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V~ Aus dem Pharmakologischen Institut der Uuiversit~t Heidelberg. Uber Ver~nderungen des Stoffwechsels naeh ehroniseher Morphinzufuhr. (l~aeh Versuehen an Ratten.) Vol! Privatdozent Dr. Fritz Hildebrandt, Assistent des Inst~tuts. I. Einleitung und Fragestellung. In einem im Jahro 1911 bei dor Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforseher und Arzte gehaltonen Vortrag tiber die Basedowsche Krankheit hat Gottlieb (1) 'aueh Uber Versuehe be- richter, die im Heidelberger pharmakologischen Institut ausgefiihrt waren und eine quantitative Verfolgung der Morphinzerst~rung bei Ratten w$hrend SehilddrUsonfiitterung bezweekten. Reid Hunt (2) hatte im Azetonitril ein Reagens gefunden, dureh das sich die Wir- kung aueh kleinster Mengen yon SohilddrUsenstoffen an M~usen und Ratten verriet. Bei M~useu trat naeh Vorftttterung oiue vermehrte Resistenz gegen Azotonitril, das zu BlausSure abgebaut wird, oin. Da die EmPfindliehkeit der Tiere sieh der Blaus~ure selbst gegen- iiber nieht Anderte, ftihrte R, Hunt die Erh~hung tier Toloranz auf oine ttommung des Abbaus yon Azetonitril zuriiek. MerkwUrdigor- weiso verhalton sich Ratten umgekehrt: ihre Empfindliehkeit gegen Azetonitril wird naeh R. Hunt dureh VerfUtterung yon SehilddrUse erh~ht. Vorsuehe R. Hunts tiber die T0xizitSt you Morphin (a. a. 0.) bei normalen und sehilddrUsongefiitterten Tieren (M~use und Ratten) or- gabon oine orhShte Giftigkeit naeh SehilddrUsonfUtterung. Eine Er- kl~rung fur dieses Verhalten glaubt Hunt nicht geben zu kSnnen; or stellt lediglich die Hypothese zur Diskussion, daft ~infolge der

Über Veränderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphinzufuhr

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V~

Aus dem Pharmakologischen Institut der Uuiversit~t Heidelberg.

Uber Ver~nderungen des Stoffwechsels naeh ehroniseher Morphinzufuhr.

(l~aeh Versuehen an Ratten.)

Vol !

Privatdozent Dr. Fritz Hildebrandt, Assistent des Inst~tuts.

I. Einleitung und Fragestellung.

In einem im Jahro 1911 bei dor Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforseher und Arzte gehaltonen Vortrag tiber die Basedowsche Krankheit hat Gottlieb (1) 'aueh Uber Versuehe be- richter, die im Heidelberger pharmakologischen Institut ausgefiihrt waren und eine quantitative Verfolgung der Morphinzerst~rung bei Ratten w$hrend SehilddrUsonfiitterung bezweekten. Reid Hunt (2) hatte im Azetonitril ein Reagens gefunden, dureh das sich die Wir- kung aueh kleinster Mengen yon SohilddrUsenstoffen an M~usen und Ratten verriet. Bei M~useu trat naeh Vorftttterung oiue vermehrte Resistenz gegen Azotonitril, das zu BlausSure abgebaut wird, oin. Da die EmPfindliehkeit der Tiere sieh der Blaus~ure selbst gegen- iiber nieht Anderte, ftihrte R, Hunt die Erh~hung tier Toloranz auf oine ttommung des Abbaus yon Azetonitril zuriiek. MerkwUrdigor- weiso verhalton sich Ratten umgekehrt: ihre Empfindliehkeit gegen Azetonitril wird naeh R. Hunt dureh VerfUtterung yon SehilddrUse erh~ht.

Vorsuehe R. Hunts tiber die T0xizitSt you Morphin (a. a. 0.) bei normalen und sehilddrUsongefiitterten Tieren (M~use und Ratten) or- gabon oine orhShte Giftigkeit naeh SehilddrUsonfUtterung. Eine Er- kl~rung fur dieses Verhalten glaubt Hunt nicht geben zu kSnnen; or stellt lediglich die Hypothese zur Diskussion, daft ~infolge der

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Uber Ver~nderangen des S~ffwecbseis nach chroaischer Morphk~.~ 69

dareh die Schilddriisenfiit~er~ng erzeugten vermehrten Fettverbrennang vielleieht die Lipoide des Zen~ra.lnervensystems so ver~nder~ wtirden~ dab Gif*e, z. B. alas Yiorphia~ ~eicheer eindringen kSnnten,. E~ wS,re aber aueh miiglieh, dag wie bei Azetonitril so aaeh bei :~lorphin der Abbau dureh die Sehilddrtt~enfiitterung gehemmt wUrde, worans eine ffriiBere Giftigkeit resulfieren mtil~te. Von diesem Gedanken auso gehend, war damals im ~[eidelberg'er pharmakoloffischen Institnt ver- sueht worden, quantitati, die Zers~iirung des Morphins bei sehild- drUsengeftttterten Tieren z.u verfolgen. Dis Versuehe waren allerdings nieht zahlreieh genug, um endgtlltiffe Sehlitsse zu gesta~ten. Es lieB sieh damals zeigen, dal3 der KSrper yon solchen Ra.tten fast alles Morphia unzerstSrt enthie]L w~hrend bei normalen Tieren die Mer- phinzerst(irung 30--40 % im Durehsehnitt beta'ug'.

Bei den bier folgenden Untersuehungen war der Gedanke mai]- gebend, ob sieh in dem Stoffwechsel yon Rattan Anhaltspnnkte far eine Beziehung zwisehen Morphinwirkung und Sehilddrtisenfunk~ion ergi~ben. Die vorliegende Arbeit zerf~llt demnaeh in zwei Teile: im ersten warden die bisherigen Angaben tiber den EinflufJ der Sehild- drUsenftitterung und Thyreoidektomie auf den Stoffweehsel der Rattan naehgeprUft, im zweiten wurde die Wirkung yon Morphin untersueht und mit den vorher erhaltenen Resaltaten vergliehen.

Was den ersten Teil betrifft, liegen an neueren Untersuehungen die Arbeiten yon Abel in (3) und C r a m e r und M'Call (4, 5) vor. Abel in hat die Wirkung yon SehilddrUsenstoffen an Ratten in nUeh- ternem Zastand untersucht, wi~hrend die englisehen Forseher den EinfluB der Thyreoidektomie and SehilddrUsenftitterung bei einer Standardkost beobaehteten. Die letztere Versuehsanordnung haben auch wit bei fast allen Versuchen gew~thlt, da wir naeh einigen Tastversuehen uns klarere Resultate yon diesem V0rgehen verspraehen.

Es sei uns gestattet, kurz auf die Methodik einzugehen.

I L llethodik.

Als Versaehstiere dienten weil]e Ratten yon mittlerer GrSBe and einem Gewieht yon 110--160 g. Der Gasstoffweehsel wurde mittels des yon E. Rohde (6) zur Stoffweehsehntersuehung des WarmblUter- herzens angegebenen Apparates, tier in geeigneter Weise umgebaut wurde, bestimmt.

Die Ratte sa~ in einem Glasgefal] yon etwa 1000 cam Inhalt, in das yon oben die Luft eintrat, um uaten an der Seite auszutreten and in eine Waschflasehe mit n/10 Ba(OH)2 zu gelangen~ die die C02 abfing. Vonder Wasehflasehe ging die Luft wieder zu dem GlasgefaI] mit der Ratte. Die

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Ventilation erfolgte dureh ein mittels eines Elektromotors betriebenes Rad mit 4 Zapfen (hergestellt yon Fr. Ranne, pr~zisionsmeehanisehe Werkstatt in Rohrbaeh bei Heidelberg)~ die bei der Umdrehung des Rades rhythmisch einen Gummisehlaueh nach der dem Glasgef~fi zugekehrten Riehtung hin auspregten. Ein Entweiehen der Luft nach tier anderen Seite hin wurde dureh den n~chsten Zapfen verhindert, der den Sehlaueh gerade wieder anfing auszupressen, wenn der vorhergehende Zapfen in der Umdrehung des Rades so weir gekommen war, dag er den Sehlaueh nicht mehr be- r~ihrte. Der Schlaueh selbst lag auf einer leicht gebogenen Stahlsehien% dutch deren stttrkere oder sehwachere Spannung mittels zweier an den Enden angebraehter Sehraaben die Ventilation reguliert werden konnte. Dutch diese Vorrichtung fielen s~mfliehe sonst nStigen Ventile fort. Der fiir alas Tier nStige Sauerstoff befand sich in dem yon Rhode angegebenen 8pirometer~ einer Btlrette yon 250 ccm Inhalt, die mittels eines T-Rohres in den Kreislauf zwisehen der Ba(OH)2 und der Pumpe angesehlossen war. Dutch diese Art der Ventilation waren nur ganz geringe Drueksehwan- kungen im Apparat zu verzeiehnen. Der Vortei l der ganzen Anordnung besteht vor allem in der w i rk l i ch e x a k t e n Os-Bes t immang, da der 02-Verbraueh direkt abgelesen werden kann, w~thrend die indirekte Be- stimmung naeh H a l d a n e dureh Wagung vor nnd naeh dem Versueh doeh einige Fehlerqaellen in sich sehliel]t.

Dis Tiere warden *nit konstanter Kost gefiittert nach den Angaben yon Cramer und M'Call (a. a. 0). Sic erhielten jeweils morgens um 7 Uhr 5 g Brot und 5 g Milch~ abends 5 Uhr die doppelte Menge. Morgens wurde das Futter naeh einer 8tando, abends nach Verlauf yon 2 Standen wieder herausgenommen und dureh Zuriiekwiegen bestimmt~ wieviel ver- zehrt war. Bereits naeh wenigen Tagen waren die Ratten an die regeN magige Futterdarreiehang gewShnt und fral~en in karzer Zeit ihre Ration auf. Gasstoffweehseluntersaehungen wurden nur vorgenommen, wenn die Tiers mindestens 10 Tage diese Standardkost erhalten and die Morgen- ration vSllig zu sieh genommen hatten. Die Versuehe begannen genau 2 Stunden naeh der Fiitterung (9 Uhr) und erstreekten sieh tiber 5 Stunden. l~aeh jeder abgelaufenen Stunde wurde die Ba(OH)s geweehselt~ die yon der COs nieht gebundene Ba(0tI)2 mit n/10 HC1 zurtiektitriert und das Spirometer fl'iseh mit 02 gefilllt. Auf diese Weise wurde in Stunden- perioden die abgegebene COs und der verbrauehte Os gemessen und hieraus der Umsatz und der respiratorische Quotient bereehnet. Die m5gliehst konstant gehaltene Raumtemperatar betrug in den einzelnen Versuehen 19- -21 ~ .

Bei einigen Tieren wurde der Stickstoff im Urin bestimmt. Die yon Abe l in (a. a. 0.) zam 8ammeln des Rattenharnes angegebene Vorriehtung, bei der die Ratten aaf einem Sieb sitzen, unter dem sieh eine Sehale mit Borsalieyls~ture befindet, erwies sieh ale sehr geeignet. Es wurde jeweils der I-Iarn yon 3 oder 4 Tagen gesammelt und darin der Stiekstoff naeh der Folinschen Mikromethode bestimmt.

Durch diese Versuchsanordnung konnte der Gesamtumsatz in einer ftlnfstUndigen Periode bestimmt und auf 24 Stunden umgerechnet werden. Die sehr genaue Messang des 02-Verbrauches~ die bei

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unserer N~ethode gegentiber anderen der indirek~en 02-Be,~immung einen Vorzug bedeutet, gestx~te~e die Ermittlnng des respiratorischen Quo~ienten in sttlndlichen Wer~en. Derselbe zeigte eine regelmi~i3ige Veranderang der Stundenwerte im Sinne eines Abfalles zum ]:qUch- eernwert.

Naeh Cramer und l~?Call beginnt die Versuehsperiode unter den angefUhrten Bedingungen mit einem respiratorischen Quotienten yon 1,0 in der 3. Stunde Da.eh der F~tterung. Derselbe fallt dann langsam ab und erreich~ in q/ier 8. S~nnde den :NUchternwer~; yen 0,75~ Bei unseren l'~ormalversnchea betrng der respiratorische Quotient in der ersten Versuchsstunde (3. Stunde nach des Flitterung) etwa 0~85 his 0,90, um dann ebenfatls Iangsam im Verlauf der ni~chsten Stunden anf den Wert yon 0,73--0..78 abzusinken. Dieses yon den Angaben Cramers und M'Calls abweiehende Resultat k~innte vielle~eht ads einer anderen Besehaffenheit; des Brotes erklart werden, da wir znr FUtterung der Tiere nnr das stark ausgemahlene Kriegsbrot zur Ver- fiigung batten. Der O:-Verbraueh tier einzelnen Tiere als YlaB des Umsatzes sehwankte nicht unerheblich. Kleinere Tiere verbrauchten iin Yerh~tltnis mehr 02 als gr(iBere. Im allgemeinen betrug tier Gesamt-O=-Verbrauch auf Kilo Ratte and Stunde bereehnet bei nor- malen Tieren 1,9--2,4 g O~.

Die Cramersehen Zahlen ftir den O~-Verbraueh sind etwas hSher~ doch li~Bt sieh dieser Untersehied ohne Zwang dadureh er- klaren, dab die Raumtemperatur in seined Versuehen etwas niedriger war (16--17 ~ im Durehschnitt) als in den unseren.

Was die im Urin ausgeschiedene Stickstoffmenge anbelangt, so betrug dieselbe in der 5Term 0,13--0,15,g N pro die bei einer tag- lichen Zufuhr yon etwa 0,22 g. Die N-Bilanz war somit positiv, was sich bei normalen Tieren in einer langsam ansteigenden Ge- wichtszunah~ne auBerte.

I I L Einflnfi der Fi i t terung mi t Thyraden.

Cramer und M'Call unterscheiden bei ihren FUtterungsver- suchcn mit taglieh 1 g getrockneter Sehilddrtisc zwei Phascn: ein ~Friihstadium,, das die ersten 2--3 Tage umfaBt~ und ein ,sp~teres~ Stadium veto 3.--6. Tag der Ftittcrung. W~hrend des Frtihstadiums bleiben die respiratorischen Quotienten in den der Ftitterung naeh- folgenden Stunden langer hoch als in der Norm, d. h. sic sinken langsamer zum lqUchternwert ab, woraus die Verfasser auf eine ge- steigerte Verbrennung der dargereiehten Kohlehydrate schlieBen. Eine Steigerung des Gesamtumsatzes tritt wiihrend dieser Periode nicht

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ein, dagegen im ,spi~teren, Stadium. DaB bei fortdauernder Schild- drtisenftitterung langsam und allm~hlich eine Steigerung des Umsatzes eintritt, hat aueh Abe l in (a. a. 0.) beobaehtet. Auch die Kurve der stUndlieh bestimmten respiratorischen Quotienten iindert sieh im �9 splitereu~ Stadium, d. h. vom 3.--6. Tage der Ftitternng an. Das Maximum des respiratorisehen Quotienten, das sonst in der 3. Stunde naeh der Ftitterung liegt, ist verschoben und liegt in der 4., 6. oder 7. Stunde. Dasselbe erreieht naeh den der Arbeit yon C r a m e r und M'Cal l beigegebenen Kurven in sieben Versuehen' nnr~ einmal den sonst normalen Wert yon 1,0, in s~tmtliehen anderen liegt es tiefer, zum Teil sogar sehr erheblieh (viermal unter 0,9). Die Kurve des re- spiratorisehen Quotienten verliiuft abgeplattet, der in der Norm gleieb naeh der 3. Stunde einsetzende Abfall bleibt aus. Die meisten Kurven bewegen sieh auf- und absteigend um den Wert yon 0,8 herum. Die Verfasser deuten dies im Sinne einer Bildung yon Kohlehydraten aus Eiweil] und mSglieherweise aus Fett. Das gebildete Kohlehydrat werde abet nieht angelagert, sondern sofort verbrannt. ,Je mehr Eiweil~ oder Fett in Kohlehydr.at verwandelt nnd dann verbrannt wird, um so mehr wird die Kurve des respiratorisehen Quotienten herabgedriiekt. Ein geringer Anstieg der Kurve sagt daher, dab eine verh~ltnism~tl]ig grol]e Menge Eiweil~ oder Fett in Kohlehydrat ver- wandelt und als solehes verbrannt wird, w~thrend ein hoher Anstieg bedeutet, dab das verbrannte Kohlehydrat haupts~ehlieh aus dem im Futter p#,texistierenden oder im 0rganismus vorhandenen stammt.~ Eine direkte Verbrennung yon Eiweil~ und Fett nehmen sie deshalb nieht an, well die Endprodukte des endogenen Eiweil]stoffweehsels naeh SehilddrUsenfUtterung unveritn(tert bleiben.

Unsere eigenen Versuehe erstreeken sieh auf zwei Ratten, yon denen eine bei konstanter Kost mit t~tglieh zweimal 0~5 g Thyraden (der Firma Knoll, Ludwigshafen) gehalten wurde 1). Die zweite erhielt ebenfalls Thyraden (nur 15--20 nag" pro die) und wurde jewefls in nUehternemZustand mindestens 12 Stunden naeh der letzten iNahrungs- aufnahme untersueht. Von der ersteren liegen zwei lqormalversuehe vor und vier Versuehe a m 2., 4 , 7. und 9. Tage der Flitterung mit Thyraden; yon tier zweiten ebenfalls zwei Normalzahlen und flinf Versuehe naeh Thyradenfiitterung. Die Resultate des einen Versuches seien kurz in Tabellenform mitgeteilt. Die erste Kolonne enth~tlt die Angaben, weleher Tag der Thyradenflitterung vorliegt, die zweite

1) Eine dem in Thyraden festgestellten Stickstoff entsprechende Menge Brot. - - Milch wurde weniger verfiittert.

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das Gewieht, die 15 folgenden snthalten ftir die ftinf Versuehsstunden je die Zahlen tiber verbrauehten Sauerstoff, erzeugte Kohlens~iure (beides in mg) und den respiratorischen Quotienten, die n~iehsten den Gesamtverbraueh an O~ und Gesamtproduktion an C02, dis folgenden 02 und C02 pro Kilo und Stunde berechnet, die letzte die bl-Zahlen im Urin (s. Tabelle 1).

Aus der Tabells ersieht man, dab in den zwei Normalversuehen vet der ThyradenfUtterung der Gesamt-O:-Verbraueh des Tieres in den fUnf Versuchsstunden der gleiche war (1387 und 1386 rag). Die abgegebene C02-Menge war bei dem ersten I~ormalversueh (10. XI.) um 56 mg grSBer, also nur eine geringe Differenz. Der respiratorisehe Quotient war im zweiten Normal~ersuch etwas niedriger; er erreiehte bereits in der zweiten Versuchsstunde (4. Stnnde naeh der Ftitterung) den l~Uehternwert, um in der 5. Stunde wieder auf 0,813 anzusteigen. Der EinfiuB der ThyradenfUtterunff machte sich bereits am zweiten FUtterungstag geltend: der Gesamtverbraueh yon 02 stieg auf 1605 mg in den fUnf Versuehsstunden. Der respiratorische Quotient war noeh anni~hernd der gleiehe, nur zeigte el, in der 5. Stunde den sehr nied- rigen Wert yon 0,655. Am 4. Tage der ThyradenfUtterung war das Tier arts Versehen morgens nieht gefiittert worden und muBte des- ha lb in nUehternem Zastand untersucht werden. Der Gesamtumsatz war weiter im Steigen begriffen (1842 mg), der respiratorische Quotient sehr niedrig, 0,66--0,69 (da das Tier ntichtern war, mugte naturgemiiB der respiratorische Quotient wiihrend des Versuches konstant bleiben). Am 7. Tag der Thyradenftltterung war der Verlauf des respiratorisehen Quotienten fast invers: in der ersten Versuchsstunde sehr niedrig, 0,76, und dann langsam ansteigend auf 0,82. Der Gesamtumsatz war der glsiehe wie im vorhergehenden Versueh (in der 3. Ver- suehsstunde war ein Versehen mit der 02-Bestimmung vorgekommen, der Gesamtumsatz ist aber trotzdem zur besseren Ubersicht auf ftinf Stunden bereehnet). Das Tier hatte in der Zwisehenzeit etwa 20 g abgenommen, verhielt sieh aber sonst ganz normal. A m 9. Tag war sine weiters Gewiehtsabnahme um 15 g festzustellen~ der Gesamt- umsatz hatte etwas abgenommen, pro Kilo and Stunde bereehnet war jedoeh sine weitere Zunahme festzusteUen. Der respiratorisehe Quotient war erheblieh hSher als in den vorhergehenden Versuehen und bewegte sieh zwisehen 0,82 und 0,895 ebenfalls im Gegensatz zur Norm mit steigender Tendenz. Was die N-Ausscheidung im Urin betrifft, so sieht man, dal] dieselbe vor der Thyradenfiitterung sehr regelmliBig war (etwa 0,14--0:15 g N pro die). In den ersten drei Tagen der ThyradenfUtterung bleibt dieselbe gleieh; veto 4. Ftitterungs-

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~ag dagegen steigt sie auf das Doppelte (0,3 g N pro Tag), yore 7. bis 10. Tag sogar auf 0,34. g N.

Die ersten 2--3 Tage brinffen demnaeh auBer einer Erh~hung des Gesamtumsatzes keine deutliehe Ver~nderung des Stoffweehsels. Yon da an steigt tier Gesamtumsatz weiter; tier respiratorisehe Quotient bleibt niedrig, sogar niedriger, als der einer normalen Ratte, nm dann eiwa yore 7. Tage an zugleieh mit dem Ansteigen des Harnstiek- stories wieder hShere Werte, and zwar invers dem normalen Verlauf des respiratorisehen Quotienten zu erreiehen. Berechnet man, wievid des Gesamtkalorienverbrauehe~ auf EiweiB einerseits und auf Fett und Kohlehydrat andererseits entfallt, so ergibt sieh, dalt vor tier Thyradenfiitterung bei einem K atorienbedarf yon 5,14 Kalorien in den fiinf Versuehsstanden 14:.6 ')/0 des Umsatzes yon der Verbrennung yon Eiweil3 herrtihren, am 9. Tag der ThyradeufUtterung bei einem Kalorienbedarf yon 6,34- Kalorien daffegen 250/o , also fast das Doppelte.

Die mit der zweiten Ra~te angestellten ~lqiiehternversuehe, er- geben dasselbe Resultat und seien daber nieht besonders mitgeteilt.

Bei Ratten flihrt demnach die Ftitterung mit Thyraden zu einer Steigerung des Umsatzes, was j a aueh A b e l i n und Cramer und M'Cal l beobaebtet hubert. Auf diese fur SehilddrUsenzufuhr eharak- teristisehe Stoffweehselwirkung brauchen wit nieht n~her einzugehen, da sie sehon lange bekannt und yon vielen Seiten besehrieben ist.

Wie hoeh ist nun der Anteil der einzelnen lqahrungsstoffe an dieser Stoffweehselsteigerung? Werden Eiweil~, Kohlehydrat nnd Fett in gleiehem MaB zu der erh~hten Verbrennung herangezogen? Die Antwort auf diese Frage gibt uns der respiratorisehe Quotient. Seine geringe tt~he deutet darauf hin~ dal~ die Verbrennung des Zuekers nieht erh~ht ist. Da aueh - - wenigstens in den ersten Tagen der Sehilddrtisenft i t terung- die N-Ausseheidung im ttaru nieht ansteigt, mtissen wi~r sehliegen, dab zun~ehst eine erhShte Fettzersetzung statt- findet. Im weiteren Verlauf der ThyradenfUtterung kommt es zu einer Steigerung des Harnstiekstoffs, w~hrend gleiehzeitig der respiratorisehe Quotient Werte yon tiber 0,8 annimmt. Dies weist darauf hin, daft yon jetzt ab aueh das giweiB st~trker beteiligt ist, naehdem die Fett- depots ersehSpft sind.

Die Befunde stehen in vSlliger Ubereinstimmung mit den Sehild- drtisenftitterungsversuehen an gunden yon SehSndor f f (7 ) . Dieser bestimmte neben dem Gewieht die Stiekstoff-und Wasserbilanz eines Bundes, der woehenlang unter konstanter FUtterung gehalten wurde, deren Kalorienwert bekannt war. Die anf~tnglieh auftretende Steige- rung der N-Ausseheidung im Ham war naeh seiner Ansieht ,;dureh

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eine vermehrte Ausscheidung yon Harnstoff und anderen N-haltigen Extraktivstoffen, bedingt. Da das im Stiekstoffgleichgewicht befind- liehe Tier auf SchilddrUsenfUtterung keine Steigerung der ~-Aus- scheidung zeigte, audererseits abet sein KSrpergewieht betraehtlich abnahm, schloB Seh~ndorff , dab die yon anderen Autoren bei SchilddrUsenfUtterung festgestellte Steigerung tier Oxydationen zu- naehst auf Kosten des K~rperfettes stattfinde. Erst nachdem der Fettbestand auf ein gewisses Minimum herabgesunken war, wurde auch das EiweiB angegriffen. F. Voit (8) dagegen fand ein paralleles Ansteigen der N-Ausfuhr im Ham mit der Steigerung der COs- Produktion. Beim Vergleich der Wirkung yon Thyreoglandol auf die ~-Ausseheidung normaler hungernder Hunde mit anderen vollwertigen SehilddrUsenpraparaten beobachtete Ab olin (9) ein versehiedenes Ver- halten zweier untersnehter Tiere: wahrend der eine auf eine im Laufe yon mehreren Tagen injizierte Menge yon 60 ccm Thyreo- glandol eine machtige Steigerung der Iq-Ausfuhr zeigte, blieb bei dem anderen die doppelte Menge vSllig wirkungslos. Zu dem gleiehe= Resultat ftihrte Ft!tterung mit Borroughs Welleome-Tabletten. Das Versagen der Wirkung auf die N-Ausseheidung mull unseres Eraehtens. nieht unbedingt als Wirkungslosigkeit Uberhaupt aufgefaBt werden,

�9 da ja ebenso gut die Umsatzsteigerung zun~ehst dutch Fettverbrennunff gedeekt werden konnte. Das gleiehe k~nnte man fur die sich wider- spreehenden Angaben bei normalen Mensehen annehmen~ bei dene~ einige Autoren, wie z. B. Dennig , BUrger, Anderson und Berg- mann eine ErhShung der ~-Ausscheidung fanden, wahrend Seholz, Zinn~ Richter und Pfei f fer eine solehe Steigerung vermiBten (Magnus-Levy~ Handbueh d. Path. d. Stoffw. yon C. v, lqoorden 1907, Bd. 2). Ebenso gut kSnnte allerdings eine individuell versehiedene Empfindliehkeit gegenUber SehilddrUsensubstanzen bestehen, was ja aueh yon vielen Seiten angenommen wird.

Mit den Versuehen Cramers und M'Calls stimmen unsere Er- gebnisse ttberein, was die Steigerung des.Umsatzes betrifft, dagegen ergeben sieh Unterschiede im Verlauf des rospiratorischen Quotienten, bzw. eigentlieh mehr in der Deutung desselben. Die Deutung der englisehen Autoren geht aus yon Untersuehungen yon Cramer und Krause (10), die ergeben hatten, dab FUtterung mit SehilddrUse naek 2--3 Tagen zu einem vollkommenen Sehwund des Leberglykogens fUhrte, obgleieh die Tiere (Ratten und Katzen) eine kohlehydratreiehe Kost erhalten hatten. Glykosurie war nieht eingetreten and so or- gabon sieh fa r die Untersueher drei MSgliehkeiten: entweder der Ausfall der glykogenbildenden Funktion der Leber war kompensiert

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~)ber Verg~derungea des Stoff~,eehsels ~ach chro~tischer ~[orphinzufuhr. 77

dutch eine erhShte Glykogenfixar in den Muskeln, oder das Sehild- drUsenhormon hat einen direkten steigernden Einflug auf die Kohle- hydratverbrennnng, oder die Kohlehydrate werden in Fett verwandelt und als solehes abgelagert. Die Ietzte N~gliehkeit glaubten die Ver- fasser aussehliel~en zu kSnnen, weil bei SehilddriisenfUtterung im Gegenteil das rasehe Versehwinden des Fettes eine wohlbekanate Tatsaehe ist. Da ferner naeh Untersuehnngen Krauses (11) eine Vermehrung des Muskelglykogens bei SehilddrUsenfiitternng ebanfalls niaht eintritt, blieb naeh Ansieht der Verfasser nur noah die dritte NSgliehkeit Ubrig, dal~ die Sehilddriisanfatternng eine direkte stei- gernde Wirkunff auf die Kohlehydratoxydation ansiibe. Nun ergibt siah aber aus unseren eigenen Versu.ehen~ dab nieht die Kohlehydrat-, s.ondern die Fettverbrennung gesteigert ist, denn der respiratorisehe Quotient ist niedriger als in den Normalversuehen. Gegen die Auf- i-~assung yon (?ramer and N'Cal l sprieht ferner, dug bei Ityper- fufiktion der Schilddrlise (Basedowsehe Krankheit, und aueh bei sehilddrtisengeftttterten Hunden) eher eine verminderte Toleranz tar Kohlehydrate besteht, die zn der bekannten thyreogenen Glykos- urie flihrt.

Wie eingangs erwahnt~ deafen Cramer und M'Call die in ihrea im ~spateren~ S~adium der Sahilddrtisent'titterung auftretanden nied- rigen respiratorisehen Quofien~en yon etwa 0,80 etwas gezwungen in dam Sinne, dab ,Eiweig and Fett in Kohlehydrat umgewandelt und dann als solehes verbrannt wird~, yon einer Umwandhng yon EiweiB in Fett kann abet kaum die Rede sain, da hierbei eine Ver- mehrung des Itarnstiekstoffes auftreten mUgte, w a s - wenigstens in tier ersten Zeit der Ftitterung - - nieht eintritt. Man mUgte demnaeh nur das Fett als Kohlehydratbildner in Erw@ung ziehen. Naah nnserer Ansieht liegt es viel naher, einfaeh eine vermehrte Fett- verbrennung anzunehmen. Das yon Cramer und Krause naeh SehilddrUsenflitterung beobaehtete Versehwinden des Glykogens aus der Leber k~nnte so gedeutat werden, da$ infolge der vermehrten Fettverbrennung Glykogen in Fett verwandelt and als solehes ver- brannt wird. Die Annahme ware nieht yon tier Hand zu weisen, dab zwisehen den Fett- and Glykogendepots ein gewisses Gleiah- gewieht basttinde. Wird unter dem Einflng der SehilddrlisenfUtterung viel Fett verbrannt, so verwandelt siah Glykogen in Fett. Die Fett- verbrennung und die Umwandhng yon Glykogen in Fett wtirde so lange dauern, bis die Depots an beiden Resarvestotten erseh~pft sind, worauf aueh das Eiweil] in erhShtem Umfang zur Deekung des Be- duffs herangezogen wird.

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78 V. FRITZ HILDEBRA.NDT.

U n s e r e V e r s u e h s e r g e b n i s s e bei S e h i l d d r u s e n f U t t e r u n g d e c k e n s ieh somit v~illig mit der wohl al lgtemein a n e r k a n n - ten Annahme , dab bei H y p e r f u n k t i o n der Seh i ldd r t i s e der Umsatz s t e ig t u n t e r h a u p t s a e h l i c h e r Verbrennungt yon Fet t .

IV. Einflufl der Thyreoidektomie. Auch bei dem EinfluB der Thyreoidektomie unterseheiden Cramer

und M'Cal l (a. a. 0.) zwei Stadien: in der zweiten Woche naeh der Operation tritt eine Herabsetzungt des Gesamtumsatzes ein. Der re- spiratorisehe Quotient bleibt bei drei yon den vier nntersuchten Ratten langter hoeh als in der Norm 7 bei der vierten fallt er schneller ab als in den vorher angestellten Normalversuchen. Die hiiheren respi- ratorisehen Quotienten deuten die Verfasser in dem Sinne, ,daB die relative Menge der verbrannten Kohlehydrate im Verhiiltnis zu der yon EiweiB und Fett grSBer ist als beim normalen Tier,<. Im sp~iteren Stadium~ naeh etwa 21/2 Woehen, steigt der Gesamtumsatz wieder an und der respiratorisehe Quotient sinkt auf normale Werte herab. Von einem Hypothyreoidismus ki~nne man nut wKhrend der ersten zwei Wochen spreehen, da naeh dieser Zeit dureh einen kompensa- torisehen Meehanismus - - ob H..ypertrophie zurUekgebliebener Sehild- drUsenreste oder vikariierende Ubernahme der Funktion dureh andere endokrine DrUsen, lassen die Verfasser often - - der normale Znstand wieder hergtestellt wird.

An eigenen Untersuehnngten liegen im gtanzen 15 Versuehe an vier Ratten vor, die si~mtlieh eindeutigt verliefen. Es gtenUgt daher, die Versuehe an einer Ratte kurz in Tabellenform (die Einteilung der Tabelle ist die gleieh% wie bei den oben mitgteteilten Versuehen) mitzuteilen (s. Tabelle 2).

Der Gesamtumsatz der Ratte in der Norm war in einem Vor- versueh festgestellt auf 1450 mg 02 in 5 Stunden. Der Erfolgt der Thyreoidektomie zeigtt sich zun~ehst in den ersten drei Woehen naeh der Operation in einer Herabsetzung des 02-Verbrauehs (1327 mgt a m 9. Tag p. op., 1377 mg am 12. Taft, 1314 mgt am 19. Tag). Der respiratorisehe Quotient weist gegten die Norm sehr stark erhiihte Werte auf: er betr~gt am 9. Tag in der 3. Stunde nach der FUtterungt 1,14, am 12. Tag 1,10. Am 9. Taft bleibt er wiihrend der ganzen Versuehsperiode auf ann~hernd 1~0 stehen, am 12. Tag zeigt er einen langtsamen Abfall, tier niedrigtste Weft aber 7 den er in der 7. Stundo erreieht~ ist 0,88, also ein Weft, den sonst eine normale Ratte, z. B. in tier 3. Stunde, aber niemals so spat naeh der Ftitterungt aufwies. Am 19. Tag beginnt der Verlauf des respiratorisehen Quotienten sieh

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Uber Ver~inderungen des S~offwechsels aach chroaischer Morphinzafah~. 79

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80 V. FRITZ HILDEBRAI~DT.

wieder mehr der Norm zu n~thern, 24 Tage naeh der Thyreoidektomie ist eher wieder eine leiehte Erh~hung festzustellen, aber 30 Tage naeh der Operation ist sein Verlauf wieder derselbe wie bei einem normalen Tier. Gleiehzeitig mit dieser langsamen Rtlekkehr des respiratorisehen Quotienten zur lqorm hat sieh der Gesamtumsatz der Ratte wieder auf ann~thernd normale Werte erh~ht.

Die N-Ausseheidung im Urin, die bei einer anderen thyreoidekto- mierten Ratte 9. l/2 Woehen lang verfolgt wurde, ergab normale Zahlen yon 0,13--0,15 g 1~1 pro Tag. Der E iwe iBs to f fweehse l wird also yon der T h y r e o i d e k t o m i e n ieh t beeinflul] t .

Bei einer weiteren Ratte wurde versueht, ob der hohe respira- torisehe Quotient dttreh ThyradenfUtterung heruntergedrUekt werden kSnne. Dies war in der Tat der Fall: es gelang dureh t~tg- lieho Darreiehung yon i g Thyraden nneh 3 Tagen den erh~hten respiratorisehen Quotienten auf normale Werte zu bringen und zu- gleieh den 02-Verbraueh yon 1440 auf i490 mg in 5 Stunden zu heben.

Fassen wir die Ergebnisse dieser Versuehe zusammen, so sehen wit zuniiehst eine tIerabsetzung des Stoffweehsels eintreten. Dies steht im Einklang' mit den Versuehen Cramers and M'Calls und aueh mit den klinisehen Befunden an Mensehen mit herabffesetzter Sehilddrtlsenfnnktion (Myxiidem). Bei Ratten ist dies aber kein dauernder Zustand; naeh einiger Zeit - - meistens 3--4 Woehen steigt der 02-Verbraueh wieder an and kehrt zn normalen Werten zurUek. Aueh die charakteristisehen Ver~tnderungen im Verlauf des respiratorisehen Quotienten~ auf die wir spiiter eingehen werden, zeigen dasselbe Verhalten. Die Thyreoidektomie fUhrt demnaeh bei Ratten nut vortibergehend zu dem Bild der Athyreosis, was ja aueh Cramer und M'Call hervorheben. Bekannt ist ja, dab diese Tiere die Thyreo=Parathyreoidektomie sehr gut vertragen~ und dab die Tetanie, wenn sie iiberhaupt auftritt, einen auffallend ehronisehen Verlauf zeigt (12). Wit selbst haben bei unseren operierten Tieren in ihrem Verhalten niehts Abnormes feststellen ktinnen. Aueh eine Verminderung der spontanen Bewegliehkeit, die man far eine tterab- setzung des Stoffweehsels verantwortlieh maehen kiinnte~ war nicht bemerkbar.

Das Ansteigen des Stoffweehsels zur Norm 3--4 Woehen naeh der Operation ktinnte man vielleieht darauf zurtiekfUhren~ dab andere endokrine DrUsen naeh einiger Zeit die Funktion der Sehilddrtise mit Ubernehmen, da wir bei der Sektion unserer Tiere makroskopiseh keine zurUekgebliebenen SehilddrUsenreste feststellen konnten. Man ktinnte dabei an die Hypophyse denken~ die bei Hunden, die die

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Uber Ver~inderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphiazufahr. 81

Entfernung der Sehilddriise lange Uberlebten, nicht selten das zwei- bis dreifaehe der normalen G rSl]e betr@t (13).

Wie bereits oben erw~hnt, zeigt aueh der Verlauf des respira- torisehen Quotienten eharakteristisehe Ver~nderungen naeh Thyreoid- ektomie, und zwar gehen dieselben tier Herabsetzung des O2-Ver- brauchs parallel: in der ersten Zeit naeh der Operation im Stadium der Verminderung des Umsatzes sehen wit eine starke Erh~hung des respiratorisehen quotienten, mit der RUekkehr des Stoffweehsels zur Norm nimmt aueh der respiratorisehe Quotient wieder normale Werte an. Wir mtissen also sehliel]en, dab beide Vorgi~nge eharakteristiseh far den Ausfall der SehilddrUsenfunktion sind.

Die Erh~hung des resplratorisehen Quotienten weist darauf hin, dab die Verbrennung der Kohlehydrate gesteigert ist. Ein vermehrter Eiweil]zerfall findet nieht start, denn die N-Zahlen im Urin sind die gleiehen wie vet der Thyreoidektomie. Die Herabsetzung des Stoff- weehsels ist nieht so erheblieh, dab bei gleiehbleibender N-Ausfubr pro- zentual ein grOBerer Tail EiweiB auf den Gesamtkalorienbedarf entfiele.

Worauf ist nun diese Erh~hung der Kohlehydratoxydation zurtiek- zufiihren? Es bestehen drei M~gliehkeiten; erstens kann es sieh um eine prim~re Steigerung der Verbrennung der im Futter vorhandenen Kohlehydrate handeln, oder die Fixation der Kohlehydrate als Gly- kogen in der Leber ist gest~rt~ die Kohlehydrate werden nieht zu Olykogen synthetisiert und fallen zum Tell vermehrter Verbrennnng anheim, zum Tail erseheinen sie im Ham, oder als letzte MSgliehkeit ware an eine verst~rkte Mobilisierung des Leberglykogens zu denken, wobei ebenfalls Zueker im Ham erseheinen mtil]te. Gegen die beiden letzten Annahmen sprieht, dab wit bei nnseren Ratten niemals Zueker im Harn naehweisen konnten und dab tiberhaupt bei thyreoidekto- mierten Tieren keine Neigung zu Glykosurie besteht. So geht aus Versuehen R. Hirsehs (14, 15) an thyreoidektomierten Hunden hervor, dab erst Zueker in den Flarn ausgesehieden wird; wenn die Tiere die Symptome der beginnenden Tetanie zeigen. Dureh Nebensehild- drUsen vor der Tetanie gesehUtzte Tiere weisen eher eine Erh~hung der Toleranz auf. Ebenso zeigten Eppinger , Falt/~ undR udinger (16), dab naeh reiner Thyreoidektomie niemals Zueker im Ham auftritt und die Verftitterung selbst sehr groBer Zuekermengen ohne Glykos- urie vertragen wird. Eine St~rung der Glykogenfixation in der Leber ist ebenfalls nieht anzunehmen, denn Cramer und M'Call (a. a. O.) haben festgestellt, dab das Leberglykogen naeh Thyreoidektomie nieht niedriger ist als in der :Norm. Die MSgliehkeit. einer St~rung der G lykogenfixation uud die einer verst~trkten Zuekermobilisierung

Archly f. experiment. Path. n, Ph~rmakot. Bd. 92. 6

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8 2 V. FRITZ HILDEBRANDT,

k~nnen wir daher wohl ausschlieBen. Am wahrseheinlichsten ist unseres Erachtens eine primRre Ste igerung der 0xyda t ion der Koh lehydra te als Folge der Schi lddrUsenentfernung.

Anders deuten Cramer und M'Call ihre Resultate. Am Sehlusse ih re r Arbeit fassen sie die Ergebnisse folgendermaBen zusammen:

�9 Bei Ratten bewirkt die Entfernuuff der SehilddrUse und der Neben- schilddrtisen keine sehweren Veriinderungen des Stoffwechsels. Zuerst tritt eine Herabsetzung des gesamten Stoffweehsels ein~ weleher spRter ein kompensatoriseher Anstieg folgt. Die Kurven der CO~-Aussehei- dung und der O~-Aufnahme sowie der respiratorisehe Quotient unter- seheiden sieh in keinem wesentliehen Punkt yon denen bei normalen Tieren., BezUglieh der Herabsetzung des Stoffweehsels haben w i r ihre Resultate bestiitigen kZiunen. Beim Verlauf des respiratoriseheu Quotienten haben wit bei genauerer Betraehtung zwar die gleichen Hiihen desselben erhalten~ doeh weieht unsere Erkliirunff yon der ihrigen ab. Wie im Eingang der Arbeit erwiihnt, zeigen sehon die Normalversuehe Cramers und M'Calls einen hShereu Verlauf des

�9 1 respiratorisehen Quotienten als die unsengen. Die Folge davon ist~ dab den eng!isehen Forsehern eine weitere Erhiihung des respira- torisehen Quotienten nieht sehr auffallen konnte~ da sie gewisser- maBen yon einem hZiheren Nullpunkt der Kurve ausgingen. In unseren Versuehen kam jedoeh die Steigerung des respiratorischen Quotienten viel deutlieher zum Augensehein~ da wir in der Norm niedrigere Werte als die englisehen Autoren erhalten batten.

Zusammenfassung yon III. und IV.

Uberblickeu wir nochmals den EinfiuB yon SehilddrUsenfiitterung und Thyreoidektomie und Vergleiehen wir unsere Resultate mit denen yon Cramer und M'Call~ so ergibt sich Folgendes~: Unsere Ver- suehe deuten d a r a u f h i n , daft bei Thyradenf t i t t e rung eine vermehr te Fe t tzerse tzung s ta t t f indet , bei sehi lddrUsenlosen Tieren dagegen eine vermehr te Oxydation der Kohlehydra te . Cramer und M'Call dagegen sehlieflen aus ihren Versuehen bei SehilddrUsenfUtterung auf eine starke ErhShung der Kohlehydrat- verbrennung , bei sehilddrUsenlosen Tieren dagegen auf eine geringr Erhiihung. Wit kiinnen ihrer Deutung nieht zustimmen und finden bei genauer Betrachtung der yon ihnen beigegebenen Kurven unsere Deutung aueh flit ihre Versuehe wahrscheinlieher. A priori ist es aueh nieht anzunehmen~ dab SehilddrUsenfUtterung und Athyreosis~ abgesehen yon der Anderung des Gesamtumsatzes~ zu den gleiehen Anderungen im inueren Getriebe des Stoffweehsels ftlhren sollten.

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1Jber Ver~inderungen des S~offwechsels nach chrouischer Morphinzufuhr. 83

Eine BrUeke fur d~z Yerstiindnis der Vorgange lieBe sich viel- leieht in der Annahme findea~ dab SehilddrUsenftitterung und Thyreoid- ektomie ihren EinfluB auf den Stoffweehsel tiber die Leber aus- iibten. Wie oben erwiihnt~ haben Cramer and Krause (a. a. 0.) festgestellt, dab bei Sehilddriisenftitterung die Leber glykogenfrei ist~ bei sohilddrtisenlosen Ratttn dagegen normale Mengen in ihr gefunden werden. Die Ursache dieser Erseheinung ktinnte man in einer unter der Einwirkung yon Sehilddrtisenstoffen verringerten pder aufgehobenen Fixation des Glygokens suchen. Viele Aatoren vertreten die Ansicht, dab der Zueker, der in der ].~ahrung dem Organismus angeboten wird, erst zu Glykogera aufgehaut werden muB, um ftir die Verbren- nung im Ktirper geeignet zu werden (17). Bei Aranahme dieser Hypo- these ware der Vorgang bei der SehilddrUsenfUtterung folgender: Die Fixation des der Rathe mit der blahrung dargebotenen Kohle- hydrates zu Glykogen ist ersehwert, da diese Fabigkeit der Leber verandert ist. Der Zueker muB also lgnger als in der ~Torm im Blur kreisera~ da er r solange er nieht tiber die Glykogenstnfe gegangen ist, nieht verbrarant werden kann. Die Folge hiervon ware der nied- rige respiratorisehe Quotient. In Araalogie hierzu wtirden die Versuehe Bangs an FIungerkaninehen (18) stehen, bei welehen ja aueh die Hyperglykamie raaeh intraveraSser Trauberazuekerinfnsion vora langerer Dauer and griiBerer absoluter Htihe ist als bei gutgenahrten Tieren, wobei aragenommen wird, dal~ die Eigensehaft der Leber, Zucker als Glykogen zu fixieren, verandert ist, da dieselbe nur geringe Mengen enthielt (19). DaB die Glykogenbildung nieht vtillig erlosehera ist~ geht aus Versuehen yon E. F reund rand Popper(20) hervor, die bei Hungerhunden in einem Tel] ihrer Falle neugebildetes Glykogen vorfanden, bei anderen allerdings keines.

Zur Begrtindurag unserer Anraahme ktinnte man aueh Versuehe yon TSgel, Brezina and Darig(21) heranziehen. Sie untersuehten die kohlehydratsparende Wirkung des Alkohols. Die Versachsperson stand unter sehr kohlehydratreieher Kost; es war also eine gate Ftillnng der Glykogendepots anzunehmen. Jeweils zu Beginra des Versuehes warden 100 g Dextrose verabreieht and hierauf COz and O2 mittels der Zuntzsehen Methode bestimmt and daraus tier respi- ratorisehe Quotient bereehnet. Eine halbe Stunde raaeh tier Zueker- einnahme stieg der respiratorisehe Quotient and erreiehte naeh etwa 2 Sturadea den Weft yon 1,0. Hatte nun die Versuehsperson am Tage vor dem Versueh, entgegen tier sonstigera Anordnung, ange= strengte Mnskelarbeit (Turnen) verriehtet, so stieg der respiratorisehe Quotient nieht so hoeh an. Die Verfasser zogen hieraus den SehluB,

6*

Page 17: Über Veränderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphinzufuhr

84 V. FRITZ HILDEBRANDT.

dab wegen reiehlieherer Ablagerung yon Glykogen im ganzen weniger Traubenzueker verbrannt wurde.

Bei den thyreoidektomierten Rattan wlire das Gegenteil der Fall: Das Glykogendepot der Leher ist gut geftillt, der der Leber zu- strSmende Zucker wird sofort" zu Glykogen aufgebaut and gleieh- zeitiff - - wir mUssen ja annehmen~ dab zwisehen Glykogenbildung nnd Abbau in Glykose ein Gleiehgewieht b e s t e h t - wird yon der Leber Glykogen bzw. Glyko~e ins Blut abgegeben and sofort ver- brannt,worauf der hohe respiratorisehe Quotient zurllekzufUhren ist. Aneh hierfUr w~ren die Bangsehen Versuehe anzaftihren~ die bei wohlgenahrten Kaninehen bei Traubenzuekerinfnsioneu eine uur knrze uud verhaltnism~Big niedrige Hyperglyk~mie ergaben (s. oben), uud die ebenfalls oben zitierten Versuehe yon TOgel, Brezina nud D urig, die bei wohlgeftilltem Glykogendepot ein sofortiges Ansteigen des respiratorisehen Quotienten auf 1,0 erhielten. Sehr gut vereinbar mit nuserer Auffassuug ist die ~eignng zur Glykosurie bei tiyper- thyreoidismus und die ErhOhung der Toleranz fur Zneker bei ttypo- bzw. Athyreosis.

Y. Einflufi dor chronisehen Morphinzufuhr.

An i~lteren Untersuehungen tiber die Wirkung des Morphins auf den Stoffweehsel liegen die Arbeiten yon v. B o e ck (22) sowie v. B o e ek und Bauer(23) vor. Die Versuehe, die an Hunden and Katzeu ans- geftihrt sind, betreffeu den EinfluB ein- oder mehrmaliger kleiner Dosen yon Morphin~ die direkt vor dem Versneh injiziert warden. Sie beobachteten geringen N-Ansatz und bei Hunden eine Herab- setzun~ der C02-Produktion und O~-Aufnahme 7 bei Katzen eine Steigerung beider. Dies lliBt sich dutch den bei diesen Tierarten verschiedenen Effekt (bei Handen Narkose, be i Katzen Erregung) nngezwungen erkli~ren. Von Interesse fur unsere sp~tter zn ent- wickelnde Auffassung ist eine yon ihnen am Tage nach der Morphin- injektion beobachtete Steigerung der C02-Ausscheidung, die die u fasser so zu erkli~ren suehen, dab ,naeh der Morphiunarkose anf die Verminderung der Erregbarkeit bei der Herstellung zur Norm vorher ~ eine Steigerung der Erregbarkeit der Zentralorgane und der Nerven tiber die Norm folge~.

Naeh H. F reund (24) geht die Wirkung von Morphia anf Wi~rme- regulation and EiweiBumsatz parallel:' kleine Dosen yon Morphin~ die �9 kaum zu einer Herabsetzung der KSrpertemperatur fUhren, b~- dingen eher eiue Verminderung der N-Ausfnhr, wiihrend groBe Dosen

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Uber Ver~uderungeu des S~off~vechsels nach chronischer Morphin~ufuhr. 85

mit mehrstUndiger Untertemperatur eine erhebliche Stelgerung des EiweiBumsatzes hervorrufem

Den Effekt chr0nischer Morphinzufuhr auf die Stickstoffausschei- dung hat neuerdings S c h il b e 1 (25) au Hunden studiert. Er fan 4 w~hrend der Gew~hnung an das Gift eiae positive N-Bilanz. Den Gasstoff- wechsel hat er nicht untersucht.

Wir selbst haben den Einflufi der chronischen Morphinzufuhr an insgesamt 8 Ratten in 22 Versuchen untersucht. Die Halfte dieser Tiere befand sich in konstanter FUtterung, w~hrend die vier anderen wechselnde Kost erhielten nnd jeweils in nUchternem Zustand min- destens 12 Stunden nach der letzten FUtterung in Versuch kamen. Die Morphinimmunisierung wurde nach den Angaben RUb s a men s (26) mit langsam ansteigenden Dosen vorgenommen. Begonnen wurde mit einer Dosis yon etwa 10 mg pro 100 g, auf der HShe der Immuni- sierung wurden taglich 60--100 mg Morphin. hydrochlor, pro 100 g Ratte injiziert. Besonders in den ersten 8 Tagen der Immunisierung war die FreBlust sehr vermindert, die Tiere verzehrten oft kaum die H~lfte der ihnen gebotenen Brot-Milch-Ration. Sonst verhielten sich die Tiere, wenn sie einmal an Morphin gewShnt waren, auch auf hohe Dosen hin bereits nach 1--2 Stunden wieder vSllig normal. Die RUckenhaut, unter die die Injektionen vorgenommen wurden~ wurde trocken und sprSde und verlor stellenweise die Haare.

Zun~chst sei fiber die an vier Ratten w~hrend der Immunisierung in nUchternem Zustand angestellten Versuche berichtet. Es handelt sich um junge, noch im Wachstum begriffene Tiere. Am 18. VI. war mit den Morphininjektionen begonnen worden. Die Tiere nahmen bis Anfang Juli, wo ihr Stoffwechsel in zwei~tUndigen Versuchen untersucht wurde, alle um 15--20O/o an Gewicht zu, ein Zeichen dafiir, dab sic in ihrem Wachstum nicht wesentlich durch die chro- nische Morphinzufuhr gehemmt wurden.

Die Resultate seien kurz in Tabellenform mitgeteilt:

�9 Beginn der Morphinimmunisierung am 18. VI. 1920.

Nr, der Ratte

1. Ratte

Letzte Injektion am 14. VII.

Datum des

Versuchs- I tags

2. VII. 13. VII. 16. VII.

T 20. VII.

Gewicht in g

86 96 92 86

Pro Kilo In 2 Stunden und

Stunde

t q. J t co2 308 580 582 579

i 314 ~ 0,731 2,61 2,60 674 0,84 t3,02 3,51 606 0,753 3,17 3,30 603 0,753 3,36 3,51

Page 19: Über Veränderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphinzufuhr

86 V. FRITZ HILDEBRANDT.

Datum des Gewicht In 2 Stunden

Nr. der Ratte Versuchs- in g tags

2. Ratte . . . . . . . . . . 5. VII. 9. VII.

3. Ratte . . . . . . . . . . 6. VII. 10 VIL

4. Ratte . . . . . . . . . . 7. VII. Letzte Iniektion am 12. VII. 16. VII.

86 90

80 80

73 67

02 COp R.Q.

39~ 362 0.66 457 506 01817

359 36.~ 0:73 ! 603. 679 0,82

317 339 0774 495 514 0,75

Pro Kilo und

Stunde 02 C02

2,31 2,06 2,49 2~81

2.25 2,27 3,95 4,28

2,17 2,32 3,7 3,86

Der Gesamtumsatz ist bei allen vier Tieren an den jeweils e r s ten u (vielleicht mit Ausnahme der ersten) etwas herabgesetzt: 2fll~ 2,31, 2,25 und 2,17 g 02 pro Kilo und Stunde. Normale, im Waehstum begriffene junge Ratten haben ungefiihr einen Umsatz yon 2~6--2,8 g 0~. Die zur Zeit dieser ersten Versuche den Tieren tlig- lieh injizierte Morphinmenge betrug 40--50 mg pro 100 g Ratte. Der respiratorisehe Quotient hat um diese Zeit noch keine Anderung erfahren. Anders etwa 8 Tage spi~ter! Indessen war die tligliehe Morphindosis auf 80--100 mg pro 100 g Tier gesteigert worden. Nun fand sich der Umsatz gegen die Norm betri~chtlieh erhi~ht, und der respiratorisehe Quotient wies Werte yon 0,817--0~84 auf, also eine erhebliche Steigerung. Naeh Aussetzen der Injektionen (Ratte Iund IV) blieb der Umsatz noch stark erh(iht~ w~thrend der respiratorisehe Quotient wieder zur Norm zuruckkehrte.

Zu den gleichen El, gebnissen fiihrten Versuehe an mit Brot und Milch gefUtterten Ratten~ die in gleieher Weise wie die in den frUher angefUhrten Versuehen in 5-Stundenperioden untersucht wurden:

Ratte I hatte vor der Morphinimmunisierung bei einem Gewicht y o n 140g einen 02-Verbraueh yon 1541 mg (2~2 g 02 pro Kilo und Stunde). Nach 10 Tagen Morphinzufuhr (Steigerung wiihrend dieser Zcit yon 20 auf 40 mg pro die) ist der Umsatz noeh der gleiche. Das Gewieht hatte allerdings um 13 g abgenommen~ so dab bei Be- rechnung auf Kilo und Stunde eine Erhiihung festzustellen wiire. Nach weiteren 5 Tagen (inzwisehen Erh~ihung der Morphindosis auf 60 mg) ist der Umsatz bedeutend gefallen, auf 1204 mg O~ in 5 Stunden. Der respiratorisehe Quotient zeigt sehr eharakteristisehe Ver~inde- rungen: wAhrend er in der Norm in der 3. Stunde naeh der Ftitterung einen Wert you 0,824 aufgewiesen hatte, betrAgt .er nach 10tiigiger Morphinzufuhr 0,917~ nach weiteren 5 Tagen sogar 1,06. Aueh die Werte der folgenden Versuchsstunden zeigen eine betr!tehtliche Er-

Page 20: Über Veränderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphinzufuhr

Uber Vor~,nderungen de~ Stoffweehsels nach chronischer Morphi.nzufuhr. 87

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Page 21: Über Veränderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphinzufuhr

88 V. FRITZ HILDEBRANDT.

hShung gegen die l~orm. Die h~chsten Zahlen finden wir naeh 15t~tgiger Morphinbehandluug.

Analog den Verh~tltnissen bei dieser Ratte sehen wir bei der zweiten, in der Tabelle angefiihrten am 20. Tag der Morphinzufuhr (40 mg t~tglieh) einen sehr hohen respiratorisehen Quotienten bei einem Umsatz yon 1268 mg 02 (2,1 g 02 pro Kilo und Stunde), also Er- niedrigung des Stoffweehsels, und am 33. Tag cbenfalls einen hohen respiratorisehen Quotienten mit inzwisehen trotz 16 g Gewiehts- abnahme erh~hten Umsatz yon 1320 mg (2,51 g O~ 'pro Kilo und Stunde). Wie bei den vier niichtern untersuehten Ratten fiihrt also die ehronisehe Morphinzufuhr zun~tehst zu einer Erniedrigung des Stoffweehsels, die naeh 3--4 Woehen in eine Erh~hung iibergeht.

Die im Har~ bei einer anderen Ratte untersuehte N-Aussehei- dung zeigte w~thrend der ersten 10 Tage der chronisehen Morphin- zufuhr keine Erh~hung~ trotzdem der respiratorisehe Quotient bereits hohe Werte angenommen hatte. Vou da an war ein gewisses Schwanken der N-Werte festzustellen, die bald eine Erh~hung um etwa 500/0 , bald wieder ein Abfallen zu normalen Werten erkennen liel~en. Auf die Deutung dieses eigenttimliehen Verhaltens Will ieh erst sp~tter~ bei den Versuehen tiber die Morphinempfindlichkeit ein- gehen.

Wir kSnnen bei der Betraehtung der Resultate dieser und aUer anderen Versuehe tibereinstimmend-drei Befunde feststellen:

1. Eine Herabse t zung des S to f fweehse l s , -die sieh nieht ohne weiteres erkl~iren l~tBt. In Betraeht k~me fur die Deutung die narkotisehe Wirkung des Morphins und eine Anderung des ganzen Verhaltens der Tiere im Sinne einer verminderten spontanen Beweg- liehkeit. FUr beides ist keinerlei Anhaltspunkt vorhanden, denn, wie oben erwShnt, haben w i r e s stets unterlassen, am Versuehstag selbst eine Injektion vorzunehmen, um nieht dureh die akute narkotisehe Wirkung unsere Ergebnisse zu trUben. Eine Nachwirkung an dem tier Injektion folgenden Tag dUrfte aber ausgesehlossen sein, da die Tiere beim Beginn der ehronisehen Morphinzufuhr sieh etwa naeh 10--12 StUuden, im weiteren Verlauf der Gew~hnung sogar schon naeh 1--2 S tunden erholt hatten. An den Versuehstagen maehten unsere Ratten einen ganz normalen Eindruek und waren yon ge- wShnliehen Tieren in ihrem Verhalten in. keiner Weise zu unter- scheiden. Das Gewicht blieb w~hrend der Morphinimmunisierung lange Zeit gleieh, bei manchen (junge, wachsende Ratten) nahm es sogar etwas zu~ bei einigen ausgewachsenen Tieren war eine geringe Abnahme festzustellen.

Page 22: Über Veränderungen des Stoffwechsels nach chronischer Morphinzufuhr

Uber Ver~inderungea des Sloffwechsels aaeh ehronischer hiorphinzufuhr. 89

2. Im E n d s t a d i u m der M o r p h i n i m m u n i s i e r u n g - meistens naeh etwa 4 W o c h e n - trat pl~itzlich ein rapider Gewiehtssturz ein~ die Tiere wurden kaehektisch und zu gleieher Zeit s t ieg der S to f fweehse l ganz e rhebl ieh tiber die Norm.

3. Beide Wirkungen weisen darauf hin, dab die chronisehe Morphinzufuhr in irgendeiner Weise in den Stoffweehselmeehanismus eingreift. Dies ergibt sieh aaeh aus der Beobaehtung des respira- torisehen Quotienten. Er ist im Vergleich zur Norm s ta rk erhSht. Es li~Bt sich also der gleiehe Befund feststellen wie bei den thy- reoidektomierten Tieren. Auch hier erheben sieh wieder dieselben Fragen: primiire Steigerung der Kohlehydratverbrennung~ gestSrte Glykogenbildung oder versti~rkte Mobilisierung des Glykogens. Als weitere MSgliehkeit ware eine, vermehrte CO~-Ausseheidung (als Folge einer CO:- Retention darch die narkotische Wirkung des Morphins) an dem der Injektion folgenden Tage zu diskutieren. Betraehten wir zuniichst diese letzte M(igliehkeit, so erseheint sie uns nieht geeignet7 den hohen respiratorischen Quotienten zu erkli~ren. Trafe dieselbe zu, so mUBte man besonders in der ersten Zeit der MorphingewShnung, d. h. sehon naeh den ersten Injektionen~ einen besonders hohen respiratorischen Quotienten erwarten, da die Erholung yon der akuten Morphinvergiftung mit dem Grad der Gewiihnung immer schneller von.statten geht, womit eine immer kiirzere C02-Retention verbunden ware. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall: je welter die Mor- phinimmunisierung vorgeschritten ist~ um so hiihere respiratorische Quotienten werden beobaehtet.

Wie verhalt es sich nun mit der gestSrten Glykogenfixation und der verstiirkten Mobilisierung des Glykogens ? Gehen wit wieder yon der Vorstellung aus, dab der Zueker far die Yerbrennung im Organis- runs nicht geeignet ist, wean er nicht von Glykogen herrtihrt~ so ist eine StSrung der Glykogenfixation nicht wahrscheinlieh~ denn dann diirfte der respiratorisehe Quotient nieht hoeh sein, da das dem Or- ganismus angebotene Kohlehydrat dann nur sehwer verbrannt werden kiinnte. Die MSglichkeit einer verstiirkten Mobilisierung erseheint zuniiehst sehr plausibel, da ja naeh Morphin oft Glykosurie beobaehtet wird. Bei genauerer Uberlegung wird aber auch diese Annahme hin- fallig: Aus Versuehen Luzzatos(27) an Hunden und Kaninchen geht hervor~ dab erstens stark toxisehe Morphindosen angewandt werden mtissen, um eine Glykosurie zu erzeugen~ wobei gleiehzeitig ein ganz erheblieher EiweiBzerfall stattfindet. Ferner handelt es sich nur um eine vortibergehende Erseheinung~ die mit dem AufhiJren der Morphin- wirkung versehwindet, und drittens, was fur uns das Wichtigste ist 7

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90 V. FRITZ HILDEBRANDT.

es gelingt dureh vorsiehtige GewShnung an Morphin das Auftreten tier Glykosnrie vSllig zu verhindern. Wie oben erwahnt, haben wir an den Versuehstagen selbst keine Injektionen vorgenornmen. DaB abet an dem tier Injektion folgenden Tage das Morphin noch zucker- mobilisierend wirken sollte, ~ ist hSchst unwahrseheiulieh und naeh Luzzatos Versuehen auszusehliel3en. AuBerdem haben wir stets mit geringen Dosen bei der Immunisierung begonnen und hierbei keine Glykosurie beobaehtet, was wiederum mit Luzzatos Versuehen in Einklang steht. Es sprieht somit alles dagegen, dal~ der hohe respira- torisehe Quotient dutch verst~rkte Zuekermobilisierung zu erklaren ware. Vie lmehr mUssenwir annehmen, dab as sieh um eine p r imare S te igerung in tier Verbrennung der Koh lehyd ra t e handelt .

u Chronische Morphinzufahr wirkt wie Thyreoidektomie. Vergleiehen wir die Wirkung der chronischen Morphinzufuhr mit

der yon Thyradenftitterung und Thyreoidektomie, so ergibt sich, da[~ die langere Zeit durchgefiihrte Morphinbehandlung auf den Stoff- weehsel der Ratten im gleiehen Sinne einwirkt wie die Entfernung

der SehilddrUse. In beiden F~llen tritt eine Herabsetzung des Stoff- weehsels auf, die wir ebenso in beiden, Fallen mit groBer Wahrschein- liehkeit auf eine prim~ire.Steigerung der Oxydation der Kohlehydrate zurUekfUhren konnten.

Es fragte sieh nun, ob aueh noch in anderer Beziehung Thyreoid- ektomie und langere Zeit fortgesetzte M0rphindarreichung im gleiehen Sinne wirken.

Wir haben oben gersuehe an thyreoidektomierten Ratten erwahnt, in denen der hohe respiratorisehe Quotient dutch Thyradenftitterung herabgedrUekt und der Gesamtstoffweehsel gehoben wurde. Wenn as nun gelingt, aueh bei morphingew~hnten Tieren dureh Thyraden das- selbe zu erreiehen, so ware eine weitere Analogie gefunden. Dies war in der Tat der Fall:

Der respiratorisehe Quotient der betreffenden Ratte war am 12: Tage der Morphinzufuhr in den 5 Versuehsstunden 1,04, 0,984, 0,98, 0,87 und 0,80 gewesen. Bei gleiehbleibender Dosis des taglieh injizierten Morphins wurde 3 Tage lang taglieh 2 g Thyraden ver- fUttert. Daraufhin war am 4. Tag der Verlauf des respiratorisehen Quotienten erheblieh niedriger: 0,904, 0,803 und 0,758 in den ersten 3 Versuehsstunden. Trotz starker Gewiehtsabnahme (22 g in 4 Tagen seit Beginn der ThyradenfUtterung)war aueh der Gesamtumsatz ge- stiegen. In je 3 Stunden vor der Morphinzufuhr 880 mg 02, am

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Uber Ver~nderungen des S~o~echsels nach chron~scher Morphinzufohr. 91

12. Tage der Morphinimmunisierung 779 rag, nach 3 Tagen Thyraden- fUtterung plus Morphin 813 m~. Bei Berechnung auf Kilo and Stunde wi~re der Ausschlag bei 22 g Gewichtsverlust natUrlich crheblich grtil]er,

Zweitens war die Empfindlichkeit ~egen 02-Mangel zu prtifen.

VII. Empfindlichkeit gegen 02-Mangel. Aus Versuehen der Asherschen Schule (28, 29~ 30) geht her~'oL

dab sehilddriisengeftitterte Ratten eine ~uBerst gesteigerte Empfind- lichkeit gegen O~-Mange] aufweisen, schilddrtisenlose dagegen den O2-Mangel verhi~ltnism~Big sehr gut vertragen. Wenn sich nun ehro- niseh mit Morphia behandelte Ratten gleich thyreoidektomierten Tieren verhielten, so war eine weitere Sttitze gewonnen. Die Versuchs- anordnung war die gleiche wie die yon R ipps t e in (a. a. 0.) ange- gebene. Es warden jeweils zwei Ratten - - eine thyreoidektomierte oder mit Morphia behandel~e and eine normale - - nnter die Glas- gloeke gebracht and dana langsam der Unterdruck erzeugt. Urn subjektive Fehler auszuscbalten, wurde immer eines der Tiere dureh einen Farbenfleek gekennzeiehnet; die Benrteilung" der Sebwere der Symptome wurde neutralen Be~obaehtern Uberlassen, die nicht wul]ten~ welehe der beiden Ratten mit Farbe gezeichnet war. Die Befunde Ashers konnten in vollem Umfang best~itig~ werden. Thyraden- gefiitterte Tiere gingen bereits bei einem Druek zugrunde, bei dem nermale noch verh~tltnismiil]ig leichte Symptome boten. Umgekehrt waren thyreoidektomierte Tiere deutlich yon normalen zu unterscheiden. Charakteristiseh war allerdings hauptsi~ehlich das Endstadium bei einem Druek yon 350--300 mm Hg. Bei htiheren Drueken w~thrend der ersten 5 Minuten des Versuches war das Verhalten der Tiere oft wechselnd. Sie sal]en 5fters anscheinend stark mitgenommen da~ um kurz darauf wieder ]ebhaft umherzulaufen und nach einem Aus- weg zu suchen. Dagegen war bei den niederen Drucken der Unter- schied zwisehen normalen und thyreoidektomierten oder morphin- immunen Tieren unverkennbar.

Zur Illustration diene folgendes abgekUrztes Protokoll:

I. VII. Morphinratte, 143 g Gewicht. Am 18. VI. Beginn tier Immunisierunff. Tiigliche lnjektion you 80 raft. Am

Versuchstage keine Injektion

Dyspnoe . . . . . . . . . . . . . . Dyspnoe, sitzt in normaler tialtung .

Druck

450 380

Normale Ratte~ 160 g Gewieht

Dyspnoe. Sehr starke Dyspnoe, liegi flach

auf dem Baueh.

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92 V. FRITZ HILDEBRANDT.

1. VII. Morphinratte, 143 g Gewieht. Am 18. VI. Beginn der Immunisieruug. Tiigliche Injektion yon 80 rag. Am

Versuchstage keine Injektion

Noch spontane Bewegungen. Keine Ataxie

Sofortige Erhohng . . . . . . . . .

Druc

330

305

Druck zur [orm L ~

Normale Ratte, 160 g Gewicht

Ataktisch.

Schnappende Atmung, mori- bund.

Kri~mpfe, dann allmi~hliche Er- holung.

Zum gleichen Ergebnis ftihrten zwei weitere Vergleiehsversuehe an morphinimmunen and normalen Ratten.

Aueh bezUglieh ihrer Empf ind l i chke i t gegen 02-Mange1 verha l ten sioh also ehronisch mit Morphin behande l te und thy reo idek tomie r t e Rat ten gleieh.

VIII . Versuche fiber Morphinempfindliehkeit.

Es blieb nun noch Ubrig nachzuprtifen, ob bei thyreoidektomierten und thyradengefiltterten Ratten eine Anderung der letalen Dosis yon Morphin eintritt. Olds (31) konnte keine ErhShung der Resistenz bei sehilddrUsenlosen Ratten gegen Morphin feststellen~ doeh dUrften seine7 mit unseren Versuehen nicht tibereinstimmenden Resultate darauf zurtiekzuftihren sein, dab er die PrUfung bei fast allen Tieren (bei 23 Ratten 21mal) mindestens 14 Tage naeh der Operation vor- nahm, w~hrend wit Ratten verwendeten, die etwa 6--8 Tage vorher thyreoidektomiert waren. Unsere Versuehe sind allerdings nieht zahl- reich genug~ um ein wirklich sieheres Urteil darUber abzugeben, ob tatsiiehlieh dutch SchilddrUsenentfernun~ eine Herabsetzung der Emp- findlichkeit eintritt.

Zu bemerken ist bier noeh, dab wir nur solehe Tiere als an der Morphinvergiftung gestorben bezeichnen, die w~thrend der akuten Erseheinungen zugrunde gingen. Es wurde n~mlieh anfangs (ifters beobaehtet~ dab manehe Tiere, die sieh naeh etwa 12 Stunden an- seheinend vSllig erholt batten, am ni~chsten oder uberniichsten Tage pliitzlieh wieder sehwere Symptome (Kr~mpfe) zeigten. Es stellte sieh abet bald heraus~ dab dies keine direkte Morphinwirkung war. Wir fanden n~mlieh bei der Sektion dieser Tiere regelmi~Big eine

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Uber Veriinderungen des Stoffwechsels nach chronischer hIorphiazufuhr. 93

bis zum Platzen gefiillte ttarnblase, so dal] wit annehmen miissen, daft dieselben an einer Ur~mie infolge Sphinkterenkrampfes der Blase eingegangen sind. Durch diesen Befund werden aueh die wechselnden ~N-Zahlen im Urin wahrend der Morphingew(ihnung verst~ndlich, denn wir beobachteten fast immer bei Steigerung der Morphindosis zu- n~iehst ein Abfallen der lq-Zahlen, die dann bei gleiehbleibender Dosis wieder anstiegen. Dutch eine Ufinretention lassen sieh diese wechselnden Zahlen ungezwungen erkl~ren.

Wir lassen nun die Versuehe in Tabellenform folgen.

Einmal injizierte Morphindosis

in MoHCI pro 100 g Ratte

in mg

40 50 60

100 120

Normalo

Zahl der ge- [

injizierten storben lebend Ratten

2 0 2 5 1 4 4 1 3 4 2 2 4 3 1

Zahl der injizierten

Ratten

Thyreoidektomierte

go- storben lebend

0 0 0 3 0 3 2 0 2 3 1 2 5 2 3

ThyradengefUtterte

Zahl der injizierten ge-

Ratten storben lebend

2 2 0 2 2 0

ThyradengefUtterte Tiere zeigen naeh der Tabelle eine bedeutend erhShte Empfindlichkeit; 40--50 mg wirken sehon absolut tSdlich~ eine Dosis, die normale Ratten noeh recht gut vertragen. Man sieht aber auch aus der Tabelle, dab bei normalen Ratten die individuelle Empfindlichkeit auflerordentlich stark schwankt. Aus diesem Grunde wurden bei Vergleichen yon normaten und sehilddriisenlosen Ratten immer Tiere yon demselben Wurf und derselben Gr(iBe verwandt. Die sehilddrUsenlosen Tiere zeigen eine leiehte Herabminderung der Empfindliehkeit~ die minimale letale Dosis beg'innt bei ihnen erst etwa bei 100 rag: w~ihrend yon normalen bereits bei 50--60 mg einige der akuten Verffiftung erliegen. Die letale Dosis wird also naeh oben verschoben.

Beziiglieh der Sehwere der Vergiftung hatten wir den Eindruek~ als ob die sehilddrtisenlosen Tiere im allgemeinen nieht so sehwer vergiftet waren. Aueh trat die Erhohnff im Durehsehnitt schneller bei ihnen ein.

Ferner wurde noeh geprtift, ob Ratten, die in ihrer Immunisierung gegen Morphin sehon weit vorgesehritten waren und eine Dosis yon 60--70 mg ohne starkere Vergiftungserscheinungen vertrugen, das Morphin sehleehter ertrUgen~ wenn auf der Hi, he der Immunisierung

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94 v. FRITZ HILDEBRANDT.

Thyraden verfiittert wurde: aueh diese Annahme best~tigte sieh; drei soleher Tiere gingen bereits naeh dreitagiffer Thyradenftitte- rung ein.

Es ergibt sieh somit deutlieh, dab die Empfindliehkeit gegen Morphin dureh SehilddrUsenzufahr gesteigert, durch Entfernung der Sehilddriise in geringem MaSe vermindert wird.

Z u s a m m e n f a s s u n g .

Es h a b e n s ich s o m i t e i n e R c i h e y o n k n a l o g i e n e r g e b e n filr d e n S t o f f w e c h s c l s c h i l d d r U s e n l o s e r u n d c h r o n i s c h m i t M o r p h i n b e h a n d e l t e r R a t t c n . t t e r a b s e t z u n g d c s S t o f f w e c h - se l s , h o h e r r e s p i r a t o r i s c h e r Q u o t i e n t , d e n w i r in b e i d e u Fi~l lcn m i t g r o f i e r W a h r s c h e i n l i c h k c i t a u f e i n e p r i m K r e S t e i - g e r u n g d e r V e r b r e u n u n g d e r K o h l e h y d r a t e z u r i i e k f i i h r e u k o n n t e n , f e r n e r H e r a b d r i i e k e n des h o h e n r e s p i r a t o r i s e h e n Q u o t i e n t e n d u r e h T h y r a d e n f i l t t c r u n g u n d v e r m i n d e r t e E m p - f i n d l i c h k e i t g e g e n S a u e r s t o f f m a n g e l .

O f f e n b a r h a n d e l t es s i e h um den g l e i e h e n M e e h a n i s m u s . Solange wir aber nieht wissen, in welcher Weise im einzeInen die Schilddriise und der SchilddrUsenmangel in das "Getriebe des Stoff- wechsc ls , namentlich in das des intermedi~iren eingreift, liiBt sich nichts dariiber aussagen~ wie der Parallelismus zu erkl~tren ist.

0b zwischen dem Einflul~ der SchilddrUsenlosi.gkeit und dem der ehronisehen Morphinzufuhr nur eine weitgehende Ahnlichkeit besteht oder ob man annehmen soll, dab die Wirkung des Morphins auf den Stoffweehsel iiber die SchilddrUse - - im Sinne einer Hemmung ihrer Funktion - - geht, m~chteu wit dahingestell t sein lassen.

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