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(Aus der Kieler Universiti~ts-Kinderklinik. -- Vorstand: Prof. •ominger.) [~ber Yerfinderungen der tIautfalte bei der Exsikkation des S~iuglings. Von J. Jochims und (L IIansen. (Eingegangen am 11. Dezember 1934.) In einer friiheren Arbeit (Jochims) 1, die sich mit den meehanisehen Krs beim Zusammenschieben einer ttautfalte an gesunden und ern~hrungsgestSrten Kindern befal~te, war aueh der eigenartige Zustand der Haut bei der alimentaren Intoxikation des S~tuglhlgs untersucht worden. I)abei stellte sich Io.lgendes heraus: Im Vergleieh zu den Normal- werten ist bei den aliment~ren Intoxikationen die Retraktionskraft der zusammengeschobenen Hautfalte betr~chtlieh erniedrigt, ws die Gesamtheit der Widerst~nde, welehe die Haut dieser Form~nderung entgegensetzt, normal oder leich~ crhSht is~. Wir kSnnen daraus sehlie- flen, dab bei der Toxikose die ttaut in zweierlei Hinsicht ver~indert ist: Die Elastizit~t ist vermindert, die Reibungswiderst~nde dagegen sind vermehrt. Die damals mitgeteilten Daten sind inzwisehen durch weitere Messungen best~tigt worden, wobei sich fiir beide Hauteigen- sehaften im ganzen noeh grSl3ere AbWeichungen yon der Norm heraus- stellten, als sie in dem damaligen Beispiel zum Ausdruck kamen 2. In Anbetraeht der kliifischen Bedeutung des Hautzustandes bei der S~uglingstoxikose erscheint es uns nStig, diesen Befunden weiter naeh- zugehen. Es fragt sich n~mlich, ob diese ttautver~nderungen ein ein- deutiges Zeichen der In~oxika~ion im engeren Sinne sind, etwa einer toxischen Seh~digung bestimmter Hautbausteine oder ob die eine oder die andere Abweichung dutch die bei der Toxikose vorhandene Exsik~ katidn, dureh einfadhe akute Aus~roeknung der Hautgewebe zustande kommt. Wir richteten daher unser Augenmerk darauf, nunmehr zum Ver- gleieh reine Exsikkationszust/~nde heranzuziehen, lm Laufe der Zeit bot sieh Gelegenheit, 5 S/~uglinge im Alter yon 8 Woehen bis 51/2 Monaten zu untersuehen, die organiseh nieht eigentlieh krank waren, aber infolge unzweekmi~l~iger Erni~hrung mit konzentrierter Kost (Buttermehl- vollmilch in calorisch geniigender Menge, aber ohne zusi~tzliche Flfissig- keitszufuhr) in einen Zustand ~ypischer Exsikkation gelangt waren: Sic 1 Jochims, J.: Z. Kinderheilk. ~6, 81 {1934). 2 Folgende neuere Messungen an typisch alimentiiren Intoxikationen seien kurz angefiihrt: G. K., 7 Wochen alt, p(! 250 g, Pr 23 g, K. B., 9 Wochen alt, Pd 190 g, Pr 35 g, G.M., 14 Wochen alt, Pd 226 g, Pr 40 g.

Über Veränderungen der Hautfalte bei der Exsikkation des Säuglings

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(Aus der Kieler Universiti~ts-Kinderklinik. - - Vorstand: Prof. •ominger.)

[~ber Yerfinderungen der tIautfalte bei der Exsikkation des S~iuglings.

Von

J. Jochims und (L IIansen.

(Eingegangen am 11. Dezember 1934.)

In einer friiheren Arbeit (Joch ims) 1, die sich mit den meehanisehen Krs beim Zusammenschieben einer t tautfa l te an gesunden und ern~hrungsgestSrten Kindern befal~te, war aueh der eigenartige Zustand der Haut bei der alimentaren Intoxikat ion des S~tuglhlgs untersucht worden. I)abei stellte sich Io.lgendes heraus: I m Vergleieh zu den Normal- werten ist bei den aliment~ren Intoxikat ionen die Retrakt ionskraf t der zusammengeschobenen Hautfal te betr~chtlieh erniedrigt, ws die Gesamtheit der Widerst~nde, welehe die Hau t dieser Form~nderung entgegensetzt, normal oder leich~ crhSht is~. Wir kSnnen daraus sehlie- flen, dab bei der Toxikose die t t au t in zweierlei Hinsicht ver~indert ist: Die Elastizit~t ist vermindert, die Reibungswiderst~nde dagegen sind vermehrt. Die damals mitgeteilten Daten sind inzwisehen durch weitere Messungen best~tigt worden, wobei sich fiir beide Hauteigen- sehaften im ganzen noeh grSl3ere AbWeichungen yon der Norm heraus- stellten, als sie in dem damaligen Beispiel zum Ausdruck kamen 2.

In Anbetraeht der kliifischen Bedeutung des Hautzustandes bei der S~uglingstoxikose erscheint es uns nStig, diesen Befunden weiter naeh- zugehen. Es fragt sich n~mlich, ob diese t tautver~nderungen ein ein- deutiges Zeichen der In~oxika~ion im engeren Sinne sind, etwa einer toxischen Seh~digung best immter Hautbausteine oder ob die eine oder die andere Abweichung dutch die bei der Toxikose vorhandene Exsik~ ka t idn , dureh einfadhe akute Aus~roeknung der Hautgewebe zustande kommt.

Wir richteten daher unser Augenmerk darauf, nunmehr zum Ver- gleieh reine Exsikkationszust/~nde heranzuziehen, l m Laufe der Zeit bot sieh Gelegenheit, 5 S/~uglinge im Alter yon 8 Woehen bis 51/2 Monaten zu untersuehen, die organiseh nieht eigentlieh krank waren, aber infolge unzweekmi~l~iger Erni~hrung mit konzentrierter Kost (Buttermehl- vollmilch in calorisch geniigender Menge, aber ohne zusi~tzliche Flfissig- keitszufuhr) in einen Zustand ~ypischer Exsikkation gelangt waren: Sic

1 Jochims, J.: Z. Kinderheilk. ~6, 81 {1934). 2 Folgende neuere Messungen an typisch alimentiiren Intoxikationen seien kurz

angefiihrt: G. K., 7 Wochen alt, p(! 250 g, Pr 23 g, K. B., 9 Wochen alt, Pd 190 g, Pr 35 g, G.M., 14 Wochen alt, Pd 226 g, Pr 40 g.

86 J. Jochims und G. Hansen:

hat ten dabei rasch an Gewicht abgenommen, hat ten meist aliment/ires Fieber, bo~en aber kein toxisches Krankheitsbild (normaler Stuhl, keine toxische Atmung, freies Sensorium, keine stehende Hautfalte). Sobald wir den Kindern wieder genfigend Fliissigkeit zufiittern konnten, nahm das KSrpergewicht rasch zu, und klang das Dtu'stfieber ab. Auch aus diesem prompten Erfolg der Flfissigkeitszufuhr geht eindeutig hervor, dab es sieh urn reine Exsikkation, nicht um Intoxika~ion gehandelt hat.

Zur Untersuchung der Hau t diente unsere kiirzlich verSffentliehte Methode (Jochims), welche die beim Zusammensehieben und wieder Loslassen der Hautfal te wirkenden meehanisehen Kr/ifte vergleichend miBt: Mit Hilfe einer einfachen App~ratur, die sich aueh weiterhin gut bew/ihrt hat, wird gemessen: a) Der Gesamtwiderstand (Pd), der nStig is~, um eine I-Iau~falte yon best immten Ausmai~en vSllig zusammen- zudrfieken, b) die Retraktionskraf~ (Pr) der ihrer normalen Lage w.ieder zustrebenden Haut , c) Die Dicke der Hautfal te (D).

I m Exsikkationszustand und in den naehfolgenden Tagen, in welehen die Exsikkation wieder abklang, wttrde t/iglich einmal zur gleichen Tages- zeit die Hau~messung ,r und zwar jedesmal an 4- -5 ver- sehiedenen Stellen der Bauchhaut zwischen Nabel und Schwertfortsatz. Von diesen Werten, die nut wenig voneinander abweichen, wurde jeweils der Mittebvert gew/~hlt.

Die Beobachtungen zeigten folgendes: W/ihrend palpatorisch sieh die Haut der Kinder in der Exsikkation nicht wesentlich anders anfiihlte als im norrnalen Zustand, deckte die" gcnaue Untersuchung mit unserem MeBverfahren in 'allen F/illen ganz eindeutige Ver/~nderungen der Hau t auf, die wieder abklingen, sobald der Durstzustand aufhSrt: Die Retrak- tionskra/t der Haut/alte ist wdihrend der Exsikkation deutlich vermindert, und der Gesamtwiderstand, der sieh der Erzeugung der Hautfal te ent- gegenstellt, ist vergrgflert. Die Dicke der Hautfal te/s sieh mlr wenig ; in den meisten F/illen ist sie w/ihrend der Exsikkation um 1/2 m m kleiner, in den anderen bleibt ilu" Wert der gleiehe.

Der HShepunkt der Hau~vers finder sich in dem Augenbliek, in welchem sieh dureh den M~ngel an Fliissigkei~szufuhr der grSi~e Gewichtsabfall zeigt. Die Veriinderungen sind dagegen nicht abh~ngig "con der KSrpertemperatur .

Diese Abweichungen yon den Normalwerten der betreffenden Kinder ]icgen aufterhalb der Fehlergrenze der Methode, sie betragen fiir Pr durch- schnittlieh - - 22 g, ffir Pd A- 19 g. Es/s sieh also p~ und Pr w/i.hrend der Exsikkation ungefi~hr in gleiehem Maile, aber in entgegengesetzter l~ichtung. Ein Beispiel diene zur n/ihcren Erkliirung:

l~all W. im Normalzustand Pa 166 g, Pr 73 g, P,I~Pr 93 g, im Exsik- kationszustand Pd 185 g, Pr 45 g, Pa--Pr 140 g.

Diese I)ifferenz Pa--Pr ist w/ihrend der Exsikkation betr/~chtlieh grOi3er als normal; sie geht auf die Norm zuriiek, sob~ld die Folgen der

~ber u der Hautfalte bei der Exsikkation des S/~uglings. 87

Exsikkose fiberwlmden sind; durchschnittlich betrug Pa--Pr w/~hrend der Exsikka~ion 162 g, im Normalzustand 119 g. Diese Differenz P a~P r ist, wie in der friiheren Arbeit angefiihrt wurde, ein MaB ffir die Gruppe der unelas~ischen Hau~widcrst/~nde. Wit linden alse w/~hrend der Ex- sikkation des Siiuglings eine betriichtliche Zunahme der unelastischen Widerstdinde der Haut anl/iBlich der Erzeugung einer Hautfalte. Diese Zunahme der unelastischen Widerst/~nde wird man zwanglos deuten k6nnen als einfache Austrockrtunffserscheinung der Hautgewebe: Dutch Verminderung der Gewebsfliissigkeit wird die l~eibung dcr einzelnen Gewebsschichten gegeneinander gr6Ber werden.

l)iese Steigerung der unelas~ischen Widcrstiindc muB sich, falls sie nicht dutch eine gleichzeitige Abnahme der elastischen Widerst~nde kompensiert wird, in einer Erh6hung des Gesamtwiderstandes aus- drficken. Auch die Abnahme der l~etraktionskraft is?5 in erster Linie hierauf zur/ickzufiihren, denn es ist einleuchtend, dab die freien elasti- schen Kri~fte, die sich in der Retraktionskraft iiul~ern, dilrch die Ver- mehrung der Reibung vermindert werden. Wir erfassen ja bei der Messung yore Pr den Augenblick, in welchem die beim Zusammenschieben der t tautfalte entwickelten elastischen Kriifte die Reibung gerade iiber- winden und so das Auseinanderweichen der Hautfalte zustande bringen.

Die eingangs gestellte Frage, ob auch schon die reine Exsikkose Ein- fluB auf die Mechanik der Haut des S/~uglings nehme, ist also zu bejahen. Vergleicht man unsere Befunde mit denen, die bei der alimentiiren Intoxikation erhoben w~trden, so zeigt es sieh, dab die Abweichungen bei beiden Zustanden der Richtung nach iibereinstimmen. Die Zunahme des Gesamtwiderstandes is~ der GrSl~e nach ungef/~hr gIeich. Dagegen ist die Abnahme der t~etraktionskraft bei der echten Toxikose viel starker (Verminderung yon Pr um 25--57 g gegeniiber der Norm). Bei der Toxikose kommen zweifellos noch tiefer grcifende Ver/inderungen der Haut hinzu, die besonders die elastischen Hautelemente betreffen. Wit wissen ja auch aus der Erfahrung, dab man eine s~ehenbleibende Hauffalte nur bei der richtigen Intoxikation, nicht abet bei tier reinen Exsikkose finder.

Zusammen/assung. Es wird die Frage aufgeworfen, ob die bei der S/iuglingsintoxikation

vorhandcnen mechanischen Veriindcrungen der t Iaut allein durch eine toxische Sch/~digung der Hautgewebe bedingt sind, oder wieweit hier ein- faehe Austrocknungserscheinungen mitwirken.

Deshalb wird das mechanische Verhalten der Haut im Verlauf einiger F~tlle yon reiner aliment/~rer Exsikkation des Sauglings untersucht. Zur Messung der hierbei auftretenden Hautver/~nderungen wird die kiirzlich yon Jochims verSffentlichte Methode beniitzt, bei welcher der beim Zu- sammenschieben einer Hautfalte auftretende Gesamtwiderstand der Haut sowie die Retraktionskraft der Hautfal te gemessen werden.

88 J. Jochims und G. Hansen.

Es zcigt sich, dal~ w~hrend der Exsikkation die Retraktionskraft betr/ichtlieh abnimmt, w~hrend der Gesamtwiderstand ungef/ihr im gleichen Mal]e ansteigt. I)iese Abweichungen gleichen sich wieder aus, sobald naeh gentigender Flfissigkeitszufuhr der Gewichtsstm'z wicder behoben ist. Mit dem aliment/iren Fieber besteht kein direkter Zusammen- hang. Diese Ver/~nderungen, die in erster Linie als Zunahme der un- elastischen, also der Reibungswidersts der Haut aufzufassen shld, entstehen unmittclbar durch die Austrocknung der Hautgewebe.

Bei einem Vergleich dieser Befunde mit denen, die wir bei der ali- ment/~ren Intoxikation erhoben, zeigt sich, dab die Abweichungen bei beiden Zust/inden der Richtung naeh iibereinstjmmen, dab aber bei der Toxikose die Retraktionskraft schwerer ver/~ndert ist. Die IIautver- /~nderungen der aliment/~ren Intoxikation enthalten mindestens 2 Kom- ponenten. Eine dieser Komponenten ist eine einfache Exsikkations- erscheinung nnd_ erkl/irt sieh daraus, dab infolge des Mangels an Gewebs- fliissigkeit die mechanische Reibung der Hautgewebe zugenommen hat.

Kiel, Universit~ts -Kinderklinik.