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6. Ueber die 0 berfltdchensp annung des Qu. ecksi Z b ers ; voin J. Stbckle. (Hiereo T a t V.) $ 1. Einleitung. Die Oberflachenspannung des Quecksilbers ist wiederholt Gegenstand der Untersuchung gewesen, doch mit sehr ver- schiedenen Ergebnissen. Eine Zusammenstellung der beobach- teten Werthe giebt Hr. Quinc ke; hiernach ,,schwaukt die Oberflachenspannung des Quecksilbers nach den zuverlassigsten Messungen zwischen 44 und 56 mg/rnm".') Derartige Abweichungen lassen sich nicht aus Beobach- tungsfehlern allein erklaren , vielmehr diirften sie mit einer ofters bemerkten, zeitlichen Abnahme der Oberflachenspannung im Zusammenhange stehen. Eine solche suchte man theils auf eine Oxydation des Quecksilbers, theils auf eine Verdich- tung von Dampfen auf der Quecksilberoberflache zuriickzu- fiihren. Deshalb wurde eine Untersuchung daruber angestellt, welches die Ursache dieser Veranderlichkeit ist und unter welchen Bedingungen die OberABchenspaunung constant erhalten wird. Q 2. Methode der Messungen und Bereohnungsweise. Die Messungen wurden nach der Methode ausgefuhrt, welche auf Anrathen von v. Helmholtz zuerst Hr. A. Konig2) angewandt hat; dieselbe kommt darauf hinaus, aus der Grosse eines gegebenen Objectes, seines Spiegelbildes an einem Queck- silbertropfen und der Entfernung zwischen Object und reflec- tirendem Tropfenpunkte den Kriimmungsradius im Scheitel und daraus die Oberflachenspannung zu ermitteln. Zur Berechnung der auf diese Weise gemessenen Werthe diente friiheren Beobachtern eine von Poisson herruhrende Naherungsforme12), welche eine Beziehung zwischen dem Krummungsradius im Scheitel des Tropfens und der Oberflachenspannung herstellt. 1) G. Quincke, Wied. Ann. 61. p. 277. 278. 2) A. Kiinig, Wied. Ann. 16. p. 1. 1%2; G. Meyer, 1. c. 63. ____- p. 864. 1894. 32*

Ueber die Oberflächenspannung des Quecksilbers

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6 . Ueber d ie 0 b erfltdchensp annung des Qu. ecksi Z b ers ;

voin J. S t b c k l e . (Hiereo T a t V.)

$ 1. Einleitung. Die Oberflachenspannung des Quecksilbers ist wiederholt

Gegenstand der Untersuchung gewesen, doch mit sehr ver- schiedenen Ergebnissen. Eine Zusammenstellung der beobach- teten Werthe giebt Hr. Quinc ke ; hiernach ,,schwaukt die Oberflachenspannung des Quecksilbers nach den zuverlassigsten Messungen zwischen 44 und 56 mg/rnm".')

Derartige Abweichungen lassen sich nicht aus Beobach- tungsfehlern allein erklaren , vielmehr diirften sie mit einer ofters bemerkten, zeitlichen Abnahme der Oberflachenspannung im Zusammenhange stehen. Eine solche suchte man theils auf eine Oxydation des Quecksilbers, theils auf eine Verdich- tung von Dampfen auf der Quecksilberoberflache zuriickzu- fiihren. Deshalb wurde eine Untersuchung daruber angestellt, welches die Ursache dieser Veranderlichkeit ist und unter welchen Bedingungen die OberABchenspaunung constant erhalten wird.

Q 2. Methode der Messungen und Bereohnungsweise. Die Messungen wurden nach der Methode ausgefuhrt,

welche auf Anrathen von v. Helmhol t z zuerst Hr. A. Konig2) angewandt hat; dieselbe kommt darauf hinaus, aus der Grosse eines gegebenen Objectes, seines Spiegelbildes an einem Queck- silbertropfen und der Entfernung zwischen Object und reflec- tirendem Tropfenpunkte den Kriimmungsradius im Scheitel und daraus die Oberflachenspannung zu ermitteln. Zur Berechnung der auf diese Weise gemessenen Werthe diente friiheren Beobachtern eine von Po i s son herruhrende Naherungsforme12), welche eine Beziehung zwischen dem Krummungsradius im Scheitel des Tropfens und der Oberflachenspannung herstellt.

1) G. Quincke, Wied. Ann. 61. p. 277. 278. 2) A. Kiinig, Wied. Ann. 16. p. 1. 1%2; G. Meyer, 1. c. 63.

____-

p. 864. 1894. 3 2 *

500 J. Stiickle.

Hr. Th. L o h n s t e i n ' ) ha t jedoch nachgewiesen, dass diese Formel besonders fur mittlere und kleine Tropfen, wie sie hier gebraucht werden, nur eine ,,rohe Approximation'! dar- stellt. Deshalb empfahl es sich bei vorliegender Arbeit von vornherein , den Gebrauch aller Naherungsformeln auszu- schliessen und das Tafelwerk von B a s h f o r t h und A d a m s 2 ) zu Hiilfe zu nehmen, in welchem fur eine grosse Anzahl von Tropfendurchmessern und Oberflachenspannungen die Verhalt- nisse der Coordinaten zum Kriimmungsradius im Scheitel des Tropfens enthalten sind. Diese Werthe sind unmittelbar aus der Differentialgleichung der capillaren Oberflache durch mechanische Quadratur gewonnen, setzen also nur die Richtig- keit der Differentialgleichung voraus.

5 3. Construction des Apparates.

Auf Anrathen von Hin. G. M e y e r habe ich nun einen Apparat zusammengesetzt, welcher die Oberflachen- spannung des Quecksilbers im Vacuum und in Gasen unter beliebigen Drucken zu messen gestattete.

Auf einem eisernen Teller A (Taf. V) trugen drei Saulen B die Messingplatte C; in eine Aussparung derselben passte die Glasglocke B, welche in das Brett E eingelassen war; 3 ruhte mit drei Fussschrauhen auf C, welche durch die Schraub- zwingen P auf der Messingplatte festgehalten wurden. A n D befanden sich zwei seitliche und ein nach unten gerichteter Tubulus; in den letzteren wurde die Glasrohre G mit einem Schliffstucke eingesetzt, ein luftdichter Verschluss durch Queck- silber in dem Glockchen If hergestellt.

Das in D hineinragende Ende von G war in das Stahl- rohr I eingeschliffen, in welches oben eine polirte, ebene Stahl- platte (Tropfenplatte) mit kreisformiger , nach innen conisch sich erweiternden Durchbohrung (Tropfenoffnung) eingesprengt war ; eine Wasserglaskittung stellte die feste Verbindung zwischen B und I her.

Auf den abgeschliffenen Rand von B war eine kreisformige Spiegelglasplatte (Objectplatte) mit Hausenblasenleim luftdicht

1 ) T h . L o h n s t e i n , Wied. Ann. 64. p. 713. 1895. 2) B a s h f o r t h and Adarns, An attempt to test the theories of

capillary action. Cambridge 1883.

Oberfiachenspannuriy des Quecksilbers. 50 1

aufgekittet, in die Unterseite derselben waren zwei concentrische Kreise und zwei zu einander senkrechte Durchmesser ein- geatzt.

Von 2, aus reichte G 80 cm nach unten und stand bei U mit Clem verticalen Rohre K in Verbindung. In dieses wurde so vie1 Quecksilber eingefiillt, dass die Kuppe in G his nahe unter die Tropfenoffnung stieg. Durch Eintauchen eines SenkkGrpers in K , welcher aus einer unten :mgeschmolzenen, mit Queck- silber gefullten Glasriihre hestand, trat ein Quecksilbertropfen aus der Tropfenoffnung hervor.

Die Rohrenleitung L, welche in den einen seitlichen Tubulus von B eingeschliffen und mit Hausenblase eingekittet war, stellte die Verbindung zwischen I ) und einer Kahlbaum’schen Quecksilberluftpumpe her. Durch den an diese Leitung an- geschmolzenen , mit Quecksilber gedichteten Hahn M konnten Gase in die Glocke eingelassen werden.

Die Glasrohre N , in den zaeiten seitlichen Tubulus ein- geschliffen und ebenfalls mit Hausenblase eingekittet , reichte bis auf den Boden von D und diente zum Aussaugen des uber den Rand der Tropfenplatte geflossenen Quecksilbers; ausser Gebrauch war sie zugeschmolzen,.

Die Spiegelbilder im Quecksilbertropfen wurden durch ein Mikroskop 0 betrachtet, welches auf einem Trager 6 rnit drei Paaren Zug- wid Druckschrauben aufruhte und durch den Schlitten P rnit Zahn und Trieb langs des oberen, dreiseitig prisrnatischen Theiles Y der Stahlstange Q auf und ab ge- schoben werden konnte; Y trug eine Millimetertheilung , an welcher die Stellung von Y mit Nonius bis auf 0,l mm ab- gelesen wurde. Der vordere Theil von S liess sich mit dem Mikroskop nach Lockerung der Schrauben IT parallel rnit sich selbst versehieben.

Der mittlere, kugelformige Theil von Q bildete rnit zwei an C festgeschraubten Schalen ein Kugelgelenk, wahrend gegen den unteren Theil von der Seite zwei Paare rechtwinkelig zu einander gestellte Schrauben R wirkten, durch welche Y vertical gerichtet wurde.

Die Ausriistung des Tubus bestand aus einem Lei tz’- schen Ocular Nr. 5 mit hunderttheiligem Mikrometer und Ob- jectiv Nr. 1 rnit Quincke’scher Kathetometerlinse.

502 J. Stiickle.

Der Teller A stand rnit drei Fussschrauben auf einem 60 cm hohen Sandsteinblocke; ein schweres holzernes Stativ trug die Rohren G und K. Stein und Stativ ruhten auf einer vom Fussboden getrennten Steinplatte; diese war in das Ge- wolbe eingemauert.

Sammtliche Rohrenleitungen waren miteinander ver- schmolzen, die Hahne mit einem Gemische von Wachs und Vaseline geschmiert.

Urn alle Spuren Fet t vom Quecksilber fernzuhalten, waren die Glocke und die Glasrohren rnit concentrirter Schwefel- saure behandelt, das Stahlrohr I dagegen Iangere Zeit in chemisch reines Benzin gelegt, dann rnit Kalilauge abgerieben. Glastheile und Stahlrohr waren hierauf mit Wasser gewaschen und im Luftstrome einer Wasserluftpumpe getrocknet. Zum Anfassen des Stahlrohres kam nur eine gereinigte Piiicette zur Verwendung.

4. Justirung des Apparates.

Durch die vorzunehmende Justirung des Instrumentes musste erreicht werden, dass die Tropfenplatte und das Object horizontal lagen, die Tropfenaxe durch den Mittelpunkt des Objectes ging, die Axe des Mikroskops vertical stand, sich in verticaler Richtung an Q verschieben liess und mit der Tropfenaxe zusammenfiel. Dieser Zustand wurde durch fol- gende Operationen erreicht.

1. Unter das Mikroskop wurde ein Quecksilberhorizont I) gestellt und einige Cen tirneter uber diesem eine Nadelspitze angebracht; auf diese und ihr Spiegelbild , welche vertical ubereinander lagen , wurde abwechselnd solange eingestellt, bis beide unter der Wirkung der Schrauben Iz des Tubus an der gleichen Stelle des Gesichtsfeldes erschienen, das Mikroskop also durch das Prisma Y eine verticale Fuhrung erhielt.

2. Nach Senkung des Tubus zeigte sich in demselben das Spiegelbild des vorderen Objectivrandes, welches durch Drehen der drei Paare Zug- und Druckschrauben der Tubushiilse in die Mitte des Qesichtsfeldes gebracht wurde. Die Axe des

I) Anatatt Quecksilber wurde Kupferamalgam verwendct, welches wegen seiner grossen Zahigkeit gegen Erschiitterungen sehr wenig empfindlich war.

Oberfiachenspannuny des Quecksilbers. 503

Mikroskops stand jetzt vertical; denn an einem auf dem Hori- zonte schwimmenden Glasmikrometer zeigte sich bei der Be- obachtung in keinem Theile des, Gesichtsfeldes Parallaxe.

3. Auf die Tropfenplatte wurde eine von S t e i n heil be- zogene, auf der einen Seite versilberte, planparallele Glasplatte gelegt, deren nicht versilberte, nach unten gerichtete Seite mit Kalilauge und Wasser gereinigt war. Das Spiegelbild des vorderen Objectivrandes wurde anvisirt und nach Lockerung von P durch die Schrauben in E mitten in das Gesichtsfeld gebracht, d. h. die Tropfenplatte horizontal gestellt.

4. Nach Entfernung des Spiegels und Hebung des Mikro- skops erhielt dieses durch T eine seitliche Verschiebung , bis zwischen dem Bilde der TropfenoEnung und dem nur wenig grosseren Gesichtsfelde ein iiberall gleich breiter Ring ent- standen war, die beiden Kreise also denselben Mittelpunkt hatten. Die Axen der spater herzustellenden Tropfen fielen daher mit der Axe des Tubus zusammen.

5. Die urspriinglich starke Neigung zwischen Object und Tropfenplatte betrug 2 O . Das in B hineinragende Ende von G wurde daher vor dem Aufkitten von I wiederholt erhitzt und vor der Flamme gebogen, bis die Neigung sich nur noch auf 32' belief. Die Objectplatte wurde nunmehr derart auf den Glockenrand gekittet, dass der Mittelpunkt der Kreise in der Mitte des Gesichtsfeldes untl der eine Durchmesser in der Richtung der grossten Neigung von 32' lag; der andere hatte also horizontale Richtung, er diente als Object zur Spiegelung an den Quecksilbertropfen.

Zum Schlusse wurden die Rohren G und K bei U ver- schmolzen; dabei wurde mit der nicht leuchtenden Flamme vorerwarmt, um die Moglichkeit des Eindringens von Russ in die Rohre auszuschliessen.

Die Aufstellung des ganzen Apparates war so fest, dass sich die Justirungen nur selten und sehr wenig anderten; sammtliche Glasrohren besassen jedoch so vie1 Elasticitat, dass sich kleine Berichtigungen ohne Gefahr ausfiihren liessen.

Die Beobachtungen durch die Objectplatte vorzunehmen, war unvermeidlich. Gegen die Horizontale war die Platte etwas geneigt; auch erlitt sie durch den Luftdruck beim Aus- pumpen der Glocke eine geringe Durchbiegung. Deshalb wurde

504 J . Stockle.

vor dem Zusammensetzen des Apparates untersucht , ob sich die Gr6sse eines Objectes durch die Platte hindurch mit hin- reichender Genauigkeit messen liess.

In die Glocke brachte man das auf dem Quecksilber- horizonte schwimmende Glasmikrometer, dessen Theilung 5 mm

lang war und 50 Scalentheile umfasste. Durch Aufsetzen der Objectplatte auf den ge- fetteten Rand der Glocke erhielt diese einen luftdichten Verschluss; die Platte selbst war 2 O gegen die Horizontale geneigt. Die Theilung des Glasmikrometers wurde an- visirt. Wahlt man (Fig. 1) den Schnittpunkt der Tubus- axe mit dieser Theilung zum Ursprunge eines rechtwin- keligen Coordinatensystenis, dessen positive Axen nach oben und rechts gerichtet

sind (vgl. p. 507), so ergiebt sich die Objectgrosse aus der Beziehung

(1) 2 = (d - [c' - c ] ) tg y + (c' - c ) tg 7';

nennt man ferner 2p die beobachtete Bildgrosse, e die Ent- fernung eines deutlich gesehenen Objectes vom ersten Haupt- punkte H des Objectivs in Luft (Einstellweite des Mikroskops), n den Brechungsexponenten der Platte fur weisses Licht (vgl. p. 5051, so ist

rl tg y = ,

sin y (3) sin y' = s n . -_

Der auf solche Weise ermittelte Abstand zweier Theilstriche des Glasmikrorueters stimmte mit der bekannten Entfernung derselben innerhalb der Beobachtungsfehler, welche kleiner als 0,Ol mm waren, uberein. Da die Neigung der Objectplatte von 2O gegen die Horizontale die Ermittelung der BildgrGsse

Oberflachenspannung des QuecRsilbers. 505

nicht merklich beeinflusste, so gilt dies noch mehr von der Neigung von 32'.

Die mikrosko- pischen Bilder der Theilstriche 0 und 50 des Glasmikrometers erlitten dabei durch die Durchbiegung der Platte eine geringe Verschiebung in derselben Richtung und um den gleichen Betrag, ihr Abstand anderte sich also nicht. Daher durfte auch die Durchbiegung der Obj ectplatte bei der Berechnung der Grosse eines betrachteten Objectes unberucksichtigt bleiben.

Nunmehr wurde die Glocke ausgepumpt.

§ 5. Beleuchtung des Objectes.

Um das zur Spiegelung dienende Object zu beleuchten, wurde auf die Objectplatte ein rechtwinkeliges Prisma W ge- setzt, welches das Licht, eines in gleicher Hohe aufgestellten Auerbrenners nach unten total reflectirte. Die in nachster Nahe des Durchmessers liegenden Kreistheile erschienen in-' folge dessen im Spiegelbilde am Quecksilbertropfen als scharfe, helle Linien.

8 6. Ausmessung der Constanten des Apparates.

Fur die Berechnung der Oberflachenspannung war die Kenntniss einer Reihe von Constanten des Apparates erforder- lich (vgl. p. 508) , deren Ausmessung in nachstehender Weise erfolgte.

1. Das langbrennweitige Objectiv wurde durch ein kurz- brennweitiges Nr. 3 ersetzt und das Mikroskop auf ein ebenes Object eingestellt. Die Objectplatte wurde auf das Object gelegt und nochmals dieses, d a m die Oberseite der Platte anvisirt. Es ergab sich hierbei aus der ersten und zweiten Einstellung die Grosse der nothigen Verschiebung, um das betrachtete Object auch dureh die Objectplatte deutlich zu sehen = 2,32 mm, aus der ersten und dritten Einstellung die Dicke der Platte = 6,67 mm, also nach bekannter Formel der Brechungsexponent fur weisses Licht = 1,540.

2. Der als Object dienende Durchmesser war mit einer Theilmaschine gemessen, welche noch 0,001 mm abzulesen

1) Hr. H. Elbs in Freiburg i. €I. hatte die Freundlichkeit, eine Theilmaschine in zuvorkommendster Weiee zur Verfiigung zu stellen.

506 J. Stoc kle . gestattete, 27,197 mm gross fur den kleineren, 52,432 mm fur den grosseren Kreis.

3. Dieselbe Theilmaschine lieferte fur den Durchmesser der Tropfenoffnung den Werth 8,742 mm.

4. Um die Einstellweite des Mikroskops zu finden, wurde der Abstand eines in demselben deutlich gesehenen Objectes von der durch den vorderen Rand der Objectivfassung gelegten Ebene gemessen und die Entfernung des ersten Hauptpunktes von der gleichen Ebene dazu addirt; diese letztere Entfernung wurde nach der Gauss'schen Methode bestimmt.') Zur Aus- fuhrung der hier nothigen Messungen war ein Kathetometer in Gebrauch, an welchem noch 0,05 mm abzulesen waren. Fu r die Einstellweite fand sich nach dieser Methode der Werth 142,6 mm.

Addirt man dazu die Crosse der Verschiebung, um ein ohne die Objectplatte anvisirtes Object auch durch dieselbe deutlich zu sehen, so erhalt man die Einstellweite durch die Platte = 144,9 mm.

5 . Die Aichung des Ocularmikrometers erfolgte bei ver- tical stehendem Tubus mit dem auf dem Quecksilberhorizonte schwimmenden Glasmikrometer, dessen Theilung mit derjenigen der Theilmaschine verglichen war. Die Theilstriche beider Mikrometer wurden eiuander parallel gerichtet. Der Abstand von je 10 Theilstrichen des Ocularmikrometers wurde in Theilen des Glasmikrometers gemessen. Hiernach belief sich der Werth eines Theiles des Ocularmikrometers auf 0,06046 mm.

5 7. Berechnung der Beobachtungen.

Bei der Berechnung der Beobachtungen ging man von der Voraussetzung aus, dass die Luft und das Medium in der Clocke gegen die Objectplatte denselben Brechungsexpo- nenten fur weisses Licht haben, sowohl wenn die Glocke aus- gepumpt, als auch wenn sie mit einem Gase gefullt ist. Diese Annahme wurde dadurch gerechtfertigt, dass man bei der ein- maligen Durchfuhrung einer Berechnung dieselben Resultate erhielt, ob man den Brechungsexponenten des Glockeninhaltes demjenigen der Luft gleich setzte oder nicht. Mit Rucksicht

1) Gauss, Werke, 6. p. 266. Gottingen 1867.

punkt H des Ob- jectives. Beim

Objectplatte bilde er mit der Verti- calen die Winkel 7’ uncl y. Sei b der Krummungs-

Durchdringen der

I

; I

I

?/ I

I

508 J. Stockle.

stellweite des Mikroskopes in Luft, e‘ diejenige durch die Objectplatte, beide von H aus gemessen; unter n verstehe man den Brechnngsexponenten von Luft gegen die Object- platte fur weisses Licht. Alsdann gelten folgende Gleichungen :

(4) 2 = (d - 2 - [c’- c ] ) tg y + (c’- c) tg y’,

sin y ~ = 7 2 , s h y ’

(7) d = e‘+ a , c‘- c = Dicke der Objectplatte,

t g (y + Z$D) = p--”. 0 - %

Hieraus berechnet man x und cp, Die Coordinaten a und c wurden in der Weise gemessen, dass mit dem Mikroskop der Reihe nach das Spiegelbild im Quecksilbertropfen, die Tropfen- platte und das Object anvisirt wurden. Bus der ersten Xes- sung ergab sich die Grosse a, aus der zweiten c. Kenn- zeichen der scharfen Einstellung des Mikroskopes war das Fehlen von Parallaxe der mikroskopischen Bilder gegen die Theilstriche des Ocularmikrorneters. Die z - Coordinate be- trachte man vorlaufig als bekannt.

Jeder Tropfen wurde soweit aus der Tropfenoffnung heraus- gepresst, bis die Grosse des Spiegelbildes seinen kleinsten Werth erreicht hatte. In diesem Falle stehen, wie Hr. A. Kon ig gezeigt hat ’) , die aquatorialen Elemente des Tropfens senk- recht auf der Ebene der Tropfenplatte; der grosste Tropfen- durchmesser ist also gleich dem Durchmesser 2 X der Tropfen- Sffnung, der Winkel 92 = 90°. Man kennt daher von dem Tropfen auch X und den zugehorigen Winkel van 90°.

Die Tafeln von Bashfo r th und A d a m s enthalten nun die Verhaltnisse der Tropfencoordinaten zu dem jeweils zugehorigen Krummungsradius b im Scheitel des Tropfens als Functionen zweier Argumente; das eine ist der Winkel y , das andere eine Zahl /I, welche zu b , der Oberflachenspannung 2’ und der

,

1) A. Konig, Wied. Ann. 16. p. 1. 1882.

Oberflachenspannvny des Quecksilbers. 509

Differenz c der specifischen Gewichte zwischen Quecksilber und Medium in der Glocke in der Beziehung

(9) u b a

T p = -

steht. Durch Probiren ermittelt man denjenigen Werth von @, fir welchen

ist, wo die Verhaltnisse der linken Seite aus der Tafel ent- nommen sind. Damit ist p gef’unden und da X bekannt, so folgt b aus dem Tafelwerthe X/b. Die Oberflachenspannung ergiebt sich aus

u ba I’ = 7- * (10)

Fur G wurde stets das specifische Gewicht des Quecksilbers gesetzt , da diesem gegeniiber das specifische Gewicht eines Gases auf das Resultat innerhalb der erreichbaren Genauig- keit ohne Einfluss war.

Aus den Gleichungen (4) und (8) geht hervor, dass zur Berechnung von x und sp die Coordinate z erforderlich ist. Auch dazu wurde die Tafel benutzt. Nimmt man das ge- suchte 11 voryaufig als bekannt an und wahlt willkiirlich, so ergiebt sich b aus

Dieser Werth von b gehort zu dem Tropfen mit dem griissten Durchmesser 2 X , wenn so gewahlt ist, dass das aus der Tafel entnommene Verhaltniss X/b gleich dem aus X und b berechneten ist. Dieser Werth von p ist durch Probiren zu ermitteln. Da 6 nach (11) bekannt ist, so folgt z aus dem l’afelwerthe z/b.

In eine Hiilfstafel wurden fur alle vorkommenden T und cp die nach der angegebenen Methode berechneten z eingetragen. Nach einiger Erfahrung liessen sich durch Schatzung ange- naherte Werthe von cp und T gewinnen, fur welche das dem reflectirenden Tropfenpunkte zugehorige z aus der Hiilfstafel entnommen wurde. Damit berechnete man 27; wich dasselbe sehr von dem geschatzten Werthe ab , so wurde das zu dem berechneten T gehorige z aus der Tafel entnommen und mit

510 J. Stiickle.

diesem verbesserten Werthe die Berechnung der Oberflachen- spannung wiederholt.

Die Beobachtung der Spiegelbilder beider Objecte liefert zwei Wertbe von p und b , melche infolge unverrneidlichcr Beobachtungsfehler etwas voneinander abweichen , dcslialb erhalt man auch zwei 2'. Aus den Werthen beider b niinmt man das Mittel und berechnet damit X / b ; zu diesem sucht man in der Tafel das zugehorige p, woraus der eiidgiiltige Werth der Oberflachenspannung folgt.

Q 8. Reinigung des Quecksilbers. Darstellung und Reinigung der Gtase.

Das zur Verwendung gelangto Quecksilber wurde zuerst durch Schiitteln mit, auf 70° erwarmter, concentrirter Schwefel- saure, der einige Tropfen Salpetersaure zugesetzt waren, ge- reinigt und nach dem Waschen und Trocknen im Vacuum destillirt. Das gebrauchte, aus der Glocke ausgehobene Queck- silber wurde wieder destillirt, sodass immer nur frisch destil- lirtes Quecksilber zur Verwendung kam.

Die Ermittelung der Oberflachenspannung erfolgte der Reihe nach fur das Vacuum, Wasserstoff, trockene Luft, trockene kohlensaurefreie Luft , feuchte Luft, Kohlensaure , Sauerstoff und Stickstoff.

Um die Gnse nur in trockenem Zustande in die Glocke eintreten zu lassen, leitete man dieselben durch einen an den Hahn M angeschmolzenen Trockenapparat , enthaltend Chlor- calcium, concentrirte Schwefelsaure und Phosphorsaureanhydrid.

Der Wasserstoff entwickelte sich bei der Einwirkung von verdunnter Schwefelsaure auf chemisch reines, von Mer ck be- zogenes Zink; zu seiner Reinigung ging er zweimal durch concentrirte Losung von Kaliumpermanganat und iiber Stucke von Aetzkali.

Die trockene, kohlensaurehaltige Luft, der Zimmerluft entnommen, gelangte durch ein Wattefilter in die Trocken- apparate; die trockene , kohlensaurefreie Luft ging vor den Trockenapparaten noch durch Kalilauge.

Die feuchte Luft trat aus dem Freien durch ein Watte- filter in eine Glasrohreiileitung und von hier nach Entfwnung der Trockenapparate in die Glocke ein; die Spannkraft des

Oberfiachenspannung des Quecksilbers. 51 1

Wasserdampfes in der Luft belief sich auf 8 mm Quecksilber bei der Temperatur loo; jedoch ist zu berucksichtigen dass sich in einem Trockengefasse an der Pumpe Phosphorsaure- anhydrid befand, welches wahrscheinlich wahrend der Beobach- tungen trotz der langen Rohrenleitung die Luft theilweise oder vielleicht ganz ihres WassergehaJtes beraubte.

Die Kohlensaure wurde aus Natriumbicarbonat durch ver- diinnte Schwefelsaure freigemacht, in einem Gasometer auf- gefangen und vor dem Gebrauche zweimal durch concentrirte Losung von Kaliumpermanganat geleitet.

Der Sauerstoff entstand beim Eintropfen von Wasserstoff- superoxyd in eine LGsung von 1Kaliumpermanganat in einem grossen Kolben und gelangte durch Kalilauge in ein Gaso- meter. Vor dem Gebrauche leitet man denselben durch ein gluhendes Glasrohr , wobei sich etwa vorhandenes Ozon zer- setzte, alsdann zweimal durch Kalilauge.

Der Stickstoff wurde durch gelindes Erwarmen von Kalium- nitrit Ammoniumchlorid Kaliumbichromat und Wasser her- gestellt und durch angesauerte Eisenvitriollosung in ein Gaso- meter geleitet. Vor Eintritt in die Trockenapparate ging sein Weg nochmals durch angesauerte Eisenvitriollosung und zwei- ma1 durch alkalische LBaung von Pyrogallol.

8 9. Messungen und Resultate.

Vor Beginn der Beobachtungen wurde durch die Trocken- mittel wahrend einer Stunde mit der an der Quecksilberluft- pumpe befindlichen Wasserluftpumpe ein Strom des zu be- nutzenden Bases unterhalten die Glocke dann viermal ab- wechselnd mit der Quecksilberluftpumpe vollkommen evacuirt, hierauf wieder gefullt und erst mit der vierten Fiillung kamen Messungen zur Ausfiihrung.

Die angewandte Methode bot den Vortheil jedesmal vor der Herstellung eines Tropfens die Quecksilberoberflache durch Ueberfliessen von Quecksilber uber den Rand der Tropfen- platte reinigen und auf diese Weise durch rasches Vorgehen Messungen an frischen Oberflaohen vornehmen zu konnen. An demselben Tropfen wurden die Ablesungen im allgemeinen yon funf zu fiinf Minuten wiederholt und wahrend einer Stunde

512 J . Stockle.

fortgesetzt, nachdem jeweils vorher untersucht, war, ob die Grosse des Spiegelbildes seinen kleinsten Werth hatte.

Die Ergebnisse sind in der Tabelle I zusammengestellt. Die Verticalreihe 1 giebt an das Medium in der Glocke, 2 den Druck in derselben, 3 die bei der Messung herrschende Tem- peratur, 4 den Werth der Oberflachenspannung unmittelbar nach Herstellung eines Tropfens (Anfangswerth), 5 den Werth der Oberflachenspannung eine Stunde nach Herstellung des Tropfens (Endwerth).

T a b e l l e I.

1

Vacuum Wasserstoff Wasserstoff u. trockene Luft

Trockene Luft

Trock., kohlen- siiurefr. Luft

17

Feuchte Luft Kohlensaure

Sauerstoff

Stickstoff 9 )

1 7

2 _ _ ~ _ _ ___

1,0004-0,0010 mm Barometerdruck

7 9

30 mm Barometerdruck

7,

3 ,

30 mm Barometerdruck

10 mm

4

44,4 mgjmm 47,9

_____ -____

48,4

48,s

48,8

48,4 49,4 49,O

48,7 48,4 49,8 49,9

5

44,4 mgjmm 44,2

44,7

43,7

44,5

44,5 43,7 44,4

44,O 44,O 44,6 44,6

~- . ~- . -

Zur Ausfuhrung der Messungen im Vacuum wurde die Glocke bis auf 0,0004 mm Druck ausgepumpt; derselbe stieg jedoch in kurzer Zeit bis auf ungefahr 0,0010 mm. Die gleiche Operation wiederholte man, so oft die Messungen in einem Gase erledigt waren. Dabei ergab sich immer der namliche Werth der Oberflachenspannung, gleichgultig mit welchem Gase auch die Glocke vorher gefiillt war, ein Kennzeichen fur die Unveranderlichkeit des Apparates.

Es moge ein Beispiel fur die Messung und Berechnung der Oberflachenspannung des Quecksilbers im Vacuum folgen. Fur die gemessenen und berechneten Grijssen sind die auf p. 508 eingefuhrten Bezeichnungen gebraucht , wobei der

OherfEiichenspannunjT des Quecksilbers. 513

Index 1 auf das kleinere, der Index 2 auf das grossere Object zu beziehen ist. Die Glocke war vor dem Auspumpen mit Luft gefullt, die Temperatur betrug 15O.

91 Pa

Zeit seit Herstellung des Tropfens = 5 8ec (geschiitzt).

Die Ablesungen wurden wabrend 50 Min. von 5 zu 5 M h . wiederholt ; die Grossen der Spiegelbilder blieben unverandert.

a = - 1,5 mm

34,9 Scth. = 2,110 mm. 59,6 Scth. = 3,603 mm.

' z1 = 2,4 mm z, = 2,3 mm y1 = 0,4238' r, = 0,1240' x1 = 1,026 mm z1 = 1,753 mm X - = 4,2630 Xl

X -- = 2,4941 21

y, = 6,726' p, = 25,28 6, = 9,108 mm Tl = 44,48 mg/mm

y , = 12,451 ' p, = 25,50 6, = 9,128 mm T, = 44,31 mg/mm

Mittel aus b , und 6,: b = 9,118 mm

T = 44.4 mg/mm . = 25,39

I m Laufe der ganzen Untersuchung wurden an 67 Queck- silbertropfen im Vacuum Spiegelbilder gemessen ; das Mittel aus sammtlichen Messungen ergiebt die Oberflachenspannung

T = 44,4 mg/mm.

Die Differenz zwischen dem grijssten und kleinsten Werthe derselben betrggt 0,62 mg/mm.

Die ersten Tropfen unmittelbar nach dem Auspumpen der Glocke hatten durchweg eine urn rund 1),5 mg/mm hohere Oberflachenspannung als 44,4 mg/mm , welche jedoch schnell gegen den im Vacuum herrschenden Werth abnahm. Liess man jedoch zuerst vie1 Quecksilber uber den Rand der Tropfen- platte fliessen und bildete den 'L'ropfen aus frischem Queck- silber aus dem Innern der Quec,ksilbermasse, so erhielt man

Ann. d. Phys. u. Chcm. N. F. 66. 33

514 J. Stiickle.

sofort eine Oberflachenspannung von rund 44,4 mg/mm und von einer Abnahme machte sich jetzt selbst wahrend 2’1, Stunden nichts mehr Isemerklich.

Bemnach ist die Oberflachenspannung des Quecksilbers im Yuczium als constant zu bezeichnen.

Wesentlich anders verhalt sie sich in Gasen: Der un- mittelbar nach Herstellung des Tropfens beobachtete Werth liegt in allen verwendeten Gasen bedeutend hoher als im Vacuum und nimmt nicht unbetrachtlich mit der Zeit ab. Diese Abnahme tritt besonders rasch in den ersten Secunden nach der Entstehung der Oberflache ein; daher ist der zuerst an einem Tropfen beobachtete Werth ein Zufallswerth, ab- hangig von der Geschwindigkeit, mit welcher die Messung vor- genommen wird. Im weiteren Verlaufe geht die Abnahme immer langsamer vor sich bis die Oberflachenspannung nach ungefiihr 3/4 Stunden einen constant bleibenden, in der Nahe des Vacuumwerthes liegenden Endwerth erreicht. Der zeit- liche Verlauf der Oberflachenspannung ist durch Curven ver- anschaulicht (Taf. V), deren Abscissen die Minuten seit Her- steIlung des Tropfens, deren Ordinaten die zu diesen Zeiten gehorigen Werthe der Oberflachenspannung sind. Die Abscisse 0 ist die Zeit der ersten Ablesung, die zugehorige Oberflachen- spannung der zuerst an eineln Tropfen beobachtete Werth dieser Grosse. Daher sind die Curven zwischen den Abscissen 0 und 5 nur angedeutet.

Besonders schnell erfolgt die Abnahme der Oberflachen- spannung in Wasserstoff wahrend der ersten Secunden: Die Spiegelbilder vergrossern sich zusehends wahrend der Mes- snngen, sodass es schwer ist, an verschiedenen Tropfen uber- einstimmende Ablesungen zu erhalten. An I 3 Quecksilber- tropfen wurde der Verlauf der 0 berflaehenspannung in Wasserstoff bei rund 760 mm Druck verfolgt; daraus geht der hochste gemessene Anfangswerth von 47,9 mg/mm, der Endwerth von 44,2 mg/mm hervor. An 17 Tropfen beobachtete man Anfangs- werthe bei Drucken yon 11 bis 30 m m ; diese Messungen liefern den Werth 45,O mg/nim.

Geringe Beimengungen von Luft zum Wasserstoffe beein- flussten die Oberfliichenspannung nicht wesentlich. Man liess in die evacuirte Glocke trockene Luft eintreten, his der Druck

OberfEichenspannuny des Quecksilbers. 515

auf 5 mm gestiegen war und fullte den Rest bis Barometer- druck mit Wasserstoff. Die beobachteten und berechneten Werthe stimmen mit den entsprechenden in reinem Wasser- stoffe merklich uberein.

Weniger schnell als in Wasserstoff nimmt die Oberflachen- spannung in Luft ab. Messungen wurden vorgenommen in trockener bohlensaurehaltiger, in trockener kohlensaurefreier und in feuchter Luft; in dieser erst nach Erledigung sammt- Iicher Gase und Entfernung der Trockenapparate, urn die Tropfenplatte nicht durch etwitiges Rosten zu den Messungen in anderen Gasen unbrauchbar zu machen.

Die Messungen bei rund ?GO mm Druck ergaben im Mittel an

den Anfangswerth den Endwerth 9 Tropfen in trockener kohlenseure-

6 Tropfen in trockener kohlensiiure- haltiger Luft 48,5 mg/mrn 43,7 mg / mm

freier Luft 4818 1 7 4415 11

5 Tropfen in feuchter Luft 4914 11 43,7 11

Die Differenzen in den Anfangs- und Endwerthen diirften auf unvermeidliche Beobachtungsfehler, in den Anfangswerthen iiberdies noch dsrauf zuriickxufuhren sein, dass die Messungen mit verschiedener Geschwindigkeit ausgefuhrt wurden.

Bei einem Drucke von ungefiihr 6mm war der Anfangs- werth in trockener kohlensaurefreier Luft 45,6 mg/mm, bei 30 mm stimmten Anfangs- und Eadwerth mit demjenigen bei 760 mm wesentlich uberein.

Aehnlich wie in Luft verhalt sich die Oberflachenspan- nung des Quecksilbers in Sauersioff sowohl hinsichtlich der Geschwindigkeit der Abnahme wie der Anfangs- und End- werthe, fur welche sich bei 760 mm Druck 48,7mg/mm und 44,O mg/mm, bei 30mm 48,4 mg/mm und 44,O mg/mm er- gaben, wahrend bei 10 mm Druck der Anfangswerth 44,6mg/mm gemessen wurde.

Bedeutend langsamer als in h f t nimmt die Oberflachen- spannung in Kohlensaure ab von 49,O mg/mm auf 44,4 n%/mm.

Gsnz auffallend langsam aber erfolgt die Abnahme selbst wahrend der ersten Secunden in Stickstoff. Hier ist die Ober- fiachenspannung auch durchweg grosser als in anderen Gasen

33 *

51 6 J. Stockle.

und zwar betragt der Anfangswerth und der Endwerth 49,8 und 44,6 mg/mm bei 760 mm, 49,9 und 44,6 mg/rnm bei 10 mm Druck; bei 2 mm ist der Anfangswerth 45,O mg/mm.

Wegen der langsamen Abnahme wurde der Verlauf der Oberflachenspannung in Stickstoff wahrend 2 Std. beob- achtet; der Endwerth war jedoch schon nach 50Min. erreicht.

10. Erklarung der beobachteten Eracheinungen.

Die Abnahme der Oberflachenspannung des Quecksilbers in Gasen bis zu einem in der Nahe des Vacuumwerthes liegen- den Endwerthe konnte zu der Ansicht fiihren, dass sich ein fremder Korper , etwa Fettdampf, auf der Metalloberflache niederschlagt und zwar im Vacuum sehr schnell, in den Qasen langsamer. Da aber die Objectplatte nicht mit Fett auf den Glockenrand aufgesetzt , sondern mit Hausenblasenleim auf- gekittet war, so konnen Fettdampfe nur aus der Zuni Schmieren der Hahne benutzten Mischung von Wachs und Vaseline her- riihren. Dabei ist zu beachten, dass der Hahn, welcher der Glocke am nbhsten lag und zum Einlassen der Gase diente, von derselben durch eine rund 1,5 m lange Rohrleitung ge- trennt war. Die von dem Gemisch von Wachs und Vaseline moglicherweise abgegebenen Dampfe, sei es, dass diese Korper selbst gasfbrmig werden, sei es , da.ss sie Kohlenwasserstoffe aushauchen, besitzen bei den niedrigen Temperaturen, welche 10-20 O unter der Schmelztemperatur liegen, wohl eine ge- ringe Spannkraft.

Zur Erklarung der beobachteten Thatsachen miisste man annehmen, dass bei dieser geringen Spannkraft die Wirkung des Fettdampfes auf die Tropfenoberflache im Vacuum ausser- ordentlich rasch erfolge; denn nach Neubildung eines Tropfens wurde niemals eine Abnahme der Oberflachenspannung be- merkt, welche der Beobachtung nicht entgangen ware, wenn die zur Erreichung des Endwerthes nijthige Zeit auch nur 15 sec betragen hatte. Dasselbe gilt fur die Dampfe, welche etwa aus den Hausenblasekittungen herstammten ; doch er- scheint es nicht wahrscheinlich, ?ass dieser nach dem Trocknen hark Stoff verdampft oder Dampfe aushaucht.

Bei einer ausserordentlich rasch erfolgenden Verdichtung von Pettdampf auf der Quecksilberoberflac,he sollten ferner

Oberfiachenspannuny des Quecksilbers. 517

die Tropfen, gebildet aus der Quecksilbermasse, welche wahrend des Auspumpens in der Nahe der Oberflache war, den End- werth liefern, wahrend gerade die ersten Tropfen eine etwas hahere Spannung besassen als diejenigen, welche aus dem Innern des Metalles stammten.

Lasst man in die evacuirte Glocke z. B. Luft bis zu einem Drucke von 30 mm eintreten, so ware zu erwarten, dass der mit dem Gase aus dem Hahn fortgefuhrte Fettdampf die Oberflachenspannung sofort auf den Endwerth bringt; aber die 0 berflachenspannung zeigt unter diesen Verhaltnissen den- selben Anfangswerth wie unter '760 mm Druck.

Ferner ist gegen die Annahme, dass ein Niederschlag yon Fettdampf die Abnahme der Oberflachenspannung ver- ursacht, die Thatsache anzufuhren, dass diese Abnahme auch in der freien Atmosphare bemerkt wurde'), wo weder Fett noch Hausenblaseleim in der Nahe waren.

Um endlich mijglichst direct die Unmoglichkeit dieser Erklarungsweise zu zeigen, wurde der ganze Apparat aus- einander genommen und nach sorgfaltiger Reinigung wieder zusammengesetzt mit folgenden Aenderungen gegen die fruhere Zusammenstellung: Die Glocke war nicht mehr in Verbin- dung mit der Quecksilberlupftpumpe und dem Hahn , welcher bisher zum Einlassen der Gase tliente, Fettdampf konnte also nicht zugegen sein; die Glasrohren L und N sassen ohne jedes Kittmittel in den zwei seitlichen Tubulis der Glocke, ebenso lag die ebene Objectplatte nur lose und ohne Kittmittel auf dem abgeschliffenen Glockenrande. Bei dieser Anordnung des Apparates wurden Messungen in feuchter Luft , in trockener Luft und in trockenem Wasserstoffe ausgefiihrt ; die beiden letzteren Gase traten durch eine Waschflasche mit Schwefel- saure in die Glocke ein. Da diese nicht gasdicht geschlossen war, so wurde wahrend der Beobachtungen in Wasserstoff fortgesetzt ein Wasserstoffstrom durch L in die Glocke hinein- und durch N aus derselben herausgeleitet.

Auch jetzt trat wie friiher die Abnahme der Oberflachen- spannung des Quecksilbers ein und zwar in feuchter und

1) G. Quincke , Pogg. Ann.105. p. 1. 1858; Wied. Ann. 62. p. 20. 1894; S i e g , 1naug.-Diss. Berlin 1887.

518 J . StockEe.

trockener Luft von 48,3 auf 44,l mg/mm, in Wasserstoff un- mittelbar nach Herstellung des Tropfens wieder ausserordent- lich rasch von 46,9 auf 44,2 mg/mm. Demnach stimmen die Beobachtungen mit der zweiten Anordnung des Apparates, bei welcher sicher kein Fettdampf zugegen war, innerhalb der Beobachtungsfehler mit den fruheren uberein, bei welchen sich in der Glocke moglichen Falls Fettdampf befunden haben kann. Dieser kann daher die Abnahme der Oberflachen- spannung nicht verursachen , die Erklarung der beobachteten Erscheinungen durch eine Wirkung van Fettdampf auf die Tropfenoberflache ist also unm8glich.

Dagegen lasst sich die Verminderung der Oberflachen- spannung einer Verdichtung von Gas auf der Quecksilber- oberflache zuschreiben. Die Zulassigkeit dieser Erklarung folgt aus der thermodynamischen Theorie der Capillaritat von van d e r W a a l s , welcher gezeigt hat, dass die Oberflachenspan- nung zwischen einer festen Wand und einem Gase abnimmt, wenn Gas sich auf der festen Wand verdichtet.') Fur die Annahme einer solchen Verdichtung sprechen folgende Griinde.

Die Oberflachenspannung nimmt in allen Gasen ab auch in den chemisch neutralen, im Vacuum dagegen ist sie constant. In Wasserstoff ferner geht die Verminderung am raschesten vor sich, wahrend bekannt ist, dass am heftigsten Wasserstoff auf Metalloberflachen verdichtet wird. Endlich steht die Zeit- dauer, in aelcher sich die Abnahme vollzieht, nicht im Wider- spruche mit anderweitigen Beobachtungen uber die Adsorption von Gasen auf Metallen. So ist nach Hrn. K a y s e r die Ad- sorption von Kohlensaure, schwefliger Saure, Ammoniak auf Glasflachen , Glaspulver , Messingspahnen , Eisenspahnen nach - 1 Stunde ,,sicher schon fast vollstandig beendigtiL2), in

ungefahr s/4 Stunden hat aber auch die Abnahme der Ober- flachenspannung ihr Ende erreicht.

Diese Hypothese giebt allerdings vorlaufig keine Auf- kliirung dariiber, warum in allen Gasen nahezu derselbe End- werth wie im Vacuum beobachtet wird.

1) J. D. van der Waals, Zeitschr. f.physik. Chem. 13. p. 682. 1894. 2) H. K a y s e r , Wied. Ann. 16. p. 624. 1882.

OberfEiichenspannuny des Quecksilbers, 519

Vermoge der zeitlichen Abnahme der Oberflachenspannung sind die als Anfangswerthe bezeichneten Grossen kleiner als diejenigen, welche unmittelbar nach erfolgter Beriihrung von Quecksilber und Gas stattfinden. Da in Wasserstoff die Ab- nahme sehr rasch erfolgt, langsam dagegen in Kohlensaure und Stickstoff, so ist anzunehmen, dass der Werth der Ober- flachenspannung im Augenblicke des Entstehens der Tropfen- oberflache den Anfangswerth bedeutend ubertrifft in Wasser- stoff, wenig jedoch nur in Kohlensaure und Stickstoff.

Es ist ferner erklarlich, warum im Vacuum die Tropfen, gebildet aus Quecksilber , welches wahrend des Auspumpens in der Nahe dcr Oberflache war, eine grossere Spannung zeigen als 44,4 mg/mm mit nachfolgender Abnahme auf diesen Wertb. Wihrend des Auspumpens wird durch die ansteigende Fliissig- keit Gas zwischen diese und die Glaswand eingeklemmt, welches beim Hervorpressen des Quecksilbers als diinne Gashaut an die Oberflache gelangt und dort die Spannung urn rund 0,5 mg/mm erhoht. Alsbald verfliichtigt es sich jedoch in die Glocke, worauf der Werth 44,4 mg/mm zur Geltung kommt. Diese Loslosung von Gas macht sich am Manometer bemerk- lich, nach welchem der Druck wahrend des Auspressens des Quecksilbers von 0,0004 mm auf 0,0010 mm steigt. Durch Ueberfliessen einer grosseren Quecksilbermenge iiber den Rand der Tropfenplatte wird die Luft aus der Rohre entfernt; des- halb tritt nunmehr an jedem Tropfen sofort die im Vacuum herrschende Oberflachenspannung auf.

Die Oberflachenspannung des Quecksilbers ist wiederholt in Luft , insbesondere auch in der freien, Wasserdampf hal- tenden Atmosphare beobachtet. Wenn man sich der Hypo- these von der Verdichtung der Gase auf der Quecksilberober- flache anschliessen will, so sollte man erwarten, dass sich nach einiger Zeit auch Wasserdampf auf dem Metalle verdichtet, der kleinste Werth der Oberflachenspannung also derjenige zwischen Quecksilber und Wasser ist, welcher nach Hrn. Quinckel ) 42,58 mg/rnm betragt. Unter dem Einflusse dieses condensirten Wasserdampfes und des atmospharischen Sauer- stoffs bildet sich an der Oberflache Quecksilbersalz , welches

1) G. Quincke , Pogg. Ann. 139. p. 22. 1870.

520 PJ. Stockle.

bekanntlich eine weitgehende Verminderung der Oberflachen- spannung hervorruft.') Von dieseni Gesichtspunkte aus be- trachtet ist es wohl erklarlich, dass Oberflachen, welche ausser- gewohnlich lange bestanden, Spannungen unter 42,58 mg/mm aufwiesen, wofur das Resultat von B a s h f o r t h und A d a m s von 34 mg/mm ein Beispiel ist.

Die Messungen von Po i s son und L a p l a c e von 44,21 und 44,05 mg/mm, sowie das Resultat des Hrn. G. Meyer2) von 43,67 mg/mm stimmen mit dem Endwerthe von 43," mg/mm, wie er durch vorliegende Arbeit fur Luft ermittelt ist, nahezu bez. vollstandig iiberein, sie sind deshalb auf Oberflachen zu beziehen, an welchen die Verdichtung von Luft schon beendigt ist. Dagegen entsprechen die Ergebnisse der Herren L e n a r d , S i eg , C a n t o r , Magie , S i eden topf Zustanden der Queck- silberoberflachen, in welchen die Verdichtung von Luft scLon oingetreten, aber noch nicht vollendet ist.

Der hochste wahrend dieser Untersuchungen beobachtete Werth in der Luft betragt 49,4 mg/mm, welcher aber infolge der Abnahmen immer noch kleiner ist als die bei der ersten Reriihrung von Quecksilber und Luft geltende Ober Aachen- spannung. Dafiir sprechen die Messungen des Hrn. P i c c a r d , welcher die Oberflachenspannung aus Beobachtungen an schwingenden Strahlen ermittelt. Da hierbei die Oberflache fortwahrencl erneuert wird, so ist auf derselben keine oder hijchstens sehr wenig Luft verdichtet. Die Oberflachenspan- nung ist nach dieser Methode zu 50 mg/mm gefunden.

Die Messungen iles Hrn. Quincke3) endlich, welcher zuerst die Abnahme der Oberflachenspannung bemerkte, ergaben den Werth 55,78 mg/mm und werden nach der aufgestellten Hypo- these auf Quecksilberoberflachen zu beziehen sein, an welchen noch gar keine oder doch nur ausserst geringe Verdichtung von Luft stattgefunden hat.

Eine Zusammenstellung giebt eine Uebersicht iiber einige Werthe der Oberflachenspannung des Quecksilbers in Luft.

1) E. Warburg, Wied. Ann. 38. p. 336. 1889. 2) Vgl. p. 521, Anm. 2. 3) G. Quincke, Pogg. Ann. 105. p. 1. 1858.

Oberfluchenspannuny des Quecksilbers. 521

1883 Rashforth ' ) 34,OO mg/mm 1892 Cantor ' ) 45,89 mg/rnm

1845 Laplace3) 44,05 ,, 1887 L e n a r d g ) 47,lO ,, 1831 Poisson4) 44,21 ,, 1890 Piccardlo) 50,OO ,, 1897 S i e d e n t o p f 5, 45,40 ,, 1894 Quincke") 55,78 ,,

1895 G. Meyera) 43,68 ,, 1892 Siega) 46944 ,,

1885 MagieB) 45982 9 ,

8 11. Sch1ussergebni:s.

Das Resultat dieser ganzen Untersuchung kann man folgendermaassen zusammenfassen:

1. Die Oberfachenspannung ides Quecksilbers ist in Vacuum, in Quecksilberdampf, constant und betragt 444 mglmm.

2. I n Gasen ist dieselbe an frischen Oberflachen grosser als im Vacuum, ease haben also einen Einfluss a u f die Oberflachen- spannung.

3. Nit der Zeit nimmt die Oberflachenspannung des Queck- silbers in Gasen his zu einem in der Nuhe dcs Yacuumwerthes lieyenden Endwerthe a6 und zwar sehr rasch in. vasserstoff, langsam in Stickstoff.

4. Biese Abnahme ist durch eine Verdichtung von Pettdampf auf' der Metalloberfluche nicht t u erklaren.

5. Bayegen ist dieselbe einer Verdichtung von Gas auf der QuecksiEberoberflache ruzuschreiben.

Vorliegende Arbeit wurde a i f Veraiilassung des Hrn. Prof. Dr. G. M e y e r unternommen und unter seiner Leitung aus-

1) B a s h f o r t h and Adarns, An attempt to test the theories of

2) Th. L o h n s t e i n , Wied. Ann. 64. p. 722. 1895. 3) L a p l a c e , MBc. cC1. 4. p. 538. Paris 1845. 4) P o i s s o n , Nouv. ThBor. d. l'action capillaire. p. 319. 1831. 5) H. S i e d e n t o p f . Wied. Ann. 61. p. 252. 1897. 6) W. F. Magie , Wied. Ann. 25. p. 428. 1885. 7) M. C a n t o r , Wied. Ann. 47. p. 415. 1892. 8) S i e g , Diss. Berlin 1887. 9) P. L e n a r d , Wied. Ann. 30. p. 238. 1887.

10) J. P i c c a r d , Arch. sc. phys. 24. p. 579. 1890. 11) G. Q u i n c k e , Wied. Ann. 52. p. 19. 1694.

capillary action. p. 73-80. Cambridge 1883.

522 J. Stochle. Oberfiachenspannung des Quecksilbers.

gefiihrt. Fiir die vielfache, gutige Unterstiitzung, die mir mein hochverehrter Lehrer hierbei durch Rath und That zu Theil werden liess, fuhle ich mich ihm zu aufrichtigstem Danke ver- pflichtet. Grossen Dank schulde ich auch dem Director des hiesigen Institutes, Hrn. Prof. Dr. .I?. Hims ted t , fur sein liebenswurdiges Entgegenkommen und die Gii-te , mit welcher er mir die nijthigen Apparate in bereitwilligster Weise zur Verfiigung stellte.

F r e i b u r g i/B., Phys. Inst. der Univ., Aug. 1898. (Eingegangen 15. August 1898.)