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Arch exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 225, S. 352--358 (1955). Aus dem Institut ffir Pharmakologie und Toxikologie der Humboldt-Universiti~t zu Berlin (Direktor: Prof. Dr. F. Juno) und der Abteilung Pharmakologie des Instituts ffir Medizin und Biologie der Deutsehen Akademie der Wissenschaften, Berlin-Bueh. C~ber Stoffwechselleistungen yon roten Blutk~rperchen. III. Zur Aufkl~ung des sogenannten Mischeffektes bei der Methiimoglobinriickbildung. Von HANSJ~RGEN MATTHIES~ FRITZ JUNG und RUTH SCH~FER. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 16. Dezember 1954.) In der vorhergehenden Mitteflung (II) haben wir fiber einen eigentiim- lichen Effekt berichtet, der bei der Rfickbildung des Meth~moglobins [Hb(3)] auftritt, wenn man denHb(3)-haltigenZellen Hb(3)-freieErythro- cyten zumischt : Die Hb(2)-Zellen f6rdern die Riickbildung in den Hb(3)- Zellen (Mischeffekt). Die F6rderung ist der Zahl der zugemischten Zellen direkt proportional. Dicser Effekt ist auch zwischen den Zellen ver- schiedener Tierarten zu beobachten. Die st~rkste Beschleunigung wird durch Hb(2)-Zellen vom Kaninchen erzielt, ihnen folgen die mensch- lichen Erythroeyten; die schw~chste Wirkung zeigen die Pferdezellen. Jugendliche Blutzellen sind weniger aktiv als ausgereifte. Zur Erkl~rung des Mischeffektes kann an die Beseitigung eines in den Hb(3)-Zellen bei der Riickbildung entstehenden und diesen ProzeB selbst hemmenden Stoffwechselprodukts durch die Hb(2)-Zellen gedacht wcr- den, aber es muB auch die Bildung eines die Riickbildung fSrdernden Substrates durch die Hb(2)-Zellen in Betracht gezogen werden. Die zweite Annahme erschien uns wahrscheinlichcr. Die folgenden Versuche stiitzen die Hypothese, dal~ die Ursache des Mischeffektes die yon den Hb(2)-Zellen gebildete Milchs~ure ist. Methodik. Frisches Menschen-, Pferde- und Kaninehenblut wurde defibriniert und gelangte nach spi~testens 2 Std zum Versueh. Diese VorsiehtsmaBnahme war auf Grund unserer Untersuchungen fiber den irreversiblen Abbau der Stoffwechselsysteme der roten Blutzellen bei Substratmangel notwendig. Die Hb(3)-Zellen wurden wie in unseren frfiheren Versuchen durch Behandlung der frischen Zellen mit 2,4~/oiger NaNO2-L6sung hergestellt. Sowohl die Hb(3)-, als auch die Hb(2)-Zellen wurden dann mit phosphatgepufferter isotoner NaC1-L6sung vom pH 7,3 bei 3000 U/min dreimal gewaschen und in der gleichen Salzl6sung suspendiert. Die Zellkonzentration

Über Stoffwechselleistungen von roten Blutkörperchen

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Page 1: Über Stoffwechselleistungen von roten Blutkörperchen

Arch exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 225, S. 352--358 (1955).

Aus dem Institut ffir Pharmakologie und Toxikologie der Humboldt-Universiti~t zu Berlin (Direktor: Prof. Dr. F. Juno) und der Abteilung Pharmakologie des Instituts ffir Medizin und Biologie der Deutsehen Akademie der Wissenschaften,

Berlin-Bueh.

C~ber Stoffwechselleistungen yon roten Blutk~rperchen.

III. Zur A u f k l ~ u n g des sogenannten Mischeffektes

bei der Methiimoglobinriickbildung.

Von HANSJ~RGEN MATTHIES~ FRITZ JUNG und RUTH SCH~FER.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 16. Dezember 1954.)

In der vorhergehenden Mitteflung (II) haben wir fiber einen eigentiim- lichen Effekt berichtet, der bei der Rfickbildung des Meth~moglobins [Hb(3)] auftritt, wenn man denHb(3)-haltigenZellen Hb(3)-freieErythro- cyten zumischt : Die Hb(2)-Zellen f6rdern die Riickbildung in den Hb(3)- Zellen (Mischeffekt). Die F6rderung ist der Zahl der zugemischten Zellen direkt proportional. Dicser Effekt ist auch zwischen den Zellen ver- schiedener Tierarten zu beobachten. Die st~rkste Beschleunigung wird durch Hb(2)-Zellen vom Kaninchen erzielt, ihnen folgen die mensch- lichen Erythroeyten; die schw~chste Wirkung zeigen die Pferdezellen. Jugendliche Blutzellen sind weniger aktiv als ausgereifte.

Zur Erkl~rung des Mischeffektes kann an die Beseitigung eines in den Hb(3)-Zellen bei der Riickbildung entstehenden und diesen ProzeB selbst hemmenden Stoffwechselprodukts durch die Hb(2)-Zellen gedacht wcr- den, aber es muB auch die Bildung eines die Riickbildung fSrdernden Substrates durch die Hb(2)-Zellen in Betracht gezogen werden. Die zweite Annahme erschien uns wahrscheinlichcr. Die folgenden Versuche stiitzen die Hypothese, dal~ die Ursache des Mischeffektes die yon den Hb(2)-Zellen gebildete Milchs~ure ist.

Methodik. Frisches Menschen-, Pferde- und Kaninehenblut wurde defibriniert und gelangte

nach spi~testens 2 Std zum Versueh. Diese VorsiehtsmaBnahme war auf Grund unserer Untersuchungen fiber den irreversiblen Abbau der Stoffwechselsysteme der roten Blutzellen bei Substratmangel notwendig. Die Hb(3)-Zellen wurden wie in unseren frfiheren Versuchen durch Behandlung der frischen Zellen mit 2,4~/oiger NaNO2-L6sung hergestellt. Sowohl die Hb(3)-, als auch die Hb(2)-Zellen wurden dann mit phosphatgepufferter isotoner NaC1-L6sung vom pH 7,3 bei 3000 U/min dreimal gewaschen und in der gleichen Salzl6sung suspendiert. Die Zellkonzentration

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tJber Stoffwechselleistungen von roten Blutk6rperchen. III. 353

betrug durchschnittlich 3 X 109 Zellen/ml und wurde dureh mehrfaches Zahlen in der Zahlkammer genau bestimmt. Die Milchsaurebestimmung erfolgte nach KUBO- WlTZ, die Brenztraubensaurebestimmung nach FRIEDEMA~ U. HAUOEN eolori- metrisch. Alle gemessenen Werte wurden auf 109 Zellen umgerechnet. Die Messung der IIb(3)-Rfiekbildung wurde entweder manometrisch im WARnvRo-Apparat oder colorimetrisch nach der Cyanid-Methode yon HAVSMA~¢, J u n o u. ISSEKUTZ durch- geffihrt. Die Versuchstemperatur war in alien Fallen 37 ° C, Substratzusatz erfolgte in der Regel nicht. Bei den manometrischen Versuchen war der Gasraum Kohlen- monoxyd, in allen anderen Versuchen Luft. Die Zellgemische waren stets aus gleichen Teilen Hb(3)- und Hb(2)-Zellen zusammengesetzt.

Ergebnisse.

I.

Aus methodischen Grfinden ffihrten wit die grundlegenden Versuche mit Kaninchenerythrocyten durch. Ausgehend yon der Vorstellung, da$ die Milchs~ure der Faktor ist, der die Hb(3)-Riickbildung im Misch-

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Abb. 1. Milchs/iurebildung, Brenztraubens~iurebildung und Meth/imoglobinreduktion in Hb(2)-Zellen, Hb(3)-Zellen und im Gemisch beider Zellarten. - - Temperatur: 37 ° C; Gasraum: Luft; ohne

Substratzusatz.

versuch beschleunigt, untersuchten wit die Milchsi~urebildung der Hb(2)- Zellen, der Hb(3)-Zellen und des Gemischs beider Zellarten. Es zeigte sich stets das gleiche Bild: Wi~hrend die Hb(2)-Zellen eine Milchs/~urepro- duktion yon 0,15 bis 0,2 ~uM/10 9 Zellen/3h aufwiesen, war bei den Hb(3)- Zellen dieser Wert wesentlich geringer; oft war die Milchsi~urebildung fast vollsti~ndig unterdrfickt (Abb. 1).

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354 H . MATTHIES, F, JUNG u n d R . SCHAFER:

Im Gemisch beider Zellarten konnte Milchs~ure hSchstens in Spuren festgestellt werden, die gesamte von den Hb(2)-Zellen des Gemischs zu produzierende Milchsaure war entweder nicht gebildet worden oder wurde wieder beseitigt.

II. Um fiber das Schicksal der Milchs~ure n~here Aufkl~rung zu erlangen,

untersuchten wir in gleichen Versuchsans~tzen das Verhalten der Brenz- traubens~ure, die bei einer Oxydation der Milchs~ure entstehen sollte.

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Abb. 2. Beschleunigung der Hb(3)-Reduktion in Ery- throcyten durch Zumischen Yon Hb(2)-Zellen im Doppelgef~B. Kurve 1 : 0 , 3 ml 0,5 m NaC1 wurden im Augenblick des Zumischens der Hb(2)-Zellen zu- gekippt. Kurve 2: An Stelle yon NaC1 wurden zum gleichen Zeitpunkt 0,3 ml 0,5 m ~a-Pyruvat zuge- gebem Temperatur: 37 ° C; Gasraum CO; ohne Sub-

stratzusatz.

W~hrend die Brenztrauben- s~urebildung bei den Hb(2)- Zellen um die H~lfte bis ein Drittel geringer ist als die Milchs~ureproduktion, ist sie bei den Hb(3)-Zellen recht er- heblich, w~hrend die Milch- s~urebildung stark zurtick- tritt . Im Gemisch beider Zell- arten finden wir die gleichen Verh~ltnisse wie bei den Hb(3)- Zellen (Abb. 1).

III .

Bei allen Versuchen wurde zur Kontrolle auch die Hb(3)- Rfickbildung verfolgt. Es er- gab sich das gleiche Bild wie bei den frfiheren Versuchen: In den Ansatzen mit Hb(2)- Zellen fand keine wesentliche Ver~nderung des Blutfarb- stoffs in den Zellen statt ; in den Proben mit Hb(3)-Zellen lief die Riickbildung des Hb(3) mit der fiblichen Geschwindig-

keit ab. Wfirde keine Beeinflussung der beiden Zellarten aufeinander be- stehen, so miiBten die Hb(3)-Werte im Gemisch dutch die Mittelwerte der Hb(3)- und Hb(2)-Zellen gegeben sein. In der Tat sind aber die ge- messenen Hb(3)-Werte betr~chtlich niedriger, ein Zeichen ffir die be- schleunigte Hb(3)-Rfickbildung durch die zugemischten I-Ib(2)-Zellen (Abb. 1).

IV. Nunmehr war noch aufzukl~ren, wodurch die unterschiedliche Be-

schleunigung der Riickbildung in Hb(3)-Zellen durch die I-Ib(2)-Zellen

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Uber Stoffwechselleistungen von roten Blutk6rperchen. III. 355

verschiedener Tierarten zustande kommt. Wenn unsere Annahme zu Recht besteht, mfil3ten das Ausmal~ der Rfickbildungsbeschleunigung und die Milchs/iurebildung in den beschleunigenden Zellen ann~hernd proportional sein, oder zumindest mfiBten sich die Zellarten bei beiden Vorg/£ngen in der gleichen Reihenfolge ordnen lassen. Zwar ergab sich keine strenge Proportionalit~t, aber es hell sich in der Tat nachweisen, dab die Kaninchenzellen, welche die st~rkste Riickbildungsbeschleunigung im Mischeffekt zeigen, auch die gr61~te Milchs~urebildung aufweisen, w~hrend die Pferdeerythrocyten, die im Mischversuch nur eine sehr geringe Beschleunigung der Rfickbildung verursachen, auch nur eine unbedeutende Milchs~urebildung haben. Die menschlichen roten Blut- zellen stehen dazwischen, sowohl, was die Beschleunigung im Misch- effekt, als auch was die Milchs~ureproduktion betrifft (Tab. 1).

Tabelle 1.

Milchs~rebfldung CO-Absorption der zngemischten

Hb(3)-Zellen zugemischte Zellen # 1/120 rain Zellen

,u M/lOgZellen/120 rain

Kaninchen Kaninchen Kaninchen Kaninchen

Pferd Hb(2) Mensch Hb(2)

Kaninchen Hb(2)

162 185 199 247

0,013 0,070 0,150

V.

Da wit in unseren ersten Versuchen gefunden hatten, da$ reticulo- cytenreiche Blutsuspensionen eine geringere Wirkung im Mischversuch entfalten als reticulocytenarme Fraktionen, untersuchten wir auch bei solchen die Milchsgurebildung. Unsere Vermutung, dab sie in den Reticulocyten geringer ist, wurde best~tigt. Reticulocytenreicheres Blut zeigt bei geringerer Wirkung im Mischversuch eine geringere Milchs~ure- produktion als reticulocytenarme Fraktionen (Tab. 2).

TabeUe 2.

I Milchs~urebildung CO-Absorption der zugemischten

Hb(3)-Zellen zugemischte Zellen 1/10' Zellen/180min i Zellen [ M/10 ~ Zellen/120 min

Kaninchen 48 Kaninchen 87 l

Kaninchen

Kaninchen-Hb(2) 2% Rc.

Kaninchen-Hb(2) 20% Rc.

64

i 0,33

! I 0,24 t

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356 H. MATTHIES, F. JUNG und R. SCHAFER:

VI.

Zum Studium des am Mischeffekt beteiligten Fermentmechanismus ffihrten wit Misehversuche im Doppelgef~B durch, bei denen wit zum Zeitpunkt der Mischung beider Zellarten brenztraubensaures Natrinm zukippten, so dab eine 0,1 molare Endkonzentration vorlag. Im Kontroll- Doppelgef~B wurde beim Mischen die gleiche Konzentration NaC1 zu- gegeben, so dab ann~hernd gleiche osmotische Bedingungen in beiden Gef~Ben herrsehten. Aus den Versuchen geht eindeutig hervor, dab die Anwesenheit yon 0,1 M Pyruvat den Mischeffekt unterdriickt, dab aber die spontane Rfickbildung ungestSrt weiterl~uft. Im Gef~B ohne l~ ruva t - zusatz zeigte sich der erwartete Mischeffekt, die Besehleunigung durch die zugegebenen I-Ib(2)-Zellen (Abb. 2).

Diskussion. Hb(3) kann in den roten Blutzellen schon ohne Zusatz eines Substrats

reduziert werden. Eine Beschleunigung dieser ,,spontanen" Hb(3)-Rfick- bildung wird dutch Glucose und Lactat unter Verbrauch dieser beiden Substrate erzielt. Andere Substrate (Glutathion, Ascorbinat) sind unter physiologisehen Bedingungen ohne Bedeutung, wie KIESE nachweisen konnte.

Am fibersichtlichsten ist die l~eduktion des Hb(3) durch Lactat, welches je Mol 2 Aquivalente Hb(3) reduziert, wobei ein Mol Pyruvat und 2 Aquivalente H+ auftreten. Diese Reaktion ist durch Pyruvat hemmbar. Glucose kann einerseits nach Phosphorylierung und Abbau bis zum 3-Phosphoglycerinaldehyd das Hb(3) reduzieren, wobei im weiteren Verlauf ebenfalls Pyruvat auftritt , andererseits kann der Abbau des Glucose-6-Phosphats nach dem von W~BURG vorgeschlagenen Schema fiber Glucons~ure undKeto-Glucons~ure unterDecarboxylierung zur Ribose ffihren und dabei mit der Reduktion des Hb(3) gekoppelt sein. Bei diesem, durch Thionin und Methylenblau aktivierbaren ProzeB tr i t t kein Pyruvat auf.

Man kann den yon uns beohachteten Mischeffekt auf Grund der ge- schilderten Versuehe als eine Wirkung der yon den Hb(3)-freien Zellen gelieferten Milchs~ure ansehen. Belege in dieser Richtung sind das Ver- schwinden des yon Hb(2)-Zellen gebildeten Lactats in Gegenwart yon Hb(3)-Zellen und die Bildung yon Pyruvat an dessen Stelle; weiter die Tatsache, dab die Summe yon Pyruvat und Lactat in allen Ansi~tzen eines Mischversuchs gleieh ist - - sowohl bei den Hb(2)-, den Hb(3)-Zellen und in deren Gemiseh (was aus Abb. 1 ohne weiteres hervorgeht), und vor allem auch die Beobachtung, daB Pyruvat den Mischeffekt hemmt. Dieser letzte Befund weist unmittelbar auf die Rolle der Milchs~ure- dehydrogenase ffir den Mischeffekt hin. In gleieher Richtung ist auch die geringere Wirkung der Reticulocyten zu verstehen, die ja starker

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atmen und weniger Milchs~ure bilden; ebenso ist auch die unterschied- liche Wirkung der Erythrocyten verschiedener Tiere zu deuten. Rein quanti tat iv stimmt auch die Menge zus~tzlich rfickgebildeten Meth~mo- globins mit dcr Menge neugebfldeten Pyruvats fiberein: So wurde in einem Versuch 0,5 ×10 -3 m~q Hb(3)/109 Zellen mehr reduziert, wenn an Stelle von 0,22 ×10 -3 mAq Lactat/109 Zellen die entsprechende Menge Pyruvat gebildet wurde.

Aus unseren Versuchen geht weiter hervor, dab der Abbau des in den Zellen vorhandenen nicht auswaschbaren Stoffwechselsubstrats zu Pyruvat odor Lactat mit der gleichen Geschwindigkeit abl~uft, unab- hi~ngig davon, ob Hb(3) oder Hb(2) anwesend ist. Somit dfirften die fcrmentativen Prozesse im Verlauf dieses Abbaus unbeeinflul3bar dutch anwesendes Hb(3) sein. Wir werden sparer mitteilen, dab aber der Schwund des nicht auswaschbaren Substrats selbst die Aktivit~t dieser Prozesse in Mitleidcnschaft zieht.

KI~SE hat zeigen kSnnen, da~ die Pyruvatbildung in Hb(3)-Zellen geringer ist, als die Lactatbildung in Hb(2)-Zellen, und betrachtet diesen Vorgang als ein Modell des Pasteure//ektes. Allerdings wurden diese Ver- suche mit Glucose als Substrat durchgeffihrt. Unsere Ergebnisse ohne Substratzusatz, die eine ~quivalenz von Lactat- und Pyruvatbildung bci Hb(2)- und Hb(3)-Zellen zeigen, widersprechen den KI~s]~schen Be- funden nicht, sondern erweitern die Kenntnisse fiber dieses Problem. FaBt man dan Pasteureffekt lediglich als Unterdriiekung der Milchs~ure- bildung auf, ohne die Pyruvatbildung zu berficksichtigen, so kann man auch in unserem Fall yon einem solchen Effekt sprechen. Ist man aber geneigt, die Hemmung der Gi~rung in ihrem Gesamtverlauf als Charak- teristikum des Effekts anzusehen, so kann man nur im KIEs~schen Ver- such diese Bedingung als erffillt anseheu. Dann w~re das verschiedene Substrat ein Hinweis auf die Natur des Effekts, und die Weiterffihrung unserer Versuche - - einmal in Richtung auf die Natur des nicht aus- waschbaren Substrats, zum anderen auf die Eigenschaften des Milch- s~uredehydrogenasesystems - - kSnnte der weiteren Aufklarung des Pasteureffekts dienen.

Wenn wir in den bisherigen Diskussionen die Milchs~ure besonders herausgestellt haben, so deshalb, weft in dem betrachteten System keine andere MSglichkeit often erscheint. Nicht ausgeschlossen wird dureh unsere Versuche, dal~ der Mischeffekt dutch eine sehnell diffusible Vor- stufe derselben zustande kommt.

Der Miseheffekt selbst hat seine Bedeutung fiir die wechselseitige Be- einflussung der Zellen und ihrer Stoffwechselsysteme, die oft nieht ge- nfigend beachtet wird. Sicherlich ist er nicht nur auf die Blutk5rperehen besehr~nkt. Unter normalen Bedingungen wird er im Organismus nur

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eine untergeordnete Rolle spielen. Ist aber im Falle einer Methamo- globinamie die Sauerstoffversorgung der Gewebe unzureichend, so werden die Zellen unter der sich entwickelnden Anaerobiose in zu- nehmendem Mai~e Milchsaure bilden, die dann die Riiekbildung des Hb(3) besehleunigt und damit zur schnelleren Wiederherstellung des Blutfarbstoffs fiihrt. Wir sehen also, da2 die Hb(3)-Rfickbildung in den Erythrocyten in ein sieh selbst regulierendes System eingebaut ist, das nur verstanden werden kann, wenn man den Gesamtorganismus mit einbezieht.

Zusammenfassung. 1. Die Beschleunigung der Hb(3)-Rfickbfldung in Erythrocyten durch

Zugabe Hb(3)-freier roter Blutzellen ist abh~ngig yon der Milchsi~ure- bildung der zugemischten Zellen.

2. Der Mischeffekt ist durch Brenztraubens~ure hemmbar. 3. Die Bedeutung der Glykolysehemmung im Erythrocyten durch

Hb(3) wird diskutiert. 4. Die Hb(3)-Reduktion in den Erythrocyten ist nur ein Glied eines

sich selbst regulierenden Systems, das der Erhaltung des Blutfarbstoffs in funktionsf~higem Zustand dient, und in das der Gesamtorganismus einbezogen ist.

Literatur. F~IEDEMANN, T. E., and G. E. HACGEN: J. of Biol. Chem. 147, 415 (1943). - -

JUNG, F., H. MATTHZES U. K. O~EN: Arch. exper. Path. u. Pharmakoh 222, 474 (1954). - - KIESE, M.: Arch. exper. Path. u. Pharmakoh 204, 288 (1947); 204, 451 (1947). - - KVBOWITZ, F. : Z. inn. Med. 7,856 (1952).

Dr. HANSJORGEN MATTIIIES, Iaatitut fiir Pharmakologie und Toxikologie der Humboldt-Universitat, Berlin.