")

o ohne Zusatz x in Gegenwart von Blei(I1)-nitrat

v

I 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 1 2

PH

P-Phenylathyl-phosphat Auch die leichte Dephosphorylierung, die ein weiterer von uns untersuchter Modell-

ester, P-Phenylathyl-phosphat, schon in schwach alkalischer Losung erleidet, ist nicht auf Hydrolyse, sondern auf ,&Elimination zuriickzufiihren. Bei der Abspaltung von Phosphorsaure entsteht namlich neben anorganischem Phosphat Styrol, das beim An- sauern polymerisiert. Der Angriff der Base setzt an dem in Nachbarschaft zum Benzol- ring befindlichen C-Atom an; nach Abspaltuug eines Protons kommt es zur Elimi- nierung des Phosphatrestes unter C -0-Spaltung und Bildung einer Doppelbindung.

12) D. M. BROWN, F.HAYES und A.R.ToDD, Chem. Ber. 90,936 (1957).

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102 K. DIMROTH, H. WITZEL, W. HULSEN und H. MIRBACH Bd. 620

DISKUSSION Diester-Hydrolyse

Die nicht-metallkatalysierte hydrolytische Spaltung der RNS im alkalischen oder sauren Milieu unter milden Bedingungen fiihrt zu einem Gemisch von 2‘- und 3’-

1- -~

HA-OH 1 Baser-CH

I-- I Basel-CH 1 HC-O-

I I HC-OH, 0 HC--0

I t I HC-0-- P-O-CHz

I I HC-0 O0

I -0-CHz I

‘ t He 11

I

Basez-CH I I

HC-OH

I ‘ O H HC-0-1

I 0-CHz IV -

H e It I

I Basez-CH

HC-OH

Basel-CH I

HC-O- I

I OH

I HC-0-’

V -0-CHz

OHe +

f H@/ /

I

I I Basez-CH

Basel-CH HC-OH I

HC-0- - I

HC-0, ,O I IP , + I

HC-0” 00 HC-0 I I

I --O-CH2 IIa

HC-O- CH20H

IIb

i OH’ (bzw. Ha)

I

I

I

HA-0 I

Basel-CH

HC-OH

HC-O-

~- 0-CH2

Base-CH I I

Mononucleotiden und beruht auf der Hydrolyse der Phosphorsaurediester-Bindungen. Ihr Che- mismus ist durch Arbeiten von A. R. TODD und Mitarbb. I3ab) geklart.

Im alkalischen Milieu (1 n NaOH, 20”, 24 Stdn.) wird nach D. M. BROWN und A. R. TODD 13a) die 3’-5‘-Phos- phorsaurediester-Kette der RNS (I) so gespalten, da8 unter gleichzeitiger Eliminierung des Alkoholrestes I1 b eine Umesterung zum cycliscken 2’.3’-Phosphorsaure- diester IIa erfolgt. MaBgebend fur seine Bildung ist die freie OH-Gruppe an C-2’ in cc-Stellung zur veresterten Phosphorsaure, die im pa-Bereich der Hydrolyse (ab

13a) D. M. BROWN und A.R.TODD, J. chem. SOC. [London] 1952, 52. - 13b) D. M. BROWN, D.I. MAGRATH, A.H.NEILSON und A. R.ToDD, Nature [London] 177, 1124 (1956).

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1959 Hydrolyse von Ribonucleinsauren mit Metallhydroxyden 103

PH 1 1.5) zu dissoziieren beginnt. Das Alkoholat-Anion greift dann nucleophil am Phosphor- Atom unter Bildung von IIa und Abspaltung von I1 b an. Der letzte Schritt besteht in einer hydrolytischen Spaltung des cyclischen Diesters I Ia unter Losung der einen bzw. anderen P-O-Bindung, wobei das 2’- und das 3’-Mononucleotid (IIIb und IIIa) etwa im Molver- haltnis 2: 3 entstehen.

Im sauren Milieu (0.3 n HCI, 40”, 12 Stdn.) entstehen neben den 2’- und 3’-Mononucleotiden auch die 2’-5’-Diester. Aus dieser Tatsache folgerten A. R. TODD und Mitarbb.13b), daR wahr- scheinlich primar cyclische Triester (IV) entstehen und diese dann hydrolytisch in dreierlei Weise zerfallen, wobei sich entweder 3’-5’-Diester (I) oder als deren Umlagerungsprodukte 2’-5’-Diester (V), oder aber cyclische Diester (I1 a) bilden. Letztere zerfallen dann unter dem EinfluR der He-Ionen weiter zu den 2’- und 3’-Mononucleotiden (111 b und IIIa). - Im Gegen- satz zur alkalischen Spaltung muR hier die undissoziierte Diestersaure I als der eigentliche reaktionsfahige Partner angesehen werden. Bei ihr ist das P-Atom so stark positiviert, daR es bereits durch die nicht-dissoziierte cc-standige OH-Gruppe (an C-2’) nucleophil angegriffen werden kann, wobei sich dann der labile Triester IV bildet.

Die rnetallkatalysierte Hydrolyse der Phosphorsaurediester-Bindungen der RNS, die sich in annahernd neutralem Milieu unter dem EinfluB der genannten Metallhy- droxyde vollzieht, folgt offenbar einem Chemismus, der dem der Ha-Ionen kataly- sierten Hydrolyse (s. oben) sehr ahnlich ist. Man erhalt namlich die gleichen Reak- tionsprodukte wie dort: Neben den 2’- und 3’-Mononucleotiden (IIIb und IIIa) ent- stehen bei vorzeitigem Abbruch der Hydrolyse die cyclischen Ester IIa und geringe Mengen an umgelagerten 2’-5‘-Diestern V. Man kann daher annehmen, daB sich auch hier zunachst ein Triester IV bildet, der dann unter dem EinfluI3 der Metallhydroxyde weiter zerfallt, wie im Schema S. 102 angegeben ist.

Die Metalle ubernehmen hier die Rolle der Protonen, indem sie sich an die unver- esterten Sauerstoffe des Esterphosphates I zu VI binden, wobei sie das Phosphor- Atom so weit positivieren, daI3 nunmehr die a-Hydroxylgruppe unter Bildung eines Triesters VII nucleophil angreifen kann.

VI VII S’

- R. CHzOH - R.CH2OH ,d

VIII

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Die geringe Menge an isolierbarem T-Y-Diester V (1 -2 % bei der neutralen gegen- uber 25 % bei der sauren Hydrolyse) spricht aber eher dafur, daB das aktivierte Ester- phosphat VI direkt unter Abspaltung des Alkoholrestes R . C5'H2. OH nach Umeste- rung das aktivierte cyclische Phosphat VIII bildet, das dann weiter hydrolytisch zu IIIa und IIIb gespalten wird. Ein solcher Reaktionsablauf wiirde dem bei der alkali- schen Hydrolyse (s. s. 102) diskutierten Chemismus entsprechen, wenn auch die Ur- sache der Aktivierung anderer Natur ist als dort.

Die katalytische Wirksamkeit der einzelnen Metallhydroxyde gegeniiber RNS zeigt ziemlich groBe Unterschiede. Allgemein ist die Wirksamkeit im schwach alkalischen Bereich erheblich grol3er als im sauren. Wahrend Cd- und Zn-hydroxyd, aber auch La- und Ce-hydroxyd maBig wirksam sind, ist Bi(OH)3 ein besserer, Pb(OH)2 je- doch ein ausgezeichneter Katalysator. So wird RNS durch Cadmiumhydroxyd bei p~ 8 und 100" erst nach 8 Stunden vollstandig zu Mononucleotiden gespalten, wahrend in Gegenwart von Bleihydroxyd schon 3 Stunden zur quantitativen Uberfuhrung in Nucleoside ausreichen. Reine Diester, wie die Dinucleosid-phosphate, werden schon in 20 Minuten vollstandig gespalten.

Die Schwermetall-Ionen bzw. -Hydroxyde verhalten sich also bei der Katalyse der Phosphorsaurediester wie LEwIs-Sauren. Ob dariiber hinaus noch Metallkomplexe, etwa mit der a-Hydroxylgruppe der Kohlenstoffkette, gebildet werden und fur die Hydrolyse erforderlich sind, erscheint uns zweifeihaft.

Wir fanden namlich bei den in Gegenwart 'ion Wismuthydroxyd durchgefuhrten Hydroly- sen der RNS die reinen Dinucleosid-phosphate nur im wasserloslichen Anteil ; dieser enthalt aber kein Wismut. Dinucleosid-phosphate bilden demnach mit dem Katalysator weder leicht- losliche noch schwerlosliche Komplexverbindungen. Im iibrigen sollte eine lnanspruchnahme eines freien Elektronenpaares der a-Hydroxylgruppe durch eine komplexe Bindung an das Metall die nach unseren Ergebnissen notwendige Triester-Bildung bzw. Umesterung verhin- dern, weil nun kein nucleophiler Angriff der OH-Gruppe am P-Atom mehr erfolgen kann.

Monoester-Hydrolyse

Schwerer zu verstehen ist der Chemismus der durch Blei-, Lanthan- oder Cer-Ver- bindungen katalysierten Hydrolyse der Phosphorsauremonoester, die bei PH I - 8 am schnellsten verlauft.

Schon die normale metalljjreie Hydrolyse der Monoester zeigt eine eigenartige Abhangigkeit vom PH. Nach A.DESJOBERT~I) ist die Hydrolysengeschwindigkeit bei P H 4 am groBten, im sauren Bereich (- PH 1 ) und im alkalischen Gebiet (ab p a 7.5) jedoch verschwindend klein (vgl. auch Abb. 1 a). Unterhalb PH 1 tritt erneut eine Erhohung der Hydrolysengeschwindig- keit ein. Wie W.W.BUTCHER und F.H. WESTHEIMER~~) gezeigt haben, ist diese aber auf eine Spaltung zwischen dem 0-Atom des Phosphatrestes und dem C-Atom des Alkoholrsstes zu- riickzufuhren.

14) W.W.BUTCHER und F. H. WESTHEIMER, J . Amer. chem. Soc. 77, 2420 (1955).

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In den uns hier interessierenden metallkatalysierten Hydrolysen tritt hingegen stets eine Spaltung zwischen 0- und P-Atom ein. Dies ergibt sich auch daraus, daR wir bei der Hydrolyse von RNS bzw. ihren Spaltprodukten wie den 2’- und 3’-Mononucleoti- den stets nur Derivate der D-Ribose auffinden konnten, niemals jedoch solche der D-Xylose oder D-Arabinose. Diese miiI3ten aber bei einer C -0-Spaltung durch WAL- DENsche Umkehr oder durch Racemisierung entstehen.

Der eigenartige Verlauf der von A. DESJOBERT 11) studierten metallfreien Hydrolyse kommt durch das Zusammenwirken mehrerer Faktoren zustande. Einerseits andert sich das Substrat, die Esterphosphorsaure, mit d e m p ~ des Milieus, indem sich die freie Saure IX (unterhalbp~ 1) uber das Mono-anion X (beipH 4, dem Optimum der Hydrolyse) in das Di-anion XI (oberhalb PH 7) umwandelt:

OC ,oe O t P - O Q

‘OR ‘OR ‘OR

/ ,OH O t P L O H 0 t P-OH

IX X XI

Andererseits laufen wahrend der Hydrolyse zwei Vorgange ab, der nucleophile Angriff des hydrolysierenden Agens H20 und die AbstoRung des OR-Restes vom Phosphor. Beide werden aber, wie J. D. CHANLEY und E. FEAGESON]~) sowie ahnlich W.W. BUTCHER und F. H. WEST- H E I M E R ~ ~ ) diskutiert haben, durch den Ladungszustand der Esterphosphorsaure in entgegen- gesetzter Weise beeinfluRt: Wahrend der nucleophile Angriff am P-Atom beim Di-anion XI uberhaupt verhindert wird, wird die Losung der P -OR-Bindung durch die Negativierung des Phosphors erleichtert, also bei XI am leichtesten und bei IX am schwierigsten moglich sein. So kommt es, daR gerade dann, wenn das Mono-anion X in hochster Konzentration vorliegt, die Hydrolyse am raschesten ablauft.

Wir nehmen nun an, daR der katalysierende EinfluB der Metallverbindungen (Pb-, La-, Ce-hydroxyd) auf die Monoester-Hydrolyse, der sich in einem pH-Bereich abspielt, wo das Di-anion XI vorliegt und ohne Zusatz dieser Metallhydroxyde keine mefibare Hydrolyse stattfindet, darauf zuriickzufuhren ist, daR das Metal1 eine Bin- dung rnit den unveresterten 0-Atomen der Phosphorsaure eingeht und dadurch die Negativierung des P-Atoms so weit aufhebt, daB nunmehr das nucleophile Agens an- greifen kann. Die Deutung ist damit ganz ahnlich wie diejenige der Katalyse der Me- tallverbindungen bei der Diester-Hydrolyse. Wir konnen aber keine klare Aussage dariiber machen, wie diese Bindung im einzelnen aussieht und warum nur Pb, La und Ce wirksam sind, wahrend Cd, Zn, Bi und A1 keinen EinfluR haben. - Zweifellos iibt die in cc-Stellung zur Estergruppe befindliche Hydroxylgruppe einen erheblichen Ein- fluR auf die Hydrolysengeschwindigkeit aus.

W.W. BUTCHER und F.H. WESTHEIMER’~) haben fur die bei PH 8.5 mit Lanthanhydroxyd katalysierte Hydrolyse gefunden, daR sich die Spaltungsgeschwindigkeiten von cc-substituier- ten Athylphosphaten mit den Substitutenten H, OCH3, [N(CH&]@, NH2 und OH verhalten wie 1 : 11 : 14: 65 : 80. Sie haben daraus den SchluR gezogen, daR das freie Elektronenpaar die- ser Substituenten mit dem katalysierten Metallhydroxyd eine komplexe Zwischenverbindung

15) J . D.CHANLEY und EFEAGESON, J. Amer. chem. SOC. 77,4002 (1955).

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bildet. Wir halten es fur wahrscheinlicher, daB der cc-Substituent einerseits ,,induktiv" wirkt, zumal E. BAMANN 16) vor kurzem zeigen konnte, daR auch Halogen in a-Stellung die Hydroly- sengeschwindigkeit stark beschleunigt, und daR andererseits hydrophile Substituenten in a- Stellung darum besonders wirksam erscheinen, weil sie dem Wasser als hydrolysierendem Agens den Zugang zum Phosphor erleichtern. Die gleiche Ursache mag auch bewirken, daR 2-Propyl-phosphat unter den obigen Bedingungen etwa lOmal langsamer als khylphosphat hydrolysiert wird.

Die Hemmung der Bleihydroxyd-Katalyse durch Cadmiumhydroxyd ist, da sie vom Verhaltnis Ester: Blei abhangt und durch einen Uberschu8 an Bleihydroxyd wieder ruckgangig gemacht werden kann, auf eine Verdrangungsreaktion am Phosphor zu- ruckzufuhren. Beide Metalle sind offenbar weniger fest als Lanthan oder Cer gebun- den, da diese Metallhydroxyde von Cadmiumhydroxyd nicht nennenswert gehemmt werden. - Erwahnenswert ist noch, da8 in Fallen, wo die Phosphat-Abspaltung nach einem anderen Chemismus erfolgt @-Elimination bei Ribose-5-phosphat), Bleihy- droxyd auch wirkungslos ist. Wir sehen hierin eine weitere Stiitze fur den von uns angenommenen Chemismus der Phosphorsaureester-Aktivierung durch die Metalle.

Der ZELLSTOFFFABRIK WALDHOF, Mannheim, insbesondere Herrn Prof. F. REIFF, sowie der DEUTSCHEN FORSCHUNGSGEMEINSCHAFT und dem FONDS DER CHEMISCHEN INDUSTRIE danken wir sehr fur die Unterstiitzung unserer Arbeiten.

B E S C H R E I B U N G D E R V E R S U C H E

Hydrolytische Spaltungen von Ribonucleinsaure (RNS) Nucleoside durch Hydrolyse mit Blei(II) -hydroxyd

In Abanderung der fruher gegebenen Vorschrift la) genugt es, insbesondere bei kleineren Ansatzen, die Hydrolysendauer erheblich kurzer zu wahlen: Werden 5g RNS in lOOccm Was- ser mit aus l o g Blei(I1)-acetat und 0.5n NaOH frisch gefalltem und gut ausgewaschenem Blei(I1)-hydroxyd 3 Stdn. lang unter Riihren und RiickfluR gekocht (PIX - 8), so tritt voll- standige Spaltung zu Nucleosiden ein. Man filtriert, dampft das Losungsmittel in einer Ge- friertrocknungsanlage ab und trennt das Gemisch der 4 Nucleoside, das nur geringe Verun- reinigungen an Basen, Ribose u. a. enthalt, wie fruher la) angegeben. Ausbeute etwa 90 % je nach Reinheit der RNS.

Mononucleotide durch Hydrolyse mit Cadmium ([I)-hydroxyd Die Hydrolysendauer kann entgegen der fruheren Angabe Ib) erheblich herabgesetzt wer-

den: lOOg RNS werden mit 750ccm einer Suspension von 200g frisch gefalltem Cadmium- hydroxyd und etwas NaOH bei PH 8 unter Riihren 8 Stdn. gekocht (RiickfluR). Es wird heiR abgesaugt und rnit heiRem Wasser gewaschen. Will man die Cadmiumsalze der Mononucleo- tide unverandert aufbewahren, so wascht man mit Alkohol und k h e r und trocknet. ~ Zur Gewinnung der freien Mononucleotide schlammt man den Filterruckstand in 0.1 n Ameisen- saiure auf, leitet H2S ein und filtriert vom ausgefallenen Cadmiumsulfid ab. Das Filtrat wird in einer Gefriertrocknungsanlage bis zur Trockne eingeengt. Der trocken unverandert haltbare

16) E. BAMANN und W.-D. MUTTERLEIN, Chem. Ber. 91, 1322 (1958).

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Riickstand besteht fast vollstandig aus 2'- und 3'-Mononucleotiden. Ausbeute uber 90 % je nach Reinheit der RNS.

Lithiumsafz der Guanyfsaure. - Die Guanylsaure 1aRt sich zu 92-95 % aus dem Gemisch der Mononucleotide entfernen, wenn man eine konzentrierte Losung des Gemisches rnit der 10fachen Menge Lithiumacetat (in wenig Wasser gelost) versetzt. Es stellt sich ein PH von 6 -7 ein ; gleichzeitig bildet sich ein voluminoser, gallertiger Niederschlag. Man laRt 3 -4 Tage im Eisschrank stehen, zentrifugiert und wascht den Riickstand zuerst rnit Lithiumacetat-Lo- sung, dann rnit Alkohol und Ather. Na-, K- oder NH4-Ionen storen die Fallung; bei P H 4 bleibt sie unvollstandig.

Diefreie Guanyls.?ure erhalt man durch Ionenaustausch an Dowex 50 (He-Form). Alle Versuche, durch Fallung rnit verschiedenen Kationen zu einer einfachen Abtrennung

der anderen Mononucfeotide zu gelangen, haben zu keinem befriedigenden Ergebnis gefuhrt 17).

Die Trennung erfolgt am sichersten durch Austauschchromatographie.

CIoH12N508PLi2. 3H20 (429.1) Gef. N 16.0 P 7.0 Ber. N 16.3 P 7.2

Dinucleosid-phosphate und Mononucleotide durch Hydrofyse mit Wismut (Ilf)-hydroxyd Man lost 30g BiC13 in konz. HCI, gieRt in iiberschiissige 2n NaOH ein, dekantiert und

wascht den Niederschlag neutral. Dann suspendiert man ihn in 750ccm Wasser, setzt 15 g RNS zu und kocht 100 Min. bei P H - 4 unter RiickfluB. Es wird heiB filtriert und mit heiBem Was- ser nachgewaschen. Im Filtrat (75 % der eingesetzten RNS) befinden sich neben Nucleosiden, Mono- und Dinucleotiden, die Dinucleosid-phosphate. Der Riickstand (25 % der eingesetzten RNS) enthalt auUer Wismuthydroxyd und -phosphat Wismutsalze der Mononucleotide. Durch Einleiten von H2S in deren ameisensaure Suspension werden die freigesetzten Mononucleo- tide in Losung gebracht. Das Filtrat wird durch Gefriertrocknung eingedampft und der Riickstand durch Austauschchromatographie getrennt.

Dinucfeotide durch Hydrolyse mit Wismut(l1I)-hydroxyd

Fiihrt man die zuvor beschriebene Hydrolyse in der Weise aus, daR man die Suspension von Wismuthydroxyd und RNS durch mehrmalige Zugabe von verd. Natronlauge auf PH 8 halt, so entstehen neben niedrigeren und hoheren Spaltprodukten etwa 20 % Dinucleotide. Nach Einleiten von H2S wird filtriert; die im Filtrat enthaltenen Dinucleotide nerden an einer lonen- a ustausc her- Sau le get renn t .

Analytische Methoden Die Bestimmung von Phosphat wurde nach C. H. FISKE und Y. SUBBAROW 18) durchgefiihrt.

Als Reduktionsmittel wurde eine 1 -proz. Ascorbinsaure-Losung verwendet 7) . - Die Bestim- mung von freiem Phosphat neben Esterphosphat erfolgte durch Ausschiitteln des Phosphor- molybdat-Komplexes rnit Isobutanol/Benzol nach J.B. MARTIN und D. M. D o T Y ~ ~ ) . - Die Titration derjieien Gfykolgruppen geschah rnit Bleitetraacetat nach G. FAWAZ und K. SERAIDA- R I A N ~ ~ ) . - Die elektrophoretischen und papierchromatographischen Untersuchungen der Nucleinsaure-Derivate werden gesondert beschrieben. .. ~

17) W. MATTHAEUS, Dissertation Univ. Marburg/Lahn 1956. 18) C.H. FISKE und Y.SUBBAROW, J. biol. Chemistry 66, 375 (1925). 19) J .B. MARTIN und D. M. DOTY, Analytic. Chem. 21, 965 (1949). 20) G.FAWAZ und K.SERAIDARIAN, J. Amer. chem. SOC. 69, 966 (1947).

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Hydrolyse-Modellversuche an einfachen Phosphorsaure-monoestern Reugenzien: 01- und p-Glycerophosphat als Na-Sake der Firma FLUKA, St. Gallen (Schweiz).

Ribonucleinsaure (RNS), 5’-Adenylsaure, Ribose-5-phosphat von der Firma ZELLSTOFFFABRIK WALDHOF, Mannheim. - 2’- und 3’-Mononucleotide aus Trennungen von Hydrolysaten der RNS an Ionenaustauschern. - Na, Zn und Cd wurden als Acetate, Pb, La und Ce als Nitrate, Bi wurde als Hydroxyd eingesetzt.

An Puferlosungen wurden verwendet: 0.1 m Glycin/Salzsaure ( p a 1 -4), 0.1 m Essigsaure- Na-acetat (PH 4-7) und 0.1 m Veronal/Natronlauge (PH >7).

Beispiele yon Hydrolysenansatzen. - a) fur Abb. 2h: Zu I ccm Metallsalz-Losung [20pMol Pb(II)-nitrut enthaltend] wurden 2.5 ccm der jeweiligen 0.1 m Pufferlosung gegeben. Hierzu wurde 1 ccm der waDrigen Ester-Losung (20 pMol /%Glycerophosphat enthaltend) zugesetzt und mit Wasser auf lOccm aufgefiillt. Nach der pIr-Messung rnit der Glaselektrode wurde 1 ccm zur Phosphorbestimmung entnommen, der Ansatz dann 3 Stdn. im kochenden Wasser- bad gehalten, in Eiswasser abgekiihlt und wieder derpa-Wert gemessen. Vor der erneuten Ent- nahme von 1 ccm zur Phosphorbestimmung wurde rnit 4n HNO3 auf 9ccm aufgefullt, wobei sich alle Niederschlage auflosten.

Jede Serie, deren Ergebnisse graphisch aufgetragen wurden, wurde doppelt ausgefiihrt. Traten dabei Abweichungen von iiber 10 % auf, so wurde der gesamte Versuch wiederholt.

Bei der beschriebenen Hydrolyse von p-Glycerophosphat rnit Bleinitrat wurde gefunden :

1. Serie 2. Serie Pa % Hydrolyse P H % Hydrolyse

1.8 2.5 3.1 4.1 4.8 5.1 6.0 6.9 8.2

9.0 18.5 21.5 22.5 21.5 17.0 18.5 36.0 11.5

1.9 2.4 2.9 4.0 4.1 5.3 6.7 7.5 7.9

8.5 18.5 20.0 20.5 23.0 19.0 28.0 22.5 16.0

b) fur Tub. 2: Die Ansatze zur Hydrolyse enthielten lccm Losung rnit lOpMol Metallsalz, 1 ccm der Pufferlosung, 1 ccm Losung rnit 5 pMol Ester und 1 ccm Wasser. Nach dem Kochen wurde rnit 2n HNO3 auf 4 ccm aufgefiillt. - Bei den Hydrolysen von 2’- und 3’-Nucleoti- den wurden die Werte der Phosphorbestimmungen durch die Bleitetraacetat-Titration kon- trolliert. t s H urden vergleichsweise folgende Werte erhaltenen:

Hydrolyse (3 Stdn., 100”) p,,-Wert % Spaltung aus von P-Wert Pb(Ac)d-Titr.

3’-AdenyLphosphat 8 76 % 75 7; 4.2 28 30

2’-Adenyl-phosphat 8 80 81 5.8 40 38

3‘-Cytidyl-phosphat 4.0 33 35