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8. JULI x924 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 3. JAHRGA~NG. Nr. 28 1275 des Wasserstoffionengehaltes der verschiedenen L6sungen, ffihrte zu Versuchen, Wasser nit verschiedenem Pa unter gleichen Bedingungen auf die Ausscheidung bzw. auf das Retentionsverm6gen zu prfifen. Hierzu eignet sictl nach obigen Erfahrungen am besten die o,5proz. Kochsalzl6sung (P~ ca. 7). Von I I dieser L6sung werden in 4 Stunden 459 ccm = 46% der getrunkenen Menge ausgeschieden, yon der gleich- konzentrierten Salzl6sung bei p~ 1, 5 um 65%, bei pa 2 um 40% und bei p~ 3 um 19% mehr. Dies beweist die Abhgingig- keit der A usseheidungsgrdfie des getrunkenen Wassers yon seinem Gehalte an Wassersto//ionen. 7. Mit Abnahme der H-Ionenkonzentration nimmt such die Grdfie der A usscheldung abound diese ist beim Neutralitiitspunkt der Ldsung dann nur mehr dutch die -~quivalentkonzentration der Salze bestimmt. Auch zunehmende alkalisehe t~eaktion iibt dann keinen weiteren Ein]lufl au] die Ausscheidung aus. 8. Aus diesen Versuchen kann der Schlufi gezogen werden, daft such die diureseJSrdernde Wgrkung der Koh$ensiiure in den Mine?alwiissern au] den dutch s ie gegebenen Gehalt des Wassers an H-Ionen bedingt ist. 9. Die Faktoren, welche die GrSfle der Ausscheidung des getrunkenen Wassers unter den hier eingehaltenen Bedingungen bestimmen, sind somit: a) der Gehalt an ]reier Kohlensiiure einerseits und an Hydrokarbonat-Ion andererseits (wodurch die Wassersto]/ionenkonzentration gegeben ist), b) die _~qui- valentkonzentration an Salzen, dutch die das Isotonieverhiiltnis bestimmt wird. io. Die kohlens/~.urereichen Mineralw/isser wirken ge- legentlich stXrker diuretisch, als es ihrem pR-Gehalte ent- sprechen wfirde. Dies dfirfte dadurch bedingt sein, dab dutch die Kohlens~ure im Magen noch eille st~trkere HC1- Sekretion angeregt wird, wodurch die H-Ionenkonzentration des getrunkenen Wassers im 3/Iagen noch vermehrt wird, ~ was dana auch zu einer st~rkeren Ausscheidung ffihrt. i I. ]~s wXre an die M6glichkeit zu denken, dab die diure- tische Wirkung Meiner in den Mund gebrachter Wasser- mengen und die ~lberlegenheit der diuretischen Kraft oral verabreichter Flfissigkeit gegenfiber der parenteralen In- jektion der gleichen Menge beim Hund auf eine solche Se- kretionssteigerung und dadurch bedingte diuretische H-Ionen- wirkung zurtickzuffihren sei, zumal auch Fleischnahrung allein beim Hunde solche diuretische Ef~ekte ausl6sen kann. Schliel31ich wXre auch im Zusammenhang nit diesen Befunden an die M6glichkeit zu clenken, eine Beziehung zwischen der Acidosis und der starken Diurese beim Diabefiker zu suchen. 12. ~ber den Angriffspunkt dieser H-Ionen sind vorl~ufig bestimmte Anhaltspunkte nicht gegeben. Eine direkte renale Wirkung erscheint ausgeschlossen. Wahrscheinlicher ist die Annahme eines extrarenal~n Ein- flusses au] die Gewebe; denn hierher mfissen wit ja auch den Angriffspunkt der die Diurese hemmender~ Salze verlegen, zu denen, wie sich zeigen lieB, die H-Ionen in einem gewissen antagonistischen Verh/~ltnis stehen. (Ausffihrliche Publikafion erfolgt ira Arch. f. exp. Pathol. u. Pharmakol.) (A us dem Pharmakologischen Institut der deutscher~ Universitiit in Prag [Vorstand: Pro]. Dr. W. Wiechowski].) KASUISTISCHE MITTEILUNGEN. 0BER EINEN PL~TZLICHEN TODESFALL NACH INTRAVENOSER WISMUTEINSPRITZUNG. Von Dr. MAGNIJS, Generaloberarzt a. D., Steglitz. Der Hausdiener L., 2o Jahre alt, trat am i. XI. 1923 in meine Behandlung. Letzter Coitus nit unbekanntem M~tdchen vor ca. 3 Wochen. Es bestaild ein Geschwfir nit harten R~ndern aml Innenblatt der Vorhaut, in welchem im Dunkelfeld Spiroch~teil gefunden wurden. Leistendrfisen erschieilen noch nicht infiltriert, sonstige Erseheinungen yon Syphilis waren ebenfalls Ilicht nach- weisbar. Es handelte sich somit um einen frischen PrimXraffekt. Der Mann war ~uBerst kr~ftig und regelmXl3ig gebaut und nach Anamnese und genauer Untersuchung -- selbstverstXndlich such des Urins -- sonst vollkommen gesund. Nach geilauer Aufkl~rung fiber die Art seiner Erkrankuilg war er durchaus nit mir einverstanden, dab versucht werden mfisse, durch energischen Eingriff der Weiterverbreitung des syphilitisehen Virus in seinem K6rper zu begegnen. L. erhielt deshalb am I. XI. gleieh 0,6 Neosalvarsan in die Armvene und in der Folgezeit in etwa 3 --4 t~gigen Zwischenr~umen noch 7 gleiche Einspritzungen, so dab er his zum 19. XII. 8 Spritzen zu 0,6 Neo- salvarsan erhalten hatte. Weder nach der ersten noch den fol- genden Spritzen empfand er irgendwelches Unbehagen, ffihlte sich im Gegenteil durchaus wohl und hat seine T~tigkeit nicht unter- brocheil, trotz dringenden Anratens yon Schonung. Heilung des Ulcus war in einigen Tagen erfolgt, wie gew6hnlich. Weiterhin erhielt er am 23. XII. eiile intraven6se Spritze yon I ccm Calomel Dispert und yon 28. XII. I923 bis 11. I. I924 auf gleiehe Weise 6 Spritzen yon je I ccm Wismulen (Stroscheiil) einer wasserMaren niederschlagslosen L6sung yon o,o 4 ccm Wismut, ohne auch bei dieseil Medikationen irgendwelche St6rungen zu haben. Nicht einmal Zahnschmerz, fiber welchen viele meiner Patienten als einzige St6rung unmittelbar nach Wismulen und anderen ~Tismut- prXparaten klagen, trat bei L. in Erscheinuilg. Ohne mein Einverstgndnis verreiste er, stellte sich erst am 22. I., also Ilach ri Tagen, 9 Uhr vorm., wieder vorund erhielt genau die gleiche Wismuleneinspritzullg wie vor dieser Unter- brechung. Unmittelbar darauf, als er sich yon Operationsstuhl erheben wollte, stfirzte er bewuBtlos, ohne vorher einen Laut yon sich zu geben, Ilieder, verfiel ill KrXmpfe, indem Arme und 13eine stoBweise Beweguilgen ausffihrten, wfirgte etwas, so dab ich den Kopf auf die Seite legte, so gut dies bei den I(r~Lmpfen gehen wotlte, und gab einige st6hnende Laute yon sich. Puls und Atilnmg stockten. Mit Hilfe eines zuf~llig ailwesenden Kollegen begann ich sofort mit kfinstlicher Atmung, die Freisein der Luftwege er- wies, gab ~therspritze, rief eiilen Helfer nit SauersLoffapparat yon der Rettungsstation herbei uild setzte mit diesem die Wieder- belebungsversuche ununterbrochen fort, brachte auch Faradi- sation in Anwendung. Der Stillstaild yon Herz- und Atmungst~tigkeit liel3 sich aber auf keine Weise wieder in Gang bringen, der K6rper erkaltete langsam, so dab wit, v611ig ersch6pft, nach mehr als 2 Stunden unsere Bemfihungen einstelleil mu13ten. Im EinverstXndnis nit der gleich nach Eintritt des Unfalls benachrichtigten Kriminalpolizei sorgte ich dann ffir tJberffihrung der Leiche nach den hiesigen Friedhof, wo ich am nXchsten Tage, 91/8 Uhr vorm., nochmals sie besichtigte. Es war vOllige Leichen- starre eiilgetreteil. Gesicht und 13rust zeigten reichliche Toten- fiecke. Am 25. I. I924 land ~u/3erst subtile gerichtliche Obduktion statt, der ich beiwohilen durfte. Es zeigten sieh weder am Ein- stich in der Armvene noch im Gehirn irgendwelche Gerinnsel und such sonst an sXmtlichen Organen durchaus regelrechte 13eschaffen- heir. Die mikroskopische, Wochen beanspruchende Untersuchung yon Schilddrfise, Thymus, Epithelk6rperchen, Nebennieren, Hypo- physe und aller Gehirnteile ergab ebensowenig patho]ogische oder hyperplastische VerXnderungen, die sieh etwa im Sinne eiaes Thymustodes deuten liel3en. Ich berichtete am 12. II. I924 fiber den Fall in der Dermato- logischen Gesellschaft. In der Diskussion wurde, wie bei der Ob- duktion bereits, die ])'rage der Ailaphylaxie nit Rficksicht auf die Kurunterbrechung lebhaft besprochen. Eine ersch6pfende, befrie- digende Erkl~rung des Unglficksfalles scheint mir in dieser An- nahme aber nicht gegeben. Wird doch im Verlauf yon allen 1!tit m6glichen antisyphilitischen Kuren nut allzuoft yon den Patien- ten eine solche Unterbrechuilg aus irgendwelchem AnlaB und ohne jede Sch~digung herbeigeffihrt. Ebensowenig ist wohl eine kumulative Wirkung der angewandteu Mittel bei der fiber 2 Monate ausgedehnten Ku r anzunehmen.

Über Einen Plötzlichen Todesfall Nach Intravenöser Wismuteinspritzung

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Page 1: Über Einen Plötzlichen Todesfall Nach Intravenöser Wismuteinspritzung

8. JULI x924 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 3. J A H R G A ~ N G . Nr . 28 1275

des Wasse r s to f f ionengeha l t e s de r ve r sch i edenen L6sungen , f f ihr te zu Versuchen , W a s s e r n i t v e r s c h i e d e n e m Pa u n t e r g le ichen B e d i n g u n g e n auf die A u s s c h e i d u n g bzw. au f das R e t e n t i o n s v e r m 6 g e n zu prfifen. Hie rzu e igne t sictl n a c h ob igen E r f a h r u n g e n a m bes t en die o ,5proz . Kochsa lz l6sung (P~ ca. 7). Von I I dieser L 6 s u n g werden in 4 S t u n d e n 459 ccm = 46% der g e t r u n k e n e n Menge ausgeschieden, yon der gleich- k o n z e n t r i e r t e n Sa lz l6sung bei p~ 1, 5 u m 65%, bei p a 2 u m 40% u n d bei p~ 3 u m 19% mehr . Dies beweist die Abhgingig- keit der A usseheidungsgrdfie des getrunkenen Wassers yon seinem Gehalte an Wassersto//ionen.

7. Mi t Abnahme der H-Ionenkonzentration nimmt such die Grdfie der A usscheldung abound diese ist beim Neutralitiitspunkt der Ldsung dann nur mehr dutch die -~quivalentkonzentration der Salze bestimmt. Auch zunehmende alkalisehe t~eaktion iibt dann keinen weiteren Ein]lufl au] die Ausscheidung aus.

8. Aus diesen Versuchen kann der Schlufi gezogen werden, daft such die diureseJSrdernde Wgrkung der Koh$ensiiure in den Mine?alwiissern au] den dutch s ie gegebenen Gehalt des Wassers an H-Ionen bedingt ist.

9. Die Faktoren, welche die GrSfle der Ausscheidung des getrunkenen Wassers unter den hier eingehaltenen Bedingungen bestimmen, sind somit: a) der Gehalt an ]reier Kohlensiiure einerseits und an Hydrokarbonat-Ion andererseits (wodurch die Wassersto]/ionenkonzentration gegeben ist), b) die _~qui- valentkonzentration an Salzen, dutch die das Isotonieverhiiltnis bestimmt wird.

io. Die kohlens/~.urereichen Mineralw/isser w i r k e n ge- l egen t l i ch stXrker d iure t i sch , als es i h r e m pR-Gehal te en t -

sp rechen wfirde. Dies dfirf te d a d u r c h b e d i n g t sein, d a b d u t c h die Koh lens~ure im Magen noch eille st~trkere HC1- Sekre t ion ange reg t wird, w o d u r c h die H - I o n e n k o n z e n t r a t i o n des g e t r u n k e n e n Wassers i m 3/Iagen noch v e r m e h r t wird, ~ was d a n a auch zu e iner s t~ rke ren A u s s c h e i d u n g ff ihrt .

i I. ]~s wXre a n die M6gl ichkei t zu denken , d a b die d iure- t i sche W i r k u n g Meiner in den M u n d g e b r a c h t e r Wasser - m e n g e n und die ~ lber legenhe i t der d iu re t i s chen K r a f t oral v e r a b r e i c h t e r Flf issigkeit gegenfiber der p a r e n t e r a l e n In - j ek t i on der gleichen Menge b e i m Hund auf eine solche Se- k r e t i ons s t e ige rung u n d d a d u r c h bed ing te d iu re t i sche H - I o n e n - w i r k u n g zur t ickzuff ihren sei, z u m a l a u c h F l e i s c h n a h r u n g al lein be im H u n d e solche d iu re t i sche Ef~ekte aus l6sen k a n n . Schliel31ich wXre a u c h im Z u s a m m e n h a n g n i t d iesen B e f u n d e n a n die M6gl ichkei t zu clenken, eine Bez i ehung zwischen de r Acidosis u n d der s t a r k e n Diurese be im Diabe f ike r zu suchen .

12. ~ b e r den A n g r i f f s p u n k t dieser H - I o n e n s ind vor l~uf ig b e s t i m m t e A n h a l t s p u n k t e n i c h t gegeben. E i n e direkte renale W i r k u n g e r s c h e i n t ausgeschlossen.

W a h r s c h e i n l i c h e r i s t die Annahme eines extrarenal~n Ein- flusses au] die Gewebe; d e n n h ie rhe r mfissen wi t j a a u c h den A n g r i f f s p u n k t der die Diurese hemmender~ Salze ver legen, zu denen , wie s ich zeigen lieB, die H - I o n e n in e inem gewissen a n t a g o n i s t i s c h e n Verh/~ltnis s t ehen .

(Ausffihrl iche P u b l i k a f i o n erfolgt i ra Arch . f. exp. Pa tho l . u. P h a r m a k o l . ) (A us dem Pharmakologischen Institut der deutscher~ Universitiit in Prag [Vorstand: Pro]. Dr. W. Wiechowski].)

K A S U I S T I S C H E M I T T E I L U N G E N .

0BER EINEN PL~TZLICHEN TODESFALL NACH INTRAVENOSER WISMUTEINSPRITZUNG.

Von

Dr . MAGNIJS, G e n e r a l o b e r a r z t a. D., Stegl i tz .

Der Hausdiener L., 2o Jahre alt, t r a t am i. XI. 1923 in meine Behandlung. Letzter Coitus n i t unbekanntem M~tdchen vor ca. 3 Wochen. Es bestaild ein Geschwfir n i t harten R~ndern aml I n n e n b l a t t der Vorhaut, in welchem im Dunkelfeld Spiroch~teil gefunden wurden. Leistendrfisen erschieilen noch nicht infiltriert, sonstige Erseheinungen yon Syphilis waren ebenfalls Ilicht nach- weisbar. Es handel te sich somit um einen frischen PrimXraffekt. Der Mann war ~uBerst kr~ftig und regelmXl3ig gebaut und nach Anamnese und genauer Untersuchung -- selbstverstXndlich such des Urins -- sonst vollkommen gesund.

Nach geilauer Aufkl~rung fiber die Art seiner Erkrankuilg war er durchaus n i t mir einverstanden, dab versucht werden mfisse, durch energischen Eingriff der Weiterverbrei tung des syphilitisehen Virus in seinem K6rper zu begegnen. L. erhielt deshalb am I. XI. gleieh 0,6 Neosalvarsan in die Armvene und in der Folgezeit in etwa 3 --4 t~gigen Zwischenr~umen noch 7 gleiche Einspritzungen, so dab er his zum 19. XII . 8 Spritzen zu 0,6 Neo- salvarsan erhalten hat te . Weder nach der ersten noch den fol- genden Spritzen empfand er irgendwelches Unbehagen, ffihlte sich im Gegenteil durchaus wohl und ha t seine T~tigkeit nicht unter- brocheil, t ro tz dringenden Anratens yon Schonung. Heilung des Ulcus war in einigen Tagen erfolgt, wie gew6hnlich. Wei t e rh in erhielt er am 23. XII . eiile intraven6se Spritze yon I ccm Calomel Dispert und y o n 28. XII . I923 bis 11. I. I924 auf gleiehe Weise 6 Spritzen yon je I ccm Wismulen (Stroscheiil) einer wasserMaren niederschlagslosen L6sung yon o,o 4 ccm Wismut, ohne auch bei dieseil Medikationen irgendwelche St6rungen zu haben. Nicht einmal Zahnschmerz, fiber welchen viele meiner Pat ienten als einzige St6rung unmi t te lbar nach Wismulen und anderen ~Tismut- prXparaten klagen, t r a t bei L. in Erscheinuilg.

Ohne mein Einverstgndnis verreiste er, stellte sich erst am 22. I., also Ilach r i Tagen, 9 Uhr vorm., wieder v o r u n d erhielt genau die gleiche Wismuleneinspritzullg wie vor dieser Unter- brechung. Unmit te lbar darauf, als er sich y o n Operationsstuhl erheben wollte, stfirzte er bewuBtlos, ohne vorher einen Laut yon

sich zu geben, Ilieder, verfiel ill KrXmpfe, indem Arme und 13eine stoBweise Beweguilgen ausffihrten, wfirgte etwas, so dab ich den Kopf auf die Seite legte, so gut dies bei den I(r~Lmpfen gehen wotlte, und gab einige st6hnende Laute yon sich. Puls und Ati lnmg stockten. Mit Hilfe eines zuf~llig ailwesenden Kollegen begann ich sofort mi t kfinstlicher Atmung, die Freisein der Luftwege er- wies, gab ~therspri tze, rief eiilen Helfer n i t SauersLoffapparat yon der Ret tungssta t ion herbei uild setzte mit diesem die Wieder- belebungsversuche ununterbrochen fort, brachte auch Faradi- sation in Anwendung.

Der Stillstaild yon Herz- und Atmungst~t igkei t liel3 sich aber auf keine Weise wieder in Gang bringen, der K6rper erkaltete langsam, so dab wit, v611ig ersch6pft, nach mehr als 2 Stunden unsere Bemfihungen einstelleil mu13ten.

Im EinverstXndnis n i t der gleich nach Ein t r i t t des Unfalls benachricht igten Kriminalpolizei sorgte ich dann ffir tJberffihrung der Leiche nach d e n hiesigen Friedhof, wo ich am nXchsten Tage, 91/8 Uhr vorm., nochmals sie besichtigte. Es war vOllige Leichen- starre eiilgetreteil. Gesicht und 13rust zeigten reichliche Toten- fiecke.

Am 25. I. I924 land ~u/3erst subtile gerichtliche Obdukt ion stat t , der ich beiwohilen durfte. Es zeigten sieh weder am Ein- stich in der Armvene noch im Gehirn irgendwelche Gerinnsel und such sonst an sXmtlichen Organen durchaus regelrechte 13eschaffen- heir. Die mikroskopische, Wochen beanspruchende Untersuchung yon Schilddrfise, Thymus, Epithelk6rperchen, Nebennieren, Hypo- physe und aller Gehirnteile ergab ebensowenig patho]ogische oder hyperplastische VerXnderungen, die sieh etwa im Sinne eiaes Thymustodes deuten liel3en.

Ich berichtete am 12. II. I924 fiber den Fall in der Dermato- logischen Gesellschaft. In der Diskussion wurde, wie bei der Ob- duktion bereits, die ])'rage der Ailaphylaxie n i t Rficksicht auf die Kurunterbrechung lebhaft besprochen. Eine ersch6pfende, befrie- digende Erkl~rung des Unglficksfalles scheint mir in dieser An- nahme aber nicht gegeben. Wird doch im Verlauf yon allen 1!tit m6glichen antisyphili t ischen Kuren nu t allzuoft yon den Patien- ten eine solche Unterbrechuilg aus irgendwelchem AnlaB und ohne jede Sch~digung herbeigeffihrt.

Ebensowenig ist wohl eine kumulat ive Wirkung der angewandteu Mittel bei der fiber 2 Monate ausgedehnten Ku r anzunehmen.

Page 2: Über Einen Plötzlichen Todesfall Nach Intravenöser Wismuteinspritzung

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da ihre Unseh~dlichkeit durch tausendf~ltige gleiehe Anwendung wohl als erprobt anzunehmen ist und die verniehtende Wirkung der Einspritzung so schnel! erfolgte, dab eine Giftwirkung nach der Beschaffenheit des Niittels auger jeder Erfahrung liegt.

Nehmen wir aber an, dab ein pl6tzlich einsetzender Gef~13- krampf dem Leben des ganz gesunden Mannes ein Ziel setzte, so w~ire dieser nicht sowohl dem VVisrnut an sich -- vielj~hrige Spezial- praxis schliegt die Mitwirkung eines !4unstfehlers in diesem Falle aus -- Ms der intraven6sen Einspritzung als solcher zur Last zu Iegen.

R I F T . 3. J A H R G A N G . Nr. 28 8. JULII924

Wenn ich daher leider nicht in der Lage bin, eine befriedigende Aufkl~rung des pl6tzlichen Todesfatles zu geben, so erscheint seine Bekanntgabe mir doch durchaus notwendig, da er dringend an die Gefahr aller intraven6sen Einspritzungen gemahnt und -- worin ich bet meinem Vortrage yon berufenster Stelle unterstfitzt wurde -- somit die dringende Notwendigkeit erweist, die jetzt so sehr beliebte intravenbse Einverleibung aller m6glichen 1Vfittel nur dann in Anwendung zu bringen, wenn uns ein weniger geflihrlicher Weg durch die Art des Mittels (wie beispielsweise beim Salvarsa~) g~nzIich verschlossen ist.

PRAKTISCHE UBER CALCIUMTHERAPIE.

Yon

Prof. K. BLOHDORN. Aus der Universitgtskinderklinik in GSttingen (Direktor: Prof. F. GOPPERT).

Seitdem in der neueren Zeit das Calcium zuerst yon WRmHr im Jahre I896 in die Therapie eingeft~hrt wurde, er- ireut es sich seit etwa I5 Jahren einer stets steigenden Beliebt- heir auf den verschiedensten Gebieten der Medizin. So zweck- m~Big und vielgestaltig such auf begriindeter Indikation seine Anwendungsm6glichkeit sein mag, so lehren doch zahlreiche Publikationen, dab es recht h~iufig in unkritischer Weise ver- abfolgt wird. Man kann sagen, dab es kaum eine Krankheit gibt, bet der der Kalk nicht in Anwendung gebracht worden w~re. Im iolgenden seien nur die Indikationen angegeben, die yon zwei chemischen Fabriken in ihren Ankiindigungen ffir die Kalktherapie angegeben werden.

Hiernach gibt man Kalk: ,, Als Tonikum (Schwangerschaft, fehlerhafte Kalkbilanz bet Erwachsenen und Kindern, unter- stfitzende Medikation bet Zahncaries, ,Knochenschw~iche', Tuberkulose, l~achitis, Skrofulose, ekzemat6sen Augen- erkrankungen), als Vorbeugungsmittel gegen Heuschnupfen und Katarrhe, sowie gegen gewisse Krankheitsdisposid0nen, die durch andauernde ungenfigende Kalkzuiuhr verursacht oder begiinstigt werden (Grippe) ; ferner bet Urticaria, Erfrie- rungen, Nervosit~t mit vorwiegend vasomotorischen Erschei- nungen, SchweiBen der Phthisiker, ErschbpfungszustXnden, die zu starken SchweiBausbrfichen neigen, leichteste Form yon Basedow, mit gleiehzeitigen SchweiBanomalien."

Nach dem anderen Prospekt ist der Kalk indiziert bet: ,,Rachitis, Skrofulose, Osteomalacie, in der Dentition, zur Caries-Prophylaxe bet Graviden, bet Anemic und Chlorose, Tuberkulose, Arteriosklerose, Nephritis, Diabetes, Neurosen, Gicht und Ikterus, Infektionskrankheiten, Heufieber, Asthma, Neigung zu Erk~iltungskrankheiten, Blutungen der verschie- densten Art und Ursache usw."

Somit scheint es notwendig, bevor wir auf die therapeu- tische Verwendung der Kalksalze eingehen, wenigstens die wichtigsten theoretischen Grundlagen der KaIkwirkung in aller Kfirze darzulegen *). Beginnen wir dabei mit den Unter- suchungen yon WRmHT. Dieser Autor, der das Calcium bet versehiedenen hgmorrhagischen Erkrankungen, bet Urticaria, und Serumexanthemen anwandte, glaubte dutch die Kalk- medikation direkt auf die BIutgerinnung gfinstig einzuwirken. Wenn wit zun~chst zu der Frage der Beeinflussung yon Urti- caria und Serumexanthemen auf Grund eigner Beobachtungen Stellung nehmen, so set bemerkt, dab wir nach frfiher mitgeteil- ten Befunden w~ihrend therapeutischer Verabfolgung yon Kalk in einem Falle eine sehr ausgepr~gte Urticaria entstehen sahen, und dab wir ferner in 2 F~llen, die mit Diphtherieserum gespritzt waren, und die gleichzeitig aus bestimmter Indikation Kalk bekamen, sehon sehr kurz nach der erstmaligen Injektion ein Serumexanthem, ja in einem Falle das typische gi ld einer mit Fieber einhergehenden Serumkrankheit bemerken konnten. CASSlDY hat an einem gr6Beren Material ganz entsprechende

*) Anmerkung beg get Ko~'relctu~: Die neueste, ausffihrliehe Obersieht tiber die ,,Grundlagen der Kalkbehandlung" finde ich irx der fair soebe~ bekannt gewordenen. jttngst erschienenen Arbeit "con ZONDI~K (Ergebn. der gesamten ~<[edizin, gd. V), Literaturangaben,

ERGEBNISSE. Beobachtungen gemacht. ]?fir-die gfinstige Beeinflussung yon Blutungen verschiedenster Art wird fibrigens nach yon DER VELDEN nicht eine direkt spezifische gerinnungssteigernde Wirkung des Kalkes im Sinne WRIGHTS angenommen, sondern der Vorgang der Kalkwirkung wird bier als eine allgemeine Salzwirkung, die z. B. auch mit NaC1 erzielt werden kann, auf- gefaBt.

Zudem ist bier such eine andere Deutung m6glich. CHIARI und JANUSCHKB stellten in ihren bekannten Versuchen (Ver- hiitung der Senf61-Conjunctivitis und yon Exsudaten durch Kalkdarreichung) eine gefiiBdichfende und exsudathemmende Funkt ion der Kalksalze test. Obwohl diese experimentellen Ergebnisse yon manchen Nachuntersuehern nicht best~itigt werden konnten, kbnnen sie wohl heute als durchaus gesichert angesehen werden, Von dieser F~thigkeit der gfinstigen Be- einflussung durch Kalk hat man infolgedessen bet Asthma bronchiale, Heuschnupfen, Heuasthma, versehiedenen Urti- cariaformen, bet Ekzemen, Pleuraergfissen und anderen Gebrauch gemacht. Die praktischen Erfolge sind tells gtinstig, tells muB aber aueh fiber vollkommene Versager berichtet werden.

Es ist weiter zu er6rtern, dab bet den genannten Erschei- nungen such sehr wohl die pharmakologisch gesicherte Tat- sache mitsprechen muB, dab der I4alk die Erregbarkeit des

animalischen wie des vegetativen Nervensystems herab- setzen kann. SABBATANI zeigte zuerst diesen EinfluB auf das Zentralnervensystem, nnd I. LOEB auf die peripheren Nerven. Die bekannten Versuche, auf die bier nieht n~her einzugehen ist, stellten den Antagonismus des Calciumions zu dem Na- trium- und Kaliumion fest. Wir wissen heute, wie wichtig das Verh~iltnis dieser Ionen im Btute z. B. fiir das Zustandekommen der Tetanie (Spasmophilie) i s t Die ersten Versuche, den Kalk hierbei therapeutisch zu verwenden, gingen yon den Arbeiten

�9 VOGTLINS und MAcCALLU~S aus, die bet der nach Entfernung der Epithelkbrperchen aufgetretenen Tetanie mit Kalk einen gfinstigen EinfluB erzielten. Es wurde dann die Kalktherapie bet Tetanie der Erwachsenen zuerst yon CIJRSCHMANN und E. MEYER angewandt; flit die kindliche Spasmophilie wurde eine brauchbare Kalkdosierung yon mir ausgearbeitet (I913).

Was die Wirkungsweise des Calciums auf das vegetative Nervensystem betrifft, so ist nach den Ergebnissen USENERS auch bier ein hemmender (narkotischer) EinfluB des Calciums in Analogie zum animalischen Nervensystem sichergestellt, sowohl ant Funkt ionen des Vagus wie auf solche der Sym- pathicusinnervation. ZONDEK weist auch ffir das vegetative System auf den Antagonismus des Calcium- zum Kaliumion bin, wobei ersteres einen wesentIich sympathikotonischen Ein- flug, letzteres dagegen einen vagotonischen entwickelt. In ~hnlichem Sinne ~iugern sich DRESEL und JAKOBOWTS, die eine akute Wirkung der Calciuminjektionen im Sinne einer Erregung des Sympathicus erblicken und eine Dauerwirkung in ether gewissen IRegulierung des Gleichgewichts zwischen sympathischer und parasympathischer Funkt ionen : sehen. Nimmt man die antivagische Wirknng des Calciums als gegeben an, so wird man such auf diese Weise einen m6glichen&Einflug aufi , ,vagotonische Symptome" bet anaphylaktischen Er- scheinungen, Urticaria, Asthma bronchiale, Heuschnupfen und ~ihnlichen erkl~iren k6nnen.