10
J. Hoffmann. uber die Konstitution der Ultramarine. 91 Uber die Konstitution der Ultramarinel). Von J. HOFFMANN. F. M. JAEGER fand bei Ultramarin sowie Nosean und Hauyn Gitterspektren, deren a nit 9,12 und 9,13 ermittelt wurde. Als ruhende Konstituente bestimmte er (Na8A16si60z4)..; Ionen und Atome verschiedener Natur muBten als nichtfixe Bestandteile angesprochen werden. Aus Kaolin erzielte er hexagonalen Nephelin ; das Achsen- verhaltnis ist a: c =I : 0,849, die Dimension der Zelle in der Richtung der a-Achse wurde mit 9,87 A erschlossen. I n jeder rhombischen (=1/3 der hexagonalen) Zelle sind 8 NaAlSi0,-Molekeln anwesend. Nach meinen und BOCK’S Untersuchungsergebnissen ist Nephelin nicht ultramarini- sierbar2), obgleich Substrate, die theoretisch und praktisch zu Nephe- linen fuhren, die Ultramarinbildung ermoglichen. Ich kam zur An- sicht, daB beim UltramarinprozeB einfache Radikale reagieren, welche wohl Nephelinionen bilden, die jedoch durch gleichzeitig anwesende Sulfidionen, welche die Symmetrielucke ausfullen, in langsam fort- schreitender Reaktion zu kubischen Ultramaringittern zusammen- geschlossen werden. Im Nosean Na,,A16Si6Sz0,, sind S-, teilweise auch Na- und 0-Anteile nichtfixe Konstituenten ( JAEGER). Er 18Bt sich jedoch trotz der ubereinstimmung im Gitterbau nach meinen Untersuchungen nur teilweise durch Reduktion im H-Strome in WeiBultramarin uberfuhren. Bei seiner Uberfuhrung in Blauultra- marin war anzunehmen, daB die Silikatunterlage, die nach J. JACOB Al(Si0,) ft ist, zerlegt tvird. Bei der Ultramarinumwandlung des Sodaliths Na,A16Si60z4C$, dessen a, von JAEGER und seiner Mitarbeiter mit 8,81 A bestimmt wurde, ergaben sich ver- schiedene Spaltprodukte u. a. NaC1, au5erdem resultierte stets ein kieselreicheres Blauultramarin, als einer Adsorptionsverbindung l) Literatur, soweit sie nicht angefuhrt ist, kann aus: J. HOFFMANN, Ultra- marine, Z. anorg. u. allg. Chem. 183, 37, ferner Ultramarinproblem im Lichte modenerForderung, I. u. 11. Teil, Chem.-Ztg. 99, 53. J. 953 u. 101, 974 ent- nommen werden. z, HOFFMANN, Ultramarinisierung verschiedener Natriumaluminiumsilikate, Z. angew. Chemie, im Druck (Februar 1930).

Über die Konstitution der Ultramarine

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Über die Konstitution der Ultramarine

J. Hoffmann. uber die Konstitution der Ultramarine. 91

Uber die Konstitution der Ultramarinel). Von J. HOFFMANN.

F. M. JAEGER fand bei Ultramarin sowie Nosean und Hauyn Gitterspektren, deren a nit 9,12 und 9,13 ermittelt wurde. Als ruhende Konstituente bestimmte er (Na8A16si60z4)..; Ionen und Atome verschiedener Natur muBten als nichtfixe Bestandteile angesprochen werden. Aus Kaolin erzielte er hexagonalen Nephelin ; das Achsen- verhaltnis ist a: c =I : 0,849, die Dimension der Zelle in der Richtung der a-Achse wurde mit 9,87 A erschlossen. I n jeder rhombischen (=1/3 der hexagonalen) Zelle sind 8 NaAlSi0,-Molekeln anwesend. Nach meinen und BOCK’S Untersuchungsergebnissen ist Nephelin nicht ultramarini- sierbar2), obgleich Substrate, die theoretisch und praktisch zu Nephe- linen fuhren, die Ultramarinbildung ermoglichen. Ich kam zur An- sicht, daB beim UltramarinprozeB einfache Radikale reagieren, welche wohl Nephelinionen bilden, die jedoch durch gleichzeitig anwesende Sulfidionen, welche die Symmetrielucke ausfullen, in langsam fort- schreitender Reaktion zu kubischen Ultramaringittern zusammen- geschlossen werden. Im Nosean Na,,A16Si6Sz0,, sind S-, teilweise auch Na- und 0-Anteile nichtfixe Konstituenten ( JAEGER). Er 18Bt sich jedoch trotz der ubereinstimmung im Gitterbau nach meinen Untersuchungen nur teilweise durch Reduktion im H-Strome in WeiBultramarin uberfuhren. Bei seiner Uberfuhrung in Blauultra- marin war anzunehmen, daB die Silikatunterlage, die nach J. JACOB Al(Si0,) ft ist, zerlegt tvird. Bei der Ultramarinumwandlung des Sodaliths Na,A16Si60z4C$, dessen a, von JAEGER und seiner Mitarbeiter mit 8,81 A bestimmt wurde, ergaben sich ver- schiedene Spaltprodukte u. a. NaC1, au5erdem resultierte stets ein kieselreicheres Blauultramarin, als einer Adsorptionsverbindung

l) Literatur, soweit sie nicht angefuhrt ist, kann aus: J. HOFFMANN, Ultra- marine, Z. anorg. u. allg. Chem. 183, 37, ferner Ultramarinproblem im Lichte modenerForderung, I. u. 11. Teil, Chem.-Ztg. 99, 53. J. 953 u. 101, 974 ent- nommen werden.

z, HOFFMANN, Ultramarinisierung verschiedener Natriumaluminiumsilikate, Z. angew. Chemie, im Druck (Februar 1930).

Page 2: Über die Konstitution der Ultramarine

92 J. Hoffmann.

p( SiO&f? . . . NaCl entspriiche. Die tiefgehende Veriinderung der

Silikatunterlage, die sich in dem daraus erhaltenen Ultramarinpro- dukt, das das Oxydverhiiltnis Al,O, : 2,s SiO, besaki, spricht wiederum dafur, da13 das dem Mineral unterliegende Silikat in abgestufter Weise in R,eaktion tritt. Wiewohl die bisherigen Untersuchungen bei Ultra- marinen mittels /I- und y-Strahlen untereinander widersprechende Wesultate ergaben, versuchte ich die Strahleneinwirliung sowohl auf Ultramarinsubstrate, wic auch auf verschieden gefarbte Ultramarine dazu zu verwerten, um Anhaltspunlite daruber zu erhaltenl), welche Anteile hierbei eine konstatierbare Veranderung der Untersuchungs- objekte bewirken konnen. Dank des freundlichen Entgegenkommens des Vorstandes des Eadiumforschungsinstitutes in Wien, Herrn Pro- fessor ST. MEYER, wurden die im Nachfolgenden mitgeteilten Ergeb- nisse ermoglicht. Ihm sowie Herrn Professor K. PRZIBRAM sei fur die jederzeit liebenswurdige Forderung meiner Arbeiten und das Inter- esse, das beide Herren an den erzielten Ergebnissen bekundeten, der beste Dank zum Ausdruck gebracht.

Die Untersuchungen der Substamen erfolgten durch tl- und /3-Strahlen von 610 mg Ra-Element in Form des Chlorids, wobei sie in Papier oder, wo es ihre hygroskopischen Eigenschaften erforder- lich machten, in dunne Glaschen bzw. Cellophan eingeschlossen waren. Die eingehaltene Entfernung der Versuchsobjekte vom Radium- praparat entsprach ein bis einige Zentimeter. Die Bestrahlung wurdc so lange fortgesetzt, bis das Verhalten der untersuchten Substanz gekllirt ershhien. Nach beendigter Operation verglichen wir die be- handelten Objekte mit den ursprunglichen. Auf Grund der erhaltenen Spaltergebnisse bei der Ultramarinisierung des Sodaliths wurde bei den Untersuchungen von letzterem ausgegangen. Weinweil3e Sodalithe vom Vesuv erschienen bereits nach viertggiger Beeinflussung blau bis violett verfiirbt, zeigten mithin jene Farbe, die wir an kunst- lichem und naturlichem, gedrucktem Steinsalz (K. PRZIBRAM) kennen. Ich berichtete bereits, da13 Sodalithpulver beim Gluhen in der Schwefel- atmosphiire Tonungen annimmt, welche mit jenen identisch sind, die ich beim Studium des sogenannten KNAPP’schen Kochsalzschwefels erhielt, dem im verdunnten Zustand ein siruposes Sulfid zugrunde liegt. Das Cl’ des Sodaliths ist somit neuerlich an Na gebunden an- zunehmen. Die JAECfER’SChen Ergebnisse lassen vermuten, daB Na-

J. HOFFMANN, Verhdten der Ultramarine, sowie verschiedener Silikate und Borate gegen Radiumstrahlen, Sitzungsberiohte der Wiener Akademie I1 a, 16. Januar 1920, Mitt. d. Inst. f . Ru-Forschung Nr. 246, im Druck.

1

Page 3: Über die Konstitution der Ultramarine

uber die Konstitution der Ultramarine. 93

und C1-Komponenten ltuBerhalb der fixen Gitterbestandteile liegen. Hierfur spricht auch schon der Umstand, daB Wasserdampf bzw. kochendes H,O aus dem Sodalithkomplex NaC1-Molekeln loslosen. Die Wirkung der a- und B-Strahlen kann somit eine mehrfache ge- wesen sein: sie hat vermutlich NaC1-Molekel vorerst aus dem rest- lichen Komplex gesondert oder nur lose haftende in der Art veriindert, daB entladene Na-Anteile, also Atome, die Farbung verursachten. I n diesem Falle stammt das den bestrahlten Sodalith farbende Prinzip a m NaC1-Molekeln der Gitterecken bzw. zentralen Hohlriiumen des Gitterbaues. Wiewohl diese Annahme die wahrscheinlichste ist, muB jedoch theoretisch nooh eine weitere Moglichkeit ins Auge gefal3t werden. Wird im Sodalithkomplex der NaC1-Anteil von vornherein als nicht der Gitter angehorig angenommen, so verbliebe letzteren der Komplex Na,Al,Si,O,, . Das bei meinen Ultramarinisierungsver- suchen resultierende Blauultramarin zeigte ein Oxydverhaltnis, wie es im kieselarmen, normalnephelinigen Ultramarin nicht an- autreffen ist ; nach einer Korrektur von 0,2 Si0,l) ist das Verhaltnis A1,0,: SiO,=1 : 8,entspricht somit dem kieselreichen, hochgeschwefelten Ultramarinkomplex : Na6A1,Si60,,S4 , in dem wiederum 2 Na und S, auBerhalb der fixen Gitterkonstruktion liegend, anzunehmen sind.

Daraus ist zu folgern : In der Sodalithkomponente Na6A1,Si,O,, sind 2A1 durch die Ultramarinisierung ausgelost worden, welche infolge einwirkenden Natriumpolysulfidionen vermutlich zu Al,Si,O,,Na,- Na,S, fuhrten, bei dem ein Teil der Natriumatome (Na,) und die Schwefelanteile (S,) vagabundierend sind. Innerhalb des Sodalithkomplexes sind somit, abgesehen von 2 NaC1-Molekeln, vermutlich Na4A1,Si,O,, fester gebunden als ein sich loslosender (NaAl),-Anteil, welcher sowohl zu Bildung von Aluminat 2 NaAlO,, wie wasserloslichen Silikaten fuhrt.

Da somit im Sodalith Na3A1,Si,0,,C1, als widerstandsfahigste Silikatkomponente Na4A1,Si6O2, erschlossen ist, ware es theoretisch moglich, daB die fiirbenden Na-Atome nicht bloB jenen des NaCl entstammen (unbekummert darum, ob NaCl erst als Spaltprodukt erscheint oder dieses im Sodalith gekettet enthalten ist), sondern auch von der sich als weiteres Spaltprodukt ergebenden Komponente des Natriumaluminats.

Wenngleich die spektroskopischen Untersuchungen JAEGER’S und seiner Mitarbeiter klar erwiesen, daB auch das dem Nosean, Hauyn und Lasurit bzw. den kunstlichen Ultramarinen unterliegenden Sili-

l ) 1: 2,s.

Page 4: Über die Konstitution der Ultramarine

94 J. Hoffmann.

kat keinesfalls das Nephelinsilikat Al( Si04),T2 sein kann, sich

ferner ein Silikat Na,Al,Si,O,, ebensowenig aus dem Komplex los- trennen laBt , als man das NH,-Radikal von Ammoniumverbindungen isolieren kann. so erschien es doch notwendig, das Verhalten mog- lichst reiner Nepheline bei der Bestrahlung festzustellen.

Nephelin, welcher abgesehen von variablen Schwermetallkompo- nenten und verschiedenem Ti0,- Gehalt auch wechselnde Mengen an SiO, besitzt, tritt in verschiedenen Symmetrieformen und nioht indi- vidualisiert auf ; von ersteren sind trikline und hexagonale bekannt. DOELTER schlieBt auch die Existenz regularer Nepheline nicht aus. Der UberschuB des SiO, gegenuber der Orthosilikatformel wird mit Konstruktionsfehlern des Gitterbaues erklart. J. MOROZEWCZ gibt Eliiohh die Formel K,A12Si,0,,.4 Na2A1,Si,0,; wiewohl Na und K nicht isomorph xu folgern sind, ist eine Vertretbarkeit des Na infolge annahernd gleicher Atomvolumen zu beobachten. B. GOSSNER~) weist darauf hin, daB bei Mineralsilikaten Abweichungen von den einfachen Molekiilverhaltniszahlen vorkommen, welche mit den ublichen Vor- stellungen durch isomorphe Vertretungen nicht mehr erklarlich sind. Eine theoretische Erklarung gabe die bereits erwahnte, da13 gewisse Lucken im Bau auftreten, wodurch der Silikatkristall die stochio- metrischen Gesetze nicht mehr vollig erfullt, eine andere Moglichkeit lage auf dem Gebiete der Isomorphie, da Si und A1 Ahnlichkeit in ihren Ionenradien haben, weshalb eine begrenzte Vertretung denkbar erscheint . In hexagonalen Nephelinen sind auch Fe-Verbindungen zugegen. In sehr eisenarmen Nephelinen, wie sie jene der Monte Somma darstellen, ist das Ausfallen des Fe bis auf eine nur mehr mikroskopisch ermit telbare Menge fests tellbar.

Zur Bestrahlung wurden aus letzterem Grund lediglich farblose, bis 5 mm hohe Nephelinsaulchen der Monte Somma benutzt, welche sich innerhalb vier Tagen gelb bis braunlich verfarbten. Die Farbe glich einerseits jener, wie sie an ungeprel3tem Steinsalz, anderseits an manchen Glasern zu beobachten ist. Nach ST. MEYER und PRZIBRAM sind die erzielten Farbungen bei Steinsalz zweifellos, bei Glasern ver- mutlich, von entladenen Alkalimetallatomen herruhrend. Es liegt nahe, daB die Strahlenwirkung vorerst an jenen Stellen angreift, wo Kon- struktionsgebrechen vorliegen bzw. Fremdstoffe eingelagert sind, fur welche Fe-Atome immerhin zu gelten haben. Es ist somit die Bestrah- lungsfarbe, wenigstens theoretisch, auch durch entladene Fe-Atome

l) B. GOSSNER, Z. angew. Chemie 42, 175.

Page 5: Über die Konstitution der Ultramarine

uber die Konstitution der Ultramarine. 95

moglich. Hiergegen scheint jedoch die Farbe elementaren Eisensl) zu entsprechen, wiihrend Natrium gelb gefunden wurde, auBerdem die Ver- iinderung der Bestrahlungsfarbe im Sonnenlicht, ferner beim Erhitzen auf 100-3000. Es konnte schliel3lich auch der Si0,-Gehalt, welcher uber das Orthosilikat hinausreicht, f i i r die Farbe mit verantwortlich gemacht werden, da ja gerade der Ausfall bei der Metallbase als Ur- sache der Konstruktionslucken gilt. Wie jedoch die Bestrahlungs- farbe geschmolzenen SiO, bew. naturlicher Quarze, aber auch jener Glaser, die sich durch ungewohnlich hohe und schwer einfuhrbare Si0,-Mengen auszeichnen, beweist, kommen im vorliegenden Fall Si- Atome wohl kaum in Betracht. Es wiire noch denkbar, daB die Strah- lenwirkung das Eisensilikat nur derart unvollstandig verandert, dal3 farbige Fe-Ionen verbleiben. Diese sind von verschiedener Intensitat. Die grunen Fe" durften an und fur sich ausgeschlossen sein. Sollte die Farbe theoretisch durch Fe"' erklart werden, die allerdings bei Glasern gelbe bis braune Farbung ereielen konnen, so verschwiinde die Fkirbung wohl kaum bei Temperaturen von 100-120°, was aber tatsachiich der Fall ist. Die Ansicht, daB es sich bei dem Bestrahlungs- effekt des Nephelins um Na-Atome handelt, wird im Nachfolgenden noch weiterhin zu stutzen versucht werden.

Nicht unwichtig erschien das Verhalten kunstlichen Natrium- aluminiumsilikates, die unter tunlichem AusschluB von Schwer- metallen hergestellt wurden. Ein kunstlich gewonnenes Silikat, das aus einem Aufschlusse Na,CO, + A1,0, + 2 SiO, in kris t all iner Form gewonnen wurde, verfiirbte sich erst in einigen Wochen schwach gelblich. Durch die Sauerstoffflamme eines platinierten Gasgeblases angeschmolzenes wasserhelles Nephelinglas erschien jedoch schon am vierten Tag braunlich gefiirbt. Noch dunkler veranderte sich mit der gleichen Farbe ein Glas der Komponenten 2 Na,O -A1,0, - 2 SiO, , das dann, wenn die Synthese bei den hochst erreichbaren Temperaturen erfoIgte, graugrun wurde, was wiederum dafur zu sprechen scheint, daB Na-Atome die Fiirbung bedingen, wiewohl naturgemaB eine vollig eisenfreie Gewinnung des Silikates schon aus dem Grund aus- geschlossen war, weil selbst die reinsten Chemikalien immer noch einen Hauch der Eisenreaktion erkennen lieBen.

Die Annahme, daB Na wohl in erster Linie die farbende Ursache in den besprochenen Fallen sei, wobei vielleicht geringe braunfarbige Fe"' die Gelbfarbung mit unterstutzten (Umschlag in Grunlich, sobald Fe,O,-Bildung moglich erschien), wird durch FCirbungen nahegelegt,

I ) Braunschwarz bis schwarz.

Page 6: Über die Konstitution der Ultramarine

96 J. Hoffmann.

die ST. MEYER und K. PRZIBRAM in der Boratreihe erhielten, welche das Bubstrat der verschiedenfarbigen Borultramarine J. HOFFMANN'S darstellt : blieb farblos, B203

Na2B,O1, r 3 gelbgrau

K2B10016 wurde briiunlich Na2B10016 ,, gelbbraun

Na2B6010 ,, griingrau K2B407 , , saphirblau Na2B40, ,, violett KBOz ,, rotlich bis violett NaBO, ,, grauviolett.

Die Bestrahlungsfarben blieben die gleichen, unbekummert darum, ob die Borate durch einen KarbonataufschluB oder, wo es moglich erschien, durch Verschmelzen der erforderlichen Oxyde erfolgte. Da Platinspuren eine allfiillige braune Fee.'-Fgrbung noch unterstutzen konnten, wurden die kristdlisierbaren Borate durch wiederholte Kristallisation fraktioniert. Die sonderbaren Farbenumschlage blieben in allen Fiillen ungeiindert. Die voranstehende Tabelle erscheint der- art angelegt, daB die Substanzen gemiiB ihres Schmelzpunktes bzw. ihrer Viskositiitsgrade sowie der Aciditat gereiht sind. Die Farbe muB infolgedessen, unbekummert um das farbige Prinzip, das ver- mutlich einheitlicher Natur ist, eine Folge des chemischen und physi- kalischen Charakters der Schmelze sein. Erwiihnt sei, daB gereinigte Borate, bei denen Kaliumspuren als ausgeschlossen zu gelten haben, zwar auch die gleichen Farben ergaben, nur waren sie schwiicher und konnten erst nach mehrwochentlicher Bestrahlung erreicht werden. Da schon ST. MEYER u. K. PRZIBRAM das K als farbkriiftiger gegen- uber dem Na erkannten, halte ich hierdurch das geanderte Verhalten erkliirt. Der beobachtete Farbenwandel ist urn so interessanter, als Schwefel nach meinen Untersuchungen sowohl gelbe, braune, grune, blaue und violettstichige Borate zu erzeugen vermag, nur verlauft die Farbenfolge in geiinderter Richtung :

Bestrahlungsfarben durch Farben durch Polysulfid-S.: Na-Atome:

Alkalimonoborat : Violett 1 1 Griin Alkalidiborat : Blau Alkalitriborat : Griinstichig Alkalitetraborat : Gelbgrau Blau Alkalipeataborat: Gelbbraun y Blau bis violettstichiges Blau

Im vorliegenden Fall interessiert uns zuniichst die erzielte Violett- fiirbung durch Na-Atome im Monoborat, also einer Schmelze mit dem

Gelb bis braun Braun bis schwarz

Page 7: Über die Konstitution der Ultramarine

tfber die Konstitution der Ultramarine. 97

OxydverhHltnis B,O : B,O,. DieFiirbung andert sich mit zunehmendem B,O,-Gehalt bis Gelb und Braun, welche beim Pentaborat mit dem Verhaltnis R,O : 5 B,O, eintritt. Braun- und Gelbfiirbung sind bei ungepreBtem bestrahltem Steinsalz zu beobachten, welche Fiirbung, wie K. PRZIBRAM gezeigt hat, durch Pressen bzw. Erwarmen in die violette umschliigt. Durch das Pressen kommt es zu einer Hiiufung der am Kristallgitter hiingengebliebenen Na-Atome. Ahnlich durften die Verhliltnisse in den Boratschmelzen liegen. Whhrend die Na-Atome im Pentaborat, infolge des stark vermehrten B,O,-Gehaltes relativ verdiinnt die Gelb- bis Braunfiirbung ergeben, scheint die Hiiufigkeit derselben im Monoborat zum Blaueffekt zu fuhren.

Die Untersuchung der Noseane ergab ein verschiedenes Verhalten. Vorerst wurden weiBe und lichtgraue Kristalle von Wieden der Be- strahlung unterworfen. Sie konnten jedoch auch nach wochenlangen Bestrahlungen nicht verfiirbt werden. Auffiillig war diese Erscheinung, da sich die Kristalle nach der Bestrahlung miirber erwiesen. Es war anzunehmen, da13 abgesehen von physikalischen Anderungen auoh chemische stattgefunden haben durften. Eine teilweise Er- kliirung ihres eigentiimlichen Verhaltens wurde dadurch moglich, daB die anschlieBende Untersuchung die Kristalle hydrosiliziert ergab. Die Bestrahlung vermochte somit keine Farbung durch Na-Atome zu ermoglichen, da diese vermutlich sofort zu NaOH reagierten. Hierin durfte auch die Erscheinung des Bruchigwerdens der Kristalle wenig- stens teilweise eine Erklarung finden, zumal sich auch mit p- und y-Strahlen liinger behandelte Gliiser nicht mehr durch Verschmelzen, wie unbehandelte, verarbeiten lassen. Es diirfte im letzten Fall die Mitwirkung der Atmosphiirilien, vor allem der Luftfeuchtigkeit , eine Bolle spielen. Bruchstucke der Riedener Noseane fielen dadurch auf, daB sie durch liinger andauernde Bestrahlung iihnlich dunkelten wie ge- fritteter Quarz. Es waren dies vor allem zentrale Zonen, die, wie die Untersuchung bei unbestrahlten Stucken zeigte, noch denunveranderten Noseankern enthielten. Die gleiche Erscheinung zeigten graue Noseane auch oberflachlich. Von Haw am dunkel gefiirbte Kristalle lieBen eine Farbenveranderung nicht erkennen. Da Na,SO, (chemisch reines Priiparat) nach ST. MEYER und K. PRZIBRAM durch Ra-Bestrahlung blauviolett wird, solches frei von K-Spuren jedoch unverandert bleibt, so wurde eine Violettfiirbung erwartet. DaB sie nicht aufgetreten ist, kann die verschiedensten Ursachen haben. Wenig wahrscheinlich ist die Gegenwart ksliumfreien Sulfats im Nosean. Moglich erschoint jedoch der Umstand, da13 uberhaupt kein Na,SO, im Nosean vorliegt ;

Z. anorg. u. allg. Chem. Bd. 189. 7

Page 8: Über die Konstitution der Ultramarine

98 J. Hoffmann.

JAEGER nimmt in ihm Na,A1,Si6O,,-Radikale a h feste Konsti- tuenten der Struktur an, wahrend 2 Na-Atome und 2 SO,- Radikale aus dem Gitterbestande auszuschliel3en sind. In der Mitte der Elementarzelle und in den Gitterecken ist die Gegenwart von NaSO,’ gegeben. JAEGER diskutiert aber auch die Moglichkeit, daB die SO,-Gruppen fur die fixe Stellung in Erwagung zu ziehen sind, wiihrend sich 2 Na-Atome als vagabundierend vorfinden. In beiden Fallen konnte der Entladungsvorgang , der vermutlich vorerst die locker haftenden Bestandteile erfaBt , entweder geanderte Ver- hiiltnisse vorfinden oder, wenn Na-Atome vorliegen sollten, die Blau- farbung aus physikalischen Griinden nicht ermoglichen.

SchlieBlich waren noch Ultramarine der Bestrahlung unter- worfen worden. Vor ihrer Untersuchung wurden sie von eingeschlos- senen CaCI,, organischen Appretierstoffen und hygroskopischem Wasser gereinigt, die sich vermutlich in den JAEGER’schen Hohlen des Gitters angesammelt haben diirften, was aus der Tatsache geschlossen werden kann, weil die beim Koalitionsverfahren technischer Ultramarine ver- wendeten Salze erst nach mehrfachem Bemuhen entfernbar waren. Nach erreichtem Konstantgewicht, das annehmen IieB, dab sich auch in den Hohlen aufgespeichertes H,O bzw. Stoffe wie C,H,OH oder C,H, und dergl. wiederum entfernt erschienen, wurden die Proben der Bestrahlung unterworfen. Verwendet wurde:

a) WeiBultramarin, eingeschlossen im Vakuum, b) niederge- schwefeltes, kieselarmes Blauultramarin, c) hochgeschwefeltes, kiesel- armes Grunultramarin, d) niedergeschwefeltes, kieselarmes Blauultra- marin, e) hochgeschwefeltes, kieselarmes BIauuItramarin, f) hoch- geschwefeltes, kieselarmes Blauultramarin, g) Pentaborat-Blauultra- marin, h) Violettultramarin lioht, i) Violettultramarin, Dahlia, j ) Pur- purultramarin, k) Gelbultramarin.

SIimtliche Versuchsobjekte zeigten nach sechswochentlicher Be- handlung trotz der zur Verfugung stehenden, selten starken Strah- lungsquelle noch keinerlei Veranderung. In der 21. Woche vergnderten sich jedoch einzelne Objekte. Es wurden:

WeiBultramarin: gelblichgriin, beiderlei Grunultramarine : grau- blaugrun und beiderlei Violettultramarine : hellgrau. Die VerfSir- bungen vertieften sich in den darauffolgenden 14 Tagen weiterhin. Fruhere in der Literatur verzeichnete Bestrahlungsergebnisse waren nicht selten bei der gleichen Ultramarinart verschieden gefunden, so daI3 sie GRUNER zur Kritik Veranlassung gaben, daB sich hieraus exskte Nachweise nicht erbringen lassen. Die von ihm diskutierten

Page 9: Über die Konstitution der Ultramarine

uber die Konstitution der Ultramarine. 99

Farbungen von Coelestin, Schwerspat bzw. Anhydrit beruhen jedoch von vornherein nich t auf Schwefelfarbungen, sondern konnen nur, wiedernm von entladenen Erdkalimetallatomen herruhrend, gefolgert werden. Es sei betont, daB die erhaltenen Versuchsergebnisse wieder- holt uberpruft und stets gleichartig gefunden wurden. Es ist somit moglich, sie zur Diskussion zu stellen.

Whre die gefundene Widerstandsfahigkeit einzelner Ultramarine ein Kriterium einer einheitlichen Verbindung, so muBte Gelb- und Rotultramarin zu diesen zahlen, was nicht erwiesen ist. Da sich je- doch samtliche Blauultramarine ni c h t veranderten, ist die Annahme, da5 nur Ultramarinverbindungen nicht geandert werden, hinfallig, denn es ist wohl sicher, daB kieselarme, niedergeschwefelte und kiesel- reiche hochgeschwefelte Mischungsreihen auf Grund ihrer Radi- kale entsprechen. Einwandfrei kann nur behauptet werden, daB die Ultramarinfarbung, abgesehen von der Vertretung des Alkali- gehaltes durch verschiedene Metallionen gradweise farbkraftiger wird, als der Si0,- und Polysulfidschwefelgehalt im Ultramarin ansteigt.

1st die Blaufarbung der Ultramarine durch die nichtfixen Bestand- teile JAEGER'S, NaS,', NaS,', NaS,', bei Rotultramarinen durch Natriumoxysulfidionen bedingt, so haben sie sich entweder durch einen fraglichen Umstand dem BestrahlungseinfluB entzogen oder ihre Veranderung nicht durch eine Farbenveranderung registriert . Auch der Blauanteil des Lasursteins, der durch muhsame Trennung nach BROGOER-BACKSTROM isoliert wurde, erwies sich gleichfalls be- strahlungswiderstandsfkhig , desgleichen wurden auch naturliche Blau- noseane bzw. Hauyne nicht veranderbar gefunden.

Fur das Verhalten konnen theoretisch verschiedene Umstande in Erwagung gezogen werden. Natriummonosulfid, das sich allerdings im wasserfreien Zustand nicht rein gewinnen laBt , wird nach dem Berichte ST. MEYER'S u. K. PRZIBRAM'S grunviolett. In dem gepruften Sulfid kann mit Sicherheit, abgesehen von anderen Beimengungen, Polysulfidschwefel angenommen werden. Ware das Ultramarin, wie es hiiufig angenommen wird, eine Verbindung, die in zwei Sphiire an- gegliedertes Na,S, enthalt, so hatte es sich grunviolett verandern rnussen. Es macht daher den Eindruck, daB in Blauultramarinen andere Verhhltnisse vorliegen als bei einem frei vorliegendem Sulfid. Auch ist zu bedenken, wenn die NaS,' bis NaS,' bei Ultramarin farb- gebend wiiren, entladene Na-Atome doch wiederum wahrscheinlich eine Blaufarbung bedingt hatten, so da13 die Entladungsfarbe inner- halb der Eigenfarbe des Blauultramarins gar nicht zur sichtlichen

7*

Page 10: Über die Konstitution der Ultramarine

100 3. Hoffmann. tfber die Konstitution der Ultramarine.

Auswirkung gelangen durfte. Allerdings sei noch ein weiteres Bestrah- lungsergebnis an dieser Stelle angefuhrt. Nach den eigenen Bestrah- lungsversuchen, wie nach jenen DOELTER’S, der kolloide Schwefel- losungen untersuchte, mu13 sowohl frisch isolierter Kolloidschwefel, wie auch solcher in Losung befindlicher, als gegen Verfarbung durch Be- strahlung widerstandsfiihig angesehen werden. Sein Verhalten ist somit gegeniiber jenem des kristallisierten verschieden, der nach ST. MEYER- SCHWEIDLER veranderbar gefunden wurde. Das Bestrah- lungsergebnis der Blauultramarine laBt sich somit sowohl mit der JAEFIER’SChen Ultramarintheorie sowie jener des Verfassers in Ein- Hang bringen, welch letzterer Labilschwefel als Farbeursache der Ultramarine ansieht, vor allem jenen des Polysulfids, der sich wah- rend des Ultramarinprozesses vom ursprunglichen Sulfidbezirk ent- fernt und infolge geanderter Bindungsverhiiltnisse die Riickkehr ver- schlossenvorfindet, wodurch es zurkolloidenoder echtenLosung kommt . Die Widerstandsfghigkeit kolloiden Schwefels konnte somit eine Ur- sache sein, da13 Blau-, Rot- und Gelbultramarine gegen Strahlungs- einfliisse indifferent erscheinen, wahrend dies bei WeiB- , Griin- und Violettultramarinen nicht der Fall ist. Die beiden letzten Farbstoffe sind uberdies noch als Mischeffekte zu werten.

Zusammenfassung. 1. Bei chemischen Eingriffen und durch Bestrehlung wurde auf

einen neuen Weg, das Cl’ des Sodaliths an Na gebunden, gefolgert. 2. Der Sodalithkomplex besitzt eine widerstandsfiihige Kompo-

nente, Na4A14Si6024, die bei Anwesenheit von Natriumsulfit als Na,Al,Si,O,, in Weaktion tritt.

8. Untersuchte Ultramarinsubstrate weisen entsprechend ihrer che- mischen Zusammensetzung charakteristische Bestrahlungseffekte stus, die einenFarbenwande1 beobachten lassen, welcher bezuglichder Farben- folge in geiinderter Wichtung gegeniiber jener durch Schwefel verlauft.

4. WeiB- Grun undViolettultramarine lassen durch BestrahlungFar- benveranderungen beobachten ; sie tritt nicht mehr auf, wenn nach der Ansicht des Verfassers dem Dissoziationsschwefel in Blauultremarinen der Riickkehr in das ursprungliche Bindungsbereich verwehrt ist .

5. Das Verhalten der Blauultramarine l&Bt sich mit den JAEGER- schen Ansichten uber Ultramarin in Einklang bringen und wider- spricht nicht der Annahme des Verfassers, da13 Ultramarine bestimmte Schwefellosungen der verschiedensten Substrate sind.

W4en, Radium-Forschungsinstitut. Bei der Redaktion eingegangen am 10. Februar 1930.