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XXXIII. Ober reine Transsudatc im Mittelohr. Geheimrat Walb in Bonn. In seinem Referat: ,,Die Bakteriologie der akuten Mittelohr- entziindungen", welches Kiimmel auf der Versammlung der Otolog'. Gesellschaft in Bremen gegeben hat, hat KtimmeI aueh die Frage der Transsudate im Mittelohr gestreift und dabei erstens auf die Armut an Mikroben in denselben hingewiesen, so dab dieselben als steril angesehen werden k8nnen, und zweitens ihre Entstehung dutch den negativen Druck betont. In der sich anschIiel~enden Diskussion wurde, wenn ich nicht irre, yon Winkler diese Ansicht nicht geteilt und die Sterilitfit dadurch erklart, da~ die Transsudate meistens aus Sehieim best;4nden, der ein ungiinstiger N~hrboden ftir Mikroben sei. Ich teile im Gegen- s~tz hierzu mit K~immel, Scheibe u. a. die Ansicht, dal~ es sich bei den Transsudaten, und zwar bei den reinen Formen7 in tier Tat um Erzeugnisse des negativen Druckes handelt, und dab daher die Sterilitfit naturgem~i[$ ist. Zungchst mu~ hervorgehoben werden, da~ diese reinen Transsudate gar nicht aus Schleim be- stehen~ sondern eine wasserklare, rein serSse Fliissigkeit darstellen~ die entweder farblos ist oder gelblich~ zuweilen auch gelblieh- griin erscheint. Diese Transsudate entwickeln sieh bei Tuben- katarrh mit Verschlu[~ unter tier Einwirkung des negativen Druckes, bei rein passiver Beteiligung der PaukenhShlenschleim- haut ohne aktive spezifische Schleimhautsekretion -- der hydrops ex vacuo der Alten, und zwar der Alten im doppelten Sinne, ein- real tier ~ilteren otiatrisehen Schule und dann auch in dem Sinne, da~ diese Form sehr h~tufig bei alten Leuten rein vorkommt, wie schon Gruber in tier ersten Auftage seines Handbuches hervor- gehoben, was sich dnrch die Rigidit~t tier Gewebe und die

Über reine Transsudate im Mittelohr

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Page 1: Über reine Transsudate im Mittelohr

XXXIII.

Ober reine Transsudatc im Mittelohr.

Geheimrat Walb in Bonn.

In seinem Referat: ,,Die Bakteriologie der akuten Mittelohr- entziindungen", welches Kiimmel auf der Versammlung der Otolog'. Gesellschaft in Bremen gegeben hat, hat Kt immeI aueh die Frage der Transsudate im Mittelohr gestreift und dabei erstens auf die Armut an Mikroben in denselben hingewiesen, so dab dieselben als steril angesehen werden k8nnen, und zweitens ihre Entstehung dutch den negativen Druck betont. In der sich anschIiel~enden Diskussion wurde, wenn ich nicht irre, yon W i n k l e r diese Ansicht nicht geteilt und die Sterilitfit dadurch erklart, da~ die Transsudate meistens aus Sehieim best;4nden, der ein ungiinstiger N~hrboden ftir Mikroben sei. Ich teile im Gegen- s~tz hierzu mit K~immel , S c h e i b e u. a. die Ansicht, dal~ es sich bei den Transsudaten, und zwar bei den reinen Formen 7 in tier Tat um Erzeugnisse des negativen Druckes handelt, und dab daher die Sterilitfit naturgem~i[$ ist. Zungchst mu~ hervorgehoben werden, da~ diese reinen Transsudate gar nicht aus Schleim be- stehen~ sondern eine wasserklare, rein serSse Fliissigkeit darstellen~ die entweder farblos ist oder gelblich~ zuweilen auch gelblieh- griin erscheint. Diese Transsudate entwickeln sieh bei Tuben- katarrh mit Verschlu[~ unter tier Einwirkung des negativen Druckes, bei rein passiver Beteiligung der PaukenhShlenschleim- haut ohne aktive spezifische Schleimhautsekretion - - der hydrops ex vacuo der Alten, und zwar der Alten im doppelten Sinne, ein- real tier ~ilteren otiatrisehen Schule und dann auch in dem Sinne, da~ diese Form sehr h~tufig bei alten Leuten rein vorkommt, wie schon G r u b e r in tier ersten Auftage seines Handbuches hervor- gehoben, was sich dnrch die Rigidit~t tier Gewebe und die

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Brtiehigkeit der Gef~l~e, die bei alten Leuten gefunden wird: er- kl~irt. Im Gegensatz hierzu gibt es allerdings Mischformen, wo eine sekretorische T/itigkeit der PaukenhShlenschleimhaut hinzu- kommt, sei es, dab gleiehzeitig ein Katarrh der Mittelohrsehleim- haut besteht, oder dureh die 1Kngere Anwesenheit des Trans- sudates veranlal~t wird. ~ier finder man h~ufig sehleimige Bei- mengungen, oder tier ganze Inhalt stellt eine gleichm/il~ige colloide, durchsiehtige Masse dar. Es kommt aber aueh vor, dab der ganze Befund und die Beschaffenheit des PaukenhShleninhalts flit T r a n s s u d a t spricht und kS sieh doeh um ein E x s u d a t handelt. Bekanntlieh sind bei akuten Mittelohrentz~indungen die Exsudate sehr hKufig im Anfang rein serSs und bleiben so selbst nach dem Eintritt der Perforation in tier ersten Zeit. Man be- obachtet nun gelegenttich F~lle, wo bei nicht perforierender Mittel- ohrentztindung die Exsudate nicht resorbiert werden nach tliiek- gang der entziindlichen Erseheinungen, und wo sparer, wenn das Trommelfell ganz abgeblaI~t und wieder hinreiehend pellucide ist~ man sehr gut die restierenden Exsudate mit schwarzer Standlinie und allem Zubeh~r sehen kann. Das sieht genau so aus, wie ein Transsndat und ist doch keins. Alles dies schliel~t aber nicht aus, daft es reine Transsudate gibt, die nur dutch den negativen Druck entsteheli und durch den Tubenversehluf~ veranlal~t sind. Man k a n n dies d u r c h b e s t i m m t e t h e r a p e u t i s c h e Maf~- n a h men b e w ei sen. Zur Entteerung rein ser~ser Fliissigkeiten aus dem Mittelohr geniigt meist eine einfache Punktion des Trommelfells, wenn man daran die Luftdouehe anschliel~t und durch vis a tergo die Fliissigkeit herausdriiekt. Meist ist diese so gesehaffene kleine Offnung naeh 24 Stunden schon wieder go_ schlossen. Man sieht dann hiiufig schon wieder Fliissigkeit in der PaukenhShle angesammelt. Das kann so zu erkl~iren sein~ dab man nicht alles entleert hat und Fliissigkeitsteile, die im Kuppelraum zwisehen den GehSrknSchelchen oder sonst wo fest: gehaiten resp. yon der treibenden Kraft nicht beriihrt wurden, sich am Boden der PaukenhShle wieder angesammelt haben: oder dai~ s c h o n w i e d e r f r i s e h e s T r a n s s u d a t u n t e r t ier so- f o r t i g e n W i r k u n g des n e g a t i v e n D r u c k e s n a c h Ver- sch l ie l~ung der Pun~kt ions~iffnung s ieh bi ldete .

Nieht immer tritt indes der Verschiut~ der Punktions;sffmlng in so kurzer Zeit ein, namentIich in F~tlen~ wo dutch friihere Anffille, dul'ch Entziindungen oder durch lange Dauer; das Trommetfell artophisch geworden ist, was namentlich h~itffig fiii:

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die hintere Halfte gilt, wo man ja mit Vorliebe den Einstieh macht. Die hochgradige Verdiinnung spricht sich ja hier u. a. auch darin arts, daf5 haufig die Membran dem Punkfionsinstru- mente ausweieht Hier bteibt alas kleine Loeh oft mehrere Tage often und nun sieht man: dal~ zwar zuweilen am anderen Tage der Gazestreifen, den man in das ~ufiere Ohr gelegt hat, noeh etwas feueht an der Spitze ist: dab aber weiterhin der Streifen ganz troeken bleibt nnd auch am Trommelfell absolut niehts die Anwesenbeit yon alter oder neuer Fliissigkeit zeigt: ja daI~ mit Sicherheit dies ausgeschlossen werden kann. Tritt nun nach mehreren Tagen der Verschlufi der kleinen Offnung ein, i s t m e i s t s o f o r t d a s T r a n s s n d a t w i e d e r da. Dies hat reich nun auf den Gedanken gebracht, in Fallen yon Transsudat einen grSl~eren Sehnitt zu maehen. Es weiehen dann meist die Rander auseinander und es entsteht ein ovaler Spalt, durch den man hindurch einen grSfieren Tell der PaukenhShlenschIeimhaut sehen kann, gerade so wie es bei ausgiebigen Rupturen der Fall ist. Ein derartiger Spalt braueht oft mehrere Wochen zu seiner Heilung. Es ist mir stets gelungen, denselben aseptisch zu halten, und babe ich stets schlieiglieh den Versehlufi sieh einstellen sehen~ abet wie gesagt: oft erst naeh drei oder vier Wochen, gerade so wie bei grSl~eren Rupturen. Hier gestaltet sich nun der Verlauf in sehr interessanter Weise. In den ersten Tagen ist die Sehleim- haut, so welt sie sichtbar ist, ganz leieht gerStet, wie es ja auch die Einwirkung des bis dahin bestandenen negafiven Druckes auf die Gefafie natiirlich erseheinen l~ifit. Dann wird die Sehleim- hant blafi und normal. Eine A b s o n d e r u n g findet yore zweiten Tag'e an meist absolut nieht start. Der Verlauf gestaltet sich nun versehieden und h~ingt ganz davon ab, ob es einem bis zum Ein- tritt der Schnittheilung gelingt, den Tubenkatarrh zu beseitlgen durch Behandlung der induzierenden Krankheiten im Nasen- raehenraum in der Nase etc., sowie dureh Behandlung der Tube selbst vom Nasenraehenraume aus. Gelingt dies in der his zur Sehnittheilung gegebenen Frist: so b l e i b t das T r a n s s u d a t naeh d e r t i e i l u n g des S e h n i t t e s a u s , gelingt dies nieht, was je seine versehiedenen Griinde haben kann, so s te l l t s i eh das T r a n s s u d a t s o f o r t w i e d e r e in , aueh wenn es woehen- lang sistiert hatte. Ieh glaube damit ist der Beweis geliefert, dal~ es sieh in der Tat in solehen Fallen .'m reine Transsudate handelt. Ieh babe das Verfahreu aus naheliegenden Griinden in der Poliklinik meist nieht angewendef: da bier die Bedingungen

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fiir dnen gefahrlosen Verlauf meist nicht gegeben sind. Auf der anderen Seite babe ich allerdings grSl~ere Rupturen, die ja in gewissem Sinne als gMchartig anzusehen sind, auch in der Poliktinik bei ambulatorischer Behandlung ohne Entziindunff und Eiterung hdlen sehen. Durch die wenn auch titgliche An- wendung des Katheters wird meist die neue Transsudatbildung nicht verhindert~ hiiufig allerdings auf dn geringeres MaI~ herab- gesetzt. Auch ist in solchen F/illen der l~ngere Gebrauch des Katheters h~ufig schi~dlich, da die SchMmhaut im Tubeneingang davon gereizt wird und diese, statt zu heilen und abzuschwellen~ erst recht krank bMbt. In solchen Fi~llen eignet sich besser das Pol i tzersche Verfahren, das unter Umst/iuden zweimal tiiglich angewendet werden muff.

Archly ftir Ohronheilkunde. ~3. B4. lVestsohrift. 21