3
Aus der Ohrenabteilung des Reserve-Lazaretts II, Ludwigsburg (Chefarzt : Generaloberarzt Dr. St eif f). Uber die Wirkung von Terpentineinspritzungauf Eiterungen und Entzfindungen. Von Dr. Cltsar Hirsch, Stuttgart. Unter obiger Uberschrift hat Klilagmfiller (Kid) in der Deutschen reed. Wochensehrift 1917, Nr. 4 I, und in der Miinch. reed. Wochenschrift 1918, Nr. 33, seine Erfahrungen mit intraglut~alen Einspritzungen yon Terpentin/51 ver6ffentlicht, die naeh den Angaben des .Autors bei Furunkulosen, akuten und ehronischen Ekzemen und anderen Derma- titiden so gute sein sollen, dab iches fiir richtig hielt, an dem groBen Material der mir unterstehenden Ohrenabteilung ebenfalls Versuche anzustellen, in der Hoffnung, gerade auf unserem Gebiet, wo wir so vie1 mit Eiterungen und in ~hrem Gefolge sekund~r auftretenden Ek- zemen und Furunkulosen am Geh6rgang zu kiilnpfen haben, in dem Klingmfillerschen Verfahren eine wesentliche Bereieherung unserer bisherigen therapeutisehen HJKsmittel zu finden. Da ich reich zu dieser Zeit gleichzeitig mit einer anderen Y[ethode der Furunkelbehandlung besehXftigt babe, fiber die an anderen Often berichtet werden soll, war es mir besonders wichtig und interessant, Parallelversuche mit der Telpentineinspritzung zu machen, zumal auch yon anderer Seite fiber gute Erfahrungen mit parenteralen Milch- injektionen bei Entzfindungen und Eiterungen berichtet wurde, die unser Interesse ftir .derartige Behandlungsmethoden wachriefen. Wit haben im ganzen etwa 60 FXlle mit Geh6rgangsfurunkeln und Ekzemen bei akuten und chronischen Mi'ttel0hreiterungen die Einspritzungen nach den Klingmiillerschen Angaben gemaeht und gingen dabei folgendermaBen vor: Von einer ~o%igen Verdfinnung des O1. terebinth, rectific, ii~ O1. olivar wurde im atlgemeinen 1/4 ccm, also 0,05 O1. terebinth intra- glut~al injiziert uffd zwar so, dab man in der hinteren Achsellinie zwei Querfinger unterhalb des oberen Randes der I)armbe~nschaufel die Nadel so fief indie Ges~Bgegend einffihrte, dab die Spitze den Knochen beriihrte. Anf diese Weise sollte erreicht" werden, dab das 01 nicht in die Muskulatur, sondern auf den Knochen eingespritzt wurde, um

Über die Wirkung von Terpentineinspritzung auf Eiterungen und Entzündungen

Embed Size (px)

Citation preview

Aus der Ohrenabteilung des Reserve-Lazaretts I I , Ludwigsburg (Chefarzt : Generaloberarzt Dr. St eif f).

Uber die Wirkung von Terpentineinspritzung auf Eiterungen und Entzfindungen.

Von Dr. Cltsar Hirsch, Stuttgart.

Unter obiger Uberschrift hat Klilagmfil ler (Kid) in der Deutschen reed. Wochensehrift 1917, Nr. 4 I, und in der Miinch. reed. Wochenschrift 1918, Nr. 33, seine Erfahrungen mit intraglut~alen Einspritzungen yon Terpentin/51 ver6ffentlicht, die naeh den Angaben des .Autors bei Furunkulosen, akuten und ehronischen Ekzemen und anderen Derma- titiden so gute sein sollen, dab iches fiir richtig hielt, an dem groBen Material der mir unterstehenden Ohrenabteilung ebenfalls Versuche anzustellen, in der Hoffnung, gerade auf unserem Gebiet, wo wir so vie1 mit Eiterungen und in ~hrem Gefolge sekund~r auftretenden E k - zemen und Furunkulosen am Geh6rgang zu kiilnpfen haben, in dem Kl ingmfi l le rschen Verfahren eine wesentliche Bereieherung unserer bisherigen therapeutisehen HJKsmittel zu finden.

Da ich reich zu dieser Zeit gleichzeitig mit einer anderen Y[ethode der Furunkelbehandlung besehXftigt babe, fiber die an anderen Often berichtet werden soll, war es mir besonders wichtig und interessant, Parallelversuche mit der Telpentineinspritzung zu machen, zumal auch yon anderer Seite fiber gute Erfahrungen mit parenteralen Milch- injektionen bei Entzfindungen und Eiterungen berichtet wurde, die unser Interesse ftir .derartige Behandlungsmethoden wachriefen. Wit haben im ganzen etwa 60 FXlle mit Geh6rgangsfurunkeln und Ekzemen bei akuten und chronischen Mi'ttel0hreiterungen die Einspritzungen nach den Kl ingmii l le rschen Angaben gemaeht und gingen dabei folgendermaBen vor:

Von einer ~o%igen Verdfinnung des O1. terebinth, rectific, ii~ O1. olivar wurde im atlgemeinen 1/4 ccm, also 0,05 O1. terebinth intra- glut~al injiziert uffd zwar so, dab man in der hinteren Achsellinie zwei Querfinger unterhalb des oberen Randes der I)armbe~nschaufel die Nadel so fief indie Ges~Bgegend einffihrte, dab die Spitze den Knochen beriihrte. Anf diese Weise sollte erreicht" werden, dab das 01 nicht in die Muskulatur, sondern auf den Knochen eingespritzt wurde, um

Ober die Wirkung von Terperttineinspritzung auf Eiterungen und Entziindu~tgen. 6 3

~o eine st~trkere Schmerzhaftigkeit zlt vermeiden. Was diese Tatsache ?etrifft, so kann ich berichten, daB in den meisten F/illen die Schmerz- aaftigkeit keine allzugroBe war, allerdings in etwa IO F~illen mehrere l'age lang fiber Schmerzen, besonders such in der Wade geklagt wurde, l'emperatursteigerungen wurden selten beobachtet und gingen nie tiber 38,30 hinaus." Bei einigen Patienten wurde die Einspritzung am- bularLt gemacht und gut ertragen.

Was nun die Erfolge dieser Methode mit auf unserem Gebiet an- belangt, so mul3 ich hagen, dab zwar in manchen F~illen Furunkel des ~iuBeren Oeh6rganges rasch zur Abheilung kamen, in anderen F~illen abet so gut wie gar keine Einwirkung auf den KrankheitsprozeB be- obachtet werden konnte. Auch dann nicht, wenn nach 2 - 3 .Tagen die Einspritzung mit einer doppelt so starken Dosis Terpentin61 wieder- holt wurde. AU~h bei den verschiedenen Formen akutei- und chs/onischer Mi ttelohreiterungen konnte man in keinem Fall eine auffallende Besserung oder Heilung beobachten, die man ungezwungen auf die Terpentin- einspritzungen h~itte zurtickfiihren diirfen; sehen wir doch h~iufig akute Mittelohrentziindungen und Mittelohreiterungen mit unseren gew6hn- lichen Behandlungsarten rasch zuriickgehen und ausheilen und andere wieder allen konservativen MaBnahmen trotzen und unbedingt ein operatives Vorgehen erfordern.

Ohne die Kl ingmii l lerschen Ergebnisse irgendwie in Zweifel ziehen zu wolten, inug ich deshalb betonen, daB ieh yon der Methode auf unserem Oebiet keinerlei besondere Vorteile gesehen habe, wenn such Appel (M. m. W. I919, S. 337) bei Hauterkrankungen, besonders auc-h bei ,,Lupus, wo eine TerpentinJnjektion, wie Tuberkulin wirke", ebenfalls gute Erfahrungen gemachthat . K l ingmi i l l e r Iiihrt fiir die gute Wirkung der Terpentininjektion folgende Hypothesen an"

[. ,,Das im ~Blute und in den K6rpers~tften kreisende Tmpentin oder seine Oxydationsformen k6nnen rein chemisch wirken, indem sie die von den pathogenen Pilzen ausgehenden k6rperfremden Gift stoffe unwirksam machen."

Dazu ist zu sagen, dab es doch sehr zweifelhaft ist , ob die geringe Menge yon Terpentin imstande 1st, diese k6rperfremden Giftstoffe lmwirksam zu machen und es doch einfacher w~tre, das Terpentin61 am Oft des Entstehens dieser Giftstoffe anzuwenden. I)ort aber hat man v on einer lokalen Terpentinwirkung gar keinen Erfolg..

:~. ,,Das Terpentin oder ~thnliche Mittel lenkt diejenigen Stoffe yon dem Krankheitsherd ab, welche die sch/idigende n Pilze an sich heranlocken. Die st~irkere Gewalt des Terpentins machte dadurch

L

die pathogenen .Pilze zu unwirksamen Schmarotzern, deren sich der K6rper leichter entledigen kann . Die path0genen Pilze verm6gen dann eben nicht mehr diejenigen Stoffe an sich heranzuziehen, welct{e

6 4 CASAR HIRSCH,

die Gewebsver/inderungen verursachen. In erster Linie sind das nattir- lich die weiBen Blutzellen.

]?;s w~re ja aber auch denkbar, dab auch noch Bestandteile des Blutes oder gel6ste Stoffe dazu gehSren, deren Nacbweis im Krank- heitsherd uns durch die bisherigen Untersuchungsarten nicht m6glich ist."

3. ,,Die Ahnlichkeit der Wirkung des Terpentins mit derjenigen von spezifischen Vakzinen 1/iBt ohne weiteres die Erkl~irung zu, dab der K61per zur BJldung yon Stoffen angeregt wird, welche entwede~ Gegengifte gegen die path0genen Bakterien oder eine Art yon Opso- ninen sind."

Dazu muB ich sagen, dab die Resultate, die ich mit wirklichen spezifischen Vakzinen bei Staphylokokkenerkrankungen erzielt habe, sehr gute und so deuttiche sind, wie ich sie bei Terpentineinspritzungen nie gesehen habe.

4. ,,Eine weitere M6glichkeiL die Wirkung des Terpentms zu er- kl~tren, sei folgende: Terpentin oder /ihnliche Stoffe haben eine aus- gesprochene entziindungserregende Wirkung. Bringt man diese Stoffe an die Blutbahn, so wird der K6rper, wie bei jedem anderen fremden Stoff, mit der Bildung yon Gegenstoff (Antik6rpern) antworten. Es bildet sich also mit anderen Worten ein Entziindungsantik6rper. Dieser miiBte die Eigenschaft haben, gegen Entztindungen und Eiterungen der verschiedensten Art wirksam zu sein und damit nattirlich auch die Bildung pathogener Pilze abschw/ichen oder aufheben. W/ire diese Annahme iichtig, so wiirde sich ein weiterer Weg zu versuchen ergeben, n/imlich einen Antik6rper herzustellen, welcher m6glJchst vielseitig (polyvalent) ist."

Die letztere Theorie wird ja auch von den Verfechtern der paren- teralen Milchinjektion in Anspruch genommen. Auch bei der letzteren ~ethode gehen die Ansichten der verschiedenen Atltoren auseinander. Auf dem Gebiet der Mittelohrentziindungen haben bekanntlich Ale- x a n d e r tiber gute und I m h o f e r fiber vollkommen negative Versuche berichtet.

Zweck dieser Mitteilung ist, den Kollegen, die dutch die Kl ing- miillerschen Ver6ffentlichungen angeregt, auf unserem Gebiet eben- falls alas Verfahren anwenden wollen, Entt~uschungen zu ersparen.