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t3BER DIE MUSKEL- UND NERVENPHYSIOLOGIE VON ARENICOLA MARINA. Von Dr. BRUNO JUST. (Aus dem zoologischen Institut der Universit~it Kiel.) Mit ~2 Text~bbildungen. (Eingegarujen am 11. Juli 1925.) Uber den KSrperbau der Ringelwfirmer in anatomischer und histo- logischer Beziehung sind wir ziemlich genau unterrichtet. In bio- logischer und physiologischer Beziehung dagegen ist vieles, ja vielleicht das meiste, noch reeht unklar. Von UEXKULL sind eingehende •nter- suchungen fiber Sipunculus nudus gemacht wordcn, MAXWELL be- arbeitete vergleichend ~Vereis virens, Lumbricus und Hirudo, und ~RIEDL~.NDER und BIEDERMANN experimentierten eingehend fiber die Bewegungen yon Lumbricus. Verglichen mit der ungeheuren Menge der Anneliden ist aber die Zahl der untersuchten .4xten ~ul3erst gering und ffir die Aufstellung allgemeinerer Gesetze kaum zu verwerten. So bin ich Herrn Prof. Dr. v. BUDDENBROCK ZU gr61~tem Danke verpflichtet, dal~ er mir die Aufgabe stellte, fiber die M:uskel- und Nervenphysiologie von Arenicola marina eingehende Untersuehungcn zu machen. Das gewonnene Tatsachenmaterial sollte einerseits den Bewegungsmechanismus yon Arenicola feststellen, dann aber zum Ver- gleich mit den Resultaten FRIEDL~_NDERS fiber den Regenwurm dicnen. Ich ftihle reich tterrn Prof. Dr. v. BUDDENBROCK sehr verbunden ffir die aul3erordentliehe Zuvorkommenheit, mit der er reich in die Materie und die einzu.schlagenden IVege einffihrte, und m6ehte ihm in seiner Eigenschaf~ als Dircktor des Zoologischen Instituts der Universit~t Kiel noeh besonders danken ftir die liebenswfirdige Bereitwilligkeit, mit der er mir Arbeitsplatz und ~Iaterial ffir meine Untersuchungen zur Ver- ffigung stellte. Zun~chst mSchte ich den K6rperbau von Arenicola marina, soweit er fiir die folgende Untersuchung der l~Iuskel- und h*ervenphysiologie yon unmittelbarem Interesse ist, einer kurzen Bctrachtung unterziehen. Jkul3e.rlichsieht man an dem zylindrischen K6rper des Tieres die Segmente abgezeichnet dutch 19 wul- stige Ringe (Abb. 1), die besonders deutlich an dcr Rfickenseite zu sehcn sind. Zwischen je zwei Ringen befinden sich ffinf kleinere Furchen. Von jedem l~inge geh~ ein Paar P~rapodien aus, die in den vorderen Segmenten nur schwach entwickelt sind. Die den Bauchparapodien entsprechenden Hakenborsten

Über die Muskel- und Nervenphysiologie von Arenicola marina

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t3BER DIE MUSKEL- UND NERVENPHYSIOLOGIE VON ARENICOLA MARINA.

Von

Dr. BRUNO JUST.

(Aus dem zoologischen Institut der Universit~it Kiel.)

Mit ~2 Text~bbildungen.

(Eingegarujen am 11. Juli 1925.)

Uber den KSrperbau der Ringelwfirmer in anatomischer und histo- logischer Beziehung sind wir ziemlich genau unterrichtet. In bio- logischer und physiologischer Beziehung dagegen ist vieles, ja vielleicht das meiste, noch reeht unklar. Von UEXKULL sind eingehende •nter- suchungen fiber Sipunculus nudus gemacht wordcn, MAXWELL be- arbeitete vergleichend ~Vereis virens, Lumbricus und Hirudo, und ~RIEDL~.NDER und BIEDERMANN experimentierten eingehend fiber die Bewegungen yon Lumbricus. Verglichen mit der ungeheuren Menge der Anneliden ist aber die Zahl der untersuchten .4xten ~ul3erst gering und ffir die Aufstellung allgemeinerer Gesetze kaum zu verwerten. So bin ich Herrn Prof. Dr. v. BUDDENBROCK ZU gr61~tem Danke verpflichtet, dal~ er mir die Aufgabe stellte, fiber die M:uskel- und Nervenphysiologie von Arenicola marina eingehende Untersuehungcn zu machen. Das gewonnene Tatsachenmaterial sollte einerseits den Bewegungsmechanismus yon Arenicola feststellen, dann aber zum Ver- gleich mit den Resultaten FRIEDL~_NDERS fiber den Regenwurm dicnen. Ich ftihle reich t ter rn Prof. Dr. v. BUDDENBROCK sehr verbunden ffir die aul3erordentliehe Zuvorkommenheit, mit der er reich in die Materie und die einzu.schlagenden IVege einffihrte, und m6ehte ihm in seiner Eigenschaf~ als Dircktor des Zoologischen Insti tuts der Universit~t Kiel noeh besonders danken ftir die liebenswfirdige Bereitwilligkeit, mit der er mir Arbeitsplatz und ~Iaterial ffir meine Untersuchungen zur Ver- ffigung stellte.

Zun~chst mSchte ich den K6rperbau von Arenicola marina, soweit er fiir die folgende Untersuchung der l~Iuskel- und h*ervenphysiologie yon unmittelbarem Interesse ist, einer kurzen Bctrachtung unterziehen. Jkul3e.rlich sieht man an dem zylindrischen K6rper des Tieres die Segmente abgezeichnet dutch 19 wul- stige Ringe (Abb. 1), die besonders deutlich an dcr Rfickenseite zu sehcn sind. Zwischen je zwei Ringen befinden sich ffinf kleinere Furchen. Von jedem l~inge geh~ ein Paar P~rapodien aus, die in den vorderen Segmenten nur schwach entwickelt sind. Die den Bauchparapodien entsprechenden Hakenborsten

156 B. Just:

liegen, in Querrelhen angeordnet, in jedem Segment in je zwei Wiilsten ein- gebettet. Das 7.--19. Segment trtigt je ein Paar biischelfSrmige Kiemen, die jedoch

im 7. u n d 8. Segment oft sehr schwach entwickelt sind. Der Schwartz, der bei den einzelnen Tieren eine sehr ver- schiedene Lt~nge besitzt, tr~gt weder Parapodien noch Kiemen. Er is t in seinerg~nzenLt~ngeebenfalls segmentiert.

Unter der Cuticula und der Hypodermis liegen die beiden Hauptmuskelschiehten des KSrpers: die Ring- und die L~ingsmuskelschieht (Abb. 2). Beide durchlaufen den KSrper in seiner ganzen L~nge. Die Ringmuskelschicht besteht aus einer ununterbrochenen Folge sehr eng an- einander liegender lkIuskelfasern. Sie ist schw~icher in den letzten Rumpfsegmenten und nimmt in den vorderen Segmenten, besonders in der Gegend des Schlundes, ~n Stt~rke zu. Die L~4ngsmuskelschicht, deren Fasern in zahlreiche Biindel geordnet sind, ist etwa doppelt so stark wie die Ringmuskelschicht. Am st~rksten ist sie in der Mitte des KSrpers. Fiir unsere Untersuchung sind ferner yon Bedeutung die Retraetoren des Sehlundes, die sieh in den ersten Segmenten unter der L~ingsmuskelsehicht befinden, und die Muskeln, die zu beiden Seiten an der Basis der Parapodien ansetzen und das Bewegen der Parapodien verursachen.

Das Nervensystem beateht in der Hauptsache aus dem Bauchstrang, der dicht unter der Epidermis liegt und den KSrper des Wurmes in seiner ganzen Lgnge durchltiuft. Vom Bauchstrang aus gehen segmental feine Nerven nach beiden Seiten ab. An seinem vorderen En~e gabelt sich der Bauchstrang und schlieBt sich um den Schlund zum Schlundring zusammen. Ein deutlich ab- gesetztes Obersehlundganglion finden wit bei Arenicola nieht. Auf der Dorsalseite des Bauehstranges liegen clio zwei kolossalen Fasern, die im Schlundring encligen.

Zue r s t suchte ich m i r e in k lares Bi ld zu ver- Abb. 1. Arenicola marina. (hath Vogt u. Y-ng). schaffen, wie sich u n t e r na t i i r l i chen U m s t ~ n d e n d i e

Bewegung yon Arenicola ~uger l ich darstel lb, D e m str s ich abe r eine groBe Schwier igke i t en tgegen : E i n B e o b a c h t e n in de r N a t u r war y o n vo rnhe re in ausgeschlossen, d a Arenicola ein

I ~ h r c n b c w o h n e r ist , de r sich, wenn m a n . i hn aus- gr~bt , d u t c h E i n b o h r e n in den s a n d sofor t d e m Bl ick des Beobach te r s en tz ieh t . I c h muBte re ich dahe r da rau f beschr i inken, das Tier u n t e r angentkher t na t i i r l i chen U m s t ~ n d c n zu beobach ten . Die Be- wegungen, d ie m a n an T i e r e n beobachtCn k a n n ,

Abb.2.Querschnittdurch die f re i in e inem Glasbecken l iegen, e rsche inen zu- den Hautmuskelschlauch

(n,~h vogt ~. Yunsl. nt~chst h5chs t u n k l a r u n d verworren .

Ich mSchte, um sp~iteren Beobachtern ~hnliche ver- gebliche Bemiihungen zu ersparen, such die mi~lungenen Beobachtungsversuche kurz erwiihnen. Zu den ersten Versuchen benutzte ich zwei Glasseheiben, die in einer

Uber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 157

Ent~ernung, die etwa dem Durchmesser eines mittelgroBen Tieres entsprach, zwischen einen Ho]zrahmen gespannt waren. Der Zwis~henraum war mit lockerem Sand und Seewasser ausgefiillt. Die Tiere bohrten sich zwar:~ofort ein; doch entzogen sich die Einzelheiten d~r Bewegung, aufdie es haupts~ehlich ankara, vSllig der Beobaehtung. Denn der Sand sickerte Zwischen die Glasscheibe und den runden K6rper des Wurmes, so dab yon dem Tiere nut ein schmaler Str~ifen sichtbar war. In gleicher Weise miBlang der Versuch, die Tiere zwischen einer Glasscheibe und dahinter gespannter Gaze kriechen zu lassen: Der seitliche Druck der Gaze war ein zu versehiedener, so dab die Tiere sich entweder an den zu stark gespannten Stellen abplatteten, oder aber, bei zu geringer Spannung, zu Boden fielen. Versuehe, die ieh mit HalbrShren aus Gips und davor ge- spannten Glasscheiben anstellte, miBlangen ebenfalls. ]Die Tiere blieben, viel- leicht infolge der chemischen Wirkungen des Gipses, unt~tig in den RSJaren liegen.

Die Beobach~ung gelang endlich in guter und in jeder Beziehung befriedigender Weise nach folgender l~ethode: Beiderseitig offene Glas- rShren, deren Durehmesser dem jedesmaligen Durehmesser des Wurmes angepaBt war, wurden mit Seewasser geftillt und a n der einen Seite mit einem Korken verschlossen. Dann wurde das zu beobaeh~ende Tier mit dem Vorderende vorsichtig in die RShre eingeftihrt. Gleichzeitig lockerte ieh den Korken an dem unten befindlichen, verschlossenen Ende so weir, dab das Wasser langsam heraustropfte. Der Wurm glitt dann dutch die Saugwirlmng in die RShre hinein. Wenn sich aueh das Sehwanzende im Innern der RShre befand, wurde der Korken wieder lest eingedriickt. Das Tier bewegte sieh nun in lebhafter Weise in der R6hre. Hguf ig vereinfachte sich das Veffahren aueh dadurch, dab der Wurm, sobald sieh sein Vorderende in der RShre befand, in lebhafte Bewegung geriet und yon selbst ganz in die R6hre hineink~oeh.

Die Vorztige dieser ~e thode fiir die geplanten Beobaehtungen lagen erstens darin, dab man das Tier, bei 5fterer Erneuerung des Wassers, lgngere Zeit bei munterer Bewegung erhalten konnte, und dab man zwei-

,L tens jede Phase der Bewegung yon den versehiedenen Seiten und bei jeder Stellung der RShre bequem und genau beobaehten konnte. Zur K0n- trolle, ob ein in einseitig verschlossenen RShren entstehender grSBerer Fliissigkeitsdruek etwa die Be~egung beeinflussen kSnnte, wurden Kon- trollversuche mit unter V~asser gehaltenen beidseitig offenen R6hren angestellt, und zur genaueren Beobaehtung der Bohrbewegung wurde der untere Tell der RShre in den Sand gesteekt, Alle spgter zu be- sehreibenden ]~ormen der Bewegung, mit Ausnahme nattirlich der Abwehr- und Schwimmbewegung, wurden auf diese Art studiert und dann vergleiehsweise, soweit mSglieh, an den sich frei im Glasbeeken oder Aquarium bewegenden Tieren naehgepriif~, A!!e beobachteten Tiere zeigten dieselben typisehen Bewegungen, und trotz der grol~en Menge des Beobaehtungsmaterials konnte ich keine Abweiehungen festste]len.

Z. f. vergl, rhysiologie Bd. 2. 11

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Die Bewegungen yon Arenlcola. Im folgenden will ich versuchen, die verschiedenen bei Arenicola

beobachteten Bewegungen schematisch zu ordnen. Aus Griinden der vereinfachten Darstellung werde ich den KSrper des Wurmes in drei Abschnitte teilen: in den Kop/-, _Rump]- und Schwanzabschnitt. Der Schwanzabschnitt, der jeglicher Anh~ngc entbehrt, setzt sich deutlich yore iibrigen KSrpcr ab ; die Trennung des Kopfabschnittes vom Rumpf rechtfertigt sich aus zwei Grfinden : Anatomisch zeichnen sich die ersten drci Segmente dadurch aus, dab sic allein yon allen KSrpersegmenten durch Disscpimcnte abgeteilt sind; physiologiseh nehmen die drei Kopfsegmente bei fast jeder Bewegung des Wurmes eine gesonderte Stellung ein. Werm ieh bei dieser Einteilung die Bezeictmungen Kopf, Rumpf und Schwanz wahle, so will ich damit in keiner Weise besagen, dab es im eigentlichen Sinne de~ Wortes Kopf, Rumpf und" Schwanz seien, also den betreffenden KSrperteilen der hSheren Tiere ent- spriichcn. Sondern ich brauche diesc Bezeichnungen nur der Einfachheit halber, tun so zu grSl3erer Klarheit und Ubersichtlichkeit der Darstellung zu gelangen.

Zur Erkl~rung einiger weiterer A.usdriicke, die ieh zum Teil von FRIEDI~NDER iibernommen habe, mSehte ieh noch kurz Einiges fiber das Zustandekommen der Bewegung bei Arenicola sagen. Bei den meisten Bewegungen, mit Ausnahme der Zuek-, Kriimm- und Schwimm- bewegung, treten die 1V[uskeln der einzelnen Segmente nicht gleieh- zeitig, sondern naeheinander in Tgtigkeit. ~ullerlich stellt sich dieser Vorgang dar als eine Welle, die den KSrper des Tieres durehl~uft. Ieh will dafiir den von FRIEDL~:I~DER geprggten Ausdruck ,,Wellenbewegung" beibehalten. Dementsprechend werde ich also die Wclle.nbewegung, die dadurch entsteht, da$ die Ringmuskeln der einzelnen Segmem~e nacheinanander stark erschlaffen und der Flfissigkeitsdruck die jeweils ersehlaffte Stelle stark hervorwulstet, als Verdickungswelle bezeichnen. Verdiinnungswdle nenne ich dagegen die dutch Contraction der Ring- muskela unter gleiehzeitigem starkcn Erschlaffen der LKngsmuskeln entstehende Bewegung, die sich ~ul~erlieh Ms L~ngsstreckung kenn- zeichnet. Unter Contractionswelle verstehe ich schliel31ieh die' Wellen- bewegung, die durch starke Contraction der L~ngsmuskeln verbunden mit nur geringem Erschlaffen der Ringmuskeln entsteht, und die ~uBerlich als Verdickung nur sehwach hervortritt.

Die einzelnen Arten der Bewegung, die beiArenicola auftreten, lassen sich einteilen in: 1. Atembewequng, 2. Bohrbewegung, 3. Vorwdirt,~-, 4. Riickw~irtsbewegung, 5. Zuckbewegung find 6. Kriimm- und Schwimm- bewegung.

Als Atembewegung bezeichne ich eine Wellenbewegung, die in Form. einer Verdickungswelle den Wurm yon hinten ~ nach vorn durehl~uft,

Uber die Musket und Nervenphysiologie yon Arenieola marina. 159

wahrend er ohne Ortsveri~nderung in der R6hre liegt (Abb. 3). Ich habe diese Bezeichnung aus dem Grunde gew~ihlt, weft die Wellen- bewegung augenscheinlich den Erfolg hat, das den Wurm in der RShre umgebende Wasser zu erneuern und so den Kiemen frischen Sauerstoff zufiihren. Fiir diese Annahme sprieht auch die Tatsache, dal~ mit

Abb: 3. Atemwellenbewegung (Seitenansicht).

dieser Wellenbewegung eine lebhafte Ti~tigkeit der Kiemen parallel li~uft, die man auch sehr schSn an den im Glasbecken liegenden Tieren sehen kann (Abb. 4): DieKiemen ziehen sich ni~mlich mit fortschreiten- der Verdickung des zugeh6rigen Segments zusammen, sind wi~hrend der stiirksten Verdicku~ag desselben ganz eingezogen, und entfalten sich wieder mit forkschreitender Ver- diinnung. Die Wellenbewegung selbst ~ [ ~ l [ [ [ l [ [ ~ beginnt gew6hnlieh mit einer starken Verdickung am ]=[interende des Rum- pres. N ur selten geht eine kurze Con- Abb. 4. Kiemenbewegung bei der Atem-

bewegung. traction der IA4ngsmuskeln in den an- grenzenden Segmenten des Sehwanzes voraus. Die Verdickung cnt- steht dadurch, dal~ die Ringmuskeln stark erschlaffen und nun durch den Druck, den die im gewShnlichen Tonus verharrenden fibrigen Segmente auf die KSrperfliissigkeit ausfiben, die betreffende Stelle stark hervorgew61bt wird. Die I~ngsmuskeln, die wiihrend des An- und Abschwellens jeden Segments a schwach gedehnt sind, verbleiben im iibrigen K6rper in gewShnlicher Verktirzung, so dal~ der Wurm seine KSrperl~nge beibehi~lt. Die Verdickung schreitet wellenfSrmig nach vorn bis etwa zum 4.--5. Seg- ment vor. Hat die Verdickungs- welle eln Segment iiberschritten, so kehren die Ring- und L~ngs- muskeln desselben zum gew6hn-

b

l Abb. 5. Bohrbewegung.

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6 lichen Tonus zuriick, Die einzelnen Verdickungswelien folgen in leb- haftem Rhythmus aufeinander.

Bcvor ich zur Beschreibung der eigentlichen Bohrbewegung iibergehe, m6chte ich noch eine T~itigkeit des Kopfes erw~ihnen, die ich h~iufig an in der R6hre still liegenden Tieren beobachtcte und die mit dcr Bohrbewegung in Zusammen- hang zu stchen scheint. Die Kopfsegmcnte streckcn sich vor, zichen sich zuriick und machen dabei gleichsam suchende, tastendcBewegungen. 5fcisterfolgtedabei

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160 B. Ju~:

yon Zeit zu Zeit ein Vorstis und Wiedereinziehen des R~zsel~, dem bisweilen eine Verdickungswelle folgte, die im 3.--4. Segmente einsetzte und, yon vorn nach hinten, einige Segment~ des KSrpers durchlief. Das Vorstiilpen des Riissels (Abb. 5) ging, wenn auch nicht ann{ihernd so energisch wie bei der Bohrbewegung, doch in der gleichen Weise vor sich: Es contrahieren sich die Ringmuskeln im 3., dann im 2. unct 1. Segment, ,wiihrend die IAingsmuskeln und die Retractoren erschlaffen. Dadurch wird der Riissel vorgesttilpt. Die Retractoren ziehen ihn, bei gleichzeitiger Contraction der L~ngsmuskeln, wieder zuriick. Dabei er- schlaffen die l~ingmuskeln, besonders im mittleren Teile des Kopfes. AuBerlich stellt sich die Retraction in einer nach dem mittleren Teile hin zunehmenden keulenfSrmigen Verdickung des Kopfes dar. Der Contraction der Liingsmuskeln des Kopfes schliei3t sich dann bisweilen die obenerwi~hnte Verdickungswelle an. Der eigentliche Charakter der eben geschilderten Bewegung ist nicht klar. Doch legt die Tatsache, dal~ sich diese Bewegung h~iufig in eine Bohrbewegung wandelte, die Vermutung nahe, es kSnnte sich hier um eine das weitere Bohren des in der RShre befindlichen Wllrmes vorbereitende Bewegung handeln, um ein Kliiren des Gel~ndes etwa. Leider gelang es mir nicht, Sicheres dariiber festzustellen, so dal~ jede Vermutung den Charakter einer vagen Hypothese behalten muB.

Ich gehe nun zur Schilderung der eigentlichen Bohrbewegung (Abb. 6) fiber, die sich in gleicher Weise an in der RShre befindlichen und auf dem :Sande liegenden Tieren beobachten li~t. Die Bewegung beginnt mit

Abb. 6. Bohrbewegung. (Seitenansicht).

einer Contraction der I~ngsmuskeln der letzten Rumpfsegmente. Die sehr starke und energisehe Contractionswelle schreitet lebhaft bis zum 4.--5. Segment vor. Die Contraction, die sich stets gleiehzeitig fiber mehrere Segmente ~rstrec.kt, ist am st~rksten in der mittleren Rumpf- region. Die Ringmuskeln dehnen sich dabei nur schwach, so dafi nur eine m~,l~ige Verdickung des KSrpers an der contrahierten Stelle erfolgt. Gleichzeitig wird durch die Contractionswelle die KSrperfliissigkeit yon hinten nach vorn getrieben, um durch ihren Druck die Bohrt~tig~ keit wirksam zu unterstfitzen. Es f~llt also bei der Tiitigkeit des Ein- bohrens der KSrperflfissigkeit bei Arenicola eine ~hnliche Rolle zu, wie sie UEXK(~LL bei Sipunculws nudus festgestellt hat.

Auf 'die Contractionswelle der I~ngsmuskeln folgt eine schwi~chere Verdfinnungswelle durch Contraction "der Ringmuskeln, die sich in ausgepr~gterer Form vor allem im vorderen Drittel des Rumples zeigt, wo die L~ngsmuskeln gleichzeitig stark erschlaffen. Bei einem auf dem Safide liegenden Wurme strecken sich die vorderen Rumpfsegmente so stark, da~ sich der vordere Teil des KSrpers kriimmt (Abb. 7) und in schwach halbkreisfSrmigem Bogen gegen die Erde stemmt, was die

(~ber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 161

Ti~t.igkeit des senkrecht in die Erde bohrenden R/issels wirksam untcr- stiitzt.

Das starke, energische Ausstiilpen des Rfissels beginnt ia dem Augenblick, wo die Contractionswelle etwa beim 4.--5. Segment an- gelangt ist, in der oben bereits geschilderten Weise (Abb. 5). Dic Streckung der vorderen Rumpfsegmente erreicht in dem Moment ihr H6chstma/3, in dem der Kopf gleichfalls ganz gestreckt und der Riissel bereits ausgesttilpt ist. Die beiden Wellen folgen einander schr rasch. wie auch der Rhythmus der Cesamtbewegung ein sehr heftiger ist. Bci

Abb. 7. Bohrbewegung. (Seitenansicht.)

diesem schnellen Tempo der Arbcit vermag dcr ~Vurm sich in kurzer Zcit v611ig in den Sand einzubohren.

Der Schwanz folgt schl~inge]nd der Bewegung und sucht am Boden oder an der R6hrenwand Halt. Die Parapodien sind nach hinten ge- richtet. Sie wirken als Sperrhaken und verhindern ein Riickgleiten des K6rpers. Bei fortschreitender Contraction der Li~ngsmm, keln werden sie eingezogen, um bei abnehmender Contraction wieder hervorzutretcn. 5Iitunter zeigte sich beim Vortreten ein schwaches nach vorn Richten der Parapodien (Abb. 8), his sie wiedeI an der RShrenwand I-Ial~ far~len

7, i/,/" I [ / / " ~

Abb. 8. J3ewegung der Parapodien. (Seitenansieht.)

und sich nach hinten umsteHten. Die Parapodienbewegung ist am st~irksten in dem mittlcren Teile des Rumples ausgepr~igt.

Das Einbohren erfolgt stets in senkreehter Ri'chtung. Dic ausschlag- gebende Bedeutung, die bei der Geotaxis yon Arenicola den Stato- cysten zukommt, hat v. BUDDENBROCK in seiner Arbeit ,,l~ber die l~'unktion der Statocystcn im Sande grabender Meerestiere" bereits nachgewiesen.

Die VorwSrlsbewegung entspricht in der Hauptsache der Beschrei- bung, die FRIEDLXN'DER vonder Vorwi~rtsbewegung des Regenwurmes gibt, weicht aber im Einzelncn betriichtlich yon ihr ab. Zuerst con- trahieren sich die Liingsmuskeln der Kopfsegmente ganz kurz, ohne

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wesentliehe Dehnung der entsprechenden Ringmuskeln. In den fol- genden SegInenten tritt dann eine Verdickung ein (Abb. 9), die etwa der bei der Atemwellenbewegung gesehilderten entspricht. Die Ring- muskeln dehnen sich sehr stark. Die betreffende Stelle wird dadureh hervorgewSlbt, dal~ die KSrperflfissigkeit dutch den st~ndigen Druck im Innern des Tieres in die erschlaffte Stelle hineingedr~ngt wird. Die jeweils verdickte Stelle faint Halt an der R6hrenwand und dient als Stfitzpunkt ffir die Vorw~rt~bewegung. Die Verdickungswelle sehreitet lebhaft fiber den KSrper des Tieres nach hinten fort; bezogen auf die RShre dagegen, in welcher das Tier sich bewegt, beh~lt die verdiekte Stelle ihre Lage einigermaBen bei.

Auf die Verdiekungswelle folgt eine st~rkere Verdfinnungswelle. Die Ringmuskeln contrahieren sieh energisc.h, und die L~ngsmuskeln erschlaffen so sehr, dab sich der K6rper kr~ftig nach vorn streckt. Die Streekung erfolgt am st~rksten in der vorderen H~lfte des Rumples. Wenn der Rumpf ann~hernd ganz gestreckt ist, kurz, bevor die Ver- dickung am Hinterende ganz gesehwundenist, setzt die neue Verdiekungs- welle ein. So bildet sieh fortlaufend immer ein neuerAnsatzpunkt ffir die

Abb. 9. Vorw~sbewegung. (Seitenans|eht.)

weitere Vorw~rtsbewegung. Da, wie sehon oben erw~hnt, die wulstig verdickte Stelle u~gef~hr am gleichen Orte bleibt, hat das Ganze das Aussehen, als sehiebe sich der langgest~eekte Wurm dureh eine Serie yon l~ingen hindurch, indem er immer in den n~chsten eintritt, bevor er den vorhergehenden ganz verlassen hat.

Die Verdiekungs~ und Verdiinnungswellen folgen ziemlieh raseh aufeinander, und der Wurm kann sich so verh~ltnism~ig lebh~ft in der RShre vorw~rtsbewegen. Kopf und Schwanz behalten aueh hier ihre gesonderte Stellung, da sie an der eigentliehen Wellenbewegung keinen Anteil nehmen. Die Parapodien sind w~hrend der Bewegung nach hinten gerichtet. Mit zunehmender Verdickung legen sie sich dem K6rper an und werden etwas eingezogen. Mit zunehmender Verdiinnung treten sie, stark nach vorn gerichtet, wieder vor, suehen Halt an der RShrenwand und richten sich, mit fortsehreitender Streckung des be- treffenden Segments, wieder nach hinten urn. Die T~tigkeit der Para- podien ist, wie bei allen anderen Bewegungen, aueh hier in der mittleren K6rperpartie am st~rksten und deutliehsten betont.

In einigen ganz seltenen F~llen beobachtete ieh eine ganz sehwache Vorw~rtsbewegung, die sich aus der Atemwellenbewegung dadureh entwiekelte, dab sich die I~ngsmuskeln der jeweils verdiekten Stelle

b'ber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenieola marina. 163

etwas contrahierten. Infolgedessen wurde das hintere Ende des Tieres etwas nachgezogen und der KSrper, im weiteren Verlaufe der Wellen- bewegung, um ein Weniges nach vorn geschoben. Dieses Vorw~trts- bewegen dauerte jedoeh stets nur ganz kurze Zeit an.

Die Ris ist noch lebhafter als die Vorw~irtsbewegung und anscheinend die schnellste Bewegungsart, zu der derWurm iiberhaupt f~ihig ist. Die Bewegung setzt mit eirmr Verdickungswelle am hinteren Rumpfende ein (Abb. 10). H~tufig wird diese Verdiekungswelle einge- leitet durch eine kurze Contraction der Li~ngsmusketn der an den Rumpf angrenzenden Schwanzsegmente. Die Verdickungswelle durchlhuft den

Abb. i0. Riickwfirtsbewegung. (Seitenansicht.)

Rumpf bis zum 4.--5. Segment, greift aber nicht auf den Kopfabschnitt~ fiber. Der Verlauf der Bewegung ist im iibrigen der gleiche wie bei der Vorw~rtsbewegung, nur dab die Wellen den KSrper in umgekehrter Richtung, von hinten naeh vorn, durchlaufen. Die Verdiinnungswelle setzt bei der I4iickw~trtsbewegung schon im Schwanzabschnitt ein, der sich weir nach hinten streckt. Von den Rumpfscgmenten zeigen (tie letzten acht die sthrkste Streckung.

Die Parapodien sind nach vorn umgestcllt. Diese Stellung ist im letzten Rumpfdrittel am wenigsten ausgeprSgt, am sti~rksten dagegen im mittleren Teile des KSrpers. Sie legen sich, en+sprechcnd ihrer Tiitigkeit bei der Vorwiirtsbewegung, mit zunehmender Verdickung dem KSrper an und werden eingezogen, um bei Abschwellen der Verdickung etwas nach hinten gc- richtet wieder Fu]~ zu fassen.

Die Zuc]c- und Kri~mmbewegungen sind Abwehr- bcwegungen, oder besscr Reaktionsbewegungen ~uf Reize ~.u3erer Art. Die Krfimmbewegung (Abb. l l ) tritt ein, wenn man das Tier ausgr:,tbt oder das im Becken auf dem Boden liegende Tier stark reizt, etwa durch Him und Herschieben oder Ansto~en mit dem Finger. Dic Zuckbewegung, die mine partielle sein kann, tritt ein, wenn man das ruhende oder kriechende Tier durch Beriihren mit einer Nadel oder dureh elektrischen Strom rcizt. Sie erfolgt durch eine gleiehzeitigc Contraction .der L~ngs- muskeln, die sich meist auf das ganze Tier crstreckt, bisweilen aber, bcim Reizen des K:opf- oder Schwanzendes, auf den betreffendcn Teil des Tieres beschrii, nkt bleibt oder wenigstens sich in diesem Teil st~rkcr ausprSgt (Abb. 12). Die Ringmuskeln werden w~thrend der

Abb. l i . K riimmbcwe- gung.

164 B. Just:

Contraction der IA4ngsmuskeln nur wenlg entspannt, so dab nut eine ganz ~chwache Verdickung des Tieres eintritt. Dadurch wird der Druck der Fliissigkeit im Innern des K6rpers gegen die Haut, in- folge der so entstandenen Verringerung des Volumens, gesteigert, so dab sich das Tier weit straffer und fester anfiihlt, als es im gew6hnlichen Zustande der Fall ist. Die Teilzuckungen dauern in der Regel nicht so lange an wie die totalen, bei denen die L~ngsmuskeln oft l~ngere Zeit contrahiert bleiben. Die Parapodien richten sich, wenn es sich um ein totales Zucken oder ein partieUes der Kopfpartie handelt, nach vorn urn. Sie bleiben nach hinten gerichtet, wenn bei Reizen des Schwanz- endes nur das Hinterende zusammenzuckt.

Die Kriimmbewegung erfolgt durch abwechselnde Contraction und folgende Erschlaffung der L~ngsmuskeln auf zwei einander gegenfiber- liegenden Seiten des Tieres. J~uBerlich sieht sie entweder wie ein ]:[in- und Hcrsehlagen des Vorder- und~ I-rinterendes aus, wobei die sehlagen- den Bewegungen jedesmal gleichzeitig und nach derselben Seite hin erfolgen ; oder es ist mehr ein spiraliges Zusammenkriimmen und -winden,

Abb. 12. Zuckbewegung. Abb. i3. Schwimmbewegung.

das abwechselnd naeh beiden Seiten hin erfolgt und bei dem das Tier haufig in zusammengekrfimmtem Zustande etwas verharrt.

Die Krfimmbewegung geht zuweilen auch in die Schwimrabewegung (Abb. 13) fiber, die im iibrigen mitunter dann eintritt, wenn man ein aus- gegrabenes Tier im Aquarium auf eine glatte Unterfl~che legt. Bei der Schwimmbewegung erfolgt die Bewegung ebenfalls durch abwech- selndes Contrahieren und Erschlaffen der gegenseitigen Li~ngsmuskeln. Doch schwingen Vorder- und Hinterende gleichzeitig naeh entgegen- gesetz~en Seiten, so dab sich eine S-fSrmige Bewegung ergibt. I)as gewShnliche Spannungsverh~ltnis der Ring- und Limgsmuskeln ist w~hrend der Sehwimmbewegung etwas veri~ndert, indem sich nach dem Kopfende zu die Ringmuskeln, nach dem Sckwanzende zu die L~ngs- muskeln in sti~rkerer Spannung als gewShnlieh befinden, so dab das Schwanzcnde, das bei der Schwimmbewegung nach vorn getragen wird, dicker erscheint, wiihrend sich der Rumpf nach dem Kopf hin zuspitzt. Das Kopfende pendelt gewShnlich etwa parallel zum Boden, w~,hrend das Schwanzende lebhaft und kr~ftig auf- und abw~rts schwingt. In der Regel tritt gleichzeitig mit der S-f6rmigen Bewegung, durch Con- traction der.dazwischen liegenden Li~ngsmuskelschichtcn, eine Drehung um die Li~ngsaehse mit folgender Rfickdrehung ein, die etwa 120--180 ~

Uber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 165

betr~gt. Diese Drehung effolgt in demselben Rhythmus wie die schla- genden und pendelnden Bewegungen des Schwanz- und Kopfendes, so dab die ganze Bewegung ein spiralig gewundenes Aussehcn erh~ilt.

Die Parapodien sind bei den Krtimm- und Schwimmbewcgungen nach dem Kopfe zu gerichtet. Sie legen sich dem KSrper an. Am dcutlichsten ist dies wiederum in der Mitte und am Vorderende des Rumples ausgepr~gt.

AnschlieBend an die Schilderung der Vorg~ngc bei den vcrschic- denen Bewegungen mSchte ich dgn Antagonismus der Muskeln bei Arenicola untersuchen. Zu diesem Zwccke will ich tin kurzes zusammcn- fassendes Bild der muskul~ren Vorg~inge bei den verschiedenen Be- wegungen entwerfen, um an Hand di~ser Darstellung das gegcn- seitige Verhalten der einzelnen Muskelgruppen zueinander klarzustellen.

Bei der Atem-, Vorwarts- und Riickw~rtsbewcgung haben wir ein starkcs Erschlaffen der, Ringmuskeln, auf das bei der Atembcwegung ein Riickkehrcn zum gcwShnlichen Tonus, bei den beiden andcrcn Be- wegungen ein starkes Contrahieren der Ringmuskeln m~ter glcich- zeitigcm Erschlaffcn der Langsmuskcln folgt. Also verhalten sich bei der Vorwarts- und Riickw~trtsbewegung die Ring- und Langsmuskeln antagonistisch.

Bei der Bohrbewegung miissen wir unterscheiden zwischen, der Muskelarbeit des Rumpfes und des Kopfes. Im Rumpfe wechselt eine Contraction der L~ngsmuskeln, w~hrend derer sich die Ringmuskeln schwach dehncn, und eine nach dem Vordcrende zu krMtiger wcrdende Contraction der Ringmuskeln mit entsprechendem Erschlaffen der L~ngsmuskeln. Wir sehen auch hier aufs deutlichste den Antagolfismus der L~ings- und Ringmuskeln. In den Kopfsegmcnten crschlaffen die L~ingsmuskeln und Retractorcn, w~hrend sich die Ringmuskeln gleich- zeitig contrahieren. Dann folgt, bei Erschlaffung der Ringmuskeln, die Contraction der L~ngsmuskeln und der Retractoren. W~r linden also hicr den Antagonismus der Ringmuskeln einerseits, der Retractoren und L~ngsmuskeln anderseits.

Bei den Schwimm- und Krtimmbewegungcn kSnncn wir, da die gegenseitigen L~ngsmuskeln sich ab~vechselnd contrahieren und er- schlaffen, diese als Antagonisten ansprechen.

Reizversuehe mit normalen Tieren.

Die Reizversuche an Amnicola wurden teils mit mechanischen, teils mit clektrischen Reizen ausgefiihrt. Im allgemeinen zeigte sich Areni- cola dem elektrischen Strom gegcniibcr nicht sondcrlich empfindlich. Meist mul3te man einen ziemlich starken Strom anwcnden, um iiberhaupt cine Reaktion zu bekommen. In jedcm Falle konnte dieselbe Reaktion ebensogut, in dcr Rcgel sogar besser, crhalten werden, wenn man das

166 B. Just:

Tier mit einer Nadel oder einem zugespitzten Glazsti~bchen reizte. I ch habe.fort laufend wi~hrend aller folgenden Versuche beide Reizmethoden angewendet, ohne dabei irgendwelchen Unterschieden der Reakt ion zu begegnen.

Dabei ist zu bemerken, dal~ man auf denselben Reiz hin nicht immer dieselbc Reaktion erhiilt. Die vorhergehende Tatigkeit des Tieres, die Lage, in der es sich geradc befindet, und iihnliche Umstande spiclen dabei eine grol3e Rollc. Selbstverst.hndlich ist dabei die St~irke und Dauer des angewendeten Reizes yon groBerWichtigkeit. Doch ist das nicht so aufzufassen, dab die betreffende Reaktion um so starker und lebhafter" ware, je starker der angewendcte Reiz ist. Vielmehr ist die Reaktion das Ergebnis aus dem Zusammentreffen des [teizes mit den obengenannten Faktoren, die sich bis ins einzelne nicht genau bestimmen lassen. Natiirlich erschwert diese Verschiedcnheit der Reaktion alles Beobachten in ganz erheblichem l~IaBc. Doch kann man, je nachdem sich eine Reaktion mchr oder weniger h~ufig zcigt, auch bei den I4eizreaktionen bestimmte typische Formen herausfinden.

Die h~ufigste Reaktionserscheinung war die Zuck- und Krt imm- bewegung. Die Zuckbewegung erstreckte sich meist tiber den ganzcn KSrper. Bei mehrfacher Wiederholung des Reizes blieb das Tier dann hi~ufig in contrahier tem Zustande regungslos l iegen. Bisweilen wech- selte auch bei mehrmal igem Reizen die Ar t der Reaktion. Bei Reizen des Kopfes eines in der 1-r befindlichen Tieres zeigte sich entweder ein kurzes Zurtiekzucken des Kopfes, wobei sieh die Contraction der I~ngsmuske ln meist fiber daz erste K6rperdr i t te l erstreckte, oder es setzte eine lebhafte Rfickw~rtshewegung ein. Bisweilen erfolgte auch erst daz Zuriickzucken und darm, na~h ein- oder mehrmaliger Wieder- holung des Reizes, die Riiekwi~rtsbewegung. I-I~ufig t ra t auch bei mehrmaligem Reizen des Kopfes nach anfi~nglichem blol~en Zurtick- zueken des Kopfes e ine sioh fiber das ganze Tier erstreckende Zuck- r eak t ion ein, und das Tier bl!eb , den weiteren Reizen gegenfiber unbeweg- lich, in contrahier tem Zustande. Dasselbe Bild ergab sich beim Reizen des I-I_interendes. Aueh liier Zeigt sich oft nur ein Zusammenz'ucken des Schwanzes und der letzten Rumpfsegmente. Daneben linden wir als Reakt ion daz Eintre ten lebhafter Bohr- oder Vorwi~rtsbewegungen. Aueh hier weehselt hi~ufig die eine Reakt ion mi t der anderen, wenn mart den Reiz wiederholt auf das Tier wirken li~Bt. Beim Reizen der mit t- leren Rumpf-partie, die sieh leider nur am frei liegenden Tier ausfiihren lieB, zeigte sich im wesentlichen dasselbe. Die Zuckerseheinungen er- streckten sich dabei stets fiber den ganzen KSrper. Daneben t ra ten h~ufig die Krfimmbewegungen auf, die bisweilen in Schwimmbewe- gungen fibergingen.

Ieh gehe nun zur Untersuchung der Frage fiber, welcher Art die Reizleitung bei Arenicola ist. Wenn Reize dureh den Bauchstrang weitergeleitet werden, somuB das Weiterleiten des Reizes, also auch der Impuls zur Reakt ion auf denselben, aufh6ren, wenn die Leitung zerst6rt,

l~ber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 167

das heist , wenn der Bauehstrang an einer Stelle durchschnitten ist. Nun l~tgt sich ein eigentliches Durchschneiden des Bauchstranges oder die Methode des tterausschneidens eines Stiickes Bauchmark, die FRIEDLJ~NDER bei seinen Untersuchungen fiber den Regenwulzn an- wandte, bei Arenicola kaum ohne schwere Schis des Tiercs bewerkstelligen. Jeder Schnitt 5ffnet die Leibesht~hle, die unter dem st~ndigen Druck der tonisch contrahierten Muskeln befindliche Leibes- h6hlenflfissigkeit flieSt aus, und auch ein Teil der Eingeweide wird herausgepreSt. Der K5rper collabiert, und jede geordnete Bewegung ist verhindert. Ich suehte daher dasselbe Ziel einer Unterbrechung der Reizleitung durch eine bauchmarklose Stelle auf anderem Wege zu er- reichen, indem ich mit einem gliihenden Drah~e den Bauehstrang an einer Stelle durchbrannte.

Diese Operation 1/i0t sich leicht ausfiihren, und hat dabei noch dcn Vorteil, dal3 sie eine Bet/~ubung der Tiere unn6tig macht. Man legt die Tiere auBerhalb des Wassers so hiD. dal3 der Bauchstrang oben oder seitlich liegt, und betupft dann mit der Spitze eines gliihenden Drahtes die zu durchbrennende Stelle. ~Ieist geniigt ein einmaliges leichtes Beriihren, urn das Bauchmark, das dicht unterder Haut liegt, zu durchbrennen. Natiirlich werden dabei auch die benach- barren Partien des Hautmuskelschlauches in 5iitleidenschaft gezogen, doch wiirde das bei jeder andcren Operationsmethode in gleicher Weise der Fall sein.

Diese Operationsmethode erwies sich als durchaus brauchbar, und ich operierte alle Versuchstiere bei diesen und den folgenden Versuchen auf die eben gesehilder~ Weise. Die Tiere zucken natiirlSch im Augen- blicke der Operation stark zusammen und beginnen, sich lebhaft zu kriimmen. Doeh l~St diese Reaktion schon nach kurzer Zeit nach, und man kann mit den operierten Tieren weiterarbeiten. Da die Ergebnisse aller auf diese Weise angestellten Versuehe v611ig~'fibereinstimmend waren, glaube ich, auch aus diesem Grunde das Verfahren als einwandfrei hinstellen zu k6nnen. Die Brandstelle der iolgenden Versuche befand sieh zwisehen dem 8. und 10. Segment. Das jedesmal durch Brennen abgetStete Bauchmarkst/ick war etwa 1--2 mm lang.

Ich habe nun bei den Untersuchungen zur Frage der Reizleitung vorzfiglich den Zuckre]lex, der durch Contraction der I~ngsmuskeln entsteht, der Betrachtung unterzogen. Das geschah aus dem Gesichts- punkt heraus, dab sich hierbei das klarste Bild ergibt ffir ein Weiter- leifen des Reizes dureh den ganzen K6rper.~ Man kann dabei die Aus- dchnung der Reaktion ~uSerlich sehr leicht ablesen~ indem man die mehr oder weniger starke Contraction der L~tngsmuskeln durch die verschiedenen Segmente hindurch verfolgt. Ein weiterer Grund bestand. darin, daS die Reaktion durch Zusammenzucken die am h~ufigsten auftretende ist.

Die ersten Versuche wurden mit Tieren mit einer Bauchmarkliicke angestellt. Die Tiere wurden, auf dem Boden eines Glasbeckens liegend,

168 B. Just:

elektrisch und mechanisch gereizt, tt~ufig blieb die Reaktion beschr~tnkt auf den gereizten bauchmarkhaltigen Abschnitt. Aber es kam auch sehr o f t vor, da~ die benachbarten Segmente, oft auch das ganze Tier, ebenfalls reagierten. Dieser Tatsache konnten zwei MSglichkeiten zu- grunde liegen: Entweder spielte das Bauchmark bei der Reizleitung keine oder zu mindest keine ausschlaggebende Rolle. Dann h~tte auch das Abt6ten einer Stelle desselben keinerle.i EinfluB auf das Weiter- leiten des Reizes. Oder aber es wurde durch den gereizten bauchmark- haltigen Abschnitt infolge des durch d~n Zuckreflex auf den benach- barten Teil ausgeiibten Muskelzuges ein neuer - - sekund~irer - - Reiz auf den anderen bauchmarkhaltigen Abschnitt ausgeiibt, der nun die - - sekundare - - Reaktion desselben auslSste. Wir ha t ten es also mit einer prim~ren Reaktion nur des gereizten Teilcs und einer sekund~iren, dutch die Bewegung des ersten ausgel6sten, Reaktion des anderen Teiles zu tun, und das ~uBerlich zusammenh~ngcnde Auftreten beider l~eak- tionen w~re somit eine Tiiuschung. Nun hatte FRIEDL'-k.NDER beim Regenwurm fcstgestellt, dab die Zuckreaktion die Bauchmarkliieke nie iiberspringt. Da er bei seinen Versuchstieren cinen weit liingeren baueh- marklosen Abschnitt hatte, lag der Gedanke nahe, da~ das eventuelie Ubertragen durch den Muskelzug sieh dadurch ausschaltcn lieBe, dab man die bauchmarklose Stelle vergrSBerte oder, da dies sich mit der Durchbrennungsmcthode schwer bewerkstelligen lieB, eine zwcite Stelle des Bauchmarks durchbrannte und dann den mittleren bauchmark- haltigen Teil festlegte. Dadurch muBte sich dann jede M6glichkeit einer sekund~ren Reizung durch den Muskelzug ausschalten oder zu mindest auf ein 5~inimum beschr~nken lassen.

Ich durchbrannte nun das Bauchmark an zwei, etwa 4--6 SeSmente voneinander entfernten Stellen. Dann s~eckte ich das Tier im Wachs- becken in der Weise lest, dal~ der mittlere bauchmarkhaltige Teil yon vier Nadeln, deren je zwei an jcder Bauch~iarkliicke festgesteckt waren, gehalten wurde. Ich will der Einfaehheit halber im folgenden die drei bauchmarkhaltigen Abschnitte des Tiere's mit Vordertier, Mittel- und Hintertier bezeichnen, l~eizte man jetzt das Mitteltier, so zuckte es zusammen, und die Reaktion t ra t gleichzeitig im Vorder- uncl Hinter- t ier auf. Reizte man dagegen das Vorder -oder Hintertier, so contra- hiertcn sich wohl h~ufig auch die L~ngsmuskeln der benachbarten Segmente des Mitteltiers, oft auch des ganzen Mitteltiers, doch blieb der dri t te bauchmarkhaltige Abschnitt unbeeinflu2t yon der l~eaktion. Nur in einer5 Falle konnte ich beim Reizen des Kopfes ein ~bergreifen der Reaktion auf das Mittel- und Hintert ier beobachten: doch war das Nacheinanderauftreten der Reaktion zwischen Mittel- und Hintert ier dabei sehr deutlich zu erkennen. Ich versuchte nun, das ~ber t ragen der Reaktion durch den Muskelzug noch dadureh einzuschr~nken, dab

~ber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 169

ich das Vorder- oder Hintertier in dem Augenblicke reizte, wenn sich beim Mitteltier die Ringmuskeln contrahierten, so dab es sich streckte und, wegen der unveranderlichen Lage der beiden Endpunkte, krfimmte. In diesem Falle muBte ein WeiterIeiten der Rcaktion durch den Muskel- zug unmSglich sein. Und tatsachlich ergaben auch alle in dieser Art ausgeftihrten Reizversuche eine v611ige Isolation der Reizreaktion auf das gereizte Stfick (Abb. 14).

Aus diesen letzten Versuchen scheint mir mit geniigender Klar- heir hervorzugehen, daft bei Zerstbrung eines Teiles des Bauehmarks ein Weiterleiten des Reizes i~ber die zer,s't6rte Stelle hinaus tatsS~chlich nicht statt/indet. Vielmchr ist jedes scheinbare Mitreagieren der be- nachbartcn Teile eben eine sekundSre Erscheinung, eine neue Reaktion, die ausgel6st wird durch den Reiz, den die Contraction der L~ngsmuskeln des zusammenzuckenden Teiles auf den benachbarten Tell ausfibt. Diese Annahme scheint mir auch dadurch an Berechtigung zu gewinncn, dab die Contraction der L~ngsmuskeln jenseits der Bauchmarkliicke im allgemeinen eine schwachere ist als in dem gereizten Teil, und sich h~ufig auch nut auf die benachbarten Segmente erstreekt. Auch die

Abb. I-L Partielle Zuekbewegung. X = Stelle der Durchtrennung des Bauehmark.q. (Seitenansieht.)

obenerwahnte Beobachtung des Nacheinanderauftretens der Zuck- reaktion spricht ffir diese An,';icht.

So m6chte ich das Ergcbnis dahin zusammenfassen, dab ein W'eiter- leiten yon Reizen oder Reaktionsimpulscn nur durch das Bauchmark vor sich gehen kann.

Leidcr geMng es mir nicht, den Gegenversuch an Tieren zu machcn, bci denen an einer Stclle nur dcr isolicrte Baudhstrang crhalten war. Eine dcrartigc Isolation l~il]t sich praktisch nicht ausffihren, da man crstcns cine Vcr- letzung des Bauchstrangcs nic ganz vermeiden kann; und zweitens mii~te man die beidcn Schnittstellen des KSrpers an den Enden der isolierten SteIlc ab- binden, um ein Hervorquellen der LeibeshShlenfl~ssigkeit und der Eingeweide zu vcrhindcrn, wobei man wiedcrum Gcfahr 1/iuft, den Bauchstrang clurch die Einschmirung zu bcsch'~digcn. Doch glaube ich, dal~ mit den obigen Versuchen schon eine zureichende K1/irung dcr Frage herbeigefiihrt ist, so dab man, ob- wohl mit Bedauern, auf den Gegenversuch verzichten kann.

:kIinsichtlich des Zuckrcflexes verhMt sich also Arenicohl genau so wic die bisher untersuehten Anneliden. Er wird wahrscheinlich ver- mittelt durch die sogenannten Kolossalfasern, welche den KSrper des ganzen Wurmcs durchziehen.

Eine gesonderte Betrachtung verdienen aber hinsiehtlich der Weiter- ]eitung des Impulses die locomotorischen Bewegungen, die in Form

170 B. Ju~:

einer Welle fiber den K6rper hinlaufen. Es liegen hier prinzipiell zwei MSgliehkeiten vor. Entweder die Erregung durchliuft wellenartig das Bauehmark, wobei die l~Iuskulatur eines Segmentes naeh dem anderen yon ihr ergriffen wird, oder aber die Bewegung wird in Form eines Reflexes yon einem Segment zum n~ichsten weitergeleitet. Bekanntlieh kommt FRIEDLANDER bei seinen Untersuchungen fiber den Regen~-~rm zu diesem letzten Ergebnis: Die Innervierung des folgenden Segmentes geht so vor sich, dab durch die Contraction der Lingsmuskeln des vor- hergehenden Segmentes die Lingsmuskeln passiv gedehnt werden. Auf diese passive Dehnung erfolgt die aktive Contraction der Lingsmuskeln, die wieder ihrerseits die Lingsmuskeln des folgenden Segmentes in den Zustand Passiver Dehnung versetzt und so fort. Auf diese Weise funk- tioniert der Regenwurm nach FRIEDL~.NDER nicht als einheitliehes In- divid~um, sondern vielmehr als Segmentreihe. ,~Naeh dieser Auffassung entspriche die Anordnung ungefihr derjenigen, die man in der Tele- graphie als Relais bezeiehnet; die nerv6sen Impulse wfirden demnach nicht von vorn nach hinten den ganzen K6rper durchlaufen, sondern immer nur auf das zunachst benachbarte Segment, vielleicht auch eine besehrinkte Zahl solcher wirken, deren Muskelaktion dann erst den Reiz auf die folgenden Segmente abgibe, in derselben Weise zu re- agieren."

Wie wir im vorigen Absehnitt sahen, kann aueh bei Arenicola tat- sichlich ein derartig sekundires Ubertragen einer Reaktion durch Muskelzug stattfinden. Doeh sahen wir auch gleichzeitig, dab dabei die Reaktion an Intensiti t verliert und dab man diese Art der "~ber- tragung unter gewissen Umstinden ausschalteu kann. Des weiteren liegt eine Schwierigkei~ ffir die FRIEDLXNDERsche Auffassung bei Arenicola darin, dab man es sich nicht leicht erkliren kann, wie die verschiedenen Arten der Wellenbewegung, die bei Arenicola beobachtet wurden, zu- stande kommen k6nnten. Vergleicht man beispielsweise die Atem- und Rfickwirtsbewegung mit einander, so finder man bei beiden, eine in allen wesentlichen Punkten fibereinstimmende Ts der Muskeln ~vihrend der Verdickungswelle. Somit m fiBre auch der ausgeiibte Muskelreiz in beiden Fallen eine fibereinstimmende antagonistische Muskelarbeit zur Folge haben. TatsichHch folgt aber bei der Atem- bewegung ein Rfickkehren der Muskeln zum gewShnlichen Tonus, wahrend bei der Rfickwirtsbewegung die typische Streckung des KSrpers durch energische Contraction der Ringmuskeln einsetzt. Noch schwie- tiger gestaltet sich die Sache, wenn man auf Grund obiger Auffassung die Bohrbewegung betrachtet. Wenn es sictl um einen yon Segment zu Segment weitergegebenen Reiz handelt, der durch die Aktion der Muskeln erst ausgel6st ~drd, so mfiBte sieh die den K6rper durchlaufende Contraetionswelle der Langsmuskeln in gleicher ~,Veise auch auf die

~Tber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 171

Kopfsegmente iibertragen. Wir finden aber ein ganz anderes Arbeiten der Muskeln in~ Kopf, n~tmlich s ta t t der Contraction der L~ngsmuskeln die der Ringmuskeln. Es ist nicht ersichtlich, wie man sieh diesen typischen Vorgang der Bohrbewegung aus einem Ubertragen der Muskel- aktion dureh eben diese Muskelarbeit erkl~ren soll.

Wir miissen also yon vornherein ein anderes Funktionieren der l~bertragung und Weiterleitung des Bewegungsimpulses bei Arenicola annehmen. Etwa so, dal3 der Bcwegungsimpuls, der yon einer vielleicht daffir differenzierten Stelle des Bauchmarks ausgeht, den ganzen K6rper durchlauft und so die muskul~ren Vorg~tnge ausl6st. Wenn diese An- nahme richtig ist, so muB ein ~Veiterlaufen des Bewegungsimpulses unm6glich sein, wenn das Bauchmark an einer Stelle zerst6rt ist. Die Bewegung miil~te dann an der bauchmarklosen Stelle zum Stillstand und zum Sehwinden kommen. Man miil3te ferner das Vorhandensein beson- ders differenzierter Stellen, als der Ausgangspunkte der Impulse zu den verschiedenen Bewegungen, nachweisen k6nnen, indem man zeigt, dal3 nach Ausschalten der betreffenden Stelle des Bauchmarks die etwa yon derselben ausgehende Bewegung nicht mehr vorkommt. Wenn mir auch eine genaue Festlegung der vor den anderen segmentalen Ganglien ausgezeichneten Stellen des Bauchmarks nicht gelang, so land ieh doch bei meinen Versuchen eine Reihe deutlicher I-[inweise fiir die Richtigkeit meiner Annahme. Den Beweis fiir ein Weiterleiten des Bewegungs- impulses durch das Bauchmark habe ich in klarer Weise aus den Ergeb- nissen der verschiedenen Versuche entnehmen k6nnen.

Ich benutzte ftir meine Versuche Tiere, dcnen ich in derselben Weise wie bei den oben geschilderten Versuchen ein Stfick des Bauchmarks herausbrannte. Die Operationssf~lle lag zwischen dem 6. und 10. Seg- ment, und die Bauchmarkliieke ha t te eine L~nge von etwa 1- -2 mm. Die beiden Abschnitte vor und hinter der Operationsstelle will ich im Iolgenden wieder mit Vorder- uncl Hinter t ier bezeiehnen.

Um die l~Sglichkeit auszuschalten, dal3 eine T~iuschung dadurch cintrctcn kSnnte, dal] die bei den Versuchen auftretenden S~6rungen der Funktion des Bcwegungsapparates nicht sowohl eine Folge der ZerstSrung einer Stclle des Bauchmarks w~ren, sondern lediglich auf einer, bei der Operation nicht zu ver- moidenden, Verletzung der benachbarten Stellen der bfuskulatur beruhten, operierte ich zur Kontrolle eine Reihe yon Tieren in der Weise, dab ich ihnen entsprechende Brandwunden beibrachte, ohne dabei das Bauchmark zu ver- letzen. Bei alien Kontrolitieren beobachtete ich ein normales Verlaufen aller Bewegungsvorg~inge, und konnte keinerlei StSrungen der normalen Funktionen beobachten. Also muBten alle bei den Tieren mit Bauchmarkliicke auftretenden St6rungen eine Folge eben dieser Bauchmarkliickc sein. Ein weiteres Zeichen fiir die Giiltigkeit meiner Beobachtungen mag darin liegen, dal3 alle opcrierten Tiere in ihrem Verhalten v611ig iibercinstimmten.

Von vornherein zeigte sich ein f rappanter Gegensatz zu den Ergeb- nissen FRIEDLX.N'DERS. W~hrend FRIEDLANDER bei den Regenwiirmern

172 B. Just:

mit Bauchmarkliieke koordinierte Bewegungen beider bauehmarkhal- tigen Teile feststellte, fehlte bei Arenicola jede Koordination z~ischen Vorder- und Hintertier. Man hatte den Eindruck, es mit zwei ~uBerlich zusammenh~ingendcn Tieren zu tun zu haben, die jedes fiir sieh selbstan- dig Iunktioniertcn. Vorder- und I-Iintertier maehten nicht nur vcr- sehiedene, sondern h~ufig sogar gerade entgegengesetzte Bewegungen. Nach FRIEDL.~NDERS Begbachtungen fiberspringt beim Regenwurm die Verdickungswelle die Bauehmarklficke. Wohl kam es auch bei Areni- co/a bisweilen vor, dab die Verdickungswelle die bauchmarklose Stelle fiberschritt. Doch war aus der Art und Weise des Verlaufs yon vorn- herein zu sehen, dab es sich dabei nieht um ein eigenfliches Weiterleiten der Bewegung handeln konnte. Es trat in jcdem Falle erst eine Stockung an der Bauchmarklficke ein. Die eigentiiche Bewegung kam also zum StiUstand. Dabei dehnten sieh die Ringmuskeln der der verdickten Stelle benachbarten Segmente, so dab sich die Verdickung fiber eine gr61~ere Zahl yon Segmenten als gew6hnlich erstreckte. Schliel31ich lief die Welle, langsamer und schw~cher als vorher, weiter, um nach Durchlaufen einiger Segmente zu schwinden. Im gfinstigsten FaUe konnte ich bei einem Tiere, dessen Bauehmarkliicke sich zwischen dem 6. und 7. Segment befand, den Verlauf der von vorn kommenden Ver- diekungswelle bis zum 12. Segment verfolgen.. H~ufig verdickten sich auch, wenn VerdickungsweUen, die yon hinten naeh vorn den KSrper durchliefen, die Bauehmarkliicke fibersehritten hatten, die der Bauch- markliieke folgenc~en Segmente und blieben im Zustande der Vcr- dickung w~ihrend des Verlaufes einer oder metn'erer der folgenden Wellen, ohne ihrerseits irgendwie die Bewegung weiterzuleiten (Abb. 15).

Diese Tatsaehen wfirden im Widerspruch zu der Annahme stehcn, da~ das ~bertragen des Bewegungsimpulses dureh den Muskelzug yon Segment zu Segment erfolgt. Denn in diesem Falle miiBte eine Ver- dickungswelle, die einmal die Bauehmarkliicke fiberschritten hat, nun auch weiter fortlaufen, und jeder Stillstand der Bewegung an der bauch- marklosen Stelle ware unverst~ndlich. Dagegen kSnnte man eher zu folgender Ansicht kommen: Der BewegmLgsimpuls selbst wird durch das Bauchmark weitergeleitet und endet also an der Bauchmarkliieke. Jedoch wird das bauchmarklose Segment und die demselben folgenden passiv gedehnt, indem die LeibeshShlenfliissigkeit durch das AbschweUen der vorhergehenden, im Zustand der Verdickung befindliehen Segmente einen Druek auf sie ausiibt. Bei den Wellen, die yon vorn naeh hinten laufen, fibertragt sieh die Verdiekung noch auf einige der folgenden Segmente, die also nacheinander in den Zustand der Verdickung iiber- gehen, ohne dab jedoch ein eigentlicher Impuls zur Verdickungswelle ergangen ware. Daher bfi~t dieses weitere - - passive -- ~bertragen der Verdickung gegeniiber der eigentlichen VerdickungsweUe aueh um ein

L~ber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 173

:Betri~.chtliehes an Intensiti~t ein und erliseht bald. DaB es sich tat- sa.chlich um cinen sekundaren Vorgang handelt, sielit man auch sehr deutlich an der jedesmal bei der Bauchmarkliicke eintretenden Stockung. l_m anderen FaIle, wenn die Welle yon hinten nach vorn verlis und die Verdickung nach L~berschreiten der bauchmarklosen Stelle stehcn bleibt, wfirde dann das weitere sekundttre l~bertragcn der Ve~dickung gehemmt dutch den regulierenden Einflul.~ einer dazu qualifizierten Stellc des Ganglions, wahrscheinlich des Schlundringes, woraus es sich erld~irt, da/] sich die sekund~ir iibertragene Vcrdickung nicht welter nach vorn fortsetzt. Die Annahme eines regulierendcn Einflusses des Schlundringes erscheint an diescr Stelle als schr vagc Hypothese. Doch

Abb. 15. Verlauf der Verdickungswellen bei Tieren mi t Bauchmarkli icke.

sind die Ergebnisse der weiter untcn folgenden Versuche geeignet, sie ihres hypothetischen Charaktcrs in weitem .'V[a~e zu entkleiden.

Wenn das Ubersehreiten der Bauchmarkliieke (lurch die Verdickungs- wellen in der oben geschilderten ~Veise auch nieht gerade selten war, so war doch die Regel, daft die Verdickungswellen an der Bauchmarkliicke endeten. Wenn sich der andere bauchmarkhaltige Abschnitt selbst in Bewegung befand, so trat~ in keinem Falle ein derartiges Weiterverlaufen der Verdickungswellen fiber die bauchmarklose Stelle hinaus ein. Die Verdiinnungswellen iiberschritten nicmais die Bauchmarkliicke.

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Abb. 16. Gleichzeit ige Bohr- und Atembewegung.

Ich m6ehte an dieser Stelle noch eine Reaktion kurz erw~hnen, die allc Ticre, denen das Bauehmark durehbrannt wurde, zeigten : Im Augen- blicke der Durchbrennung des Bauchmarks richten sich die Parapodicn des Vordcrtiers nach vorn, w:,thrend die des Hintertiers nach hinten gerichtet blieben (Abb. 18). In dieser Stellung verharrten sie eine Zeit- lang, um dann wieder die gew6hnliche Lage einzunehmen. Ich werde auf dicse Frage wciter unten in einem besonderen Abschnitt eingehen. Im folgenden will ich zu einer kurzen Beschreibung der verschiedenen Bewegungsvorg~inge bei Tieren mit Bauchmark[iicke darstellen.

Bei der Bohrbewegung (Abb. 16) setzte die ContraCtionswelle der L~ngsmuskeln in den Segmenten vor der bauchmarldosen Stellc ein und durchlief yon da ab das Vorderticr in v611ig normaler Weise. Das Einbohren verlief ctwa ebenso schnell wie bcim normalen Tiere. Auf-

Z. f. vergl. Physiologic Bd. 2. 12

174 B. Just:

f~llig ist bier die .Tatsache, dal3 niemals das Einsetzen der Contractions. welle in den letzten Rumpfsegmenten, wie es beim normalen Tiere geschieht, beobachtet wurde. Die einzlge Erkliirung, die mir dafiir mSglich erscheint, ist die, dab der Impuls zur Bohrbewegung von den vorderen Segmenten ausgehen mug.

Der ganze Vorgang ist dann auch gleichzeitig ein sehr schSner Beleg fiir die Richtigkeit des Uexkiillsehen Erregungsgesetzes. UEXKULL stellt niimlieh in seiner Arbeit fiber Sipunculus nudus lest, dab die Erregung immer dorthin fli.egt, wo sie am leichtesten verbraucht werden kann. -Kommt nun der IZeiz zur Bohrbewegung vom Vorderende des Tieres und durchli~uft das Tier, so h5rt nach Durchbrennung des Bauch- stranges die Erregung nicht an der Bauchmarklticke auf, sondern sie setzt sieh vielmehr daselbst in Muskelarbeit urn, in diesem Falle also in die Bohrbewegung, die so an der Bauchmarklfieke einsetzt und yon hier aus in ganz normaler Weise den vorderen Teil des Tieres durchli~uit. In gleicher Weise hi~tten wir uns dann das Zustandekommen der Vor- wi~rts und Riickwi~rtsbewegung zu erkli~ren.

Die Wellenbewegung bei der Vorw~'rtabewegung (Abb. 17) verlief yon vorn bis zur Bauehmarklficke in normaler Weise. Die neue Welle setzte

Abb. 17. Gleichzeitige Vorwi~rts- uud Riickw~rtsbewegung.

in d~r Regel ein, wenn die Verdickungswelle an der Bauchmarklticke angelangt war. Beim normalen Tier setzt sie ein, wenn die Verdickung der letzten KSrpersegmente eingetreten ist. Also haben wi res hier mit einem Anpa~sen der Aufeinandeffolge der einzelnen Wellen auf die kfirzere zu durchlaufende Strecke zu tun. Denn wenn kein derartiges Anpassen vorlii.ge, mfigte zwischen je zwei Verdickungswellen eine kurze Pause entstehen, die der Zeit entspr~che, die normalerweise die Ver- dickungswelle gebr.aucht hi~tte, um das Hintertier zu durchlaufen. I)iese Umstellung der zeitliehen Aufeinanderfolge der Bewegungen ent- sprech.end der Verkfirzung der yon der Bewegung ergriffenen Strecke legt wieder den SehluB nahe, dag hier ein regulierender Einflui3 der Cvanglienkette sich geltend maeht. Die Verdfinnungswellen endeten Stets an der bauchmarklosen Stelle. Das bisweilen vorkommende se- kund~re Ubertragen der Verdickungswelle fiber die Bauchmarklficke hinaus ist bereits weiter oben geschildert.

Die Wellenbewegung bei der Ri~ckw~irtsbewegung (Abb. 17) verlief yon den letzten Rumpfsegmenten aus bis zur Bauchmarklticke vSllig normal. Auch bier setzte die neue Verdickungswelle gewShnlich ein, welm die Segmente yon der Bauchmarkliicke getable im Zustande der

Uber die Muskel- und Nervenphysiologic yon Arenicola marina. 175

Vcrdickung waren. Bezfiglich des Uberschreitens der Bauchmarkliicke durch dis Verdickungswellen verweise ich auf die obigen Ausfiihrungen. Die Verd/innungswellen /iberschreiten die Bauchmarkliicke hie. Die Parapodien sind wiihrend der Riickwi~rtsbewegung im Hinterticr nach vorn gerichtet.

In einigen FMIen beobachtete ich, beim Reizen der Kopfsegmente, im Vordertier eine Wellenbewegung yon hinten nach vorn, verbunden mit Umstellen der Parapodien nach vorn. Sons~ trat bei nicht, gercizten Tieren die Rfickw/~rtsbewegung nur im Hintertier auf, die Vorwiirts- bewegung nut im Vordertier. 3{an kann also auch hier wieder einen Iffinweis auf die Richtigkeit der oben geiiuBerten Ansicht linden, daB. die Impulse zu den einzelnen Bewegungen nur yon bestimmten, daffir differenzierten Ganglien des Vorder- oder Hintertiers ausgehen kSnnen.

Die Atemwellenbewegung durchli~uft normal das Hintertier (Abb. 16). Die Wellen folgen in schnellerem Rhythmus als beim normalen Tiere aufeinander. Die Verdickungswelle iiberschreitet gelegentlich stockend die Bauchmarklficke, ~vobei die Segmcnte hinter der Bauchmarklficke w~hrend der folgenden Wellen in verdicktem Zustande zu bleiben pflegen. In einigen seltenen F~llen fund eine schwache Vorwartsbewegung vom Hintertiere aus statt, indem das Tier sieh durch dis Verdickungswe]/en, die yon hinten nach vorn liefen, langsam vorw/~rts schob. Ich habe diesen selten vorkommenden Fall einer langsamen geringffigigen Vorwt~rts- bewegung auch beim normalen Tiere beobachtet und welter oben be- schrieben.

Schwimmbewegungen wurden bei den Tiercn mit Bauchmarkliicke nicht beobachtet. Die Zuckbewegung habe ich bereits welter oben eingehend beschrieben im Zusammenhangc mit der Frage nach der Weiterleitung des Reizes.

In der Regel befanden sich beide bauchmarkha.ltigen Teile des Tieres gleiehzeitig in Bewegung. Dabei kamen alle denkbaren Kombinationen yon Bewegungen im Vorder- und Hintertier vor (Abb. ]6 und 17): Vorwarts- und Atembewegung, Bohr- und Atembewegung, Bohr- und Riickw~rtsbewegung, Vorwarts- u n d Riickw~rtsbewegung. Bei den einander gerade entgegengesetzten Wellenbewegungen trafen tells die Verdickungswellen der einen mit den Verdiinnungswellen der anderen an der Bauehmarklticke zusammen, tells landeten die beiderseitigen Verdickungs- oder Verdiinnungswellen gleichzeitig dort. Zuweilen t.rat auch der Fall ein, dab sich nur der eine Tell des Tieres bewegte, der andere sich derweilen unt~i.tig verhielt. Dabei zeigte sich, wenp sich nur das Vordertier bewegte, im unt/itigen H_interticr eine bleibende Contrac- tion der L~tngsmuskeln mit gleichzeitigem Erschlaffen der Ringmuskeln, die bisweilen nur an einer oder mehreren Stellen eintrat, racist abet sieh auf das gauze Kintertier erst.reckte und eine Verdickung clessclben

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176 B. Just:

tiber den normalen Zustand hinaus bewirkte. Beim Vordertier wurde im umgekchrten Fallc eincr alleinigen Bewegung des Hintcrtieres diesc Erschcinung nicht beobachtet. Dieses nicht normale Verschieben des Spannungsverhiiltnisses der L~ngs- und Ringmuskeln im t I in ter t ier scheint darauf zu beruhen, dab t in von den Ganglien der vorderen Seg- mente ausgehender den Tonus-regulierender Einflul~ infolge der Bauch- markliicke im Hinter t ier nicht mehr wirksam ist. Wir werden Hin- weise auf die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme weiter unten linden.

Man kann zusammen/assend also /olgendes sagen: Der Bewegungs- impuls geht yon daftir differenzierten s~gmentalen Ganglien des Vorder- und t t intert ieres aus, und zwar fiir die Bohr- und Vorwi~rtsbewegung, auf Reiz auch ftir die Riickwi~rtsbewcgung, vom Vordertier, fiir die Rtickwi~rts- und Atembewegung vom Hintertier. Der Impuls durch- li~uft das Bauchmark und vermit tel t so die Aktion der Muskeln. Wird der Bauchstrang a n einer Stelle zerstSrt, so findet ein Weiterleiten des Bewegungsimpulses dariiber hinaus nicht mehr start. Das bisweilige Vorkommen eines l~berschreitens der Bauchmarkliicke durch Ver- dickungswellen liiBt sich nur als sekundiirer Vorgang erkli~ren, der infolge der passiven Dehnung der betreffenden Segmente durch den Fliissigkeitsdruck entsteht.

Leider konnte ich auch hier den Gegenversuch mitTieren, bei denen ~n einer Stelle nur der isolierte B'auehstrang erhalten war, nieht ausffihren. Doch glaube ich, dab in den klaren und eir~deutigen Res~ltaten meiner obigen Versuche eine genfi~ende Biirgschaft fiir die Wahrscheinlichkeit meiner Annahme fiber das Funktionieren des Bewegungsmechanismus liegt.

Von Interesse ist die Frage, welche besonderen Funkt ionen dem Gehirn und dem Schlundring yon Arenicola zukommen. Sie ist schwer zu beantworten, weil bei allen Tieren mit gering entwickeltem Kopf- abschnitt das Gehirn auch physiologisch wenig hervortr i t t . Immerh in suchte ich diese Frage experimcntcll nach M6glichkeit zu kliiren. Ich stellte zu diesem Zwecke Versuche an mit Tieren, denen entweder der Bauchstrang kurz vor der Gabelung in den Schlundring durchbrannt war, oder dcnen dic beidcn erstcn Segmcnte, somit auch der Schlund- ring, abgcschnittcn waren. Natiirlich mui~ten bei dieser Untersuchungs- ar t auch dic Funkt ionen des Gchirns und des Schlundringes zu einem zusammengefal~t werden.

Das letztgenannte Verfahren wurde in der Weise ausgeftihrt, dab erst der Kopf des Tieres zwischen dem 2. und 3. Segment mit einem Faden abgeschniirt wurde, um ein Herausflie~en der K6rperfliissigkeit und das Hervortreten~ der Eingeweide an der 8chnittfli/ehe zu verhindern. Dann wurden die beiden ersten Segmente mit einer Schere abgeschnitten. ~Ian ist zwar bei einem derartigen Vorgehen sicher, da~ tier Schlundring und somit seine Einwirkung auf die Bewegungsvorg~nge des Tieres vollstiindig beseitigt ist. Aber gleichzeitig ist auch alas Schltmdrohr selber entfernt, so dal~ dieso Operation eir~e vSUige lYn- mSglichkeit weitcrer NahrungSaufnahme mit sich bringt und so weitgehende

Uber die Muskel- und Nervenphysiologie von Arenieola marina. 177

St6rungen hervorruft. Beim Durchbrennen des Bauchstranges kamen derartig schwerwiegende StSrungen nicht in :Betracht. Ich brauchte das Tier zu dieser Operation nur so zu legen, dab die Gabelstelle des Bauchmarks, die durch die Haut hindurch sehr gut zu erkennen ist, nach oben lag und mit der gliihenden Nadel gut zu erreichen war. Ich habe beideVersuchsmethoden in gleicher Weise angewendet, und die Ergebnisse stimmten in allen wesentlichen Punkten vSllig tiberein.

Bei den Tieren, denen der Bauehstrang kurz hinter dem Gehirn durch- brannt war, zeigte sich eine Verdickung der Kopfsegmente, die auch w~hrend der fo]genden Zeit erhalten blieb. Diese Verdickung kann auf einer infolge der Durehtrennung eingetretenen L~hmung einzelner -~[uskelgruppen beruhen. Doeh babe ich Sicheres darfiber nicht fest- stellen kSnnen. Die Tiere liegen, ebenso wie die enthaupteten, meist recht untat ig am Boden. /qur selten begannen die Tiere, sich zu be- wegen.. Die enthirnten Tiere scheinen also zu spontanen Bewegungen nicht mehr f~hig zu sein. Dall iiberhaupt Bewegungen vorkommen, l~13t sich daraus erkl~ren, daI~ in jedem dieser Fiille ein dem Beobachter unbekannter Reiz irgendweIcher Art die betreffer~de Bewegung aus- gelSst hat. Verhiiltnism~il3ig am h~ufigsten t ra ten die Atem- und Rfickwitrtsbewegung ein. Aueh hierin mag wieder ein Hinweis liegen fiir die Wahrscheinlichkeit der oben geaul3erten Auffassung, dal3 der Impuls zu diesen beiden Bewegungen yon den hinteren Segmenten des Rumpfes ausgeht. Im iibrigen zeigten die Versuchstiere naeh geeigneter Reizung auch die anderen Formen der Wellenbewegungen. Also ist das eigentliche Ausftihren der Bewegung nicht ~om Gehirn be- dingt. Die Wellen, besonders bei der Atem- und Rfickw~irtsbewegung, folgten in welt sehnellerem Rhythmus als gewShnlich aufeinander. Augenscheinlieh fehlt hier wieder der Einflul3 des regulierenden Organs, allem Anscheine naeh des Gehirns, und wir haben hier wieder eine Be- st~ttigung der welter oben angeffihrten Beobachtungen an Tieren mit Bauchmarkliieke und der in diesem Zusammenhang aufgestellten Schliisse. Es mag aueh folgender Beobachtung an dieser Stelle Erwgh- mmg geschehen: Bei den enthirnten Tieren kam h~ufig ein ruckartiges Verlaufen der Wellenbewegungen vor, was bei normalen Tieren nie beobachtet wurde. Es t ra t in der Form eines 5fteren Zuckens und kurzen Stockens w~thrend der Bewegung auf. Auch diese Erseheinung deutet sehr stark auf einen regulierenden Einflul3, der sons~ yore Gehirn aus- geht und dessen Fehlen sieh in der eben geschilderten Weise bemerk- bar lnacht.

Eine weitere Erscheinung, die mit den friiheren Beobachtungen iiber- einstimmt, liegt ferner darin, dab die Tiere, wie meist unt~ttig auf dem Boden liegend, sich in merklich verdicktem Zustande befanden. Die Langsmuskeln waren welt. fiber das gewOhnliche 5fal3 hinaus contrahiert, un'd. das ggnze Tier war kfirzer, gedrungener und straffer. Vergleicht

178 B. Just:

man dies mi~ der Tatsache, dab bei den Tieren mi~ Bauehmarklfieke das I~intertiex sieh h~ufig im gleiehen Zuatande befand, so liegt wieder der SGhluB nahe, dab vom Him aus Gin Regulieren des Tonus stattfindet, so dab die erw~hnten Erscheinungen sigh eben auf das Fehlen des Ge- hirns zurfickfiihren lassen. Eine mehffaeh gemaehte Beobaehtung kann zur Vervollst~ndigung dieses Brides beitragen: H~ufig ersehlaf~ten b.ei den Tieren, w~hrend sie in dGr R6hre WeUenbewegungen machten, die L~ngs- und Ringmuskeln einiger Segmente, so dab die betreffenden Segmente, l~nger uud schlaffer geworden, an mehreren Stellen Falten bildeten. Obwohl dieser' Zustand jedesmal nut eine kurze Zeit an- dauerte, war er jedoch jedesmal mit gehiigender Klarheit zu erkennen und l~Bt sich am besten auf Grund eben der Annahme des Fehlens einer l~egulierung des gewShnlichen Spannungsverh~ltnisses derMuskeln durch das Gehirn erklaren.

Wie "ich sehon oben erwahnte, beobaehtGte ieh bei den enthirnten Tieren das Auftreten aller Formen yon Wellenbewegungen. Eine Beob- aehtung kann dabei zur Best~tigung der yon v. BUDDENBROCK fest- gestellten T~atsaehe dienen, dab die Statoeysten als die eigentlichen Tr~ger des geotaktischen Triebes bei Arenicola anzusehen sind: Wenn die Tiere n~mlich versuchen, sigh in den Sand einzubohren, so stemmen sie das Vorderende night senkreeht gegen clGn B0den, wie die normalen Tiere, sondern in mehr oder weniger sehr~ger Richtung, so daB sic immer wieder auf dem Sande abgleiten. Tats~Ghlieh eingebohrt hat sich keines der enthirnten Tiere, so dal~ ich bezweifle, ob sie iiberhaupt noah die F~higkeit haben, sieh in den Sand zu bohren. Dabei verlief die Bohr- bewegung im fibrigen normal bis auf das Ausstiilpen des Sehlundes. W0hl waren die Tiere, denen der Bauehstrang kurz hinter dem Schlund- ring durehbrannt war, imstande, den Riissel auszustfilpen. Das gesehah dann jedesmal sehr ]angsam, der l~iissel blieb einige Zeit ausgestfilpt und wurde langsam wieder zur~ckgezogen. Doeh wurde das-Aus- stfilpen des Rfissels in keinem Falle in direktem Zusammenhang mit den zu~ Bohrbewegung geh6rigen Contraetionswellen beobachtet, son- dern trat als gelegentliehe Einzelbewegung auf, ohne jeden Zusammen- hang mit den etwa vorhandenen Wellenbewegungen des KSrpers. Hintertier und Vordertier, in diesem Falle der Kopf, fiihren eben jedes ffir sieh selbst~ndige Bewegungen aus.

Zusammen]assend kSnnte man also folgendes yon den 8peci]ischen Funlctionen des Schlundringes und des Gehirns bei Arenicola sagen: Im Gehirn seheint die F~higkeit sum Ausfiihren spontaner Bewegungen zu liegen. Ferner ~bt es mit aller Wahrscheinliehkeit einen regulierenden EinfluB auf den Muskeltonus und den N[echanismus der Bewegungen aus.

DurGh die eigenartige Realction der Parapodien beim Durchbrennen des Bauchmarks aufmerksam gemacht, suchte ich die Einfliisse fast-

Uber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 179

zustellen, denen diese Reaktion unterliegt. Zuvor m5chte ieh die bio- logische Bedeutung der Parapoclien einer kurzen Betrachtung unter- ziehen. Die Einstellung der Parapodien bei den versehiedenen Be- wegungen ist natiirlieh bedingt dutch ihre Funktion als Sperrhaken, die sich gegen die ]~Shrenwand stemmen und ein l~fickgleiten des K6rpers aus der Bewegungsrichtung verhindern ~ollen. So miissen sie bei der Vorwhrts- und Bohrbewegung nach hinten, bei der Riiekw~rts- bewegung kopfw~rts gerichtet sein. Dutch den Zuckreflex sueht das Tier sich yore Reizort zu entfernen; auch hier wird die l~iehtung der Bewegung durch die Einstellung der Parapodien bedingt, die ein Fortgleiten des sich verkfirzenden KSrpers nur in der l~iehtung ge- statten, mit der sie einen stumpfen Winkel bilden. Daher miissen sich die Parapodien beim Reizen des Vordertiers naeh vorn, bei Reizen des Schwanze~ oder des hinteren l~umpfendes nach hinten umstellen,

Es hatte sieh nun gezeigt, dal~ jedesmal, wenn das Bauehmark zwischen dem 7. und 10. Segment durchbrannt wurde, die Parapodien sichim Vordertier nach vorn umstellten, im Hintertier naeh hinten gerich- tet blieben (Abb. 18). Naeh etwa 1/.o--2 Stunden kehrten die Parapodien des Vordertiers in die gewShnliche Stel!ung zurtick. ~eizte man sparer

Abb. 18. Reizreaktion der Parapodien.

das Tier, so stellte es beim Reizen des Vordertiers die Parapodien sofort wieder nach vorn urn. Dabei war es ganz gleich, an welcher Stelle des Vordertiers der Reiz erfo]gte. Reizte man dagegen das Hintertier, so blieben die Parapodien naeh hinten ger~chtet. Dabei hatte das Hinter- tier wohl die F~thigkeit, die Parapodien nach vorn umzustellen: Denn wenn es Rtickw~rtsbewegungen ausfiihrte, so stellten sich die Para- podien der Bewegung entspreehend urn, um nach AufhSren der Bewe- gung wieder in die gew6hnliche Lage zu kommen. Reizte man das Hintertier w~hrend der Riiekw~rtsbewegung, so zuckte es zusammen und stellte die Parapodien sofort nach hinten urn. UnbeeinfluBt yon allen diesen Vorgangen waren nur die Parapodien des Segments, dessen Bauehmark zerstSrt war. Dort blieben die Parapodien, meist etwas mehr als gew6hnlieh dem K6rper angelegt, lest stehen und nahmen an allen weiteren Bewegungen der anderen Parapodien keinen Anteil. Daraus geht mit Deutlichkeit hervor, da6 die Innervierung der Para]?odien eines jeden Segments yon dem betreffenden segmentalen Ganglion aus- geht und ein Zerst6ren desselben die weitere Bewegung der Parapodien unmSglieh maeht. Ferner ist aus dem bisherigen Tatsaehenmateri~l ersiehtlieh ~ dag der Bauehstrang den Bewegungsimpuls fiir die Para- _podienbewegung weiterleitet, dag der Impuls zum Umstellen der Para-

180 B. Just:

podien nach vorn auf Reiz hin yon den vor dem 7.--10. Segment ge- legenen segmentalen Ganglien ausgehen muB, der zum Umstellen der Parapodien naeh hinten auf Reiz hin von den dahinter liegenden Gan- glien. Zu 16sen bleibt die Frage nach dem Ein.fluft des Gehirns auf diese Vorg~nge, und ferner die genauere Lokalisierung der fiir die Umstel- lung der Parapodien besonders differenzierten segmentalen Ganglien.

Zur Festst~qlung, ob und welche Rolle bei den genanntcn Vorgangen das Gehirn spielt, wurden Versuche mit enthirnten Tieren ausgefiihrt. In der ersten Versuchsreihe durchbrannte ich den Tieren das Bauch- mark erst in der Gegend des 2./3. Segments, etwas sparer zwischen dem

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b Abb. 19. Iteizreaktion der Parapodien.

8. und 10. Segment. Bei der Durchbrennung am 2./3. Segment stellten sich die dahinter gelegenen Parapodien nach vorn um (Abb. 19a). Nur in einigen seltenen Fhllen blieb die~e Reaktion aus (Abb. 19b): Vergleiehsweise finder man bei normalen Tieren eb~nfalls eine zwei- fache Reaktion des Kopfes auf meehanischen Reiz: N~inlich einmal durch Zusarmnenzucken des Tieres, vcrbunden mit Umstellen der Parapodien nach vorn, das andere Mal durch bloBes Zuriickziehen des Kopfes. ~,u haben es also beim Verhalten der operierten Ticre mit

I 2

. .

Abb. 20. Reizreaktion der Parapodien.

einem mit der Reaktion normaler Tierc iibereinstimmenden Verhaltcn zu tun. Bei der nun folgenden Durehbrennung des Bauchmarks zwisehen dem 8./10. Segment blieben die Parapodien des Mitteltiers nach yore gerichtet, beziehungsweise richteten sich nach v0rn, die des Hintertiers richteten sieh nach hinten um oder blieben nach hinten gerichtet (Abb.20). Somit war das Endergebnis das glciche.

Darauf ftihrte ich die .gleichen Durehbrennungen des Bauchmarks in umgekehrter Reihenfolge aus. Dabei trat bei der ersten Durch- bremmng am 8./10. Segment die gewohnte Reaktion ein, die auch nach der folgenden Aussehaltung des Gehirns dureh die Durchbrennung z~4. schen dem 2./3. Segment unverandert bestehen b!ieb.

I c h habe beide Versuchsreihen auch mit Tieren ausgeftihrt, dcnen

0ber die 5Iuskel- und Nervenphysiologie yon Arenicola marina. 181

ich die Kopfsegmente abgesehnitten hat te. Auch hier kam ich zu den- selben gesultaten. Aueh spater reagierten die enthirnten Tiere bezfig- Iieh der Umstellung der Parapodien in der gleiehen Weise wie die nicht enthirnten Tiere. D~raus geht mit genfigender Deutliehkeit hervor, d~l~ das Gehirn keine besondere Rolle bei der Umstellung der Para- podien spielt..

Die weiteren Versuche mit Tieren, denen der ]3auchstrang in den letzten Segmenten des I{umpfes durchbrannt war, ergaben keinerlei l~eaktion der Parapodien. Diese blieben vielmehr n~eh hinten gerichtet (Abb. 21). Die Versuehe wurden nun in der ~Veise fortgesetzt, dab den

4(t !.4 Abb. 21. I teizreaktion der Parapodien.

Tieren der ]3auchstrang erst etwa im 13./14. Segment, dann etwa im 7./8. Segment durchbrannt wurde (Abb. 22). Bei der zuerst erfolgten Durehbrennung richteten sich die Parapodien im Vordertier nach vorn, im Hintert ier blieben sie naeh hinten gerichtct. ]3ei der fo]gcnden Durehbrennung stellt.en sieh die Parapodien des Mitteltiers wieder nach hinten urn. Bei sp~iteren l~eizen reagierten die einzelnen bauchmark- haltigell Teile fiir sieh. Doch ste|lten sieh die t~arapodien des Mittel- und Hintertiers nicht mehr n~ch vorn um. Ich machte auch diese

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b Abb. 22. ]~cizreaktion der Parapodien.

Versuehsreihe in der ~Veise, da[] ieh die beiden Durehbrennungen des Bauehmarks in umgekehrter l~ichtung aufeinander folgen liel3. Dann folgte bei der I)urchbrennung im 7./8. Segment die gewohnte Reaktion, whhrend bei der folgenden im 13./14. Segment die Para.podien des .~Iittel- und Hintertiers nach hinten geriehtet b]ieben. Also a.uch hier land ieh das gleiche Ergebnis, una.bhangig yon der 1Reihenfo|ge, in der ieh die J)urchbrennungen nacheinander a.usfiihrte.

Aus diesen Versuchen liell sieh ohne weiteres folgern, dal~ das Um- stellen der Parapodien auf Reiz hin naeh vorn yon den vorderen Seg- menten aus erfo]gen muSte, so da]3 ein weiteres Umstellen unm6g|ich wurde, wenn infolge der Durchbrennung des ]3auehstranges ein ~Veiter- leiten des Impulses verhindert wurde.

!ch maehte nun noch den Versueh, die reizvennittelnde Stelle ffir

182 B. Just:

diese Reaktion der Parapodien genauer zu loka.lisieren. Ich lieB den vorderen Durchbrennungspunkt weiter naeh vorn riicken. Auf diese erste Durchbrennung lieB ieh dann jedesmal eine zweite, weiter naeh hinten gelegene, folgen. Dabei zeigte es sich nun, dab die Umst.ellung der Parapodien nach vorn im Mittelstiiek noch erfolgte, .wenn die vor- dere Durehbremmngsstellq vor dem 7. Segment lag. In diesem Falle reagierte also das Mitteltier in gleicher Weise wie das Vordertier, sowohl bei der Durchbrennung als auch bei spateren Reizen. Also mug die Einstellung der Parai)odien naeh vorn von den Ganglien der ersten sieben Segmente aus erfolgen, w~thrend die Umstellung der Parapodien nach hinten auf Reiz hin nur yon den hinteren Segmenten aus erfolgt. Ob und wieweit die naheliegende Vermut.ung zutrifft, dab diese Diffe- renzierung der segmentalen Ganglien damit zusamroenh~ngt, dais auch der Bewegungsimpuls nur yon den vorderen beziehungsweise hinteren Ganglien ausgehen kann, konnte ieh leider nieht weiter naehprtifen.

So muB aueh manche andere Frage ihrer Kliirung warren. Es ist mir beispiels- weise nach einer leider nur einmal gemaehten Beobachtung wahrscheinlieh, dalt die Tiere *.tie dureh die Durchbrennung entstandene Bauehmarkltieke regenerieren kSnnen, und dag dabei eine dislc~kalisierte Regeneration stattfindet. Ieh nahm nfimlich ein Tier mit Bauehmarkliieke, das sieh einige Woehen lang unbenutzt im Aquarium befand, zu Beobaehtungszweeken wieder vor. Es bewegte sieh und reagierte wie ein normales Tier. leh durchbrannte nun die urspriingliehe Durchbrennungsstelle zmn zweiten Male. Es trat jedoch keine der gewohnten Reaktionen ein. Als ieh abet eine andere Stelle des Bauchmarks durcht)rannte, benahm es sieh vSllig wie jedes andere Tier mit Bauehmarkliieke. Dieser Vorgang 1/il3t sieh so erkliiren, dab die Weiterleitung der Impulse an tier urspriinglieh zerstSrten Stelle des Bauehmarks dureh dislokalisierte Regeneration wieder mSglich war, so dal3 die Leitung erst dutch Durehbrennung einer anderen Stelle des Bauehmarks tatsiiehlieh wieder unterbroehen wurde. Leider konnte ich dieser Frage nieht weiter naehgehen. Ebenso war es mir nieht mSglich, naehzu. prfifen, aus welehen Einfliissen heraus die Versuchstiere bei Eintritt yon Ge- witterluft jedesmal eingingen. So bleibt noch manehe Frage ungel6st naeh dem Einwirken der Witterung, naeh ehemisehen Einfliissen auf die Funktionen des Tieres, naeh der AufnMlme und Vermittelung ~:hemischer Reize und filmliehe.-.

Die wichtigsten Ergebnisse sind, kurz zusammenge[aflt: I. Die Charakterisierung der verschiedenen bei Arenicola auftreten-

den Bewegungen als At em-, Bohr-, Vorwarts-, Riickw~irts-, Zuck-, Krfimm- und Schwimmbewegung, unter cingehender Darstellung der MuskelvorgSnge und der Bewegung der Parapodien.

II. Der Nachweis fSr den Antagonismus der L~ngs- und Ringmuskeln, der gegenseitigen L~tngsmuskeln, und der Ringmuskeln einerseits, der Retractoren und Langsmuskeln anderseits bei den versehiedenen Be- wegungen.

I I I . Die Feststellung der, Art und Weise, wie Arenicola auf l~eize mechaniseher oder elektrischer Art reagiert.

Uber die Muskel- und Nervenphysiologie yon Arcnicola marina. 183

IV. Die Fes t s te l lung , dal3 ein Wei t e r l e i t en yon Reizen oder R e a k - t ions impulsen nu r durch das B a u c h m a r k , ve rmut l i ch durch d ie Kolossal- fasern, vor sich gehen kann.

V. Dcr Nachweis , dal3 der Bewegungs impuls von dazu d i f ferenzier ten Gang]ien des Vordcr- oder H in t c r t i e r s ausgeht , und zwar ftir die Bohr- und Vorw~rtsbewegung, auf Reiz auch ftir d ie Ri ickws yore Vorder t ie r , ffir d ie A tem- und R/ickw/~rtsbewegung yore Hin te r - t ier , und da~ der Impu]s das B a u c h m a r k durchl~tuft und so d ie A k t i o n der Muske ln nachc inande r in den verseh iedenen Segmen ten hervor ruf t .

VI. Die Klfwung der F r a g e naeh den besonderen F u n k t i o n e n des Gehi rns als des Tragers der F a h i g k e i t zu r Aus f i i h rung spon t ane r Be- wegungen, und als des regul ie renden Cen t rums fiir den Muske l tonus und den Meehan i smus der Bewegungen.

VI I . Der Beweis, d a g der I m p u l s ftir die Ums te l lung der P a r a p o d i e n naeh vorn auf Reiz h in nu r yon den e r s t en s ieben Segmen ten ausgehen kann , de r zur Ums te l lung naeh h in ten nu r yon den le tz ten R u m p f - segmenten .

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