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XIX. Aus der II. medicinischen Klinik der KSniglichen Charit~ in Berlin. Ueber die Verwerthung von Carbonyldiharnstoff im Organismus des Menschen. Von Dr. Kurt Henius. Die Frage der Harnsi~urezerstSrung im Organismus des Menschen ist eine difficile. Sicherlich wird die als solche in den Organismus ein- gefiihrte Harns/iure im menschlichen Organismus nut im geringen Maasse verbrannt, w/ihrend die ZerstSrungsquote grSsser zu sein scheint, wenn man KSrper in den Organismus einfiihrt, die zu Harns/~ure abge- baut werden. Wenigstens miissen wir - - solange nicht andere Gegen- beweise existiren - - annehmen, dass zum Beispiel die in den Nuclein- s/iuren eingefiihrten Purinbasen zu etwa 50 pCt. verbrannt, der Rest als Harnst/ure ausgeschieden wird. Die geringen Mengen yon Allantoin, die man im Harne des Menschen finder, trotz reichlicher Nucleins/iurezer- stOrung, beweisen nichts gegen die Annahme der intermedi/iren Harns/iure- zerst5rung, da ja die MSglichkeit besteht, (lass der menschliehe Organismus die Harns~iure auf anderem Wege abbaut. Dafiir giebt es in vitro Analoga. So haben ScholzX), Schittenhelm und Wiener 2) versucht, Oxy- dafionsproducte der Harnsiiure ausserhalb des KSrpers in alkalischer LSsung herzustellen. Scholz land bei Einwirkung yon Wasserstoff- superoxyd auf Harnsaure in alkalischer LSsung des Tetracarbonimid: HN--C --> HN--C0--NH I I I I CO C-- NH CO CO I ]1 >oo I l HN-- C -- NH HN-- CO -- NH Sahittenholm und Wiener durch 0xydation der Harnsiiure unter langem Erhitzen in alkalisaber Lbsung mit Wasserstoffsuperoxyd den Carbonyldiharnstoff: HN-- C :---> H2N NH2 I 1 I l C0 C -- NH\, C0 C0 I II oo , , HN C-- NH / HN--C0--NH Als Nebenbefund wurde in einem Versuch Oxals/iure in reichlicher Menge festgestellt. Das hat uns nun, da normaliter keine derartige l) Soholz: Ueberein neues Oxydationsproduettier Harns~ure. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 1901. Jahrg. 34. Bd. 3. S. 4130. 2) S ch it t e n h e 1 m u. Wi en er, Carbonyldiharnstoff als Oxydationsproductder Harns~iure. Hoppe-Seyler's Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 62. H. 1. S. 100.

Ueber die Verwerthung von Carbonyldiharnstoff im Organismus des Menschen

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XIX.

Aus der II. m e d i c i n i s c h e n Klinik der KSn ig l i chen Char i t~ in Ber l in .

Ueber die Verwerthung von Carbonyldiharnstoff im Organismus des Menschen.

Von

Dr. K u r t H e n i u s .

Die Frage der Harnsi~urezerstSrung im Organismus des Menschen ist eine difficile. Sicherlich wird die als solche in den Organismus ein- gefiihrte Harns/iure im menschlichen Organismus nut im geringen Maasse verbrannt, w/ihrend die ZerstSrungsquote grSsser zu sein scheint, wenn man KSrper in den Organismus einfiihrt, die zu Harns/~ure abge- baut werden. Wenigstens miissen wir - - solange nicht andere Gegen- beweise existiren - - annehmen, dass zum Beispiel die in den Nuclein- s/iuren eingefiihrten Purinbasen zu etwa 50 pCt. verbrannt, der Rest als Harnst/ure ausgeschieden wird. Die geringen Mengen yon Allantoin, die man im Harne des Menschen finder, trotz reichlicher Nucleins/iurezer- stOrung, beweisen nichts gegen die Annahme der intermedi/iren Harns/iure- zerst5rung, da ja die MSglichkeit besteht, (lass der menschliehe Organismus die Harns~iure auf anderem Wege abbaut. Dafiir giebt es in vitro Analoga.

So haben ScholzX), Sch i t t enhe lm und Wiener 2) versucht, Oxy- dafionsproducte der Harnsiiure ausserhalb des KSrpers in alkalischer LSsung herzustellen. Scholz land bei Einwirkung yon Wasserstoff- superoxyd auf Harnsaure in alkalischer LSsung des Tetracarbonimid:

HN--C --> HN--C0- -NH I I I I CO C - - NH CO CO I ]1 >oo I l

HN-- C -- NH HN-- CO -- NH

Sahittenholm und Wiener durch 0xydation der Harnsiiure unter langem Erhitzen in alkalisaber Lbsung mit Wasserstoffsuperoxyd den Carbonyldiharnstoff:

HN-- C :---> H2N NH2

I 1 I l C0 C -- NH\, C0 C0

I II oo , , HN C-- NH / HN--C0--NH

Als Nebenbefund wurde in einem Versuch Oxals/iure in reichlicher Menge festgestellt. Das hat uns nun, da normaliter keine derartige

l) Soholz: Ueber ein neues Oxydationsproduet tier Harns~ure. Ber. d. Deutsch. chem. Ges. 1901. Jahrg. 34. Bd. 3. S. 4130.

2) S ch it t e n h e 1 m u. W i e n e r, Carbonyldiharnstoff als Oxydationsproduct der Harns~iure. Hoppe-Seyler's Zeitschr. f. phys. Chem. Bd. 62. H. 1. S. 100.

294 Kurt Henius,

KSrper im Harne bekannt sind, zu der Frage gefiihrt, was der Organismus mit diesen eben erw/ihnten Oxydationsproducten der Harns/iure anffingt?

Ieh entsehloss mieh in einem Selbstversueh diese Frage zu kl~ren. Es wurde zuerst nach Vorschrift von Sch i t t enhe lm Carbonyldi-

harnstoff in ausreichender Menge hergestellt: 20 g Harns~ure wurden mit 20 g Kaliumhydrat in 1200 cem Wasser

unter Erw/irmen gelSst, zu der warmen LSsung 500 ccm 3prec. Wasser- stoffsuperoxydlSsung zugesetzt. Das Gemisch wurde auf dem Wasserbade 1/2---1 Stunde stehen gelassen. Bei Zimmertemperatur fftllt dann der Carbonyldiharnstoff ungeffihr in einer Mange von 1,5 g aus. Dieser Carbonyldiharnstoff wurde dann in vielem heissen Wasser umkrystallisirt, und zwecks Bestimmung der Reinheit eine Sehmelzpunktbestimmung und Elementaranalyse gemacht. Der Sehmelzpunkt wurde jedesmal bei 233 bis 234 festgestellt. Eine Probe yon einem Gemisch des in den ver- sehiedenen Portionen gewonnenen vermeintlichen Carbonyldiharnstoffs zeigte bei der Elementaranalyse folgende Zusammensetzung:

0,1 g Substanz enthielt nach Kje ldahl 38,38 pCt. N. 0,1325 g Substanz 0,11972 g C02 und 0,04914 g H20 ~ in Proeenten

24,64 pCt. C, 4,12 pCt. g. Berechnet fiir CsH6N40a :38,55 pCt. N, 24,66 pCt. C~ 4,11 pCt. H. Nachdem in der eben beschriebenen Weise das hergestelIte Product

als Carbonyldiharnstoff identifieirt war, wurde ein Versuch in folgender Weise angestellt. Die Versuehsperson wurde auf eine purinarme constante Kost gesetzt.

Z u s a m m e n s e t z u n g der Kost: 7 Uhr Morgens 2 Eier, 250 cem Milch, 10 g Butter. 11 Uhr Vormittags 60 g Weissbrot, eine Orange. 2 Uhr Naehmittags Pudding aus 100 g Weizenmehl, 150 ccm Milch, 3 Eiern, 50 g Butter. 100 g Comport. 4 Uhr Naehmittags 30 g Weiss- brot. 7 Uhr Abends Pudding aus 50 g Weizen- oder Griesmehl und 8/4 Liter Milch. 20rangen.

Die Versuchszeit zerfiel in zwei Perioden. In der Vorperiode erfolgte die Einstellung, dann wurde am 1. Tag der 2. Periode 8 g Carbonyldi- harnstoff per os verabfolgt, gleichzeitig wurde der Stuhl mit Carmin ab- gegrenzt. Es wurde untersueht die Ausseheidung des Gesammtstickstoffs, der Harnsiture, der Purinbasen, des Harnstoffs und des Ammoniaks im Harn~ sowie der OxalsSure, ferner folgte die Bestimmung des Stickstoff- gehaltes des Stuhls in den einzelnen Perioden. 2 Tage bevor die ersten Analysen gemacht wurden, war die ]~rn/ihrung sehon eine purinfreie. In der folgenden Tabelle ist eine genaue Uebersicht fiber den Versuch ge- geben. Die Harns/~ure-Purinbasenbestimmungen wurden nach Kriiger- Schmid t , die Harnstoffanalysen naeh Pf l i iger-Bleibt reu ausgeffihrt; die Bestimmung des Gesammtstickstoffs nach Kjeldahl , die des Am- moniaks n a g Kriiger-t~eieh, die der Oxalsaure naeh Autenr ie th .

Ueberblickt man diese Werthe, so erkennt man, dass von den ver- fiitterten 2,3 g Carbonyldiharnstoff-Stiekstoff am 29.5. am gleichen Tage etwa 12,34 - - 11,43 = 0,91 g N wieder zum Vorschein gekommen sind. Da die Versuchsperson sehr gleichm/issig eingestellt war, und der durch-

Uebor clio ¥orwerthung yon Carbonyldiharnstoff im Organismus des lgenschon. 295

Versuchsperson Dr.K.H.

Datum

r~

U r i n

z ~ z "m

Oxal- ~ siiure

K th

o~

23. 5.10. 24. 5. 10. 25. 5. 10. 26.5.10. 27.5. 10. 28.5. 10.

Durohschn.- Werth

29.5.10. 30. 5. 10. 31.5.10.

1.6.10. 2.6.10.

75,2 75,2 75,2 75,2 75,2 75,2

75,2 75,2 75,2 75,2 75,2

16,51 16,51 16,51 16,51 16,51 16,51

18,81 16,51 16,51 16,51 16,51

I. P e r i o d e . 1600] 12,43II1,87 ] 0,1159 I 0,019 [0,537[ 1000[ 10,381 9,18 0,0857 I 0,016 /0,369 [ 1800 11,64 / 9,421 0,1549/0,018 10,352 I 25501 11,35 i 9,281 0,0531 I 0,016 [ 0,342 I 2550 11,35 8,92 0,1691 ] 0,0352] 0,485 2250 11,46 9,13 0,1386 0,0244 0,466 I

I 11,43l 9,631 0,1195 I 0,02141 0,441 [

II. P e r i o d e . 19001 12,34[10,371 0,1073 0,038 0,612 26501 11,31110,461 0,139 0,020 0,489 2200 11,38 10,10 t 0,128 0,018 0,443 1540 10,26 9,35 0,12! 0,021 0,439 2050 10,32 9,05 0,0943 0,015 0,423

0,34381 200 g 24,18

I I 4,03

I 0,6671] 146g 20,5

schnittliehe Stickstoffwerth des Harns der zwei folgenden Tage (30. 5. und 31.5.) annithernd (11,35 g N) gleich ist dem Werthe der ¥orperiode, so sind wit zu dieser Rechnung berechtigt. Dabei ergiebt sich noch, dass eine Vermehrung des Stuhlstickstoffs in der II. Periode nicht nach- zuweisen ist. Es muss also ein grosser Theil des Carbonyldiharnstoff- stickstoffes - - zum mindesten 40 pCt. - - mit dem Ham wieder ausge- sehieden sein. Ob der Rest dutch den Koth zur Ausscheidung gelangt und im Koth-N verborgen ist, oder ob eine Stickstoffretention zu Stande gekommen ist, 1/isst sich auf diesem Wege nicht entscheiden, indessen durch die Frage, in welcher Fraction des Harnstiekstoffes der N des Carbonyldiharnstoffes wieder zum Vorschein gekommen ist, und da zeigt sich, dass sowohl am 29.5. als am 30. 5. und 31.5. eine Vermehrung des Harnstoffstickstoffes zu Stande gekommen ist. Es betr//gt diese in den drei Tagen gegeniiber der Vorperiode 2,04 g N. Mit ande ren Worten, es is t yon den 2,3 g v e r f i i t t e r t e n C a r b o n y l d i h a r n s t o f f - s t i c k s t o f f 88pCt . des S t i e k s t o f f e s wieder zum V o r s e h e i n ge- k o m m e n : wobei es zun~chst dahingestellt bleiben muss, ob tier Carbo- nyldiharnstoff als solcher oder als Harnstoff wieder zur Ausscheidung gelangt ist, da er ebenfalls wie der Harnstoff der Phosphor-Wolfram- siiurefSJlung entgeht. Demgegeniiber ist die Harns/iure- und Purinbasen- ausscheidung unbeeinflusst.

Der vermehrten Oxalsitureausscheidung in der IL Periode legen wit, da wir die Einfuhr nieht kennen, kein Gewiciit bet, dafiir aber der That- saehe, dass am Verfiitterungstage des Carbonyldiharnstoffes der Ammo- niakwerth gegeniiber den Vortagen um 0,146 g N gestiegen ist. Das spricht dafftr, dass in tier That tier Carbonyldiharnstoff in unserem Organisms za Harnstoff, Ammoniak and Kohlensiinre verbrannt wird, nieht aber zur Vermehrung der ttarnsiturefraetion dient.