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Copyright by : Schweizerische chemische Gesellschaft, Basel - Sociht6 suisse de Chimie, Bale - SocietB svizzera di ohimica, Basilea. Uber die Konstitation der Borwasserstoffe (Bemerkung zu der Arbeit von Fritz Ephraim). von Egon Wiberg. (16. I. 29.) Im Band 11, S. 1094 ff. dieser Zeitschrift veroffentlicht F. Ephraim eine Formel fiir das Diboran. Dieser Formel liegt die von mir zur Losung des Borwasserstoffproblems vorgeschlagene Hypothese der Mehratombindung zugrunde, welche besagt, dass ein Elektronenpaar auch mehr als zwei Atomen gleichzeitig angehoren kann’). In der von mir gewahlten Knorr’schen Schreibweise haben unsere Diboranformeln folgendes Aus- sehen : Fig. 1. Formel von Wiberg Fig. 2. Formel von Ephruim In der von Ephrairn gewiihlten Lewis’schen Schreibweise werden sie durch fol- gende Bilder wiedergegeben: Fig. 3. Formel von Wiberg Fig. 4. Formel von Ephraim Beide Formeln nehmen also an, dass die zwei Protonen, welche nach Anlagerung von vier Protonen an die vier freien Elektronenpaare der ans dem Grimrn’achen Hydrid- verschiebungssatz hervorgehenden B,-Elektronenhiille verbleiben, zur Bindung ein Elektronenpaar benutzen, welches bereits zur Bindung zweier Boratome dient. Der Unterschied ist dabei der, dass nach meiner Formel beide Protonen ein- und dasselbe Elektronenpaar wahlen, wahrend nach der Ephraim’schen Formulierung, die iibrigens bereits von M. v. Stackelberg2)und in gewissem Sinne auch schon von A. F. Core3) vor- geschlagen worden ist, jedes von ihnen gesondert ein solches Elektronenpaar beansprucht. 1) Z. anorg. Chem. 173, 199 (1928). Vergl. auch die Kritik von E. MiiZZer, Z. anorg. Chem. 176, 205 (1928), sowie meine gleichzeitig mit vorliegender Bemerkung in der Zeit- schrift f iir anorganische und allgemeine Chemie erscheinende Erwiderung. z, Z. El. Ch. 34, 443 (1928). 8) J. SOC. chem. Ind. 46,642 (1927). Core schreibt zwar: ,,Each of the inner hydrogen atoms shares one electron whith one boron atom and one with the other boron atom“; aber die Bemerkung: ,,Both electrons of either of these hydrogen atoms are under the attractive influence of both boron nuclei” zeigt, dass er der Eplrrairn’schen Auffassung sehr nahe steht. 15

Über die Konstitution der Borwasserstoffe

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Page 1: Über die Konstitution der Borwasserstoffe

Copyright by : Schweizerische chemische Gesellschaft, Basel - Sociht6 suisse de Chimie, Bale - SocietB svizzera di ohimica, Basilea.

Uber die Konstitation der Borwasserstoffe (Bemerkung zu der Arbeit von Fritz Ephraim).

von Egon Wiberg. (16. I. 29.)

I m Band 11, S. 1094 ff. dieser Zeitschrift veroffentlicht F. Ephraim eine Formel fiir das Diboran. Dieser Formel liegt die von mir zur Losung des Borwasserstoffproblems vorgeschlagene Hypothese der Mehratombindung zugrunde, welche besagt, dass ein Elektronenpaar auch mehr als zwei Atomen gleichzeitig angehoren kann’). I n der von mir gewahlten Knorr’schen Schreibweise haben unsere Diboranformeln folgendes Aus- sehen :

Fig. 1. Formel von Wiberg

Fig. 2. Formel von Ephruim

I n der von Ephrairn gewiihlten Lewis’schen Schreibweise werden sie durch fol- gende Bilder wiedergegeben:

Fig. 3. Formel von Wiberg

Fig. 4. Formel von Ephraim

Beide Formeln nehmen also an, dass die zwei Protonen, welche nach Anlagerung von vier Protonen an die vier freien Elektronenpaare der ans dem Grimrn’achen Hydrid- verschiebungssatz hervorgehenden B,-Elektronenhiille verbleiben, zur Bindung ein Elektronenpaar benutzen, welches bereits zur Bindung zweier Boratome dient. Der Unterschied ist dabei der, dass nach meiner Formel beide Protonen ein- und dasselbe Elektronenpaar wahlen, wahrend nach der Ephraim’schen Formulierung, die iibrigens bereits von M . v. Stackelberg2) und in gewissem Sinne auch schon von A . F . Core3) vor- geschlagen worden ist, jedes von ihnen gesondert ein solches Elektronenpaar beansprucht.

1) Z. anorg. Chem. 173, 199 (1928). Vergl. auch die Kritik von E. MiiZZer, Z. anorg. Chem. 176, 205 (1928), sowie meine gleichzeitig mit vorliegender Bemerkung in der Zeit- schrift f iir anorganische und allgemeine Chemie erscheinende Erwiderung.

z, Z. El. Ch. 34, 443 (1928). 8 ) J. SOC. chem. Ind. 46,642 (1927). Core schreibt zwar: ,,Each of the inner hydrogen

atoms shares one electron whith one boron atom and one with the other boron atom“; aber die Bemerkung: ,,Both electrons of either of these hydrogen atoms are under the attractive influence of both boron nuclei” zeigt, dass er der Eplrrairn’schen Auffassung sehr nahe steht.

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- 226 - Vergleicht man die beiden Formeln miteinander, so lasst sich nicht leugnen, dass

die zweite. von Ephraim vorgeschlagene, die zunachst sympathischere, weil etwas sym- metrischere ist. Auch ich schwankte, als ich mich mit dem Borwasserstoffproblem zu beschaftigen begann, ob nicht dieser symmetrischeren Form der Vorzug zu geben sei. Die Antwort auf diese Frage ergab sich scbliesslich aus einer Betrachtung des chemischen Verhaltens des Pentaborans B5Hg zugunsten der weniger symmetrischen Formel.

Die Elektronenhiille des Pentaborans hat nach der Oktettlehre folgendes AUR- sehen:

Fig. 5 .

Hier konnen sich wie beim Diboran vier Protonen an die vorhandenen vier freien Elektronenpaare anlagern. Die ubrigen funf mussen wieder wie dort zur Bindung Elek- tronenpaare in Anspruch nehmen, die bereits zur Bindung zweier Boratome dienen. Beriicksichtigen wir dabei, dass Pentaboran B5Hg aus Dihydro-tetraboran B,H,, entsteht, welches seinerseits aus Diboran B,H, aufgebaut werden kann, dass also Pentaboran zweimal die Konfiguration des Diborans aufweisen wird, so ergibt sich bei Anwendung des von Ephraim gewahlten Bindungsprinzips folgende Pentaboran-Formel:

H H

Fig. G .

Danach sollte das Pentaboran 5 Ammoniakmolekeln addieren, da es fiinf von den Wasserstoffatomen enthalt, die nach der entsprechenden Diboranformel leicht an Am- moniak abgegeben werden, also fur die Ammoniakaddition verantwortlich zu machen sind.

Nimmt man aber gem&ss der von mir gewahlten Diboranformel an, dass die ge- sondert gebundenen Protonen sich zu Paaren an ein Elektronenpaar anlagern'), so er- halten wir die Formel:

H

Fig. 7.

nach der das Pentaboran nur vier Ammoniakmolekeln anzulagern imstande sein sollte, da sie nur vier von den Wasserstoffatomen enthalt, die nach der entsprechenden Diboran- formel fur die Ammoniakaddition verantwortlich zu machen sind. Eins von den fiinf Protonen muss ja ohne Partner bleiben.

1) Dass also die Protonen hier dieselbe Neigung ZUI paarweisen Anordnung auf- weisen, wie wir sie schon lange den Elektronen zuschreiben.

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- 227 - Das Experiment zeigt, dass Pentaboran vier Ammoniakmolekeln addieren kann,

entscheidet also zugunsten der paarweisen Anordnung der Protonen, die vielleicht des- halb bevorzugter ist, weil letztere dabei ein Elektronenpaar zur Bindung benutzen, welches nicht unmi t te lbar bereits zur Bindung zweier anderer Atome dient, indem ja die Bindung der beiden Boratome aneinander schon durch das andere Elektronenpaar bewirkt wird.

Die von Ephraim fiir day Pentaboran vorgeschlagene Formel, die sich von der obigen nach seinen Prinzipien abgeleiteten in der StelIung der Protonen unterscheidet, ist ganz unwahrscheinlich. Einmal wird sie dem nahen Zusammenhang zwischen Diboran und Pentaboran nicht gerecht; dann verlangt sie die Addition entweder von 2 oder von 5 oder von 7, nicht aber von 4 Ammoniakmolekeln; schliesslich fordert sie eine horhst seltsame Bindung der Wasserstoffatome: Zwei Wasserstoffatome haben ihre beiden Elektronen mit je einem Boratom gemeinsam; zwei andere besitzen je ein Elektron, daa gleichzeitig noch je einem Boratom angehort, sowie ein zweites, das gleichzeitig zwei Boratomen gemeinsam ist; die restlichen fiinf Wasserstoffatome schliesslich teilen je ein Elektron mit einem ersten und einem zweiten Boratom, das andere mit diesem zweiten und einem dritten Boratom.

Karlsruhe, Chemisches Institut der Technischen Hochschule.

Ein modiflzierter Curtius’scher Abbau 111. Der Abbau der gesattigten Fettsauren und der Benzoesaure

von C. Naegeli, Lydia Grilntueh und P. Lendorff. (6. 11. 29.)

Vor kurzem hat der eine von unsl) an Hand der Literatur die- jenigen Methoden zusammengestellt, welche fur den Abbau hochmole- kularer ungesattigter Sauren zu den um ein Kohlenstoffatom armeren Aminen in Betracht kommen, und er hat mit Herrn Stefanovitsch am Beispiel der Chaulmoograsaure gezeigt, dass der gewohnliche Curtius- sche Abbau zwar zum gewunschten Ziele fuhrt, wegen der vielen Zwi- schenprodukte aber langwierig ist, verlustreich verlauft und sich daher fur praparative Zwecke nicht eignet. Da auch der von Weerman2) fur den Abbau ungesattigter Sauren modifizierte Hofmann’sche Abbau wenigstens vorlaufig zu keinem greifbaren Resultat gefuhrt hat und die Abbauwege uber die Hydroxamsaure und uber das Silbersalz der Chaulmoograsaure (zum Homohydnocarpyl-alkohol) zunachst an ein- facheren und leichter zuganglichen Sauren untersucht werden sollen, hatten wir uns damals entschlossen, zunachst einige der Schwierig- keiten des Curtius’schen Abbaus einfach dadurch zu umgehen und die Methode dadurch zu vereinfachen, dass wir das Chlorid der Saure in atherischer Losung mit Natriumazid in das Azid uberfuhrten, die unfiltrierte Azidlosung (welche sicher neben dem Azid schon be-

1) C . Guegeli und G. Stefuwvitsch, Helv. l l , 609 (1928). z, R. A . Weerrnun, A. 401, 1 (1913).