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Über die Wirkung einiger gesättigter aliphatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe auf die Körpertemperatur

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Page 1: Über die Wirkung einiger gesättigter aliphatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe auf die Körpertemperatur

(Ans dem Pharmakologischen Institut der Universitat Berlin.

Uber die Wirkung einiger ges~ittigter aliphatischer und aromatischer Kohlenwasserstoffe auf die Kiirpertemperatur.

V o n

Dietrich Gaede, S t a b s a r z t d. R . a m P h a r m a k o l o g i s ch -Tox iko ]og l s chen I n s t i t u t der Mili t /kr~rzt l ichen A k a dcmic .

Mit 1 Textabbildung.

(Eingeganyen am 28. M~irz 1944.)

Die Untersuchungen wurden angeregr dutch vciederholte Beobach- tungen absichtlicher Selbstvergiftungen mit Benzin, die yon verschie- dener Seite berichtet wer.den. Zur Vort~usehung yon Krankheiten, die durch periodiseh auftretendes Fieber objektiv gekermzeiehnet sind, wurde yon einzelnen Personen Benzin - - wahrscheinlieh Wundbenzin, Benzinum petrolei - - meist zusammen mit Zueker eingenommen. Aus dem Verlauf einer derartigen ,,~,rkrankung", die ein gerichtliehes Iqach- spiel zur Folge hatte, wurden mir folgende Einzelheiten beriehtet:

Pat. X., Drogistenlehrling, war mehrfaeh wegen unklarer, fieberhafter Er- krank~ngen, fiir die sich eine objektive Grundlage nicht linden lieB, in stationarer Behandlung. Das Fieber trat periodisch auf und betrug 39--40 ~ Da zeitweilig w~hrend des Fieberans~iegs tanmelnder Gang, Benommenheit und Verwirrtheits. zust~nde beobachtet wurden, effolgte seine pl6tzliche Einweisung in ein Kranken- haus wegen des Verdachtes, da~ er sich durch Einnelnnen irgendeines Mittels kiinstlic~ in diesen Zustand gebracht h~tte. Im Krankenhaus konnte ibm bei einer geringen TemperaturerhOhung (38,3 ~ einwand/rei durch eine Magenaushebe- rung nachgewiesen werden, dal~ er Benzin kurz zuvor eingenommen hatte. (Gleieh- zeitig war die Temperaturerh6hung dureh Reiben des Thermometers vorget~uscht worden.) Ergab an, insgesamt zweimalje 2---5 ccm Benzinumpetroleieingenommen zu haben. Bei einer griindlichen klinisehen Nachuntersuehung wurde sonst kein 1Jathologischer Befund erhoben. Der Pat. behauptete, es sei bekannt, da~ Benzin, auf Zucker eingenommen, ein sicher wirkendes Fiebermittel sei.

Bei der Durchsicht der Literatur * waren Angaben fiber eine tempe- ratursteigernde Wirkung yon Benzlnen und auch vom Benzol nicht zu linden; auch Herr Prof. F l u r y * * kannte keine derartigen t~eobachtungen. In der grol3en Gruppe der ges~ttigten aliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffe wurden nur nach Vergiftungen mit Tetrachlormethan (Tetraehlorkohlenstoff) Steigerungen der K6rperteml~eratur beobaehtet. Die akute Vergiftung mit oben bezeichneten Kohlenwasserstoffen wird ffir alle Substanzen als qualibativ gleichartig mit grSBeren quantitativen Untersehieden geschfldert; sie sind stark lipoidl0slich, 6rtlich reizend,

�9 Lehmann u. Flury: Toxikologie und Hygiene der technischen LSsungsmittel. Berlin 1938. - - ** .Flury: PersSnliehe MRteilung.

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Wirkung ges~ttlgCer allphar und aromar Kohlenwasserstoffe. 309

zum Tefl bis zur l~ekrose, und sind resorptiv am Zentralnervensystem wirksam. Zentrale Wirkungen der Benzolderivate sind allgemein be- kannt und begegnen uns fiberall in der Pharmakologie, z. B. aueh bei den Sulfonamiden, die eine experimentell gesicherte Senkung der K(irper- temperatur fiber das Zentrum herbeiffihren. Benzol und Benzin wirken ganz allgemein zentral narkotisch; der Petrols wurde frfiher zur I~arkose benutz t . Nach Benzinaufnahme beobachtet man einen Rausch- zustand, der yon einer gehobenen Stimmung leieht in Schl~frigkeit und Arbeitsunlust iibergeht. Eine gr5Bere Zahl yon Vergiftungen mit Benzin ereignen, sich neuerdings bei der russischen ZivilbevSlkerung, da hier jedes Getr~nk mit aromatischem Geschmack oder Gerueh als Alkohol- ersatz wahllos genossen wird. In L~ndern der ErdSlgewinnung werden Todesf~lle und auch leiehtere Vergiftungen nach Benzinaufnahme vor allem bei Kindern h~ufig beobachtet. Die Mengen, die akut toxisch bis tSdlieh wirken, werden nicht einheitlich angegeben. TierexperimenteU wie auch bei der klinischen Beobachtung sind Nierenblutungen immer wieder festgestellt worden. Da aUe diese Substanzen auBer resorptiven Einfliissen auch eine starke lokale l~eizung erzeugen, werden einige yon ihnen zu Einreibungen therapeutisch verwandt. Infolge ihrer anti- parasiti~ren Wirkung werden sie sowohl ~uBerlich gegen Skabies als auch innerlich als Anthelminthika verwandt. Einzelne Kohlenwasserstoffe, insbesondere das Terpentin51, haben infolge starker lokaler Gewebs- sch~digung, die zum AbszeB ffihrt, therapeutische Bedeutung bekommen. Das hierbei auftretende l~ieber wird im allgemeinen den ZerfaUsprodukten des Gewebes zugeschrieben.

Vom Benzol finder sieh in der Literatur wiederholt ein Vermerk fiber eine Wirkung auf die KSrpertenaperatur: an Katzen bewirkt die Ein- atmung - - wohl letaler Mengen - - ein Absinken der KOrpertemperatur yon 380 auf 31 ~

Es schien mir deshalb wertvoll, den EinfluB des Benzins, Benzols und verwandter Stoffe auf die KSrpertemperatur im Experiment ns zu untersuchen.

1. Untersuchungen am )Ienschen. In Versuehen am Menschen, in denen Mengen bis zu 20 cem Ben-

zinum petrolei oral, zum Tell auch mit Zueker, genommen wurden, konnte ich nlemals' eine Beeinflussung der K6rpertemperatur feststellen. In Mengen fiber 5 ccm beobachtete der Verfasser an sich selbst nur Arbeitsurdust und eine gewisse Mattigkeit. Bei der zweit~n (weibliehen) Versuchsperson, die vor 10 Monaten eine Nephritis durehgemacht hatte, wurde naeh 2 ecru Benzinaufnahme eine heftige H~maturie beobachtet; im H a m des Verfassers t ra ten bei 20 ecru Benzin nur vereinzelte Erythro- zyten auf. Bei der Aufnahme yon Benzin wurden an der ~undschleim- haut auch dann keine Reizerscheinungen bemerkt, werm das Benzin

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810 Dietrich Gaede: l~ber die Wirkung einiger gesattigter aliphatischer

1/ingere Zeit in der MundhShle gehalten wurde; es t r a t dabei das Gefiihl auf, als ob das Benzin die Schleimhaut selber nicht benetze, sondern sieh frei schwimmend befiinde. Benzindampf floB zum Tefl aus dem geschlossenen Mund heraus. Nach dem Schlucken muBte man bei gr6Seren Benzinmengen wiederhol~ unangenehm aufstoBen. Im Laufe der niiehsten 24 Stunden entwiekelte sieh meist eine leiehte DiarrhSe, bei der stinkender Stuhl entleert wird.

2. Untersuehungen am Tier.

Die Versuche wurden in der Zeit yon April 1943 bis Januar 1944 durchgeffihrt an Hunden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und l~atten. Die Substanzen wurden oral, rektal oder venOs gegeben. In allen Versuehen an Katzen wurden je 10 Tropfen Substanz oral oder rektal, also etwa 0,5 cem pro Tier, an Rat ten je 5 Tropfen und an Hunden bei oraler Gabe 20 Tropfen, venSs 0,25--0,5 ecru pro Tier gegeben. Es wurden untersucht: Benzinum petrolei, Petrol/ither, Pentan, i e x a n , Heptan, Oetan, Cyclohexan, Benzol, Toluol, Xylol, Terpentin(il und SenfS1.

Alle Stoffe mit Ausnahme des Heptans und des 0ctans bewirkten bei lokaler Darreiehung in die Mundh6hle regelm/~Sig eine Steigerung der KSrpertemperatur. AuBerdem machte sich meist eine mehr oder minder starke lokale Reizwirkung durch SpeichelfluB bemerkbar. Auf Cyclohexan hin starb eine Katze unter schweren Kr/impfen. Wiihrend bei den Kohlenwasserstoffen Pentan bis Oetan, Benzol und dem Homo- logen Toluol die Wh'kung auf die KSrpertemperatur neben dem Speichel- f lus das einzige deutliehe Symptom der akuten Wirkung war, wurden beim Cyclohexan, Xylol, beim TerpentinS1 und besonders beim SenfS1 bedeutende Allgemeinsymptome wie Zittern, Kr/~mpfe, klonische Zuk- kungen beobachtet.

Die Art der TemperaturerhShung war bei allen Substanzen quali- ta t iv gleichartig. Im allgemeinen begann der Anstieg der Temperatur nicht vor 10 Min. naeh der Applikation und erreichte gegen Ende der 1. Stunde ein Maximum, das verschieden lange anhiel~, h/iufig bis zur 2. Stunde. Das AusmaS der Steigerung war bei einzelnen Substanzen und auch yon Tier zu Tier nieht gleich. Beim Benzin wurden im hiittel TemperaturerhShungen um 1,5 ~ im/s Falle um 2,4 o beobachtet; w/ihrend im allgemeinen die TemperaturerhShung fiber Stunden anhielt und die Fieberkurve somit ein Plateau zeigte, wurden auch beim Benzin bei einigen Tieren nur ganz fliichtige Effekte beobachtet. Dureh wieder- holte Benzingaben a u c h an den folgenden Tagen konnten gleichartige Temperatursteigerungen erzielt werden. Die •eaktion eines Tieres auf Benzin wurde zur Beurte i lung der Empfindlichkeit eines Tieres bei der Untersuchung weiterer Substanzen benutzt.

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und aroma~ischer Kotflenwasserstoffe auf die K6rper~emperatur. 811

Bei der Suehe nach der wirksamsten Fraktion im Benzin ~'arden die einzelnen Kohlenwasserstoffe des Benzins getrennt untersucht. Hierbei erwiesen sieh Pentan und Hexan als annghernd gleieh wirksam wie Benzin, dagegen hatte Heptan bei gleicher Dosierung keinen EinfluB auf die K6rpertemperatur, w~hrend Oetan regelm~Big, wenn auch schwaehe, so doch auBerhalb des MeBfehlers liegende Temperatur- senkungen bewirkte.

Weitere Versuche galten der Klgrung der Herkunf6 des l~iebers. Um die Bedeutung der sensiblen Trigeminusendigungen zu verfolgen, wurde in einigen Versuchen Benzin, Hexan und Xylol rektal in der gleichen Dosierung wie bei oraler Darreichung gegeben (die sensible

I I I I M o I I I I I II/ 111 I l g 11 I I

~0 ~ 7,~ oo ~

Abb. 1. K a t z e 0. Versuch yore 1 2 . 5 . 4 3 . his ][5.5.43. 2, 3, 4: je 10 Tropfen B e n z i n u m petrolei in die Mundh6hlc . 2"- 50 rng P y r a m i d o n per os.

Versorgung des Rektums stehb weir hinter der des Mundes zuriiek): die Reaktionen der K6rpertemperatur waren v611ig gleichartig, wenn auch bei Hexan der Temperaturanstieg in 2 Versuchen nur schwach war. Die gleichen Wirkungen hatten ven6se Gaben an Hunden, bei denen die zu injizierende i~enge nach Durchmischung mit Blut in einer Rekord- spritze langsam injiziert wurde. Naeh Vorbehandlung mit Pyramidon unterblieb bei Katzen der Fie beranstieg (Abb. 1). Ferner wurde an Katzen zu versehiedenen Zeiten w~hrend tiefer Urethannarkosen, in denen die K6rpertemperatur trotz ~ul~erlichen W~rmeschutzes (Heiz- kissen.) kontinuierlich, im allgemeinen bis auf 320 ~bsinkt, Benzin oral gegeben; das Absinken der K6rpertemperatur wurde in keiner Weise beeinfluBt.

Bei Untersuehungen an Hunden wurde in ehfigen Versuchen auch der Blutdruck am niehtnarkotisierten Tier mit der Karotisschlinge gemessen; bereits kurze Zeit nach der Benzingabe sank der Blutdi'uck ffir l~ngere Zeit, fiber 1 Stunde, auf zum Tefl abnorm tiefe Werte, zwischen 40 und 100 mm Hg; in diesen Versuchen war die K6rpertemperatur nur wenig beeinfluBt.

SchlieBlieh wurden in einer geschlossenen Kammer yon 160 Litern Inhalt Katzen einem Luft-Benzolgemiseh mit 0,0001 Vol.-Anteflen Benzol auf 1 Volumentefl Luft ausgesetzt. ~ach einigen Minuten beobaehtete man heftige SpeicheIsekretien, dann traten klonische Kr~mpfe und

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312 Die~rich Gaedo: ~O~ber die Wirkung einlger ges~ttigter alipJaatischer

Zuckungen auf. In diesen Stadien war die K6rpertemperatur regel- m~tBig erh6ht (in den ersten 10--30 Min.); nach weiteren 80 Min. sank die K6rpertemperatur ab, die Tiere nehmen Seitenlage ein, die Tempe- ratur sinkt welter auf Werte um 35 ~ Fibrill~rzuckungen traten hinzu; werden die Tiere je~zt in Frischluf~ gebrachb, erholen sie sich nur sehr langsam, die normale K6rpertempera~ur wird erst nach Stunden erreieh~, ein Tefl der Tiere ging zugrunde.

In der Zeit vom Oktober 1943 his gegen 1VI~itte Dezember wurden in wiederholten Unt~rsuehungsreiJaen an Kaninehen und Katzen nur unregelm~t$ige :~nderungen der K6rpertemperatur beobachtet, w~hrend im Januar 1944 wieder deutliehe Steigerungen festgestellt werden konnten. F,s seheint sieh bier um jahreszeitlich bedingte Schwankungen zu handeln; die Raumtemperatur, in der die Messung erfolgte, erschien weniger bedeutsam.

Besprechung der Yerw Unter der Einwirkung einiger ges~ttigter aliphatischer und aroma-

~ischer Kohlenwasserstoffe erfahren Laboratoriumstiere eine Yer~nde- rung der K6rpertemperatur. Im allgemeinen verursachten die unter- suchten Substanzen eine S~eigerung der K6rpertempera~ur, bel Heptan fehlte jedoch e~ne derar~ige Steigerung, w~hrend behn 0ctan regel- m~Big eine allerdings nur geringfiigige Senkung beobachtet vcurde. In der aromatischen ReiJae war die temperatursteigernde Wirkung des Benzols ausgesprochener als die des Toluols, und dieses war wiederum wirksamer als das Xylol. AuBerdem wurden bei allen Substanzen zen- trale Erregungen festgestellt, jedoch-nieht mit v611iger Regelm~l]igkeit. I-Iierbei war die Wirkung des Cyclohexans erheblich starker als die des Hexans, die der Homologen starker als die des Benzols. Bei gleicher Dosierung wurden nach Applikation yon Cycloparaffin und den Benzol- homologen wiederholt Kr~mpfe beobachtet. In allen Versuchen trat einige Minuten nach Applikation der Substanzen eine heftige Speichel- sekretion auf.

Die Kohlenwasserstoffe der aliphatischen mad auch der aromatischen Reihe wirken in einer gewissen Konzentration zentral erregend, in hoheren Konzentrationen im 8inno einer Narkose zentral l~hmend. Im AusmaB dieser Wirkungen zeigen sich zwischen den Gliedern der Reihen erhebliche Unterschiede, so erwies sich z.B. das Pentan als schwaches Narkobikum, wiihrend das Octan verhgltnism~l~ig rasch zur Narkose fiihrte (Lehmanrt und Nlury 1).

Die in den vorliegenden Versuchen beobachtete Wirkung auf die K6rpertemperatur wird demnach als eine Teflerscheinung einer mehr oder mlnder ausgepr~tgten zentralen Erregung mit dem Angriff am Zen- trum der Wgrmeregulation gedeutet. Alle diese Kohlenwasserstoffe beeinflussen bei lokaler Anwendung resorl3~iv die K6rpertemperatur.

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und aromatischer Kohlenwasserstoffe auf die KSrpertemperatur. 818

Je st/irker die narkotisehe Wirkung hervortrigt, desto sehw/~cher ist die Temperatursteigerung. Bei starkeren Narkosegraden, wie sie vor ahem in Versuchen mit Benzold/impfen erreieht warden, ~ra~ schlieBlich der Temperaturkollaps der Narkose ein, der durch eine L~hmung der w/~rme- regulierenden Zentren zu erklaren ist. Der geringffigige TempCratur- abfall naeh Oetan erkl/irt sieh leiehter fiber eine frfihzeitige L~hmung des W/~rmezentrums als etwa dureh die Erregung eines Kfihlzentrums, die man ffir die temperatursenkende Wirkung einiger Krampfgifte, wie Pikrotoxin, Veratrin und Aconitin, annimmt (H. H. Meyer 2). Da neuere Untersuehungen die bisherigen Vorstellungen fiber die strenge Lokalisation warmeregulierender Zentren im Hypothalamus in Yrage gestellt haben (siehe Thauer 3), ist zur Zeit eine weitere Abgrenzung des Angriffsortes nieht zu erzielen; dagegen ist eine Einreihung der Kohlen- wasserstoffe unter andere fiebererregende Pharmaka vorzunehmen. Im groBen und ganzen lassen sich die - - untersuchten - - Kohlenwasserstoffe in die Gruppe der zentralerregenden Yiebermittel wie Koffein, Tetra- hydronaphtylamin und Kokain einordnen, obwohl die Beobaehtungen nieht soweit getrieben wurden, dab man yon einer b esonderen Beein- flussung sympathiseher ~unktionen wie etwa beim Tetrahydrormphthyl- amin spreehen k6nnte - - so haben orientierende Untersuchungen fiber die Beeinflussung der Temperaturwirkung dutch Atropin oder Ergo- toxin keine eindeutigen Befunde ergeben -- . Bei den Untersuchungen yon Cloetta und Waser 4 wurde eine Abh~ngigkeit der Temperaturbeein- flussung des Tetrahydronaphthylamins yon der Art der Substitutionen am Stiekstoffatom festgestellt, wahrend andere Wirkungen, insbesondere die Erzeugung der Mydriasis, weniger an bestimmte Strukturen gebm~den waren. Die Untersuehungen ergaben ferner, dab es sehr wohl ehemiseh eng verwandte Substanzen gibt, die sich in der Beeinflussung vegetativer Zentren grundlegend unterscheiden, indem die einen rein sympathisehe Abl/iufe veranlassen, w/ihrend andere sympathische und parasympathisehe Wirkungen zugleieh hervorrufen. .Borchardt s land das Tetrahydro- naphthylamin naeh Abtragung des Warmezentrums unwirksam. Nach der Unfersuehung yon Skowronski ~ ist die Fieberwirkung des Tetra- hydronaphthylamins in der Narkose aufgehoben. Einen gleiehen Ant- agonismus zwisehen ~'ieberwirkung und Narkose beobachtete Hahn ~ beim Coramin: in Narkose war die temperatursteigernde Wirkung des Coramins am Kariinehen erst bei mehrfaeh h0heren Dosen und in ge- ringerem Umfang als im wachen Zustand zu erreiehen. Zwisehen den temperagursenkenden Krampfgiften und verschiedenen l~arkotika hatten Harnack u. Mitarb. s synergistische Wirkungen beobachtet, sp/~terhin haben Rosenthal u. Mitarb. ~ ffir das Pikrotoxin und Hah~ ~ ffir das in die gleiehe Gruppe geh0rende Cardiazol den gleiehen Antagonismus zur Wirkung der l~arkotika wie ffir die fiebererregenden Mittel nachweisen kSnnen. Naeh den Untersuehungen Hahns ist die temperatursenkende

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314 Dietrich Gaede: ~.~ber die Wirkung einiger gesattigter alipha~ischer

Wi rkung des Cardiazols am wachen Tier einer temperatursteigernden Wirkung in der Narkose gewichen; durch Vergleich mi$ dem Spontaner- wachen, aus der Narkose in Kontrollversuchen konnte er diese temperatur- steigernde Wirkung des Cardiazols allein durch die Weckwirkung des Cardiazols erklaren, durch die eben auch eine rasche Normalisierung der K6rpertemperatur eintritt, ohne dab dabei die Armahme einer Jimderung des Angriffsortes in der W/~rmeregulabion w/~hrend der :Narkose not- ~vendig w/~re.

Da die Narkose zu einer Herabsetzung der :Erregbarkeit des W~rme- zentrums bis zur L~hmung fiihrt, kann man Substanzen, deren fieber- erregende Wirkung in der Narkose sehwinde$, einen zentralen Angriffsort zuschreiben. Auch das Pentan bzw. das Benzinum petrolei erwiesen sich in der Narkose unvdrksam. Ein reaktionsf~higes W~rmezentrum ist also auch fiir diese Kohlenwasserstoffe in gleiehem MaBe Voraus- setzung wie f i i r d a s Tetrahydronaphthylamin. Eine weitere Stiitze in der Beweisfiihrung des zentralen Angriffs sehe ich in der Ausschaltung des Effektes durch u mit Pyramidon, das elektiv das Warmezentrum lahmt bzw. schwerer erregbar maeht.

Der jahreszeitliche Unterschied im Wirkungsausmal~ las t sieh am ehesten durch jahreszeitliche Schwankungen in der Reaktionsbereit-

schaft des Wt~rmeregu-

Pentan' . . . . . . . Hexan . . . . . . .

(Cye|ohexan) . . . .

Heptan . . . . . . .

O e t a n . . . ; . . . . Benzol . . . . . . . Toluol . . . . . . . Xylol (o-p) . . . . . (Allylsenf61) . . . . . (Pinen) . . . . . . .

Molekular: gewicht

72,10 86,11 84,10

100,13 114,14 78,05 92,06

106,08 99,12

136,13

Siedepunkt lators erldt~ren, yon der die Wirkung derKohlen-

36,2 wasserstoffe bes~imm~ 69,0 wird. 84,09 98,4 Somit erseheint mir

126 eine zentrale Erregung 80 als Ursache einer tem- 111

141--136 peratursteigerndenWir. 148 kung als weitgehend ge- 156 sichert. Setzt man die

untersuehten Kohlenwassersboffe der aromatischen und der ahphatischen Reihe naeh dem Ausma$ der Temperatursteigerung in Beziehung zu den physikaHsch-ehemisehen Daten, so finder m a n obenstehende Zusammen- stellung . . . .

Die temperatursteigernde Wirkung nimmt in der aliphatisehen und in der aroma~isehen Reihe mit dem Anstieg des Siedepunktes und tier Zunahme des Molekulargewichtes ab. In der aliphatisehen Reihe haben wit in der gteiehen :Reiherrfolge eine Zunahme der narkotischen Wirktmg; bei der Beurteflung der Giftigkeit naeh dem Ein~ritt der Seitenlage bei Beatmung mit Dampfen' der Alkane wurde in der gleiehen Reihenfolge eine Zunahme gefunden, hierbei waren auch die Cycloparaffine giftiger als die acyelisehen Verbindungen mit gleieher Kohlenstoffzahl (Lehmann und Flury 1). Das Verschwinden der temperatursteigernden. Wirkung

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und aromatischer Kohlenwasserstoffe auf die KSrpertemperatur. ,~15

in der aliphatisehen Reihe 1/~115 sich also zwanglos fiber ein allm/s l~berwiegen der narkotisehen Komponente fiber die erregende Wirkung mit steigendem 'Molekulargewicht und Siedepunkt deuten. Oettel ~o hatte in Versuchen fiber die Reizwirkung der Alkane auf die mensch- liche Haut gleiehfalls eine Umkehr in der alipllatischen Reihe der Koh- lenwasserstoffe beobachtet; die Alkane mit mehr als 7 Kohlenstoff. atomen waren weniger wirksam als die niederen Alkane. Zur Erkl/~rung zieht er die physikoehemischen Untersehiede der Substanzen heran; da mit steigender Zahl der Kohlenstoffatome der Teflungskoeffizient zunimmt, andererseits abet die Molekiilbeweghchkeit abnimmt,-mul~ fiir die Resorpti6n ein Optimum bestehen, wo bei noeh hinreiehender Beweglichkeit der Molekiile die Substanzen schon ausreichend lipoid- 15slich sind.

Die Temperamrsteigerung naeh oraler Darreiehung yon Senf51 und Terpentin5l ist /~hnlieh wie beim Coffein u.a. als eine Teilerscheinung einer allgemeinen zentralen Erregmlg zu deuten. So ist vielleicht aueh die in vielen Versuehen (siehe Gaede n) immer wieder beobachtete Steige- rung des Blutdruekes bei nasaler Gabe yon SenfOl eher als resorptive

. / Wirkung auf sympathlsehe Zentren als fiber Trigeminusreflexe zu er- kl/iren; hierftir sprieht insbesondere, dall die Wirkung nach Lokal- an/~sthesie unvermindert fortbesteht. - - Derartige ~tark lokalreizende Substanzen entfalten bei parenteraler Einverleibung ganz erhebliche Allgemeinwirkungen, wie ich in Versuchen unter Registrierung des Blutdruekes an Katzen wiederholt beobachten konnte.

Zusammenfassung,

Die Wirkung einiger aliphatischer und aromatischer Kohlenw~sser- stoffe auf die K5rpertemperatqr wurde am Menschen und an Labora- torinmstieren untersueht.

:Bei 2 Versuchspersonen wurde eine Beeinflussung der Ksrpertempe- ratur durch Benzin bei oraler Aufnahme bis zu leicht narkotischen Dosen nicht festgestellt.

Im Tierversuch stcigerten die meisten Substanzen die KSrpertempe- ratur in versehiedenem Ausmalle. Nut Heptan beeinfluBte die KSrper- temperatur niemals, w/~hrend durch Oetan regelm/~flig eine gering- fiigige Senkung hervorgerufen wurde.

Der Effekt wurde als eine Erregung des Zentrums gedeutet, die fiir Pentan und Hexan vornehmlich am W~rmezentrum angreift, w/ihrend bei det~ fibrigen Substanzen die zentrale Erregung weitere Gebiete erfaBt, so dab heftige Kr~mpfe auftreten kOnnen. In hOheren Dosierungen fiber- wiegen narkotische Wirkungen; das Ausbleiben der fiebererregenden Wirkung des Heptans und des Octans wird auf friihzeitigen Eintritt narkotiseher Effekte zurfickgeffihrt.

Arch iv f. Gcwerbcpa th . u. Gcwcrbchyg . Bd. 12. 21

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316 Dietrich Gaede: Wirkung einiger Kohlenwasserstoffe.

Be i de r B e r f i c k s i c h t i g u n g d e r M o l e k u l a r g e w i c h t e u n d d e r S i e d e p u n k t e e r g e b e n sich G r u p p i e r u n g e n , wie sic s ich a u c h bei d e r E i n r e i h u n g n a c h a n d e r e n W i r k u n g c n d iese r S u b s t a n z e n e rgeben .

L i t e ra tu r .

1 Lehmann u. Flury: Toxikologie un~l Hygiene der teehnisehen Liisungsmittel. Berlin: Springer 1938. - - 2 Meyer, H. H.: 30. Kongr. inn. Med. 1913. - - a Thauer Rudol]: Kiln. Wschr. 1941 I, 969. - - 4 Cloetta, M. u. E. Waser: Naunyn-Schmiede- bergs Arch. 73, 436 (1913); 98, 198 (1923). __5 Borchardt, W.: Naunyn-Schmiede- bergs ,Arch. 187, 45 (1928). , e Skowronski, V.: Naunyn-SShmiedebergs Arch. 146, 1 (1929). - - 7 Hahn, Fritz: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 202, 165 (1943). - - 8 Harnack, E. u. Mitarbeiter: Z. klin. Med. 25, 16 (1894). - - Naunyn-Schmiedcbergs Arch. 49, 157 (1903) und ~ltere Arbeiten. - - 9 Rosenthal, F. u. a. : Naunyn-Schmiede- bergs Arch. 181, 219 (1936). - - lo Oettel, Hans]i~rgen: Naunyn-Schmiedebergs Arch. 183, 641 (1936). - - 11 Gaede, Dietrich: Naunyn-Sehmiedebergs Arch. 1944 (ira Druck).

Dr. Dietrich Gaede, Berlin NW 7, Dorotheenstrafle 26, Pharmakologisches Inst i tut der Universit~t.

Be r i ch t igung .

In dem Beitrag E. Grofl und F. K61sch: tiber den Lungenkrebs in der (~hrom-

Iarbenindustrie - - dieses Archly 12. Band, 1. Heft, S. 164, 5. Zeile yon unten - - mu$ es heil3en 1926/37 start 1936/37, S. 168 bei Fall 8 11. Zeile von unten muB es

heil3en: gestor~en 26. 2.41 ansta t t 30. 8.40, 11. Zeile yon unten ist das Wort Nekrotisierendes zu streichen, 6. Zeile von unten mul~ es heil3en: Nasenseptum- perforation anstat t keine Nasenseptumperforation.

Be r i ch t igung .

In dem Aufsatz: E. Klier: Schiidigung der Flugmotoren-prii[standsarbeiter dureh Verwendung yon Bleibenzin - - ds. Arch. 12. Band, 1. Heft - - maB es auf S. 127, Zeile 16 yon oben heil3en: ausgesehlossen start ausgesproehen und auf S. 128, Zeile 27 yon oben: Verkleidung start Verkleinerung.