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Arch. exper. Path. und Pharmakol., Bd. 214, S. 147--151 (1952). Aus der Universit/its-Frauenklinik Mfinster/Westf. (Direktor : Prof. Dr. W. BICKEI~BACtt). ~dber die Verwendung yon M/iusen zur Priifung pyretischer und antipyretischer Substanzeno Von O. NACKE. Mit 5 Textabbildungen. (Eingegangen am 4. August 1951.) Die Ergebnisse der Priifung pyretischer und antipyretischer Sub- stanzen weichen infolge der unterschiedlichen Re~ktion der einzelnen Tiere auf das zu prfifende Pharmakon erheblich voneinander ab. Genauere Bestimmungen sind daher nur aus Mittelwerten grSBerer Versuchsreihen zu erhalten. Von mir wurdo ein Verfahren fiir grol~e Test- serien mit M/~usen ausgearbeitet*. Die Methode stellt eine Weiterentwicklung der Versuchsanordnung yon HEUB~CS~R 1 dar. Dieser hielt M~use im ,,W~rmekasten" und mal~ nach einer Ge- wShnungszeit yon 6 Tagen die Temperatur der Tiere mit Quecksilberthermometern. BUSCHKE und OLLENDORF 2 stellten weitere Versuche mit MAusen an. Sie benutzten ebenfalls Quecksilberthermometer, hielten die Tiere aber nicht bei konstanter Aul~entemperatur. Bei der Anwendung jener Methoden ergaben sich mir Sehwierigkeiten. Ich ver- fuhr daher folgendermal3en: Die M/~use wurden in einem Thermostaten gehalten, da nach den Feststellungen yon I-IEUBNER 1 die Miiuse in bezug auf die H6he und Konstanz ihrer K5rpertemperatur sehr stark yon der AuBentemperatur abh/~ngig sind. Die hSchste Konstanz der K6rpertemperatur erhielt ieh bei einer AuBen- temperatur yon 22 ° C. Der Thermostat war 90 em breit, 70 cm hoch'und 50 cm tief. Er hatte an seiner Vorderwand ein Einblickfenster und zwei Handeingriffe mit Manschetten, so dab alle Arbeiten, wie Spritzen und Messen im Kasten selbst durch- geffihrt werden konnten. Die Frischluft wurde yon einem Gebl/~se fiber I-Ieizwider- st~tnde, die am Boden angebracht waren, in den Kasten befSrdert. Durch die hier- durch erzielte starke Luftbewegung liel] sieh im Thermostaten eine Temperatur- konstanz yon -- 0,1 ° C erzielen. Die I-Ieizwiderst/~nde wurden mit einem Kontakt- thermometer fiber ein Relais geregelt. Quecksilber- und elektrische Widerstandsthermometer** sind wegen der langen Einstellzeit ungeeignet, da die Rektaltemperatur der M/iuse nach eigenen Beob- achtungen durch die heftigen Abwehrbewegungen w/~hrend der Messungen in 1 min bis zu 1,5 ° C ansteigt, wie es auch yon BIERENS DE I-IAAN a angegeben worden ist. * Aus gul3eren Griinden konnte dieser methodische Toil einer Arbeitsreihe, deren Ergebnisse schon im Band 207 (1949) dieses Archives ver6ffentlicht wurden, erst jetzt fertiggestellt werden. ** tterrn Prof. HASE yon der Technischen Hochschule Hannover sei hier nochmals ffir die Anfertigung yon Widerstandsthermometern ffir Mguse und fiir die Unterstfitzung meiner Arbeit besonders gedankt.

Über die Verwendung von Mäusen zur Prüfung pyretischer und antipyretischer Substanzen

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Page 1: Über die Verwendung von Mäusen zur Prüfung pyretischer und antipyretischer Substanzen

Arch. exper. Path. und Pharmakol., Bd. 214, S. 147--151 (1952).

Aus der Universit/its-Frauenklinik Mfinster/Westf. (Direktor : Prof. Dr. W. BICKEI~BACtt).

~dber die Verwendung yon M/iusen zur Priifung pyretischer und antipyretischer Substanzeno

Von O. NACKE.

Mit 5 Textabbildungen.

(Eingegangen am 4. August 1951.)

Die E rgebn i s s e der P r i i f ung p y r e t i s c h e r u n d a n t i p y r e t i s c h e r Sub-

s t a n z e n w e i c h e n info lge de r u n t e r s c h i e d l i c h e n R e ~ k t i o n der e inze lnen

T ie r e a u f das zu pr f i fende P h a r m a k o n e rheb l i ch v o n e i n a n d e r ab .

G e n a u e r e B e s t i m m u n g e n s ind d a h e r n u r aus M i t t e l w e r t e n grSBerer

V e r s u c h s r e i h e n zu e rha l t en . V o n m i r w u r d o ein V e r f a h r e n fi ir grol~e Tes t -

ser ien m i t M/~usen ausgea rbe i t e t* .

Die Methode stellt eine Weiterentwicklung der Versuchsanordnung yon HEUB~CS~R 1 dar. Dieser hielt M~use im ,,W~rmekasten" und mal~ nach einer Ge- wShnungszeit yon 6 Tagen die Temperatur der Tiere mit Quecksilberthermometern. BUSCHKE und OLLENDORF 2 stellten weitere Versuche mit MAusen an. Sie benutzten ebenfalls Quecksilberthermometer, hielten die Tiere aber nicht bei konstanter Aul~entemperatur.

Bei der Anwendung jener Methoden ergaben sich mir Sehwierigkeiten. Ich ver- fuhr daher folgendermal3en: Die M/~use wurden in einem Thermostaten gehalten, da nach den Feststellungen yon I-IEUBNER 1 die Miiuse in bezug auf die H6he und Konstanz ihrer K5rpertemperatur sehr stark yon der AuBentemperatur abh/~ngig sind. Die hSchste Konstanz der K6rpertemperatur erhielt ieh bei einer AuBen- temperatur yon 22 ° C. Der Thermostat war 90 em breit, 70 cm hoch'und 50 cm tief. Er hatte an seiner Vorderwand ein Einblickfenster und zwei Handeingriffe mit Manschetten, so dab alle Arbeiten, wie Spritzen und Messen im Kasten selbst durch- geffihrt werden konnten. Die Frischluft wurde yon einem Gebl/~se fiber I-Ieizwider- st~tnde, die am Boden angebracht waren, in den Kasten befSrdert. Durch die hier- durch erzielte starke Luftbewegung liel] sieh im Thermostaten eine Temperatur- konstanz yon - - 0,1 ° C erzielen. Die I-Ieizwiderst/~nde wurden mit einem Kontakt- thermometer fiber ein Relais geregelt.

Quecksilber- und elektrische Widerstandsthermometer** sind wegen der langen Einstellzeit ungeeignet, da die Rektaltemperatur der M/iuse nach eigenen Beob- achtungen durch die heftigen Abwehrbewegungen w/~hrend der Messungen in 1 min bis zu 1,5 ° C ansteigt, wie es auch yon BIERENS DE I-IAAN a angegeben worden ist.

* Aus gul3eren Griinden konnte dieser methodische Toil einer Arbeitsreihe, deren Ergebnisse schon im Band 207 (1949) dieses Archives ver6ffentlicht wurden, erst jetzt fertiggestellt werden.

** t terrn Prof. HASE yon der Technischen Hochschule Hannover sei hier nochmals ffir die Anfertigung yon Widerstandsthermometern ffir Mguse und fiir die Unterstfitzung meiner Arbeit besonders gedankt.

Page 2: Über die Verwendung von Mäusen zur Prüfung pyretischer und antipyretischer Substanzen

148 O. NAcK~:

Ich verwendete Kupfer-Konstantan-Thermoelemente. Die MeBl6tstelle wurde aus 0,05 mm diinnen Dri~hten hergestellt, um eine Schnelleinstellung zu erreichen. Diese diinnen Dr~hte 16tete ich in einer Lange von 20 mm an solche von 0,5 mm Durchmesser. um nicht durch den gro$en Widerstand der dfinnen Dr~hte eine zu geringe Spannung am MeBinstrument zu erhalten. Die MeB15tstelle wurde in eine 15 mm lange und 1,3 mm im Querschnitt messende Kaniile weich eingelStet. Diese Kanfile wurde mit Bleiglatte und Gly- zerin in ein Glasrohr, das als Griff ~ - ) \ ] ~_ ,~ diente, eingekittet. Die Ffillung des Glasrohres erfolgte mit Picein (siehe Abb. l). AIs Me, ins t rument verwende- /0~0~ te ich ein Spiegelgalvanometer mit einem innerenWiders tand von 17 Ohm.

0

2

6

8

I0 c m

Picein

Glosrohr

Konstantan Kupfer

V2A Kan~Jle

L6tstelle

Abb. I. Temperatt~fgtder mit The~o- element zur rektalen Temperaturmes-

sung bei M~iusen.

0 "

2

6

8

I0

72

jz.

~6

18

20 cm

Abb. 2. _~thersiedeger~tt zur Erzeugung einer konstanten Bezugstemperatur fiir die ,,kalte LStstelle" des Thermoelementes.

Da der Widerstand des Thermoelementes 7 Ohm betrug und die Thermo- spannung des Kupfer-Konstantan-Elementes 4 , l - F 1 0 -6 Volt/0,1 ° C betr~gt, floB bei einer Temperaturdifferenz yon 0,1 ° C gegeniiber der sogenannten ,,kalten L6tstelle" ein Strom yon 1,7× 10 - : . Dies ergib~ bei einer ]~mpfindlichkeit des Instrumentes yon 4 × 10 -s A/mm/m bei einer Lichtzeigerl~nge yon 1,7 m einen Aus- schlag yon 7,2 mm/0,1°C. Die Einstellzeit der MeBanordnung betrug etwa 0,7 sec, da der ~uBere Widerstand mit 7 Ohm gut an den aperiodischen Grenzwider- stand yon 9 Ohm angepa8t werden konnte. Der gesamte ~¢Iel3vorgang einer Maus nahm so nicht mehr als 10 see in Anspruch.

Page 3: Über die Verwendung von Mäusen zur Prüfung pyretischer und antipyretischer Substanzen

Priifung pyretischer und antipyretischer Substanzen an M~usen. 149

Als Bezugstemperatur fiir die sogenannte ,,kalte LStstelle" dien~e die Siedetemperatur des Methylathers yon 34,79 ° C bei 67 mm Hg. Das _~thersiedegef~B befand sich in einem Wasserbade, das durch Kontaktthermometer und Relais auf 50 ° C gehalten wurde. Der ~therdampf kondensierte in einem RiickfluBkiihler und lief yon dort wieder in das Gefi~{3 zuriiek (siehe Abb. 2).

Am geeignetsten fiir Temperaturuntersuchungen erwiesen sich m~nnliche weil3e M~use mit einem Mindestgewicht yon 20 g. Nach einer Akklimatisation yon etwa 3 Tagen wurde die Normaltemperatur der Tiere 3 Tage lang gemessen, und nur Mause mit guter Temperaturkonstanz in den Versuch genommen.

Aus den Einzelversuchen wurden die Mittelwerte errechnet u n d in K u r v e n dargestellt . Die Breite des dreifachen mi t t le ren Fehlers* markier te ich durch Schraffierung des Streuungsbereiches.

39 oc

38

37

36

35

I I I I I I I 1 I I I I

8 °0 9oo 10 o° 11 ° ° 12 °0 13 °0 IL, ° ° I5 °0 16 °0 17 °0 Ig ° ° 19 ° ° 2 0 o°h

Abb. 3. Fieberstich: Bei ~ Fieberstlch in ~.thernarkose mit Injektion yon 0,01 cm* Tetrahydroanaph- hylamin. ~Iittelwert yon 13 l~fiusen, Schraffierung gleich dreifachem mittleren Fehler.

Als typische Tempera tu r reak t ionen der Maus seien hier die Ergeb- nisse yon 3 Versuchsreihen angefiihrt.

1. Tempera turans t ieg nach Fieberst ich (siehe Abb. 3). Den Fieber- stich fiihrte ich mit einer Kanfile aus, die ich 3 m m kaudal yon der Verbindungsl inie zwischen beiden Ohren bis auf die Sch~delbasis ein- bohrte. In t razerebra le In j ek t ion yon Te~rahydrobe tanaph thy lamin ist d a n n angebracht , wenn ein besonders lang dauerndes Fieber gewiinscht wird.

* Standardabweichung ~ a Y i ( x i - m ) 2

i

a ~ Standardabweichung, n =- Umfang, Yi ~ H~ufigkeit, x l ~ Variante, m ~ arithmetiseher Mittelwert.

q

Dreifacher mittlerer Fehler: 3/m ~ :]: 3 I / n

:Nach RI~GLEB, F., Math. Methoden d. B i o l . - Teubner-Verlag, Berlin- Leipzig 1937.

Page 4: Über die Verwendung von Mäusen zur Prüfung pyretischer und antipyretischer Substanzen

150 O. NAcrE:

2. Temperaturanstieg nach Pyrifer (siehe Abb. 4 und 5). Nach 100 Einheiten Pyrifer pro 20 g Maus betrug die D~uer des Temperatur- anstieges vom Zeitpunkt der Injektion bis zum Abfall zur Normal- '°I oc

39

38

37

36

35

3,~ I I I I I I I I I I I

800 9oo i0oo 1100 1200 13 °0 I~ oo 16 °0 17 o° 18 °0 19 oo 20 ooh

Abb. 4. Mi t te lwcr t des Tempera tu rve r l au fc s yon 26 M~usen. Bei ~ In j ek t ion yon 100 E I 'yr i fer /20 g Maus in t raper i tonea l . Schraff ierung gleich d re i fachem mi t t l e ren Fchler.

oc

37

36

3~

33

i i i i i i i | i

2900 i0oo II o° 1200 13 °0 14 °0 15 °0 16 °0 17 °0 180oh

Abb. 5. T e m p e r a t u r s e n k u n g nach in t raper i to lmaler I n j e k t i o n yon Anoixol und Badional . Bei F iebers t ich m i t in t rezerebra le r In j ek t ion yon T e t r a h y d r o b e t a n a p h t h y l a m i n , bei .$ 0,6 m g Anoxiol in t rapevi toncal , bei ~ 0,025 g Badiona l in t raper i tonea l . Mi t t e lwer t yon 6 Miiusen. Schraff ierung

gloich d rc i fachcm mi t t l e ren Fehlcr.

temperatur in 3 Versuchsgruppen von je 6, 8 und 9 M/~usen 210, 207 und 195 rain. Die hSchste erreichte Temperatur lag in den 3 Gruppen 1,6 ° C, 1,4 ° C und 1,6 ° C fiber dem Ausgangswert.

Dieses Ergebnis zeigt die erhebliche Sicherheit des Temperzturanstieges nach 100 Einheiten Pyrifer bei M~usen. Die Ansicht y o n HUNDSHAGElq 4, der den

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Priifung pyretischer und antipyretischer Substanzen an Mi~usen. 151

Temperaturanstieg nach ,,hohen Dosen" yon Pyrifer bei )[~usen ffir ein sehr unzuverl~issiges Zeichen h~lt, konnte ich also nicht best~itigen. Interessieren dfirfte in diesem Zusammenhang, da] BUSCItKE und OLLE~DORF 2 M~use mit Spiroch~ita recurrens infizierten und anschlieBend mit 100 Einheiten 1)yrifer behandelten. Sie konnten bei den so vorbehandelten Tieren kein Pyriferfieber erzeugen.

Zusammenfassung.

Es wird eine Methode geschildert, die die Verwendung yon M~usen zur Unte r suchung pyretischer und ant ipyret ischer Subs tanzen erlaubt. Die hierdurch mSglichen grol~en Versuchsserien sichern eine erhebliche Genauigkeit des Ergebnisses. Die erforderliche Appara tu r wird be- schrieben und typische t~eaktionen der MiSuse auf pyretische und ant i- pyretische Subs tanzen aufgezeigt.

Literatur.

1 t t E V ~ E R : Arch. exper. Path. u. Pharmakol. 169,530 (1933). - - 2 :BUSCHKE u. OLLENDORF: Klin. Wschr. 10 II, 2087 (1931). - - 3 BIERE~S DE HAAS: Arch. Entw.

' mechan. 50, 1 (1922). - - 4 HV~-DSHAGEN: Z. Immunforschg 90, 295 (1937).

Dr. OTTO ~ACKE, (21a) Ehrsen, Post SchStmar/Lippe.